Urteil des BPatG vom 29.06.2006

BPatG: pensionskasse, rente, verkehr, unterscheidungskraft, versicherungswesen, unternehmen, bestandteil, dienstleistung, finanzwesen, begriff

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 97/04
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
29. Juni 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 35 917.6
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Mai 2006 unter Mitwirkung …
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beschlossen:
1. Auf die Beschwerde wird der Beschluss der Markenstelle für
Klasse 36 des Patentamts vom 15. Dezember 2003 teilweise
aufgehoben, nämlich für die Dienstleistung "Immobilienwe-
sen".
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Anmeldung der Wort-/Bildmarke
für
Klasse 36: Versicherungswesens; Finanzwesen; Geldgeschäfte;
Immobilienwesen
ist mit Beschluss der Markenstelle vom 15. Dezember 2003 nach §§ 37 Abs. 1, 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen worden. Nach Auffassung der Markenstelle
bezeichnet der Markenbestandteil ”Pensionskasse“ einen Träger der betrieblichen
Altersversorgung in der Rechtsform eines Versicherungsvereins auf Gegenseitig-
keit. Der weitere Bestandteil ”Classic“ habe die Bedeutung ”klassisch“, ”Standard-
version“ und sei wegen hochgradiger Ähnlichkeit zum deutschen Begriff ohne
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Weiteres verständlich. Gerade im Vorsorge- und Versicherungsbereich sei die
Kombination mit dem Bestandteil ”Classic“ in Verbindung mit einer Rentenart bzw.
anderen Zusätzen üblich, wobei die Markenstelle auf Beispiele aus dem Internet
hingewiesen hat, wie etwa ”Rente Basis/Rente Classic/Rente Invest“, ”Förderplan
Klassik“ oder ”Rentenkonto Klassik/Rentenkonto Dynamik“. Es sei davon auszu-
gehen, dass der Verkehr dem angemeldeten Zeichen ausschließlich einen sachli-
chen Hintergrund entnehme, denn es sage über die beanspruchten Dienstleistun-
gen aus, dass sie ”Rentenversicherungen in einer Standardversion (im Gegensatz
zu anderen Versionen)“ seien. Im Vorsorge- und Versicherungsbereich gebe es
unterschiedliche ”Leistungspakete“. Eine schutzbegründende Mehrdeutigkeit be-
stehe daher nicht. Auch die schriftbildliche Ausgestaltung vermöge die Schutzfä-
higkeit nicht zu begründen, da es sich um eine einfache grafische Gestaltung han-
dele, an die der Verkehr gewöhnt sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der
sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, dass sich den von der Markenstelle angeführten
Internetbelegen bereits nicht entnehmen lasse, dass das angemeldete Zeichen in
seiner konkreten Form im Verkehr üblich sei. Hierzu hätte die angemeldete Wort-
kombination in ihrer Gesamtheit mit all ihren Bestandteilen zugrunde gelegt wer-
den müssen, während die Üblichkeit eines einzelnen Wortelements, wie ”Classic“,
hierzu nicht ausreiche. Zudem gebe es unterschiedliche Interpretationsmöglich-
keiten der angemeldeten Wortzusammenstellung, wobei insbesondere der Be-
standteil ”Classic“ neben einem Standardprodukt auch auf ein beliebtes, altbe-
währtes oder konventionelles Produkt hinweise. Schließlich sei auch die konkret
beanspruchte Darstellung der Wort-/Bildmarke zu beachten, bei der die unter-
schiedlichen Schriftschnitte dem Gesamtzeichen eine individuelle Gestaltung ver-
liehen. Somit verfüge die Anmeldemarke über das erforderliche Mindestmaß an
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Unterscheidungskraft. Im Übrigen bestehe an der Anmeldemarke auch kein Frei-
haltungsbedürfnis. Die angemeldete Wortverbindung sei nicht gebräuchlich und
stelle auch keinen beschreibenden Begriff für die beanspruchten Dienstleistungen
dar. Auch für eine zukünftige Verwendung der Anmeldemarke seien keine An-
haltspunkte ersichtlich. Ergänzend verweist die Anmelderin auf die Eintragung der
Marke 302 35 916 - ”Pensionskasse “ für identische Dienstleistungen, deren
Anmeldung zunächst beanstandet worden und auf die Beanstandungserwiderung
der Anmelderin eingetragen worden sei.
Mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung sind der Anmelderin Kopien des Er-
gebnisses einer vom Senat durchgeführten Recherche übersandt worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist nur teilweise begründet.
1. Für die Dienstleistungen "Versicherungswesen; Finanzwesen; Geldgeschäfte”
weist die zur Eintragung angemeldete Bezeichnung nicht die für eine Marke erfor-
derliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Entsprechend der Hauptfunktion der Marke, dem Verbraucher oder Endabnehmer
die Ursprungsidentität der durch die Marke gekennzeichneten Waren oder
Dienstleistungen zu garantieren, ist unter Unterscheidungskraft im Sinne dieser
Vorschrift die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung zu verstehen, Waren
oder Dienstleistungen als von einem Unternehmen stammend zu kennzeichnen
und sie somit von denjenigen anderer Unternehmen zu unterscheiden (vgl. EuGH
GRUR
2002, 804 Nr.
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Philips/Remington; GRUR
2004, 428 Nr.
30, 48
- Henkel). Die Unterscheidungskraft ist zum einen im Hinblick auf die angemelde-
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ten Waren oder Dienstleistungen, zum anderen im Hinblick auf die beteiligten Ver-
kehrskreise zu beurteilen, wobei auf den durchschnittlich informierten, aufmerk-
samen und verständigen Durchschnittsverbraucher der Waren oder Dienstleistun-
gen abzustellen ist. Kann einer Wortmarke ein für die fraglichen Waren und
Dienstleistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zuge-
ordnet werden oder handelt es sich sonst um ein gebräuchliches Wort der deut-
schen Sprache oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr - etwa we-
gen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als solches und
nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so ergibt sich daraus ein tatsäch-
licher Anhalt dafür, dass ihr jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH
GRUR 2003, 1050, 1051 - Cityservice).
Die angemeldete Marke setzt sich aus den beiden Wörtern ”Pensionskasse” und
”Classic” zusammen. Unter einer ”Pensionskasse“ ist eine rechtlich selbständige
Versorgungseinrichtung von Versicherten zu verstehen, die von einem oder meh-
reren Unternehmen zwecks Durchführung der betrieblichen Altersversorgung der
Arbeitnehmer getragen wird. Pensionskassen sind letztlich als eigene, der Versi-
cherungsaufsicht unterliegende Lebensversicherungsunternehmen tätig (vgl.
www.finanztip.de/recht/sozialrecht/rententipps/penskas.html;
www.bundderversicherten.de/bdv/Versicherungsarten/Rente/betrieblich/Pen-
sion…;
www.stmas.bayern.d/fibel/sf_p003.htm.
Das Wort ”classic“ war bereits häufig Gegenstand von Zurückweisungsentschei-
dungen verschiedener Senate des Bundespatentgerichts (24.
Senat vom
15. Juli 1997, 24 W (pat) 149/96; 25. Senat vom 10. Januar 2002, 25 W (pat) 2/01;
28. Senat vom 27. März 1998, 28 W (pat) 294/97), in denen es für die verschie-
densten Waren und Dienstleistungen als Bezeichnung i. S. v. ”mustergültig, voll-
endet, klassisch, erstklassig, ausgezeichnet” erläutert wird. In der Finanz- und
Versicherungsbranche wird das Wort ”classic” häufig zur Bezeichnung einer ”klas-
sischen“ Produktvariante verwendet, also eines Produkts, das wie eine ”klassische
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Versicherung” dem Standard entspricht und damit keine Sonderform eines Finanz-
oder Versicherungsprodukts darstellt. Bereits damit kommt der angemeldeten
Marke die Bedeutung einer klassischen Pensionskasse zu, mit der die angemel-
deten Versicherungsdienstleistungen als klassische Pensionskassen-Altersvor-
sorge beschrieben werden.
Darüber hinaus hat der Senat bei seiner Recherche mehrfach festgestellt, dass
Pensionskassen ihre Leistungen, also Renten bzw. Rententarife, häufig mit dem
Wort ”classic“ bezeichnen (vgl. www.victoria.de/leistungen/… ”Pensionskasse
- Was leistet die comfortRente classic?; www.definance.de/artikel_936.html: ”Als
einer der wenigen Anbieter am deutschen Markt bietet die Pro bAV Pensions-
kasse über die Rente Classic somit auch bedarfsbezogene Absicherungsmöglich-
keiten für Arbeitnehmer, die
…”; www.bbv.de/content/unser_angebot/-
von_a_bis_z/betriebliche_altersversorgung/: ”Angebot 3: Die Pensionskasse … Ihr
Arbeitgeber schließt daraufhin für Sie eine Rentenversicherung (Rente Classic
oder Rente Fonds) ab und …”; www.westlb.de/cms/… ”Auf Basis einer
Beitragszusage bietet Ihnen die West Pensionskasse zwei Produktlinien an:
• West ClassicRente - eine klassische Rentenversicherung mit Kapitalwahlrecht
…”.
Der angemeldeten Gesamtmarke kommt damit der im Vordergrund stehende, rein
beschreibende Bedeutungsgehalt zu, dass Versicherungsdienstleistungen von
einer Pensionskasse erbracht werden und dabei eine klassische, also herkömmli-
che Versorgung (Rente) angeboten bzw. erbracht wird. Zwar ist die Wortkombina-
tion nicht sprachregelgemäß aufgebaut (anders als etwa: ”klassische Pensions-
kasse“/“klassische Rente aus einer Pensionskasse“ o. Ä.), jedoch lässt sich aus
den ermittelten Belegen entnehmen, dass der Bestandteil ”classic“ von einer
Mehrzahl verschiedener miteinander konkurrierender Unternehmen in nachge-
stellter Form zur Bezeichnung herkömmlicher Leistungen bzw. darauf gerichteter
Tarife verwendet wird. Insofern fehlt ihr die Eignung, Versicherungsdienstleistun-
gen eines bestimmten Versicherungsanbieters von denjenigen anderer zu unter-
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scheiden. Für die Dienstleistung ”Versicherungswesen” steht damit das Eintra-
gungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG entgegen.
An der fehlenden Schutzfähigkeit der Anmeldemarke für Versicherungswesen
würde sich auch dann nichts ändern, wenn das Dienstleistungsverzeichnis, wie
von den Vertretern der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagen,
mit der Formulierung ”Versicherungswesen, ausgenommen betriebliches Versi-
cherungswesen” beschränkt würde. Denn die Marke würde wegen ihres Bestand-
teils ”Pensionskasse” einerseits für den Verkehr nach wie vor den Bedeutungsge-
halt einer Pensionskasse als betriebliche Versorgungseinrichtung aufweisen, ob-
wohl sie andererseits nach dem Inhalt des Dienstleistungsverzeichnisses keine
derartigen betrieblichen Altersvorsorgedienstleistungen umfassen kann. Damit
wäre die Marke i. S. d. §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 3 MarkenG ersichtlich täuschend
und nach diesen Bestimmungen von der Eintragung ausgeschlossen.
Eine Täuschungsgefahr i. S. d. §§ 8 Abs. 2 Nr. 4, 37 Abs. 3 MarkenG ergibt sich
- wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch für die weiter beanspruchten
Dienstleistungen ”Finanzwesen, Geldgeschäfte”. Denn die Marke bezeichnet
diese Dienstleistungen, zu denen auch Bankprodukte der finanziellen Altersvor-
sorge gehören können, als solche, die von einer (unter Versicherungsaufsicht ste-
henden) Pensionskasse erbracht werden. Da Finanzdienstleistungen und Geldge-
schäfte jedoch keine Versicherungsdienstleistungen sind, und somit nicht unter die
Tätigkeit einer Pensionskasse fallen können, ist die Marke insoweit ersichtlich täu-
schend. Die Beschwerde war damit teilweise zurückzuweisen.
2. Für die weiter beanspruchte Dienstleistung ”Immobilienwesen“ sind hingegen
keine Anhaltspunkte für ein Eintragungshindernis ersichtlich. Beim Immobilienwe-
sen, also dem Handel mit und der Vermittlung und Verwaltung von Immobilien,
geht es erkennbar nicht um eine Altersvorsorge oder andere Tätigkeiten, die ir-
gendwie mit dem Wort "Pensionskasse" in Verbindung gebracht werden können.
Für Immobilienwesen sind damit ein beschreibender Bedeutungsgehalt und das
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Bestehen eines Eintragungshindernis nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 MarkenG ohne
eine ersichtliche Täuschungsgefahr nicht erkennbar. Der Beschwerde war inso-
weit teilweise stattzugeben.
gez.
Unterschriften