Urteil des BPatG vom 06.07.2010
BPatG: begriff, beschreibende angabe, psychotherapie, unterscheidungskraft, wortmarke, hypnose, flucht, inhaber, gesellschaft, zusammensetzung
BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 43/10
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
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betreffend die Marke 307 59 285
(hier Löschung S 165/08)
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts durch
Vorsitzenden Richter Dr. Albrecht, Richter Schwarz und Richter Kruppa am
6. Juli 2010
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die am 10. September 2007 angemeldete und am 23. Januar 2008 für
Klasse 16: Druckerzeugnis, Zeitung, Zeitschrift zu Forschungs-
arbeiten und wissenschaftlichen Dienstleistungen, zur Erziehung
und Ausbildung in der Technik des Synergetischen Innen-
weltsurfens (Synergetik-Therapeut und Synergetik-Profiler) und
zur psychobiotischen Kennlinien-Optimierung (Anleitung zur
Selbstheilung durch Synergetik-Therapeut und Synergetik-Pro-
filer).
Klasse 35: Werbung und Information für Werbezwecke über die
Technik des Synergetischen Innenweltsurfens und ihre wissen-
schaftlichen Erkenntnisse im Bereich der Selbsterfahrung in der
Innenwelt, die eine Auslösung von Selbstorganisationsprozessen
in den neuronalen Informationsstrukturen bewirkt.
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Klasse 41: Auskünfte über die Erziehung und Ausbildung zum/zur
Synergetik-Therapeuten/in (Synergetik Profiler/in), Auskünfte über
Fort- und Weiterbildung bei bestehendem Berufsabschluss sowie
Ausbildung zum/zur Ausbilder/in des/der Synergetik-Therapeu-
ten/in (Synergetik-Profiler).
Klasse 45: Beratung, Unterweisung und Anleitung zur Selbst-
heilung, nämlich Durchführung der Technik des Synergetischen
Innenweltsurfens (spezifische Form der Selbsterfahrung in der
Innenwelt, die eine Auslösung von Selbstorganisationsprozessen
in den neuronalen Informationsstrukturen bewirkt)
eingetragene Wortmarke
Innenweltreisen
hat der Beschwerdegegner am 27. Mai 2008 Löschungsantrag gestellt. Dazu hat
er ausgeführt, die angegriffene Marke sei entgegen § 8 Abs. 2 Nrn. 1 und 2
MarkenG eingetragen worden. Der Begriff „Innenweltreisen“ sei im Bereich der
alternativen Heilkunde weit verbreitet. Er komme im Zusammenhang mit psy-
chologischen Verfahren, Klangtherapie, Meditation, Hypnose, Kinesiologie vor und
bezeichne seit langem bestehende Verfahren.
Auf die ihm am 6. Juni 2008 zugegangene Mitteilung nach § 54 Abs. 3 Satz 1
MarkenG hat der Inhaber der angegriffenen Marke dem Löschungsantrag am
25. Juni 2008 widersprochen. Er ist der Auffassung, den Begriff „Innenweltreisen“
verwende ausschließlich er selbst für das von ihm entwickelte Verfahren
Die Markenabteilung hat mit Beschluss vom 15. Januar 2010 die Marke
307 59 285.5 auf Grund des Löschungsantrags insgesamt gelöscht und dies u. a.
damit begründet, der angegriffenen Marke entnehme der Verbraucher nur einen
Hinweis auf eine Therapieform. Der sprachüblich gebildete Begriff kombiniere den
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für den psychischen Bereich stehenden Ausdruck „Innenwelt“ mit „Reise“ und
entspreche damit nachweisbaren Wendungen wie „Reise/Flucht/Expedition in die
Innenwelt“. Die Markenstelle hat einen Bericht von Martina Schmitt aus dem Jahr
2006 über sog. Innenweltreisen im Netzwerk Gesamtheitlich-Lexikon ermittelt,
ferner eine Darstellung im Berliner Magazin für Gesundheit und bewusstes Leben
vom Februar 2007. Infoblätter des Anmelders aus dem Jahr 2006 beschreiben
Innenweltreisen als Surfen im eigenen Gehirn, ein seit 1988 entwickeltes
Handwerkzeug. Int sind Berichte darüber von Dezember 2006 nach-
gewiesen sowie eine Diskussion über die streitgegenständliche Markenanmel-
dung, in der Therapeuten zum Ausdruck bringen, dass Innenweltreisen gängige
und vielfach eingesetzte Mittel seien. Frau Elisabeth Kuthe Terhart hat der
Markenstelle mitgeteilt, sie selbst habe „Innenweltreisen“ in ihrem 2004 erschie-
nenen Buch „Die Leiter im Sand“ beschrieben. Susanne Hühn hat darauf hin-
gewiesen, in spirituellen Selbsthilfebüchern (2005, 2007) Gleiches getan zu haben
- wie auch Gerda Jun in „Unsere inneren Resourcen“ (Okt. 2006).
Nivvichov Karotin wies darauf hin, dass Charlos Castaneda in den 70er Jahren
Innenweltreisen aus dem Schamanismus der westlichen Welt näher brachte.
Damit habe im Zeitpunkt der Anmeldung jedenfalls die Unterscheidungskraft
gefehlt; dies gelte bis heute.
Dieser Beschluss ist dem Antragsgegner am 22. Januar 2010 zugestellt worden.
Er hat am 18. Februar 2010 Beschwerde eingelegt und u. a. vorgetragen,
„Innenweltreisen“ grenze sich von Wendungen, wie „Flucht in die Innenwelt“ und
„sich in die Innenwelt zurückziehen“, deutlich ab und habe einen Wiedererken-
nungswert sowie Unterscheidungskraft. Die von ihm herausgegebene Zeitschrift
trage dementsprechend den Titel „Innenweltreisen“.
Die erforderliche individualisierende und kennzeichnende Wirkung der streit-
gegenständlichen Wortmarke ergebe sich aus der spezifischen Dienstleistung, die
er unter dem Begriff „Innenweltreisen“ anbiete. Es sei unbestritten, dass es sich
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um ein von ihm entwickeltes Verfahren mit dem Prinzip der Selbstorganisation
handle.
Die professionelle Anwendung dieses Verfahrens setze eine dreijährige Be-
rufsausbildung voraus, da es sich keineswegs um einen einfachen Imaginierungs-
oder Visualisierungsvorgang handle, sondern um konkrete Handlungen und Tä-
tigkeiten, die aufgrund ihrer hohen Komplexität als Mindestanforderung die
Kenntnis und das Umsetzungsvermögen von 108 verschiedenen Arbeitsschritten
des synergetischen Handwerkszeugs voraussetzten.
Die von der Gegenseite ins Feld geführten Methoden und Verfahren der alter-
nativen Heilkunde, Psychologie und Psychotherapie würden sprachüblich nicht
unter dem Begriff „Innenweltreisen“ angeboten, sondern unter Begriffen wie
„Klang-Therapie“, „Meditation“, „Geistheilen“, „Hypnose“, „Body Mind Centering“,
„Skinner Release“, Feldenkrais“, „Kinesologie“, „Verhaltenstherapie“, „Psycho-
therapie“, „Katahym imaginative Psychotherapie“ oder „psychodynamische ima-
ginative Traumtherapie“.
Innerhalb dieser verschiedenen Methoden grenze sich „Innenweltreisen“ ab.
Der Begriff der „Innenweltreise“ sei zur Abgrenzbarkeit sogar zwingend notwendig.
Er werde damit nicht dem allgemeinen Sprachgebrauch entzogen, sondern diene
ausschließlich der Definition des Wirkprinzips (Selbstorganisation), welches ein
Alleinstellungsmerkmal darstelle, das in keinem der von der Gegenseite
benannten Verfahren aufzufinden sei.
„Innenweltreise“ definiere gerade keine simple Visualisierung, sondern umfasse
einen hochkomplexen Vorgang, dessen Besonderheit in gezielten und mit Hilfe
der synergetischen Technik jederzeit reproduzierbaren Transformationen, d. h. in
Bildveränderungen durch das Wirkprinzip der Selbstorganisation bestehe. Trans-
formationen seien das Herzstück der synergetischen Technik und damit zentraler
Gegenstand der „Innenweltreise“, was durch kein andere Verfahren erzielt werden
könne.
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Der Begriff „Innenweltreise“ definiere eine eigenständige Technik, die sich von
herkömmlichen Therapieverfahren deutlich unterscheide. Das widerlege auch die
Behauptung von Prof. Dr. Arno Müller, der Begriff „Innenweltreise“ beziehe sich
auf keine neuen Verfahren.
Die Technik der „Innenweltreise“ sei 1982 begründet worden und werde seit 1992
in beruflicher Ausbildung gelehrt. Sie schließe Erkenntnisse jüngerer Wissen-
schafts- und Forschungsgebiete, wie der Epigenik und Hirnforschung, ein und
stelle eine derzeit noch weitgehend unbekannte, höchst innovative Technik dar.
Die Wortmarke „Innenweltreisen“ sei nicht entgegen § 8 MarkenG eingetragen
worden. Allein die Bedeutung der einzelnen Worte „Innenwelt“ und „Reisen“
ergebe nicht, dass auch ihre Zusammensetzung zu einem Wort bereits allgemein
bekannt sei. Der Begriff „Innenweltreisen“ sei außerhalb des Anwendungsbe-
reichs, den der Markeninhaber erfunden und hierfür vorgesehen habe, nicht zu
finden. Deshalb ergebe eine Suchanfrage bei Google eine Ergebnisquote von
über 95% zugunsten der vom Markeninhaber entwickelten Synergetik-Therapie.
Dies zeige, dass eine Individualisierung des Sinngehalts der „Innenweltreisen“
stattgefunden habe. Das Zeichen sei absolut geeignet, auf Herkunft der
Dienstleistung Synergetik-Therapie als Therapieform hinzuweisen.
„Innenweltreise“ sei auch kein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache. Dass
es sich um einen zusammengesetzten deutschen Begriff handle, der so nicht iin
der Deutschen Sprache existiere, ergebe eine individualisierende und kenn-
zeichnende Wirkung.
Auf eine anderweitige Benutzung des Begriffs „Innenweltreise“ verzichte auch die
Union Deutscher Heilpraktiker gänzlich. So sei er unter den 139 auf der
Homepage der Union Deutscher Heilpraktiker aufgeführten Therapieverfahren
nicht verzeichnet.
Gerade zwischen verschiedenen Therapieverfahren diene der Begriff der Ab-
grenzung. Mithin sei die Aufrechterhaltung der Wortmarkeneintragung sogar zum
Schutz der Allgemeinheit notwendig geworden. Dürfte nunmehr jeder eine
irgendwie geartete Therapieform unter diesem Begriff anbieten, wären Täu-
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schungen und Irrtümer bei den Verbrauchern unumgänglich. Dies führe zu
erheblichen gesundheitlichen Folgen.
Einer Eintragung stehe auch kein Freihaltungsbedürfnis nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG entgegen, da es sich bei der Wortmarke „Innenweltreisen“ gerade nicht
um eine Marke, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehe, die zur
Bezeichnung der in § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG genannten Varianten dienen,
handle. So ergebe sich aus der Zusammensetzung der Begriffe „Innenwelt“ und
„Reisen“ ein bisher unbekannter Inhalt. Gerade die „Reise“ im Zusammenhang mit
psychologischen Therapieverfahren, der Beschäftigung mit sich selbst, sei
sicherlich nichts, was sich aus dem gemeinen Sprachgebrauch und -verständnis
ergebe. Vielmehr werde durch die Kombination der beiden Wörter der Begriff
„Reise“ nur noch im übertragenen Sinn verstanden.
Darüber hinaus sei „Innenweltreisen“ auch der Titel der Fachzeitschrift, die der
Markeninhaber herausgebe, was die ebenfalls angemeldeten Klasse 16 (Druck-
erzeugnisse) umfasse. Auch deshalb bedürfe es für die Aufrechterhaltung der
Individualisierung dieser Zeitschrift und der damit verbundenen Dienstleistungen
und Erzeugnisse einer Beibehaltung der Markeneintragung zugunsten des Mar-
keninhabers.
Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenabteilung 3.4 des Deutschen Patent-
und Markenamts vom 15. Januar 2010 aufzuheben und den
Löschungsantrag zurückzuweisen.
II
Die Beschwerde des Antragsgegners ist zulässig, hat in der Sache aber keinen
Erfolg.
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Der Löschungsantrag war zulässig. Den Antrag kann jedermann stellen (§ 54
Abs. 1 Satz 2 MarkenG). Der Löschungsantrag wurde auch innerhalb der
10-Jahresfrist nach § 50 Abs. 2 Satz 2 MarkenG gestellt.
Die
Markenstelle hat auf den Löschungsantrag hin zu Recht die angegriffene
Marke gelöscht.
Nach § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 3 i. V. m. § 54 Abs. 1 MarkenG ist eine Marke zu
löschen, wenn sie entgegen § 3 oder § 8 MarkenG eingetragen wurde und wenn
das Eintragungshindernis noch im Zeitpunkt der Entscheidung über die Be-
schwerde fortbesteht (§ 50 Abs. 2 Satz 1 MarkenG).
Ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) ist für die Waren der
Klasse 16 und die Auskunftsdienstleistungen der Klasse 41 gegeben, bei denen
die angegriffene Marke Thema und Inhalt beschreibt, sowie für die Dienst-
leistungen der Klasse 45, die sog. Innenweltreisen zum Gegenstand haben
können. Dieses Eintragungshindernis bestand und besteht insoweit bis heute.
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schließt Marken von der Eintragung aus, die zur Be-
zeichnung der Art, Bestimmung oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale dienen
können (vgl. BGH GRUR 2002, 64 - Individuelle). Unter „“ fallen dabei
alle wichtigen und für die angesprochenen Kreise irgendwie bedeutsamen Um-
stände mit Bezug zu den beanspruchten Dienstleistungen (vgl. BGH GRUR 2000,
231, 233 - Fünfer).
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG errichtet eine hohe Hürde für die Erlangung des Mar-
kenschutzes; die darin enthaltenen Formulierungen „“ und
„“ bilden einen sehr weit gefassten Versa-
gungsgrund. Deshalb muss jegliche beschreibende Funktion einer Marke zur
Subsumtion unter die zweite Alternative des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG führen (vgl.
Sekretaruk, Farben als Marken, 2005, S. 54 Rn. 96). Dass ein beschreibender
Ausdruck einen Wiedererkennungswert hat, berührt seine beschreibende Aussage
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nicht. Ebenso hat hierauf die Zeit, die zum Erlernen der so beschriebenen
Tätigkeit erforderlich ist, keine Auswirkungen. Dass die Aussage benötigt wird, um
eine Methode von anderen abzugrenzen, ist einer beschreibende Angabe
imanent. Unerheblich ist dabei, ob die vom Anmelder zitierten Methoden ebenfalls
„Innenweltreisen“ ermöglichen, einsetzen etc. Dass es Vorgehensweisen gibt, bei
denen mit „Innenweltreise“ beschreibbare Dinge passieren, haben die Mar-
kenabteilung und die Antragstellerin ausreichend belegt.
Zur Beschreibung geeignet sind auch noch nicht im Duden verzeichnete Wörter
(vgl. BGH GRUR 2004, 146, 147 f. (Rz. 32) - DOUBLEMINT). „Innenweltreise“ ist
sprachüblich (vgl. Weltreise, Kulturreise, Erholungsreise etc.) gebildet und somit
ohne Weiteres in dem Sinn verständlich, dass hier das Innere (Seele, Geist) eines
Menschen erkundet wird.
Bei der Beurteilung des Freihaltungsbedürfnisses spielt es auch keine Rolle, ob es
Synonyme gibt, mit denen dieselben Merkmale bezeichnet werden können. Nach
Art. 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG muss die Marke zwar, um unter das dort genannte
Eintragungshinidernis zu fallen, „ausschließlich“ aus Zeichen oder Angaben be-
stehen, die zur Bezeichnung von Merkmalen der betreffenden Waren oder
Dienstleistungen dienen können, doch verlangt dies nicht, dass diese Zeichen
oder Angaben die ausschließliche Bezeichnungsweise der fraglichen Merkmale
sind (vgl. EuGH GRUR Int. 2004, 500 LS 5, Tz. 57, 102 - Postkantoor).
Dem Inhaber der angegriffenen Marke kann es auch nicht nützen, dass die
beschreibende Verwendung von „Innenweltreisen“ Dritten gemäß § 23 Nr. 2
MarkenG unbenommen ist. § 8 Abs. 2 Nr. 2 und § 23 Nr. 2 MarkenG haben
unterschiedlilche Regelungsgehalte. § 23 Nr. 2 MarkenG enthält als Vorschrift
über die Schranken eines bestehenden Markenschutzes im Sinn von §§ 14 ff.
MarkenG lediglich eine zusätzliche Sicherung der Mitbewerber im Verletzungs-
prozess gegenüber möglicherweise zu Unrecht eingetragenen Marken und damit
eine Beschränkung des Markeninhabers im Zivilprozess (vgl. BGH GRUR 1998,
930, 931 -Fläminger). Im Gegensatz dazu soll § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG bereits im
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Registerverfahren Fehlmonopolisierungen verhindern. § 23 MarkenG verhindert
keine gründliche und umfassende Prüfung der Schutzhindernisse im Regis-
trierungsverfahren.
Als gebräuchlichem Begriff fehlt „Innenweltreisen“ zudem für die Dienstleistungen
der Klasse 35 die Unterscheidungskraft. Das ist die einer Marke innewohnende
konkrete Eignung als Unterscheidungsmittel für die erfassten Waren oder
Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer. Hat eine
Marke einen für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im Vordergrund
stehenden beschreibenden Begriffsinhalt oder handelt es sich bei ihr um einen
gebräuchlichen Begriff, den die Verbraucher stets nur als solchen und nicht als
Unterscheidungsmittel verstehen, so fehlt ihr jegliche Unterscheidungseignung
und Unterscheidungskraft (st. Rspr.; vgl. BGH BlPMZ 2002, 85 – Individuelle).
Die Markenabteilung hat ihrer Entscheidung zur Begründung mangelnder Un-
terscheidungskraft im Zeitpunkt der Anmeldung und heute zutreffend Aussagen zu
Grunde gelegt, die sogar eine rein beschreibende Bedeutung des Begriffs
„Innenweltreisen“ belegen und so auch den Schutzversagungsgrund nach § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG tragen. Sie zeigen aber auch, dass „Innenweltreisen“
jedenfalls ein gebräuchlicher Begriff ist, den die angesprochenen Verkehrskreise
wie „Hypnose“ o. ä. nicht als Herkunftshinweis verstehen. Im Einzelnen handelt es
sich dabei um Folgendes:
Der Präsident der Internationalen Gesellschaft für integrative tiefenpsychologische
Therapie in Hypnose, Werner Meinhold, hat im April 2008 bestätigt, dass die
Begriffe "Innenwelt" und „Innenweltreise“ im psychotherapeutischen Sprachge-
brauch verbreitet seien.
Dr. Weishaupt, Dozent für Psychotherapie definiert im Februar 2009 „Innen-
weltreise“ als Sammelbegriff für verschiedenste Formen imaginativer Arbeit.
Prof. Dr. Müller, Präsident der Deutschen Gesellschaft für Hypnosetherapie nennt
im März 2009 „Innenweltreisen“ eine Bezeichnung für eine große Zahl von
Verfahren in der Psychotherapie und eine Vielfalt von Methoden.
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Der Europäische Verband für Kinesiologie hat dem Deutschen Patent- und
Markenamt im März 2009 mitteilen lassen, „Innenweltreisen“ sei zur Beschreibung
wesentlicher Arbeitsinhalte und Arbeitsschritte bei verschiedenen Therapie-
methoden in Gebrauch.
Ferner hat die Markenabteilung Belege dazu recherchiert, dass „Innenwelt“ ein in
der Psychotherapie gebräuchlicher Begriff ist (vgl. Wintels, Individualismus und
Narzissmus - Analyse zur Zerstörung der Innenwelt (2000); Tagung der Evan-
gelischen Akademie Tutzing (1999) „Die Innenwelt bewegen - Träume wahr-
nehmen“; Hemminger, Hansjörg, Flucht in die Innenwelt (1980); Krucker,
Wolfgang, Partner der Innenwelt (analytische Imaginationstherapie (1995);
Ulitzkaja, Reise in den siebenten Himmel (Fantasiereisen 1, Klassiker unter den
Reisen in die Innenwelt, 2001); Huemer, Expedition Innenwelt (2001); Frieling,
Lebensbreite. Umwelt und Innenwelt der Tiere und des Menschen, 1938; Uni
Freiburg, Sommersemester 2000, Die Innenwelt der Subjekte.
Den Begriff „Reise in die Innenwelt“ hat die Markenabteilung zudem durch eine
Buchbesprechung von Baldur Gscheidle vom April 2006 nachgewiesen, wo davon
die Rede ist, dass eine Reise in die Innenwelt ein tieferes Bewusstsein schaffe,
ferner hat sie unter Berufung auf die Brockhaus Enzyklopädie, 21. Aufl., 2006,
S. 313 „Innenwelt“ als einen Bereich des Psychischen nachgewiesen.
Die Wortkombination verdichtet sich damit zu einer Aussage über eine The-
rapieform. Sie weist insoweit keine Mehrdeutigkeit auf, die die Bezeichnung zur
Beschreibung der Waren oder Leistungen ungeeignet erscheinen ließe (vgl. BGH
GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt). Dass sich die Wortkombination
nicht in den einschlägigen Nachschlagewerken findet, begründet noch nicht die
Schutzfähigkeit im Sinn des Markengesetzes. Auch Wortneubildungen können
vom Markenschutz ausgenommen sein, wenn sie sprachüblich gebildet sind und
ohne Weiteres verstanden werden. Es stünde dem auch nicht entgegen, wenn
„Innenweltreisen“ ursprünglich für die fraglichen Dienstleistungen nicht be-
schreibend gewesen wäre. Wird ein Name als Synonym für eine bestimmte
Methode benutzt, entfaltet er im Zusammenhang mit den entsprechenden
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Dienstleistungen - auch schon ohne am Markt durchgesetzt zu sein - eine
beschreibende Funktion, zumal schon vor der Eintragung der Marke der Begriff
verwendet wurde und damit zur Entwicklung des beschreibenden Begriffsinhalts
beigetragen hat (BGH MarkenR 2003, 66 - Feldenkrais).
Dass sich Literaturstellen auf den Markeninhaber und eine von ihm begründete
Schule beziehen, kann unterstellt werden; selbst diese Verwendungsform macht
den Begriff allgemein bekannt. Die Verwendung durch Fachleute mag eine Folge
davon sein, sie zeigt aber, dass „Innenweltreisen“ ein üblicher Begriff war und ist.
Rechercheergebnisse, die auf den Markeninhaber und die von ihm begründete
Schule zurückgehen, stehen der Bewertung der angemeldeten Bezeichnung als
Fachausdruck daher nicht entgegen (BPatG, Beschluss vom 25. Juli 2001, Az:
32 W (pat) 111/00, - Aurikolo-Medizin).
Auch wenn die angesprochenen Kreise von vornherein nicht genau wissen, um
welche Therapieform es sich genau handelt, verstehen sie „Innenweltreisen“ nicht
als Herkunftshinweis. Wer sich mit Therapieformen befasst, für den liegt eine
Bedeutung im Sinn einer Therapieform nahe. Dies zeigen auch die von der
Markenstelle ermittelten Literatur-Nachweise.
Es kann daher mit der für eine Löschung erforderlichen hohen Sicherheit
ausgeschlossen werden, dass das Publikum im Anmeldezeitpunkt „Innenwelt-
reisen“ als Marke verstand und heute versteht und - soweit eine rein be-
schreibende Aussage vorliegt - der Begriff für andere Anbieter freizuhalten war
und ist. Wettbewerbern muss es unbenommen bleiben, frei von Zeichenrechten
Dritter mit der Bezeichnung „Innenweltreisen“ darauf hinzuweisen, dass sich ihre
Angebote auf eine derartige Therapiemethode beziehen.
Billigkeitsgründe für eine Kostenauferlegung sind ebenso nicht ersichtlich (§ 71
Abs. 1 MarkenG) wie Gründe für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 83
Abs. 2 MarkenG i. V. m. § 574 ZPO), weil keine Fragen von grundsätzlicher
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Bedeutung einer höchstrichterlichen Klärung bedürfen und der Senat mit dieser
Entscheidung nicht von Entscheidungen anderer Gerichte abweicht.
Dr. Albrecht
Schwarz
Kruppa
Me