Urteil des BPatG vom 31.03.2010

BPatG: beschreibende angabe, schutzwürdiges interesse, eugh, verkehr, beratung, erdgas, patent, wartung, energieverbrauch, donau

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 76/09
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 307 39 206.6
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 31. März 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dr. Fuchs-Wissemann, des Richters Reker sowie des Richters am OLG Lehner
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Für die Waren und Dienstleistungen
"Klasse 04: Brennstoffe, insbesondere gasförmige Brennstoffe,
insbesondere Erdgas
Klasse 09: Apparate und Instrumente zum Leiten, Schalten, Um-
wandeln, Speichern, Regeln und Kontrollieren von
Elektrizität, Mess-, Erfassungs- und Überwachungsge-
räte (soweit in Klasse 09 enthalten), insbesondere
Strom- und Gaszähler, Geräte und daraus bestehende
Systeme zur automatischen und/oder drahtlosen Er-
fassung von Energieverbrauch einschließlich Empfän-
gereinheiten; Strom- und Gasausrüstungen (Teile) für
Fernmesssteuergeräte, soweit in Klasse 09 enthalten
Klasse 35: Organisatorische und betriebswirtschaftliche Beratung
beim Kauf und Verkauf von Mess-, Erfassungs- und
Überwachungsgeräten, insbesondere Strom- und
Gaszähler, Geräte und daraus bestehende Systeme
zur automatischen und/oder drahtlosen Erfassung von
Energieverbrauch einschließlich von Empfängerein-
heiten; Ablese- und Abrechnungsdienste für den mit
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derartigen Geräten gemessenen Verbrauch; Be-
triebswirtschaftliche und organisatorische Beratung
von Energieverteilern bei Netznutzungsfragen im
Strom- und Gasbereich; Organisatorische und be-
triebswirtschaftliche Betriebsführung von Energieer-
zeugungs- und Energieverteilungsanlagen; Energie-
datenmanagement, nämlich Bereitstellung und Aus-
wertung von Daten hinsichtlich der Energieverbräuche
Klasse 37: Bau, Wartung und Instandhaltung von Energieerzeu-
gungs- und Energieverteilungsanlagen, insbesondere
von Anlagen des Strom- und Gasnetzes, Installation
von Netzanschlüssen zur Strom- und Gasversorgung
(soweit in Klasse 37 enthalten); Dienstleistungen ei-
nes Bauträgers, nämlich technische Vorbereitung von
Bauvorhaben, Baulanderschließung (Bauarbeiten); Er-
richtung, Wartung und Instandhaltung von Strom- und
Gasleitungen
Klasse 39: Transport, Lieferung und Verteilung von elektrischer
Energie und Gas sowie Versorgung mit Energie durch
Anlieferung, insbesondere mit Strom und Brennstof-
fen, insbesondere mit gasförmigen Brennstoffen, ins-
besondere mit Erdgas; Speicherung dieser Brenn-
stoffe, insbesondere in unterirdischen Kavernen und
Porenspeichern
Klasse 40: Erzeugung von Energie, insbesondere von Strom und
Gas
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Klasse 42: Technische Beratung von Kunden in Fragen zur Ener-
gieverteilung und des Energieanschlusses; Entwick-
lung von Energiekonzepten in technischer Hinsicht;
technische Beratung, Planung und technische Über-
wachung von Energieerzeugungs- und Energievertei-
lungsanlagen; Technische Beratung von Energiewei-
terverteilern in Fragen zur Netznutzung im Strom- und
Gasbereich; Energiemanagement, nämlich Durchfüh-
rung von Beratungen auf dem Gebiet der Energieein-
sparung; technische Beratung hinsichtlich des Ein-
satzes energiesparender Technik; Regelung und
Steuerung von Strom- und Gasverteilungsnetzen;
Contracting von Energieversorgungsanlagen"
ist die Wortmarke 307 39 206
Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar
zur Eintragung angemeldet worden.
In zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, hat
die Markenstelle für Klasse 39 die Anmeldung wegen eines der Eintragung entge-
genstehenden Freihaltebedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu-
rückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, "Verteilnetzbetreiber" beschreibe
lediglich die Tätigkeit der Anmelderin. Der Bestandteil "VNB" stelle sich für den
angesprochenen Verkehr als Abkürzung des vorangestellten Begriffs "Verteilnetz-
betreiber" dar. "Rhein-Main-Neckar" sei eine glatt beschreibende geografische
Angabe. Die angemeldete Marke weise sowohl in ihren Einzelbestandteilen, als
auch in ihrer Gesamtheit lediglich auf die Art und die Bestimmung der solcher-
maßen gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen sowie den Ort ihrer Erbrin-
gung hin. Der Verbraucher verbinde mit dem verfahrensgegenständlichen Zeichen
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das Produkt- und Dienstleistungsangebot eines Verteilnetzbetreibers im Raum
Rhein-Main-Neckar. An der freien Verwendbarkeit dieser Wortfolge bestehe ein
der Anmeldung entgegenstehendes schutzwürdiges Interesse der Allgemeinheit
und der Mitbewerber der Anmelderin. Ob der Eintragung auch das Schutzhinder-
nis mangelnder Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) entgegenstehe,
könne dahinstehen.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Ihrer Auffassung
nach habe die Markenstelle verkannt, dass der Verkehr Marken in ihrer Gesamt-
heit zur Kenntnis nehme und nicht in ihre Einzelteile aufspalte. Bei der Marke
handle es sich um eine sprachliche Neuschöpfung, die lexikalisch nicht nachweis-
bar sei und vom Verkehr auch nicht in nennenswerter Weise verwendet werde.
Dies zeige etwa die geringe Trefferzahl im Online-Suchdienst google beim Aufruf
des Begriffs "Verteilnetzbetreiber". Auch begründe bereits die Abkürzung "VNB"
für sich genommen die Eintragungsfähigkeit des Prüfzeichens. Aus der Sicht des
Verkehrs stehe nämlich "VNB" nicht für "Verteilnetzbetreiber", sondern werde im
Internet als Abkürzung für diverse Bezeichnungen unterschiedlichster Art verwen-
det. "VNB" sei mehrdeutig interpretierbar und stelle sich weder als Oberbegriff für
die angemeldeten Waren und Dienstleistungen der Anmelderin dar, noch diene
"VNB" der Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen. Über-
dies sei auf die Eintragungspraxis des Deutschen Patent- und Markenamts in ver-
gleichbaren Fällen hinzuweisen.
Da "Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar" kein gebräuchliches Wort der
deutschen Sprache sei und durch die schutzfähige Buchstabenkombination "VNB"
einen fantasievollen Überschuss aufweise, sei die Anmeldemarke auch hinrei-
chend unterscheidungskräftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 30. Januar 2008 und vom
17. November 2008 aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist unbegründet. Die Feststellung des
Deutschen Patent- und Markenamts, das angemeldete Zeichen "Verteilnetzbetrei-
ber (VNB) Rhein-Main-Neckar" sei freihaltebedürftig im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG, ist frei von Rechtsfehlern. Die hiergegen von der Anmelderin vorge-
brachten Einwände verhelfen ihrer Beschwerde nicht zum Erfolg.
Nach der Bestimmung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG sind von der Eintragung sol-
che Zeichen und Angaben ausgeschlossen, die im Verkehr zur Bezeichnung von
Merkmalen der Waren oder Dienstleistungen, wie z. B. ihrer Art, Beschaffenheit
oder Bestimmung, dienen können. Die Regelung des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG,
die in Umsetzung von Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der EU Markenrechtsrichtlinie ergan-
gen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel, unmittelbar warenbe-
schreibende Angaben für alle zur freien, von Zeichenrechten Dritter ungehinderten
Verfügung zu halten. Die Monopolisierung einer solchen Angabe zu Gunsten ei-
nes einzigen Unternehmens ist deshalb nicht zulässig (EuGH GRUR 1999, 723,
725 - Chiemsee).
Die angemeldete Wortfolge "Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar" ist
eine Angabe, die im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im Verkehr zur Bezeich-
nung der Bestimmung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen dienen
kann. Der Begriff "Verteilnetzbetreiber" ist ein beschreibender Hinweis auf das Tä-
tigkeitsfeld des Zeichenverwenders im Sinne eines mit der Weiterleitung und Ver-
teilung von Energie (z. B. Strom, Gas) befassten Waren- und Dienstleistungspa-
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kets. "VNB" stellt sich für den Durchschnittsverbraucher erkennbar als Abkürzung
der vorstehenden Bezeichnung "Verteilnetzbetreiber" dar. Dies ergibt sich zum
einen aus dem sich offensichtlich auf "Verteilnetzbetreiber" beziehenden Klam-
merzusatz "(VNB)", zum anderen unter Einbeziehung der für das Prüfzeichen be-
anspruchten Waren und Dienstleistungen (HABM PAVIS PROMA R0327/04-2
- CERTIFIED SENIOR ADVISOR (CSA).
Ohne Erfolg beruft sich die Anmelderin darauf, dass die Abkürzung "VNB" für sich
genommen bereits eintragungsfähig wäre. Zwar mag es zutreffen, dass das Kürzel
"VNB" bei isolierter Betrachtungsweise verschiedene Bedeutungen erlangen kann.
Allerdings ist eine Angabe vom Schutz bereits dann ausgeschlossen, wenn sie
jedenfalls mit einer Bedeutung zur Beschreibung der beanspruchten Wa-
ren/Dienstleistungen dienen kann, unabhängig davon, ob ihr noch andere Bedeu-
tungen zukommen (vgl. EuGH GRUR 2004, 680, 681 - BIOMILD; GRUR 2004,
674, 678 - POSTKANTOOR; GRUR 2004, 146, 147 f. - DOUBLEMINT; dieser
Grundsatz gilt auch für Abkürzungen, vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 9. Aufl.
2009, § 8 Rn. 265 m. w. N.). Demnach kann von der schutzbegründenden Unge-
nauigkeit einer Abkürzung nur dann ausgegangen werden, wenn eine derartige
begriffliche Ungenauigkeit erreicht ist, dass die fragliche Angabe zur konkreten
Beschreibung der betreffenden Waren/Dienstleistungen nicht mehr geeignet er-
scheint (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O.). Vorliegend ist eine isolierte Betrachtungs-
weise der Abkürzung "VNB" zur Beurteilung der Schutzfähigkeit des Gesamtzei-
chens "Verteilnetzbetreiber (VNB) Rhein-Main-Neckar" nicht angezeigt, da die
Hinzufügung der Sachangabe "Verteilnetzbetreiber" und der Klammerzusatz dazu
führen, dass die Buchstabenfolge "VNB" als beschreibende Angabe erkennbar
wird (vgl. BGH GRUR 2008, 719, 722 - idw Informationsdienst Wissenschaft;
BPatGE 50, 155, 163/164 - TRM Tenant Relocation Management; Strö-
bele/Hacker a. a. O, § 8 Rn. 264).
Beim weiteren Zeichenbestandteil "Rhein-Main-Donau" handelt es sich, was die
Anmelderin in ihrer Beschwerdebegründung nicht angreift, um eine geografische
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Herkunfts- bzw. Bestimmungsangabe. "Rhein-Main-Donau" beschreibt demnach
unmittelbar als Hinweis auf einen der bedeutendsten Wirtschaftsräume im
Zentrum Europas insbesondere den Ort der Erbringung der beanspruchten Waren
und Dienstleistungen.
Die Kombination der nach Vorstehendem für sich genommen schutzunfähigen
Wortbestandteile "Verteilnetzbetreiber (VNB)" und "Rhein-Main-Neckar" führt zu
keinem über die Zusammenfügung der beschreibenden Einzelelemente hinausge-
henden Gesamteindruck (vgl. EuGH a. a. O. - POSTKANTOOR, S. 678; EuGH
a. a. O. - BIOMILD, S. 681; EuGH GRUR 2006, 229, 231 - BioID; Ströbele/Hacker
a. a. O., § 8 Rn. 342), sondern verstärkt diesen sogar noch und ist daher nicht ge-
eignet, das Schutzhindernis des § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG zu überwinden.
Die Anmelderin kann sich auch nicht darauf berufen, dass es sich bei der ange-
meldeten Wortfolge um eine sprachliche Neuschöpfung handle, die lexikalisch
nicht nachweisbar sei. Dieser Umstand ist für sich genommen nicht ausreichend,
um die Eintragungsfähigkeit der Prüfmarke zu begründen. Der Verkehr ist nämlich
daran gewöhnt, im Geschäftsleben ständig mit neuen Begriffen konfrontiert zu
werden, durch die ihm sachbezogene Informationen lediglich in einprägsamer
Form übermittelt werden sollen. Auch bisher noch nicht gebräuchliche, gleichwohl
verständliche Bezeichnungen eignen sich zur Verwendung als beschreibende An-
gabe (vgl. Ströbele/Hacker a. a. O., § 8 Rn. 117).
Der von der Anmelderin angeführte Hinweis auf ähnlich gelagerte Voreintragun-
gen von "Energiemarken" mit geografischen Zusätzen vermag nach der Recht-
sprechung (vgl. EuGH MarkenR 2009, 201, 203 - Schwabenpost; BPatG PAVIS
PROMA 24 W (pat) 142/05; 25 W (pat) 65/08; 27 W (pat) 220/09) eine anderwei-
tige Beurteilung nicht zu rechtfertigen. Die Entscheidung über die Eintragungsfä-
higkeit einer angemeldeten Marke hat anhand der harmonisierten Normen des
Markenrechts ohne Ermessens- oder Beurteilungsspielraum zu erfolgen. Aus dem
Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 GG kann daher im markenrechtlichen Verfah-
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ren im Hinblick auf vorhergehende Eintragungen oder Zurückweisungen kein An-
spruch auf Eintragung oder auf Löschung abgeleitet werden (vgl. EuGH a. a. O.
- Schwabenpost).
Dr. Fuchs-Wissemann
Reker
Lehner
Bb