Urteil des BPatG vom 31.10.2002
BPatG (bezeichnung, beschreibende angabe, klasse, funktion, anmeldung, inhalt, bezug, eintragung, beschwerde, wegweiser)
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 287/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 398 49 995.0
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 31. Oktober 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems
des Richters Engels sowie der Richterin k.A. Bayer
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Pa-
tent- und Markenamts vom 27. September 2001 wird aufgehoben,
soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
G r ü n d e
I.
Die Anmelderin hat am 1. September 1998 die Bezeichnung
Compass
für eine Vielzahl von Waren und Dienstleistungen der Klassen 6, 16 und 42 ua
"bespielte Datenträger, insbesondere Disketten, CD's und Magnetbänder; Drucke-
reierzeugnisse; Fotografien; Dienstleistungen einer Datenbank; Design und Aktua-
lisierung von Computersoftware; Vermietung der Zugriffszeit zu Datenbanken;
Übermitteln von Informationen über Computernetze, insbesondere über Internet"
zur Eintragung in das Markenregister angemeldet.
Die Markenstelle des Deutschen Patent- und Markenamts für Klasse 42 hat nach
Beanstandung durch Beschluss vom 27. September 2001 die Anmeldung teilwei-
se für die oben genannten Waren und Dienstleistungen wegen des Schutzhinder-
nisses fehlender Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG zu-
rückgewiesen.
Der englische Begriff "Compass" sei auch dem inländischen Verkehr ohne weite-
res aufgrund der nur von dem deutschen Wort
"Kompass" abgewandelten
Schreibweise verständlich. Losgelöst von einem wortwörtlichen Verständnis als
Bezeichnung eines Gerätes zur Bestimmung der Himmelsrichtungen sei der Be-
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griff "Compass" auch im übertragenen Sinn für "Wegweiser" oder "Leitfaden" im
Sinne eines Ratgebers lexikalisch belegt und üblich und in Verbindung mit den be-
anstandeten Waren als Beschaffenheits- und Bestimmungsangabe glatt beschrei-
bend. Dies gelte auch für die beanspruchten Dienstleistungen, da diese mittels ei-
nes Wegweisers, zB einer fachkundigen Person, erbracht werden könnten oder
selbst einen Wegweiser oder Leitfaden beinhalten könnten.
Die Anmelderin hat gegen die Teilzurückweisung der Anmeldung Beschwerde er-
hoben und das Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen eingeschränkt auf:
"Klasse 9: bespielte Datenträger, insbesondere Disketten, CD's
und Magnetbänder. Klasse 16: Druckereierzeugnisse; Photogra-
phien. Klasse 42: Dienstleistung einer Datenbank; Design und Ak-
tualisierung von Computersoftware; Vermietung der Zugriffszeit zu
Datenbanken; Übermitteln von Informationen über Computernet-
ze, insbesondere über Internet. Ausgenommen sind solche vorste-
henden Waren und Dienstleistungen, die das Navigationsgerät
"Kompass" oder dessen Funktion betreffen oder soweit diese die
automatisierte Navigation in Daten zum Inhalt haben oder aus
Wegweisern und Leitfäden bestehen. Klasse 16: Papier, Pappe
(Karton) und Waren aus diesen Materialien, soweit in Klasse 16
enthalten".
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben, soweit die Anmeldung
zurückgewiesen worden ist.
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Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin ausgeführt, dass jedenfalls
nach Beschränkung des Verzeichnisses auf solche Waren und Dienstleistungen,
welche nicht das Navigationsgerät "Kompass" oder dessen Funktion beträfen und
auch keine automatisierte Navigation in Daten zum Inhalt hätten bzw aus "Weg-
weisern" und "Leitfäden" bestünden, der Eintragung keine Eintragungshindernisse
in Bezug auf die nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen ent-
gegenstünden. Dies gelte selbst dann, wenn man der Auffassung der Markenstelle
folge, dass die angemeldete Bezeichnung auch in Alleinstellung und nicht nur in
Verbindung mit einer weiteren Sachangabe wie zB "der Krebs-Kompass", "der
Handwerker-Kompass" oder "Kompass für Ausbildung und Beruf" aus der Sicht
des Verkehrs als Sachangabe verstanden werde und freihaltungsbedürftig sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den angefochtenen Beschluss der Mar-
kenstelle, die Schriftsätze der Anmelderin und den weiteren Akteninhalt, insbeson-
dere die Internet-Recherche des Senats Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.
Nach Auffassung des Senats stehen der Eintragung der Bezeichnung "Compass"
nach der im Beschwerdeverfahren vorgenommenen Beschränkung des Verzeich-
nisses der Waren und Dienstleistungen keine Schutzhindernisse im Sinne von § 8
Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG mehr entgegen.
Auch der Senat neigt allerdings zu der Auffassung, dass die angemeldete Be-
zeichnung "Compass" unter Berücksichtigung der ursprünglichen, nicht einge-
schränkten Fassung des Verzeichnis der Waren und Dienstleistungen wegen des
möglichen Bezugs auf die Art bzw den Inhalt oder den Gegenstand der in An-
spruch genommenen Waren und Dienstleistungen eine nicht unterscheidungskräf-
tige und beschreibende Beschaffenheits- und Bestimmungsangabe darstellt. Der
Senat teilt auch die Auffassung der Markenstelle, dass der Begriff "Compass" in-
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soweit nicht nur in Wortverbindungen oder Wortzusammenstellungen, wie "E-
Shopping-Compass", "Compass Ernährung", "data Compass", "Krebs-Kompass",
"Wohnraum-Kompass", "Kompass Hessen" oder "Kompass für Architekten", son-
dern auch in Alleinstellung wegen seiner auf den verschiedensten Gebieten des
täglichen Lebens zunehmenden und verselbständigten Verwendung in der Bedeu-
tung von "Wegweiser, Leitfaden, Lotse" oder "Leitfaden" verstanden wird, ebenso
wie die häufig verwendeten Synonyme "Navigator" oder "Pilot". Zu Recht hat des-
halb die Markenstelle darauf abgestellt, dass der Begriff "Compass" auch in Allein-
stellung nicht nur im Hinblick auf seine Bedeutung und Funktion als Navigations-
gerät, sondern auch in Bezug auf seine Bedeutung im übertragenen Sinne ein
Schutzhindernis darstellen kann.
Insoweit ist zu berücksichtigen, dass ein Zeichen bereits dann von der Eintragung
für ausgeschlossen ist, wenn bei der Beanspruchung von Oberbegriffen im Ver-
zeichnis der Waren und Dienstleistungen auch nur für eine spezielle hierunter fal-
lende Ware oder Dienstleistung ein Eintragungshindernis vorliegt (vgl BGH
WRP 2002, 91, 93-94 – AC – unter Hinweis auf BGH GRUR 1997, 634, 635 - Tur-
bo II – zum Löschungsverfahren) und eine markenrechtliche Unterscheidungskraft
auch dann zu verneinen ist, wenn die beanspruchte Bezeichnung nicht nur die
maßgeblichen Waren und Dienstleistungen selbst, sondern einen hiermit typi-
scherweise verbundenen Gegenstand beschreibt, wie zB den Inhalt, Gehalt oder
die Funktion einer Ware oder Dienstleistung oder deren Zweck, Ergebnis usw (vgl
auch BGH MarkenR 2001, 2001, 363, 365 - REICH UND SCHOEN; BGH Mar-
kenR 2001, 368, 370 – Gute Zeiten – Schlechte Zeiten; EuG GRUR Int. 2001,
864, 866 - CINE COMEDY; EuG GRUR Int. 2001, 556 – CINE ACTION; vgl auch
BPatG MarkenR 2002, 299, 304 – OEKOLAND).
Diese Bedenken sind vorliegend jedoch dadurch ausgeräumt, dass die Anmelde-
rin das Verzeichnis durch Aufnahme des Ausnahmevermerks "ausgenommen sind
solche vorstehenden Waren und Dienstleistungen, die das Navigationsgerät 'Kom-
pass' oder dessen Funktion betreffen oder soweit diese die automatisierte Naviga-
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tion in Daten zum Inhalt haben oder aus Wegweisern und Leitfäden bestehen" be-
schränkt hat und deshalb die Bezeichnung "Compass" auch nach Auffassung des
Senats weder eine beschreibende Angabe darstellen kann noch sonstige Umstän-
de des Einzelfalls ersichtlich sind, weshalb der Verkehr hierin dennoch ausschließ-
lich eine Sachangabe und keinen betrieblichen Herkunftshinweis sehen sollte (vgl
hierzu eingehend BPatG MarkenR 2002, 201, 205-207 - BerlinCard - mwH).
Denn in Bezug auf die verbliebenen Waren und Dienstleistungen ist weder eine
Bedeutung als Navigationsgerät noch ein Verständnis im übertragenen Sinne als
Wegweiser, Suchhilfe oder Leitfaden nahegelegt. Auch handelt es sich nicht um
eine sonstige gebräuchliche Bezeichnung, die stets nur als solche und nicht als
betriebliches Unterscheidungskennzeichen verstanden wird (vgl hierzu zB BGH
MarkenR 2001, 209, 210 – Test it; MarkenR 2001, 408, 409 - INDIVIDUELLE). Es
sind deshalb insoweit keine Gründe ersichtlich, der angemeldeten Bezeichnung
jegliche Eignung abzusprechen, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel gegen-
über solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden, zumal es zur Begrün-
dung von Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG auch keines
weiteren Phantasieüberschusses, sonstiger besonderer Auffälligkeiten oder Be-
sonderheiten der Markenbildung bedarf (vgl BGH MarkenR 2000, 264, 265 - LO-
GO; EuG MarkenR 2002, 88, Tz 45 – EUROCOOL - zu Art 7 Abs 1 Buchst b und c
GMV) und bei der Beurteilung der absoluten Schutzhindernisse grundsätzlich ein
großzügiger Maßstab anzulegen ist.
Aus den genannten Gründen stellt die angemeldete Bezeichnung auch in Bezug
auf die nunmehr noch beanspruchten Waren und Dienstleistungen keine beschrei-
bende, freihaltungsbedürftige Sachangabe im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG
dar, auch wenn man dieses Schutzhindernis in zutreffender Weise nicht zu ein-
schränkend auslegt (vgl hierzu auch Ströbele, Absolute Eintragungshindernisse im
Markenrecht, GRUR 2001, 658, 662; Althammer/Ströbele MarkenG, 6. Aufl, § 8
Rdn 114; BPatG MarkenR 2002, 299, 302 – OEKOLAND).
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Auf die Beschwerde der Anmelderin war deshalb der angefochtene Beschluss auf-
zuheben, soweit die Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
Kliems Bayer Engels
Pü