Urteil des BPatG vom 02.03.2005

BPatG: geographische angabe, geographische bezeichnung, geographische herkunftsangabe, stadt, eugh, unterscheidungskraft, freihaltebedürfnis, werbung, bauwerk, zukunft

BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 258/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 15 919.3
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 2. März 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Albert so-
wie des Richters Reker und der Richterin Eder
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde wird der Beschluß der Markenstelle für Klas-
se 32 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 14. Juli 2003
aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist die Bezeichnung
UlmerMünster
für die Waren und Dienstleistungen
„Biere, Biermischgetränke, alkoholreduzierte und alkoholfreie Biere,
bzw. Mischgetränke; Mineralwässer und kohlensäurenhaltige Wäs-
ser und andere alkoholfreie Getränke; Fruchtgetränke und Frucht-
säfte; alkoholische Getränke außer Bier; Wein, Spirituosen, Sekt;
Verpflegung und Beherbergung von Gästen, Partyservice“
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 32 hat diese Anmeldung zurückgewiesen. Der ange-
meldeten Bezeichnung stehe ein Freihaltebedürfnis entgegen. Das Ulmer Münster
sei ein weltbekanntes kirchliches Bauwerk und Kulturerbe. Damit sei unter der An-
gabe „Ulmer Münster“ immer auch die Verbindung zu der Stadt Ulm zu verstehen
und die angemeldete Bezeichnung damit eine mittelbare geographische Angabe.
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Diese Schlußfolgerung lasse sich auch der Entscheidung „Chiemsee“ des EuGH
entnehmen, die deutlich mache, daß die Eintragung jeglicher geographischer Be-
zeichnung verboten sei, wenn sie als Herkunftsangabe für die betreffende Waren-
gruppe „in Verbindung gebracht“ werden könne. Dies sei hier der Fall, denn die
beanspruchten Waren und Dienstleistungen würden ohne jeden Zweifel auch in
Ulm hergestellt und angeboten. Der angemeldeten Bezeichnung fehle auch jegli-
che Unterscheidungskraft, denn das angesprochene Publikum werde der Marke
einen Hinweis auf das entsprechende Bauwerk und die Stadt Ulm, nicht aber ei-
nen Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb oder den Hersteller der so
gekennzeichneten Waren entnehmen. Sei nämlich der Sinngehalt einer Marke
allgemein verständlich, so besitze sie keine Eignung, als betrieblicher Herkunfts-
hinweis zu dienen. Auch die enge Nebeneinanderschreibung der beiden Wortbe-
standteile führe nicht zu einem anderen Ergebnis, denn das sei in der Werbung
bereits gängig und werde als einfaches Stilmittel im Zweifel unbemerkt bleiben.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit der Beschwerde, mit der sie die Aufhe-
bung des angegriffenen Beschlusses begehrt. Das Ulmer Münster sei ein be-
kanntes Bauwerk in Ulm. Dies rechtfertige aber eine Zurückweisung der Anmel-
dung nicht. Der Verkehr stelle keine zergliedernde, analysierende Betrachtung an
und werde die angemeldete Marke als Phantasiebezeichnung verstehen. Sie sei
weder eine unmittelbare noch mittelbare geographische Angabe. Aus der Ent-
scheidung „Chiemsee“ könne nicht abgeleitet werden, daß bei Begriffen, die al-
lenfalls als mittelbare geographische Herkunftsangaben in Betracht kommen
könnten, ein konkretes aktuelles Freihaltebedürfnis nicht erforderlich sei. Soweit
ein zukünftiges Freihaltebedürfnis zu berücksichtigen sei, müßten dafür konkrete
Feststellungen getroffen werden. Da die Bezeichnung „Ulmer Münster“ für Bier
nicht beschreibend und auch kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache
sei, das vom Verkehr laufend verwendet werde, sei sie als bloßer Hinweis auf ein
Gebäude phantasievoll und besitze ausreichende Unterscheidungskraft.
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II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet. Der angemeldeten Bezeichnung stehen
keine Eintragungshindernisse im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG entge-
gen.
Bei der angemeldeten Bezeichnung handelt es sich bereits nicht um eine freihal-
tebedürftige, geographische Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG. Nach dieser
Vorschrift sind von der Eintragung Marken ausgeschlossen, die ausschließlich aus
Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr zur Bezeichnung der geographi-
schen Herkunft der Waren oder der Erbringung der Dienstleistungen dienen kön-
nen. Dabei sind nicht nur die aktuellen Gegebenheiten zu berücksichtigen, son-
dern es ist auch zu erörtern, ob eine entsprechende beschreibende Verwendbar-
keit der fraglichen Angabe vernünftigerweise in der Zukunft zu erwarten ist (EuGH
GRUR 1999, 723; Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdnr 308 ff mwN). Da-
bei ist als geographische Herkunftsangabe regelmäßig der Ort der Herstellung der
Waren bzw der Erbringung der Dienstleistungen anzusehen. Ein Indiz für ein ent-
scheidungserhebliches Freihaltebedürfnis kann es sein, daß in dem fraglichen Ort
bereits einschlägige Herstellungs- oder Leistungsunternehmen existieren. Als frei-
haltebedürftige geographische Herkunftsangaben kommen auch Ortsnamen im
weiteren Sinne in Betracht, wie Namen bekannter Straßen und Plätze oder Namen
von Flüssen, Seen und Bergen, die selbst nicht als notwendige geographische
Herkunftsangaben anzusehen sind, aber zugleich die angrenzenden Gebiete, Re-
gionen oder Landschaften hinreichend deutlich bezeichnen. Entsprechendes kann
für Benennungen oder Abbildungen bekannter Bauwerke und Wahrzeichen von
Orten und Ländern gelten, soweit diese mit den fraglichen Gebieten ohne weiteres
identifiziert werden (Ströbele/Hacker, aaO). Dies ist aber vorliegend nicht der Fall.
Die angemeldete Bezeichnung bietet sich weder als Sitz entsprechender Herstel-
lungs- oder Vertriebsunternehmen an noch ist mit einer solchen Entwicklung in
Zukunft zu rechnen, weil eine dahingehende wirtschaftliche Entwicklung wegen
der besonderen Eigenschaften des Ortes auch aus Sicht der beteiligten, durch-
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schnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrau-
cher (EuGH GRUR 2002, 804, 808, Nr 63 – Philips) nicht wahrscheinlich ist. Zu-
dem reduziert auch die Art der beanspruchten Waren und Dienstleistungen das
Bedürfnis an der Verwendung der vorliegenden Angabe. Zwar befindet sich das
Ulmer Münster in der Stadt Ulm und „prägt ... die Stadt und die Region, ist im In-
) und wird
auch das „unübersehbare Wahrzeichen Ulms“ genannt (vgl www.ulm.infor-
mationsreisen.de). Trotz dieser touristischen Angaben wird jedoch bei der vor-
liegenden Bezeichnung „UlmerMünster“ wegen ihres Hinweises auf ein „Münster“
nie außer Betracht gelassen, daß es sich hier um einen Kirchenbau handelt, der
sich zwar in der Stadt Ulm befindet und auch als kulturelles Symbol für christliche
Traditionen und (Kunst-)Geschichte steht, mit der Stadt als Wirtschaftsgefüge und
Wirtschaftsraum jedoch nicht gleichzusetzen ist. Dies kann unter Umständen bei
der Abbildung eines weltlichen Bauwerks anders zu beurteilen sein (BGH GRUR
55, 91 – Mouson). Zudem kommt das Ulmer Münster weder selbst als
Herstellungs- und Vertriebsstätte der beanspruchten Waren und Dienstleistungen
in Betracht noch bezeichnet es zugleich einen geographischen Raum oder ein
Gebiet, in dem solche Waren oder Leistungen erbracht werden (vgl EuGH aaO –
Chiemsee), denn es ist nicht feststellbar, daß es in der einschlägigen Werbung
üblich wäre, die geographische Herkunft einer Ware - statt mit einer üblichen
Ortsangabe (zB Name einer Stadt) - mit dem Namen eines dort gelegenen
Bauwerks zu bezeichnen (- etwas anderes mag für die bildliche Wiedergabe eines
„Wahrzeichens“ gelten, da deren (mittelbar herkunftshinweisende) Verwendung
innerhalb einer Warenkennzeichnung nicht unbeliebt zu sein scheint, vgl a BGH
aaO - Mouson). Damit dürfte die Bezeichnung weder in der Gegenwart noch in der
Zukunft als Angabe für die hier einschlägigen Waren oder Dienstleistungen benö-
tigt werden. Ist aber die angemeldete Bezeichnung für die beanspruchten Waren
und Dienstleistungen bereits keine ernstzunehmende geographische Bezeich-
nung, dann besteht daran auch kein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber der An-
melderin.
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Der angemeldeten Bezeichnung fehlt auch nicht das erforderliche Maß an Unter-
scheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Unterscheidungskraft ist die ei-
ner Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als betriebliches Her-
kunfts- und Unterscheidungsmittel für die betreffenden Waren und Dienstleistun-
gen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu
werden und damit die betriebliche Zuordnung dieser Waren und Dienstleistungen
zu ermöglichen (BGH GRUR 2001, 1153, 1154 – antiKALK; BlPMZ 2004, 30 f –
Cityservice). Auch dieses Eintragungshindernis ist im Lichte des Allgemeininteres-
ses auszulegen, das ihm zugrunde liegt, und das darin besteht, den freien Waren-
und Dienstleistungsverkehr zu gewährleisten (EuGH GRUR 2002, 804, 805 und
809 – Philips; MarkenR „003, 227, 231 f – Orange). Für kennzeichnungsrechtliche
Monopole ist damit nur Raum, soweit diese geeignet sind, dem Verbraucher die
Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen zu garan-
tieren und damit die Herkunftsfunktion der Marke zu erfüllen (EuGH GRUR 2001,
1148, 1149 – BRAVO). Kann demnach einer Wortmarke ein für die fraglichen Wa-
ren und Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt
zugeordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der
deutschen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr – etwa
auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als
solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus
ein tatsächlicher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH
aaO – Cityservice). Da die angemeldete Wortzusammenschreibung nicht waren-
und dienstleistungsbeschreibend und auch kein gebräuchliches Wort ist, das in
der Werbung nur so und nicht als Unterscheidungsmittel verwendet wird, besteht
das erforderliche Mindestmaß an Unterscheidungskraft. Damit kam es im Ergebnis
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nicht mehr darauf an, ob die Zusammenschreibung der beiden Einzelwörter
„Ulmer“ und „Münster“ schutzbegründend wirkt, woran der Senat Zweifel hat.
Der Beschwerde war damit der Erfolg nicht zu versagen.
Albert Reker Eder
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