Urteil des BPatG vom 05.02.2003
BPatG (form der ware, unterscheidungskraft, ausgabe, ware, verkehr, zeichen, marke, büro, verbraucher, kunststoff)
BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 68/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. Februar 2003
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 300 08 404.8
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 2003 durch die Vorsitzende Richterin
Grabrucker, die Richterin Pagenberg und die Richterin k.A. Fink
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154
6.70
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G r ü n d e
I
Angemeldet zur farbigen Eintragung in das Markenregister ist als sonstige Mar-
kenform
siehe Abb. 1 am Ende
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für „Verschließbare Beutel aus Kunststoff“.
Der Anmeldung ist folgende Beschreibung beigefügt:
„Markenschutz wird beansprucht für zwei im Bereich des Verschlusses eines
Beutels aus Kunststoff angeordnete blaue Streifen. Die Streifen verlaufen auf bei-
den Seiten des Verschlussbandes eines verschließbaren, insbesondere wieder-
verschließbaren, Beutels aus Kunststoff, jeweils parallel zu dem Verschlussband.“
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Beschluss vom 18. Dezember 2000 wegen fehlender Unterschei-
dungskraft zurückgewiesen. Es handele sich um einen Kunststoffbeutel von han-
delsüblicher Form und Aufmachung. Die blauen Streifen entlang des Druckver-
schlusses dienten dem schnelleren Auffinden des Verschlusses und der Unter-
scheidbarkeit der Beutel untereinander. Die maßgeblichen Verkehrskreise würden
die Streifen daher nicht als Herkunftshinweis auffassen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin unter Hinweis auf die
Rechtsprechung des Bundespatentgerichts zur Schutzfähigkeit von sonstigen
Markenformen (BPatGE 38, 262 - Herrenschuh mit rotem Querstreifen, BPatGE
40, 71 - Jeanstasche, BPatGE 40, 76 - Zick-Zack-Linie). Die beanspruchten Wa-
ren seien nicht für Endverbraucher sondern für Hersteller bestimmt, die ihre Be-
gleitprodukte, wie z.B. Gebrauchsanleitungen und Garantiescheine, in den bean-
spruchten Kunststoffbeutel verpacken und ihren Produkten beifügen. Für die Be-
urteilung der Unterscheidungskraft komme es daher nur auf die Auffassung dieser
Fachkreise an.
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Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
II
Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Das angemeldete Zeichen ist nicht
schutzfähig, da ihm die konkrete Unterscheidungskraft gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG fehlt.
1. Das Zeichen ist markenfähig gemäß § 3 Abs. 1 MarkenG, denn es ist als Po-
sitionierungsmarke abstrakt geeignet, Waren oder Dienstleistungen eines Unter-
nehmens von denen anderer Unternehmen zu unterscheiden. Die Anmelderin be-
ansprucht den Markenschutz für zwei in einer bestimmten Position und Farbe auf
der Ware angebrachten Streifen. Eine solche Aufmachung besitzt als sog. Posi-
tionierungsmarke Unterscheidungseignung, wenn die Aufmachung auf einem be-
stimmten Warenteil, in stets gleichbleibender Platzierung, in gleichbleibender
Größe und in einem bestimmten farblichen Kontrast zur Ware auftritt (BPatG Mitt.
2000, 114 - Positionierungsmarke - m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind hier er-
füllt. Die beanspruchten Streifen sind am oberen Teil des Kunststoffbeutels beid-
seitig entlang des Druckverschlusses angeordnet, sie sind etwa fadendick und und
heben sich auf Grund der blauen Farbe vom transparenten Kunststoff sichtbar ab.
Bei den entlang des Druckverschlusses angeordneten beiden Streifen handelt es
sich auch nicht um wesentliche funktionelle Merkmale, die für die Erreichung einer
technischen Wirkung im Sinne des § 3 Abs. 2 Ziff. 2 MarkenG erforderlich sind
(EuGH GRUR 2002, 804 - Philips/Remington). Die Kunststoffbeutel werden durch
Betätigen des Druckverschlusses verschlossen, dem damit eine ausschließlich
technische Funktion zukommt. Für die Betätigung des Verschlusses sind die bei-
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den Streifen insoweit unerheblich als sie den Blick zu diesen lenken, jedoch nicht
die Stelle bezeichnen, an der der Druck ausgeübt werden muss.
2. Ein Positionierungszeichen ist wie jedes andere markenfähige Zeichen nur
dann als Marke schutzfähig, wenn es für die angemeldeten Waren oder Dienst-
leistungen konkrete Unterscheidungskraft besitzt (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke inne-
wohnende Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten
Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer
Unternehmen aufgefasst zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzü-
gigen Maßstab auszugehen. Jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht
aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Entsprechend den von der Recht-
sprechung zur Schutzfähigkeit von Wortmarken entwickelten Grundsätzen ist auch
bei einer sonstigen Markenform regelmäßig zu prüfen, ob das angemeldete Zei-
chen einen im Vordergrund stehenden beschreibenden Begriffsinhalt verkörpert
oder ob es aus sonstigen Gründen nur als solches und nicht als Herkunftshinweis
verstanden wird (BGH GRUR 2001, 56 - Likörflasche - m.w.N.). Nach diesen
Grundsätzen fehlt der angemeldeten Marke die erforderliche Unterscheidungs-
kraft.
2.1. Maßgeblich für die Beurteilung der Unterscheidungskraft ist die Verkehrsauf-
fassung des Durchschnittsverbrauchers. Als Gebrauchsartikel des täglichen Be-
darfs richten sich die beanspruchten Waren an die Allgemeinheit der Verbraucher,
die als durchschnittlich informiert, aufmerksam und verständig anzusehen sind
(BGH GRUR 2002, 985 - FRÜHSTÜCKS-DRINK II - m.w.N.).
Die Anmelderin hat zwar vorgetragen, dass die beanspruchten Kunststoffbeutel
ausschließlich für Hersteller bestimmt sind, die darin ihre Begleitprodukte wie
Gebrauchsanweisungen und Garantiescheine verpacken, um sie ihren eigenen
Produkten beizufügen.
Eine Beschränkung der maßgeblichen Verkehrskreise auf diese gewerblichen Ab-
nehmer kommt aber nicht in Betracht. Bei den beanspruchten Kunststoffbeuteln
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handelt es sich nicht um eine Ware, die ihrer Art nach ausschließlich von gewerb-
lichen Abnehmern zur Verpackung ihrer Begleitprodukte erworben werden kann
(BPatG 28 W (pat) 50/01 - Kaffeeglas). Nach den Ermittlungen des Senats - wie in
der mündlichen Verhandlung mit der Beschwerdeführerin erörtert - bieten zahlrei-
che Versandhändler Druckverschlussbeutel als Verpackungsmaterial für den ge-
samten gewerblichen und beruflichen Bedarf an, z.B. BÜRO4YOU oppermann,
Ausgabe 2000, S. 215; büroplus - Ihr Fach-Discounter, Ausgabe 2002, S. 82; of-
fice discount, Ausgabe Sommer 2002, S. 251; OTTO – Büro & Technik Profi, Aus-
gabe 4/1999, S. 132; Printus – Ihr Fachbetrieb für den Bürobedarf, Ausgabe 2002,
S. 258; SETON – Der Katalog für Sicherheit und Kennzeichnung, Ausgabe
Herbst/Winter 00/01, S. 201; VIKING Direkt – Ihr Büroartikel-Einkaufsführer Aus-
gabe 2001, S. 192. Darüber hinaus sind Druckverschlussbeutel auch im Haushalt
gebräuchlich und können unmittelbar vom Endverbraucher im Einzelhandel er-
worben werden.
Besondere Kennzeichnungsgewohnheiten, die es rechtfertigen könnten auf die
Verkehrsauffassung der gewerblichen Abnehmer und Einzelhändler abzustellen,
sind auf dem maßgeblichen Warengebiet ebenfalls nicht ersichtlich. Insbesondere
lässt sich nicht feststellen, dass die gewerblichen Abnehmer oder Zwischenhänd-
ler ein Interesse daran haben könnten, die Kunststoffbeutel ohne herkunftshinwei-
sende Kennzeichen zu erwerben, um sie bei der Verpackung ihrer Begleitprodukte
oder für den Weiterverkauf mit ihrem eigenen Kennzeichen zu versehen. Dement-
sprechend ist auch nicht davon auszugehen, dass die Endverbraucher die Kunst-
stoffbeutel erst zur Kenntnis nehmen, wenn sie mit einem Kennzeichen der ge-
werblichen Abnehmer oder Einzelhändler versehen sind (BGH GRUR 1999, 495
- Etiketten).
2.2. Wird für die bestimmte Aufmachung einer Ware Markenschutz begehrt, so
kommt es für die Frage der Unterscheidungskraft ebenso wie bei den anderen
Markenformen darauf an, ob der Verkehr die Positionierung des Zeichens als Her-
kunftshinweis erfasst. Der Verkehr wird häufig dann einen Hinweis auf die betrieb-
liche Herkunft erkennen, wenn sich die Aufmachung nicht nur in den für die Art der
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Ware typischen Merkmalen erschöpft, sondern darüber hinausgehende charakte-
ristische Elemente aufweist (BGH WRP 2001, 261 - Gabelstapler m.w.N.). Dabei
ist zunächst von dem für die Beurteilung von Wortmarken entwickelten Grundsatz
auszugehen, dass der angesprochene Verbraucher ein Zeichen in seiner Ge-
samtheit aufnimmt ohne es einer analysierenden Betrachtungsweise zu unterzie-
hen (BGH GRUR 2001, 162 - RATIONAL SOFTWARE CORPORATION). Besteht
die konkrete Aufmachung aus einer Kombination von Gestaltungsmerkmalen und
Produktbezeichnungen mit Herstellerangaben und handelt es sich um Waren des
täglichen Bedarfs, die in einer Vielzahl ähnlicher Erscheinungsformen und
Gestaltungen angeboten werden, so wird sich der Verkehr vorrangig an Produkt-
bezeichnung und Herstellerangabe und nicht an dem einzelnen Gestaltungsele-
ment orientieren (BGH GRUR 2001, 443 - Viennetta). Ob dieser unter dem wett-
bewerbsrechtlichen Gesichtspunkt der Herkunftstäuschung entwickelte Grundsatz
auch uneingeschränkt für die Prüfung absoluter Schutzhindernisse gilt, kann da-
hingestellt bleiben, weil die angemeldete Aufmachung weder Produktbezeichnun-
gen noch Herstellerangaben enthält. Bei einer Aufmachung, die – wie im vorlie-
genden Fall – ausschließlich aus mehreren Gestaltungsmerkmalen besteht, wird
angenommen, dass der Verkehr regelmäßig nicht die Form der Ware von ihrer
sonstigen Gestaltung abstrahiert und daher die Gestaltungselemente nicht in glei-
cher Weise wie Wort- und Bildmarken als Herkunftshinweis erfasst (BGH Urt. v.
5.12.2002 - I ZR 91/00 - Abschlussstück). Für diese Auffassung sprechen im Üb-
rigen auch die Ausführungen des Generalanwalts des Europäischen Gerichtshofs,
wonach bei der Prüfung der Unterscheidungskraft einer Marke, die in der Form der
beanspruchten Ware besteht, vorauszusetzen ist, dass der durchschnittliche
Verbraucher beim Erfassen eines solchen Zeichens keine zusätzlichen analysie-
renden oder vergleichenden Ermittlungen vornimmt (EuGH C-218/01
- Waschmittelflasche - Schlussanträge vom 14. Januar 2003).
Zu prüfen ist daher, ob der Verkehr auf Grund der Kennzeichnungsgewohnheiten
auf dem hier maßgeblichen Warengebiet in den beanspruchten Gestaltungsele-
menten einen Herkunftshinweis erkennt. Nach den Ermittlungen des Senats las-
sen sich auf dem hier maßgeblichen Gebiet des Büro- und Verpackungsmaterials
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keine Anhaltspunkte feststellen, dass das Publikum sich an die kennzeichnende
Funktion farbiger Streifen gewöhnt hat oder aber zumindest in Ansätzen eine
derartige Hinführung besteht (BPatGE 40, 17 - Honigglas).
In den einschlägigen Katalogen für Bürobedarf und Verpackungsmaterial werden
verschiedene Ausführungen der beanspruchten Druckverschlussbeutel angebo-
ten. Es finden sich durchsichtige Modelle ohne jegliche farbliche Aufmachung und
Modelle, die an der Oberkante des Beutels einen roten, rosa, blauen oder schwar-
zen Streifen aufweisen. Produktbeschreibung und Präsentation im Katalog erfol-
gen jeweils ohne Herstellerangaben und ohne Erwähnung der farbigen Streifen.
Farbige und farblose Varianten werden teilweise nebeneinander abgebildet, ohne
dass für den Abnehmer erkennbar ist, welches konkrete Modell tatsächlich ange-
boten wird.
Darüber hinaus ist festzustellen, dass im Bereich des Büro- und Verpackungs-
materials farbige Streifen und Kennzeichnungen üblicherweise als Ordnungs-
merkmal bzw. als dekorative Elemente eingesetzt und auch so beworben werden.
So finden sich in den genannten Katalogen bei den Produktbeschreibungen Hin-
weise wie z.B. SETON – Der Katalog für Sicherheit und Kennzeichnung, Ausgabe
Herbst/Winter 00/01, S. 359: „Die Farbkante außen ermöglicht eine Sortierung
nach Projekten, Abteilungen o. Ä. (Schnellheft-Folien-Systeme); Farbkanten er-
möglichen übersichtliches Sortieren (Prospekthefter)“; S. 360: „Farbkante zur
übersichtlichen Trennung und Codierung Ihrer Unterlagen und Projekte (Klar-
sichttaschen mit Farbkante); VIKING Direkt – Ihr Büroartikel-Einkaufsführer; Aus-
gabe 2001, S. 54: „Stabiles Ordnungssystem in attraktiven Farbkombinationen.
Sie haben die Wahl zwischen 3 bzw. 4 verschiedenen, modernen Farben (Ablage-
systeme)“; büroplus - Ihr Fach-Discounter, Ausgabe 2002, S. 127: „Ein edles De-
tail für Ihr Büro! Silbergraue Klemmschiene mit colorierten Streifen.“
Auch die konkrete Anordnung der beiden blauen Streifen charakterisiert die an-
gemeldete Aufmachung in ihrer Gesamtheit nicht in einer Weise, die herkunfts-
hinweisend wirken könnte. Angesichts der Üblichkeit dieser beschriebenen Auf-
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machungen von Kunststoffbeuteln mit farbigen Streifen an der Oberkante als Ord-
nungsmerkmal auf dem beanspruchten Warengebiet geht der Senat davon aus,
dass der durchschnittliche Verbraucher allein in der Platzierung zweier farbiger
Streifen entlang des Druckverschlusses keinen Hinweis auf ein bestimmtes Unter-
nehmen erkennt.
Der Verkehr könnte die konkrete Anordnung der beiden blauen Streifen allenfalls
dann als herkunftshinweisend erfassen, wenn es bei den beanspruchten Kunst-
stoffbeuteln keine anderen Möglichkeiten gäbe einen Herkunftshinweis anzubrin-
gen (BGH GRUR 1999, 495 - Etiketten). Für eine solche Annahme hat der Senat
aber keine Anhaltspunkte gefunden.
Grabrucker Pagenberg
Fink
Cl
Abb. 1