Urteil des BPatG vom 31.01.2002

BPatG (stand der technik, fachmann, beeinflussung, messung, signal, transport, aufgabe, patg, lehre, technik)

BUNDESPATENTGERICHT
IM NAMEN DES VOLKES
2 Ni 40/00
(Aktenzeichen)
URTEIL
Verkündet am
31. Januar 2002
In der Patentnichtigkeitssache
BPatG 253
9.72
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betreffend das deutsche Patent 30 43 003
hat der 2. Senat (Nichtigkeitssenat) des Bundespatentgerichts auf Grund der
mündlichen Verhandlung vom 31. Januar 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Meinhardt sowie der Richter Gutermuth, Dipl.-Phys. Ph. D./M.I.T.
Cambridge Skribanowitz, Dipl.-Ing. Harrer und Dipl.-Ing. Schmitz
für Recht erkannt:
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt gegen Sicher-
heitsleistung in Höhe von € 14.000,-- vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand:
Die Beklagte ist eingetragene Inhaberin des deutschen Patents 30 43 003 (Streit-
patent), das am 11. November 1980 unter Inanspruchnahme der Priorität der nie-
derländischen Patentanmeldung 7908357 vom 15. November 1979 angemeldet
worden ist und ein Verfahren zum Transport der Schussfäden mittels eines strö-
menden Fluidums durch das Webfach einer Webmaschine sowie eine Webma-
schine zur Durchführung dieses Verfahrens betrifft.
Das Patent umfasst in der Fassung, die es durch die Entscheidung des 11. Se-
nats des Bundespatentgerichts vom 17. Dezember 1992 erhalten hat,
5 Patentansprüche, von denen der Patentanspruch 1 und der nebengeordnete
Patentanspruch 4 folgenden Wortlaut haben:
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„1. Verfahren zum Transport der Schussfäden durch das Webfach
einer Webmaschine, mittels einer Anzahl mit einem strömenden
Transportfluidum gespeister Düsen, dadurch gekennzeichnet, dass
von jedem Schussfaden die Transportgeschwindigkeit gemessen
wird, ein für die gemessene Transportgeschwindigkeit repräsentati-
ves Signal (s, s’) einem Steuersystem (10, 10’, 11) zugeführt wird,
in welchem dieses Signal in ein Steuersignal umgewandelt wird,
das diejenigen Komponenten (4) des Schusstransportsystems,
welche die Geschwindigkeit des Schussgarns bestimmen, beein-
flusst.“
und (mit redaktionellen Änderungen in )
„4. Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach Anspruch
1, dadurch gekennzeichnet, dass die Maschine mit einer Messvor-
richtung (6, 7, 8) für die Transportgeschwindigkeit des Schussfa-
dens sowie mit einem Steuersystem (10, 11) ausgerüstet ist, in
welchem das für die Transportgeschwindigkeit repräsentative Sig-
nal (’) in ein Steuersignal umgewandelt wird, das die Komponen-
ten (2, 4) des Schusstransportsystems beeinflusst, welche die Ge-
schwindigkeit des Schussfadens bestimm.“
Wegen der Patentansprüche 2 und 5 wird auf die Patentschrift DE 3043003 C2
Bezug genommen.
Mit ihrer Teilnichtigkeitsklage macht die Klägerin geltend, der Gegenstand des
Streitpatents sei, soweit angegriffen, gegenüber dem Stand der Technik nicht pa-
tentfähig. Er sei nicht neu, beruhe aber jedenfalls nicht auf einer erfinderischen
Tätigkeit.
Sie beruft sich hierzu auf folgende, abgesehen von NK 3, vorveröffentlichte
Druckschriften:
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NK 1 : Webereitechnik, VEB Fachbuchverlag Leipzig, 2.Auflage 1971
NK 2 : DE-OS 2 403 025
NK 3 : Air jet weaving machines - review, state of the art and prospects
( A. Wahoud and O. Kohlhaas ), ITB 3/81 Weaving – nachveröffentl.
NK 4 : US-PS 3,853,408
NK 5 : US-PS 4,023,599
NK 6 : DE 27 58 402 A1
NK 7 : DE 24 11 905 A1
NK 8 : Elektronisches Messverfahren zur EDV-gerechten Erfassung der
Schützenbewegung an Webmaschinen (Prof. H. Perner/ T. Hänel),
Textiltechnik 24(1974) 3, S 171
NK 9 : Ermittlung von Leistungsreserven an Greiferschützen-Webautomaten
(Prof. H. Perner / T. Hänel), Textiltechnik 29(1975) 3, S 160NK 10:
Elektronische Webmaschinenmeßtechnik (Teil 1)
(Prof. H. Perner / T. Hänel), Textiltechnik 29(1979) 10, S 648
NK 11: Methode zur Messung der Zeit des Schussfadenflugs durch den Konfusor
bei pneumatischen Webautomaten. (V. Buran, J.Kuba, S.Kondelik),
Textiltechnik 22 (1972) 6, S 364
NK 12: GB-PS 1 468 124
NK 14: FR-PS 1.541.187 (Übersetzung NK 14 A)
NK 15: DE 28 24 429 A1
Die Klägerin beantragt,
das Streitpatent im Umfang der Ansprüche 1, 2, 4 und 5 für nichtig
zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Sie tritt den Ausführungen der Klägerin in allen Punkten entgegen und hält das
Entscheidungsgründe:
Die Klage, mit der der in § 22 Abs.2 iVm § 21 Abs.1 Nr.1 PatG vorgesehene Nich-
tigkeitsgrund der mangelnden Patentfähigkeit geltend gemacht wird, ist zulässig.
Da ein Verletzungsverfahren zwischen den Parteien anhängig ist, ist der Klägerin
auch nach Erlöschen des Patents ein Rechtsschutzbedürfnis im Nichtigkeitsver-
fahren zuzubilligen (vgl Busse, PatG 5.Aufl., § 81 Rdnr 49 ff). Die Klage ist jedoch
nicht begründet, weil es der Klägerin nicht gelungen ist, den Senat vom Vorliegen
des Nichtigkeitsgrundes der mangelnden Patentfähigkeit in Hinblick auf den an-
gegriffenen Teil des Streitpatents zu überzeugen.
I.
Das Streitpatent betrifft nach Anspruch 1 ein Verfahren zum Transport der
Schussfäden durch das Webfach einer Webmaschine mittels einer Anzahl mit ei-
nem strömenden Transportfluidum gespeister Düsen und nach dem nebengeord-
neten Anspruch 4 eine Webmaschine zur Durchführung des Verfahrens nach An-
spruch 1.
Bei bekannten Webmaschinen dieser Art ist es für einen guten Wirkungsgrad ne-
ben einer hohen, von der Impulsübertragung des Transportfluids auf den Faden
bewirkten Schussgeschwindigkeit erforderlich, dass zur Vermeidung von Web-
fehlern die Schussfadeneinträge in das Webfach mit möglichst geringen Abwei-
chungen zu vorbestimmten Zeitpunkten innerhalb des Webzyklus beendet sind.
Damit sowohl der langsamste als auch der schnellste Schusseintrag innerhalb
des Webzyklus liegt, wird den Schussfäden für ihren Flug soviel Zeit gewährt und
soviel Transportfluidenergie zugeführt, dass sie auch bei schwankender Trans-
portgeschwindigkeit rechtzeitig an der gegenüberliegenden Gewebeseite, also vor
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dem nächsten Webblattanschlag, ankommen. Dieses Verfahren ist jedoch unöko-
nomisch, vgl Streitpatentschrift, Sp 2, Z 1 – 26.
Aufgabe der Erfindung ist es, nach Sp 2, Z 26, 27 der Streitpatentschrift die
Nachteile des Standes der Technik zu vermeiden, also gemäß Schriftsatz der Be-
klagten vom 23. Januar 2001, S 4, bei möglichst hohen Transportgeschwindig-
keiten des Schussfadens einen guten Wirkungsgrad der Webmaschine zu errei-
chen und dabei sicherzustellen, dass die sehr schnell aufeinanderfolgend in das
jeweilige Webfach eingetragenen Schussfäden trotz Unterschieden in ihrem Luft-
widerstand ihre Schussbewegung mit möglichst geringen Abweichungen zu vor-
bestimmten Zeitpunkten innerhalb des Webzyklus beenden.
Gelöst wird diese Aufgabe gemäß den Ansprüchen 1 und 4 dadurch, dass auf-
grund der Messung der Transportgeschwindigkeit des Schussfadens ein dafür re-
präsentatives Signal gebildet und in einem Steuersystem in ein Steuersignal um-
gewandelt wird, welches die die Geschwindigkeit des Schussfadens bestimmen-
den Komponenten des Schusstransportsystems beeinflusst.
Nach der Streitpatentschrift, Sp 2, Z 27 – 38, haben Versuche zu der Erkenntnis
geführt, dass die zwischen aufeinanderfolgenden Schüssen trotz gleichen
Schussfadens auftretenden unterschiedlichen Transportgeschwindigkeiten ihre
Ursache im Faden selbst haben. Sie sind die Folge von Unterschieden in der
Oberflächenbeschaffenheit und damit im Luftwiderstand des Schussfadens, was
aufgrund veränderter Impulsübertragung von einem Fluidum, wie Luft, auf den
Faden dessen Transportgeschwindigkeit beeinflusst. Zur Ermittlung dieser Trans-
portgeschwindigkeit genügt in dem beim Weben üblichen Fall der gleichbleiben-
den Gewebebreite und demzufolge auch gleichbleibenden Webfachbreite die
Messung der Durchlaufzeit des Schussfadens durch das Webfach, weil wegen
der konstanten Durchlaufstrecke bereits der Messwert für diese sog. Schusszeit
den reziproken Wert für die Transportgeschwindigkeit – wenn auch nicht für jeden
Punkt der Flugstrecke, so wenigstens als Mittelwert - ergibt. Somit stellt hier die
Schusszeit ein Maß für die Transportgeschwindigkeit dar. Ein für diesen Messwert
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repräsentatives Signal wird erfindungsgemäß zur Vergrößerung oder Verkleine-
rung der Transportfluidenergie, wie Druck oder Menge des durch die Düse strö-
menden Fluids, genutzt, Sp 4, Z 50 - 53. Dabei wird – im Gegensatz zum nicht
angegriffenen Verfahren nach Anspruch 3 – von einer konstanten Drehzahl des
Webmaschinenantriebs ausgegangen. Mit diesem Regelverfahren wird erreicht,
dass die für eine ordnungsgemäße Gewebebildung mit der Maschinenwelle und
somit mit dem Webzyklus synchronisierte Schusszeit, die wie erläutert hier ein
Maß für die Transportgeschwindigkeit des Fadens darstellt, konstant bleibt.
II
Dem Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach Anspruch 4 sind
gegenüber den Düsenwebmaschinen gemäß den Druckschriften NK 1, 2, 4 – 6,
11 und 12 schon wegen des die Transportgeschwindigkeit beeinflussenden
Steuersystems und gegenüber den Schützenwebmaschinen gemäß den Druck-
schriften NK 7 – 10, 14 und 15 schon wegen der mit einem strömenden
Transportfluid gespeisten Düsen für den Schusseintrag neu. Der Senat wurde
auch nicht davon überzeugt, dass der maßgebliche Fachmann, ein Fachhoch-
schulingenieur der Fachrichtung Textiltechnik mit einschlägigen Kenntnissen und
Erfahrungen im Bau von Webmaschinen, zu dem Verfahren nach Anspruch 1 und
der Vorrichtung nach Anspruch 4 ohne erfinderische Tätigkeit gelangen konnte.
Die Gruppe NK 1, 2, 4 – 6, 11 und 12 der Entgegenhaltungen betrifft Düsenweb-
maschinen, die dem Fachmann seit Beginn der 60iger Jahre bekannt sind. Bei
diesen Webmaschinen erfolgt der Transport der Schussfaden durch das Webfach
mittels eines strömenden Transportfluids, wie es in der dem Patentgegenstand
am nächsten kommenden DE 27 58 402 A1 (NK 6), Fig 2 iVm S 5, 3. Abs, be-
schrieben ist. Dabei soll bei unrichtigem Schusseintrag ein schnelles Abstellen der
Webmaschine und bei richtigem Schusseintrag die Steuerung von Zusatzblasdü-
sen erreicht werden, S 3, 3. Abs. Dies erfolgt mittels elektrostatischer Aufladung
des Schussfadens 11, die selbsttätig oder durch eine dafür geeignete, in der Bahn
des Fadens vor dem Webfach angeordnete Auftragsvorrichtung 13, und mittels
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eines (oder mehrerer) darauf ansprechenden, innerhalb des Webfachs angeord-
neten Detektionsfühlers 4, der durch Abtasten des Schussfadenvorderendes in
Abhängigkeit von dessen Stellung die Webmaschine steuert. Nach S 6, Z 11- 21
bewirkt diese Steuerung entweder bei unrichtigem Fadenlauf das Abschalten der
Maschine oder bei richtigem Fadenlauf, abhängig von der Stellung des Schussfa-
dens 11 im Webfach, die Zufuhr von Druckmedium zu zusätzlich im Webfach an-
geordneten Blasdüsen.
Davon unterscheidet sich der Patentgegenstand durch die Messung der Trans-
portgeschwindigkeit des Schussfadens, für die - wie in Kap. I. erläutert - hier die
Messung der Schusszeit genügt, und den daraus abgeleiteten Regeleingriff auf
das die Schusszeit bestimmende Transportfluid, wenn sich die Schusszeit ändert.
Die Grundgeschwindigkeit erhält ein Schussfaden bei Düsenwebmaschinen von
der pro Faden einzigen Schusseintragdüse, die den Faden durch ihren fadenein-
gangsseitig herrschenden Unterdruck von der Schussfaden-Vorbereitungsvor-
richtung abzieht. Eine solche Eintragdüse weist zwei Durchgänge auf, einmal für
den zu transportierenden Faden, zum anderen für das den Transport bewirkende
Fluid, wogegen Blasdüsen, wie sie nach der NK 6 vorgesehen sind, nur einen
einzigen Durchgang für die Blasluft aufweisen, die den bereits erfolgten Faden-
eintrag in das Webfach durch seitliches Anblasen unterstützen. Die Steuerung
dieser Blasdüsen erfolgt nach S 6, Z 19 mangels anderer Angaben offensichtlich
genauso wie das gesteuerte Abschalten der Maschine nach S 6, Z14, 15, nämlich
in diskontinuierlicher Weise. Dass der Fachmann von dieser bekannten Steuerung
der erst im Webfach erfolgenden Zufuhr von zusätzlicher Blasluft in naheliegender
Weise zur erfindungsgemäßen kontinuierlichen Regelung der Fadengeschwindig-
keit mittels Änderung des die Fadeneintragdüse speisenden Transportfluids ge-
langt, stellt eine unzulässige retrospektive Betrachtungsweise dar. Dies erfordert
vielmehr erfinderische Überlegungen, weil die NK 6 weder in ihrer Aufgabenstel-
lung noch aufgrund ihrer Lösung dem Fachmann Anregungen gibt, zur Vermei-
dung unterschiedlicher Schusszeiten bzw. Transportgeschwindigkeiten regelnd
auf die Komponenten des Schusstransportsystems einzugreifen. Im Übrigen ist
die erfindungsgemäße Regelung der Schusszeit durch Beeinflussung der
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Transportfluidenergie auch deswegen vorteilhaft, weil es nicht nur Schusszeit-
schwankungen aufgrund unterschiedlicher Oberflächenbeschaffenheit des Fa-
dens, sondern auch andere, ggf auftretende Einflüsse auf den Fadentransport
mitkorrigiert. Auch ist erfindungsgemäß keine besondere auf einen Fühler anspre-
chende Fadeneigenschaft, wie die elektrostatische Aufladung nach der NK 6,
notwendig; vielmehr genügt ein bei Webmaschinen üblicher Schussfadenwächter
am Ende des Webfachs zur Erfassung der Schussfadenankunft.
Aus diesen Gründen sind das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung
nach Anspruch 4 dem Fachmann durch NK 6 nicht nahgelegt.
Dies trifft auch bezüglich der weiter abliegenden US-PS 3,853,408 (NK 4) und
US-PS 4,023,599 (NK 5) zu, die beide lediglich photoelektrische Schussfaden-
wächter an Düsenwebmaschinen zeigen, durch die bei nicht ordnungsgemäßen
Schussfadeneintrag der Antrieb der Webmaschine zur Behebung der Unregelmä-
ßigkeit abgeschaltet und/oder im Falle der NK 5 eine Alarmanlage betätigt wird.
Hinweise auf ein erfindungsgemäßes Regelverfahren durch Beeinflussung der die
Transportgeschwindigkeit bestimmenden Fluidenergie sind der NK 4 und der NK5
nicht zu entnehmen.
Aus dem Fachbuch „Webereitechnik“, VEB Fachbuchverlag Leipzig, 2.Auflage
1971 (NK1), S 185, Z 8 – 9, entnimmt der Fachmann zwar, dass bei Düsenweb-
maschinen die Einstellung der Schusseintragvorrichtungen leicht regelbar sei.
Nähere Begründungen oder sonstige Angaben dafür oder gar für das erfindungs-
gemäße Regeln durch Beeinflussung des Transportfluids fehlen jedoch, sodass
der Fachmann nicht ohne erfinderische Überlegungen zur erfindungsgemäßen
Lehre gelangt.
Die DE-OS 2 403 025 (NK 2) beschreibt eine Anordnung zum Verteilen des
Transportfluids mittels Magnetventilen an Düsenwebmaschinen, um zur Vermei-
dung von Druckverlusten (S 2, 6.Abs) Beginn sowie Ende und damit die Dauer
der Druckmediumzufuhr zur Schusseintragsdüse und auch zu Zusatzdüsen zu
steuern (S 3, 2. und 3. Abs). Irgendwelche zur Erfindung führenden Hinweise gibt
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die NK 2 ebenso wenig wie die GB-PS 1 468 124 (NK12). Bei der in NK 12 be-
schriebenen Düsenwebmaschine wird mittels unterschiedlicher Drosseln der
Fluiddruck während des Fadenflugs durch das Webfach verringert (Fig 6 iVm S 1,
Z 90 bis S 2, Z 4), damit der Schussfaden hinter seinem Vorderende keine
Schlaufen bildet, also straff bleibt (S 1, Z 50 – 77). Nach S 11, Z 4 - 11 kann zwar
der Fluiddruck kontinuierlich in Abhängigkeit von der Fadenart und der Gewebe-
breite verändert werden, aber dies erfolgt nicht durch einen erfindungsgemäßen
Regelvorgang während des Webens, sondern durch eine andere Grundeinstel-
lung der Drosselventile bei einer neuen Fadenart. Damit geht die NK 12 zwar auf
unterschiedliche Fadeneigenschaften ein, aber nur bei einem Fadenwechsel,
nicht bei Schwankungen der Mitnahmeeigenschaften des gleichen Fadens einer
Spule. Daher steht auch die NK 12 dem Patentgegenstand nicht entgegen.
Schließlich ist aus dem Bericht „Methode zur Messung der Zeit des Schussfaden-
flugs durch den Konfusor bei pneumatischen Webautomaten“ (V. Buran, J.Kuba,
S.Kondelik), Textiltechnik 22 (1972) 6, S 364 (NK11) bekannt, wie außerhalb einer
Düsenwebmaschine die Durchflugzeit durch den Konfusor, also durch die mit ei-
nem strömenden Transportfluid gespeiste Fadeneintragdüse gemessen werden
kann, um die Grundeinstellung der Webmaschine bei unterschiedlichen Fadenar-
ten und die Gestaltung des Konfusors zu verbessern, S 365, re Sp). Aus der NK
11 ist kein Hinweis zu entnehmen, während des Webens Schwankungen der Mit-
nahmeeigenschaften des gleichen Fadens zu berücksichtigen und durch eine Re-
gelung die zeitgerechte Ankunft aufeinanderfolgender Schüsse an der der Düse
gegenüberliegenden Gewebeseite zu gewährleisten, weil die für eine Regelung
charakteristische Rückkoppelung der Messwerte zur Beeinflussung der Schützen-
flugzeit bzw. Transportgeschwindigkeit nicht beschrieben ist. Somit sind auch
ausgehend von der Schrift NK 11 erfinderische Überlegungen notwendig, um zur
Lösung der Aufgabe mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 4 zu gelangen.
Aus diesen Gründen beruhen das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung
nach Anspruch 4 gegenüber den Düsenwebmaschinen nach den Druckschriften
NK 1, 2, 4 – 6, 11 und 12 auf erfinderischer Tätigkeit.
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Die zweite Gruppe NK 7 – 10, 14 und 15 der Entgegenhaltungen betrifft die dem
Fachmann schon lange vor den Düsenwebmaschinen geläufigen Schützenweb-
maschinen. Bei diesen erfolgt der Schussfadeneintrag durch das Webfach über
mechanisch angetriebene Schützen, die vorwiegend als Spulenschützen die Fa-
denspule im Schützen tragen und seltener als Greiferschützen die Fadenspule
stationär angeordnet haben. Üblicherweise werden diese Schützen mittels eines
von der Maschinenwelle angetriebenen Hammers in Bewegung gesetzt. Gemein-
sam ist den Schützenwebmaschinen und den Düsenwebmaschinen die für eine
ordnungsgemäße Gewebebildung notwendige Synchronisation des Schussein-
trags mit der Drehwinkellage der Webmaschinenwelle. Dieses gemeinsame, für
das Weben typische Problem genügt aber nicht, in einfacher Weise Lösungen bei
Schützenwebmaschinen auf Düsenwebmaschinen zu übertragen. Der Fachmann
hat nämlich zunächst keine Veranlassung, bei der Lösung der erfindungsgemä-
ßen Aufgabe, die aufgrund von sich ändernder Oberflächenbeschaffenheit und
somit Mitnahmeeigenschaft des Schussfadens liegenden Schwankungen der
Schussgeschwindigkeit bei Düsenwebmaschinen zu vermeiden, sich mit Schüt-
zenwebmaschinen zu befassen, da deren Schützenbewegung keine Abhängigkeit
von der Oberflächenbeschaffenheit des Schussfadens zeigt.
Zieht der Fachmann trotzdem die Schützenwebmaschinen betreffenden Druck-
schriften NK 7, 9, 14 und 15 in Betracht, so lehrt ihn selbst die jüngste der im
Verfahren genannten Druckschriften, die DE 28 24 429 A1 (NK 15) aus 1977,
keine Regelung der Schusszeit im patentgemäßen Sinne, sondern nach S 5, Z 12
– 17, nur die Kontrolle der Synchronisation von Schützenflug und Maschinenwel-
lendrehung. Nach S 4, Z 17 – 21, löst der Schützen beim Durchlaufen einer be-
stimmten Position in einer Schalteinheit 17 ein Signal S5 aus, das mittels einer
Torschaltung 15 dem Winkelwert der Maschinenwelle 1 zugeordnet wird. Der sich
dadurch ergebende Zählerstand des Zählers 11 kann dann nach S 5, Z 1 – 11, je
nach Verwendungszweck zwischengespeichert, angezeigt, ausgedruckt oder ei-
ner statistischen Auswerteeinheit zugeführt werden. Bei unabhängig von der Ma-
schinenwelle 1 angetriebenen Teilen, wie es nach der NK 15 ein Webmaschinen-
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schützen sein soll, was aber wegen des von der Maschinenwelle abhängigen
Hammerantriebs nur bedingt zutrifft, kann bei Abweichung des Drehlagenwerts
vom Sollwert eine „Maschinenfunktion“ oder „Synchronisationsregelung“ einge-
leitet werden. Dies ist in der NK 15, S 5, Z 6 – 11, ohne nähere Angaben nur pau-
schal erwähnt. Ob und wie auf den Hammerantrieb des Schützen oder auf den
Webmaschinenantrieb eingewirkt wird, ist in der NK 15 selbst für Schützenweb-
maschinen nicht beschrieben; demzufolge gibt sie erst recht keinen Hinweis für
die erfindungsgemäße Regelung der Transportgeschwindigkeit des Schussfadens
bei schützenlosen Düsenwebmaschinen. Aus diesen Gründen ergibt die Übertra-
gung der Lehre der NK 15 auf eine Düsenwebmaschine nicht ohne erfinderische
Überlegungen das Verfahren nach Anspruch 1 und die Vorrichtung nach An-
spruch 4.
Die weitere Schützenwebmaschinen betreffende DE 24 11 905 A1 (NK 7) und der
mit dieser im Wesentlichen übereinstimmende Bericht „Ermittlung von Leistungs-
reserven an Greiferschützen-Webautomaten“ (Prof. H. Perner / T. Hänel), Textil-
technik 29 (1975) 3, S 160, (NK 9) liegen noch weiter ab als die NK 15 und kön-
nen schon deshalb keine Anregungen zur erfindungsgemäßen Lehre geben. Aus
ihnen sind zwar Zeitmessungen der Schützenbewegung sowohl von Spulen- als
auch von Greiferschützen bekannt. Aus diesen Zeitmessungen schließt der
Fachmann ohne weiteres auf die Transportzeit des Faden selbst und somit - wie
in Kap. 1. erläutert - auf seine Transportgeschwindigkeit. Bei diesen Messungen
wird mittels an der Bewegungsbahn und an der Maschinenwelle angeordneter
Sensoren der Durchlauf des Schützen in Bezug zum zeitlichen Ablauf des Web-
maschinenantriebs erfasst und in einem Rechner zur Einstellungsoptimierung
verarbeitet. Aber eine für Regelverfahren charakteristische Rückkoppelung der
Messwerte zur Beeinflussung der Schützenflugzeit bzw. Transportgeschwindigkeit
ist nicht beschrieben, weshalb sie auch keinerlei Anregung für die erfindungsge-
mäße Beeinflussung der die Schusszeit bestimmenden Komponenten des
Transportfluids von Düsenwebmaschinen gibt.
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Schließlich gibt auch die aus 1966 stammende FR-PS 1.541.187 (NK 14) bzw.
ihre Übersetzung (NK 14 A), auf die im Folgenden Bezug genommen ist, keine
zur erfindungsgemäßen Lehre führenden Hinweise, denn sie beschreibt nur eine
Vorrichtung für die Kontrolle der Schlagkraft und damit der Bahnbewegung des
Schützen an Schützenwebmaschinen. Ziel ist der Stillstand des Schützen genau
in der Endposition seiner Bewegungsbahn bei einer bestimmten, vor der nächsten
Webfachbildung liegenden Maschinenwellenposition, S 5, 3.Abs – S 6, 2.Abs.
Gründe für Abweichungen davon sind bei gleichbleibender Schlagkraft neben an-
deren Ursachen das mit zunehmenden Fadenverbrauch abnehmende Gewicht
des Spulenschützen oder veränderte Reibverhältnisse, S 2, 2.Abs. Mittels einer
Signallampe wird die vom Schützen erreichte gewünschte Endposition angezeigt.
Nach nicht erfolgter Anzeige erhöht oder vermindert die Bedienungsperson –
nach Abschalten der Webmaschine - die Schlagkraft des den Schützen antrei-
benden Hammers. Damit wird die folgende Endposition des Schützen zwar regu-
liert, S 12, le Abs – S 13, 3.Abs., aber der Fachmann entnimmt der NK 14 bzw NK
14A ebenfalls keine selbsttätige, kontinuierliche Regelung des Schussfadenein-
trags im Sinne der Erfindung, also ohne Eingriff einer Bedienungsperson. Somit
sind auch ausgehend von der Schrift NK 14 erfinderische Überlegungen notwen-
dig, um zur Lösung der Aufgabe mit den Merkmalen der Ansprüche 1 und 4 zu
gelangen.
Auch keine der möglichen Kombinationen der Düsenwebmaschinen und/oder der
Schützenwebmaschinen betreffenden Druckschriften führt den Fachmann zum
Patentgegenstand hin, weil auch dann keine erfindungsgemäße Regelung der
Transportgeschwindigkeit bzw. Schusszeit durch Beeinflussung der diese be-
stimmenden Transportfluidenergie nahegelegt ist – und zwar bei den Düsenweb-
maschinen schon mangels Messung der von den Mitnahmeeigenschaften des
Fadens abhängigen Transportgeschwindigkeit bzw. Schusszeit und bei den
Schützenwebmaschinen mangels kontinuierlicher Rückkoppelung ermittelter
Schützenlaufzeiten auf den Schützenantrieb. Offensichtlich nahm vor dem An-
meldetag des Streitpatents die Fachwelt bei den Düsenwebmaschinen in Kauf,
dass sie entweder so langsam liefen, dass die Zeit für den Schusseintrag auch bei
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schlechten Mitnahmeeigenschaften des Fadens noch innerhalb des Webzyklus
lag, oder bei unzulässigen Abweichungen abgeschaltet wurden, obwohl beides
wirtschaftlich nachteilig ist.
Die noch weiter abliegenden, in der mündlichen Verhandlung nicht wieder aufge-
griffenen Berichte „Elektronisches Messverfahren zur EDV-gerechten Erfassung
der Schützenbewegung an Webmaschinen“ (Prof. H. Perner/ T. Hänel), Textil-
technik 24(1974) 3, S 171, (NK 8) und „Elektronische Webmaschinenmesstechnik
(Teil 1)“ (Prof. H. Perner / T. Hänel), Textiltechnik 29(1979) 10, S 648, (NK 10)
führen zu keinem anderen Ergebnis.
Da also bei den bekannten Düsenwebmaschinen noch nicht die sich ändernden
Mitnahmeeigenschaften des gleichen Fadens verwertet worden sind und die be-
kannten Schützenwebmaschinen im Wesentlichen nur die Kontrolle der Schüt-
zenbewegung lehren, der Faden dabei aber keine Rolle spielt, hatte der Fach-
mann nach alldem keinen Anlass, die erfindungsgemäßen Maßnahmen nach den
Ansprüchen 1 und 4 zu treffen, also die Schwankungen der Schusszeit bzw.
Transportgeschwindigkeit zu ihrer Regelung durch Beeinflussung der
Transportfluidenergie zu nutzen, um das für eine wirtschaftliche Gewebebildung
notwendige Konstanthalten der Schusszeit bzw. Transportgeschwindigkeit zur
Synchronisation von Webzyklus und Schusseintrag zu gewährleisten. Dazu be-
durfte es vielmehr erfinderischer Tätigkeit.
Die Klägerin konnte aus diesen Gründen den Senat nicht davon überzeugen, daß
der Fachmann die in den Patentansprüchen 1 und 4 beanspruchten Lehren in na-
heliegender Weise aus dem Stand der Technik unter Einsatz seiner fachlichen
Fähigkeiten auffinden konnte.
Dies geht zu Lasten der Klägerin. Die durch die ordnungsgemäße Patenterteilung
erlangte Rechtsstellung kann der Patentinhaberin nur dann wieder genommen
werden, wenn zweifelsfrei feststeht, daß sie diese zu Unrecht erlangt hat (BGH
GRUR 91, 522 ff mwN), was vorliegend nicht der Fall ist.
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Mit dem Bestand der Patentansprüche 1 und 4 haben die auf sie rückbezogenen
Unteransprüche 2 und 5 ohne weiteres Bestand, weil mit ihnen aufgrund der Mit-
telwertbildung aus mehreren Schusszeiten vorteilhafte Weiterbildungen des Pa-
tentgegenstandes beansprucht werden.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 Abs 2 PatG iVm § 91 Abs 1 Satz 1 ZPO,
der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 99 Abs 1 PatG iVm § 709
ZPO.
Meinhardt Gutermuth
Skribanowitz
Harrer
Schmitz
Pr