Urteil des BPatG vom 10.08.2004

BPatG: verwechslungsgefahr, ältere marke, kennzeichnungskraft, französisch, comestibles, industrie, bekleidung, herkunft, kennzeichen, billigkeit

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 411/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 398 51 950
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 10. August 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Winkler
sowie der Richterinnen Pagenberg und Dr. Hock
beschlossen:
1.
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Be-
schlüsse der Markenstelle für Klasse 35 vom 13. März 2000
und 30. August 2002 aufgehoben soweit der Widerspruch
hinsichtlich der Waren „Bekleidungsstücke, Schuhwaren und
Kopfbedeckungen“ zurückgewiesen worden ist.
2.
Die Löschung der Marke 398 51 950 bezüglich der Waren
„Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen“
wird wegen des Widerspruchs aus der Marke IR 201 151 an-
geordnet.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Wa-
ren und Dienstleistungen
Klassen 09:
Geräte zur Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe von Ton
und Bild, Magnetaufzeichnungsträger, Schallplatten;
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Klasse 25:
Bekleidungsstücke, Schuhwaren und Kopfbedeckungen;
Klasse 35:
Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung und Büro-
arbeiten;
Klasse 41:
Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und kulturelle Akti-
vitäten
bestimmten Marke 398 51 950
SHINELE
aufgrund der für die Waren und Dienstleistungen
1
Produits chimiques destinés à l'industrie, la science, la
photographie, l'agriculture, l'horticulture, la sylviculture,
engrais pour les terres (naturels et artificiels), composi-
tions extinctrices, trempes et préparations chimiques
pour la soudure, produits chimiques destinés à conser-
ver les aliments, matières tannantes, substances adhé-
sives destinées à l'industrie, résines.
2
Couleurs, vernis, laques, préservatifs contre la rouille et
contre la détérioration du bois, matières tinctoriales,
mordants, résines, métaux en feuilles et en poudre pour
peintres et décorateurs.
5
Produits pharmaceutiques, vétérinaires et hygiéniques,
produits diététiques pour enfants et malades, emplâ-
tres, matériel pour pansement, matières pour plomber
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les dents et pour empreintes dentaires, désinfectants,
préparations pour détruire les mauvaises herbes et les
animaux nuisibles.
14 Métaux précieux et leurs alliages et objets en ces
matières ou en plaqué (excepté coutellerie, fourchettes
et cuillers), joaillerie, pierres précieuses, horlogerie et
autres instruments chronométriques.
16 Papiers et articles en papier, cartons et articles en car-
ton, imprimés, journaux et périodiques, livres, articles
pour reliures, photographies, papeterie, matières adhé-
sives (pour la papeterie), matériaux pour les artistes,
pinceaux, machines à écrire et articles de bureau,
matériel d'instruction ou d'enseignement (à l'exception
des appareils), cartes à jouer, caractères d'imprimerie,
clichés.
17 Gutta-percha, gomme élastique, balata et succédanés,
objets fabriqués en ces matières, matières servant à
calfeutrer, à étouper ou à isoler, amiante, mica et leurs
produits, tuyaux flexibles non métalliques.
18 Cuir et imitations du cuir, articles en ces matières,
peaux, malles et valises, parapluies, parasols et can-
nes, fouets, harnais et sellerie.
20
Meubles, glaces, cadres, articles en bois, liège, roseau,
jonc, osier, en corne, os, ivoire, baleine, écaille, ambre,
nacre, écume de mer, celluloïd et succédanés de toutes
ces matières.
21 Petits ustensiles et récipients portatifs pour le ménage
et la cuisine (non en métaux précieux ou en plaqué),
peignes et éponges, brosses, matériaux pour la brosse-
rie, instruments et matériel de nettoyage, paille de fer,
verrerie, porcelaine et faïence.
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23 Fils.
24
Tissus, couvertures de lit et de table, articles textiles.
25
Vêtements, y compris les bottes, les souliers et les pan-
toufles.
26 Dentelles et broderies, rubans et lacets, boutons, bou-
tons à pression, crochets et oeillets, épingles et aiguil-
les, fleurs artificielles.
27 Tapis, paillassons, nattes, linoléum et autres produits
servant à recouvrir les planchers, tentures.
28 Jeux, jouets, articles de gymnastique et de sport, orne-
ments et décorations pour arbres de Noël.
29 Viande, poisson, volaille et gibier, extraits de viande,
fruits et légumes conservés, séchés et cuits, gelées,
confitures, oeufs, lait et autres produits laitiers, huiles et
graisses comestibles, conserves, pickles.
30 Café, thé, cacao, sucre, riz, tapioca, sagou, succéda-
nés du café, farines et préparations faites de céréales,
pain, biscuits, gâteaux, pâtisserie et confiserie, glaces
comestibles, miel, sirop de mélasse, levure, poudre
pour faire lever, sel, moutarde, poivre, vinaigre, sauces,
épices, glace.
31 Produits agricoles, horticoles, forestiers et graines, ani-
maux vivants, fruits et légumes frais, semences, plantes
vivantes et fleurs naturelles, substances alimentaires
pour les animaux, malt.
32 Bière, ale et porter, eaux minérales et gazeuses et
autres boissons non alcooliques, sirops et autres prépa-
rations pour faire des boissons.
33 Vins,
spiritueux et liqueurs.
34
Tabac, brut ou manufacturé, articles pour fumeurs, allu-
mettes.
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bestimmten IR-Marke R 201 151
CHANEL
am 20. August 1999 Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 35 hat den Widerspruch durch Erstprüferbeschluß
vom 13. März 2000 zurückgewiesen und diese Entscheidung im Erinnerungs-
beschluß vom 30. August 2002 bestätigt.
Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß trotz Identität der Waren eine Verwechs-
lungsgefahr insbesondere auch in phonetischer Hinsicht ausgeschlossen werden
könne. Gerade auf dem Gebiet der Bekleidungsstücke komme dem Gesichtspunkt
der klanglichen Verwechslungsgefahr regelmäßig eine geringere Bedeutung zu.
Zu berücksichtigen sei, daß für den phonetischen Gesamteindruck die Vokalabfol-
gen beider Marke deutliche Unterschiede aufwiesen. Die ältere Marke enthalte als
ersten Vokal das dunkel und klangschwächer klingende „A“ die angegriffene
Marke das helle und lautstarke „I“. Es könne im übrigen nicht ohne weiteres davon
ausgegangen werden, daß die gesamten maßgeblichen Verkehrskreise die an-
gegriffene Marke in der von der Widersprechenden in ihrem Schriftsatz ange-
deuteten Weise in Französisch aussprechen werde. Insbesondere gelte dies unter
Berücksichtigung der Tatsache, daß es sich bei den hier gegenüberstehenden
identischen Waren um teure Wirtschaftsgüter handle, die in der Regel erst nach
sorgfältiger Prüfung der Ware, fachlicher Beratung sowie Preis- und Qualitätsver-
gleich ausgewählt würden.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden.
Sie trägt vor, daß der Widerspruchsmarke eine gesteigerte Kennzeichnungskraft
zukomme und legt in diesem Zusammenhang zwei Markenerhebungen vor.
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Jedenfalls in klanglicher Hinsicht sei eine deutliche Zeichenähnlichkeit festzustel-
len. Die sich gegenüberstehenden Marken unterschieden sich lediglich in einem
Vokal. Ein nicht unerheblicher Teil der angesprochenen Verkehrskreise würde
nämlich das angegriffene Zeichen wie ein französisches Wort aussprechen.
Die Widersprechende beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die angegriffene
Marke hinsichtlich der Waren „Bekleidungsstücke, Schuhwaren und
Kopfbedeckungen“ zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt sinngemäß,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie trägt vor, daß weder eine bildliche noch eine phonetische Verwechslungsge-
fahr in Betracht komme. Auch wenn die angegriffene Marke Französisch ausge-
sprochen werde, würden die Unterschiede zwischen den Marken noch ausreichen.
Dies gelte insbesondere deshalb, weil „CHANEL“ ein entsprechend bekannter
Begriff sei und jeder Kunde vor der Kaufentscheidung sich noch einmal visuell da-
von überzeuge, die Produkte der entsprechenden Marke erworben zu haben.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist begründet. Zwischen den
Marken besteht im Umfang der Löschungsanordnung die Gefahr von Verwechs-
lungen iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
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Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der
Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und
andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaß-
ten Dienstleistungen ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informier-
ten, aufmerksamen und verständigen Durchschnittsverbrauchers auszugehen ist
(BGH GRUR Int 1999, 734 -
Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508
- ATTACHÈ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu be-
rücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbeson-
dere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH GRUR
1999, 995 - HONKA). Dabei stehen die verschiedenen für die Beurteilung der
Verwechslungsgefahr heranzuziehenden Faktoren in einer Wechselwirkung, so
daß zB ein geringerer Grad an Markenähnlichkeit durch eine höhere Kennzeich-
nungskraft der älteren Marke bzw durch einen höheren Grad an Warenähnlichkeit
ausgeglichen werden kann (stRspr vgl BGH GRUR 2000, 603, 604 - Cetof/ETOP).
Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall im Umfang der Löschungsan-
ordnung eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Nachdem Benutzungsfragen hier nicht einschlägig sind, ist für die Frage der Wa-
renähnlichkeit von der Registerlage auszugehen. Dabei besteht in der Waren-
klasse 25 zwischen der Widerspruchsmarke und der angegriffenen Marke Identi-
tät, soweit die Waren „Bekleidungsstücke“ und „Schuhwaren“ betroffen sind. So-
weit die angegriffene Marke darüber hinaus in der Warenklasse 25 „Kopfbe-
deckungen“ enthält, liegt zumindest eine enge Warenähnlichkeit vor. Bei der Be-
urteilung der Warenähnlichkeit sind nämlich alle erheblichen Faktoren zu berück-
sichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren kennzeichnen, insbesondere
die Art, der Verwendungszweck und die Benutzung der Waren sowie ihre Eigenart
als miteinander konkurrierende oder einander ergänzende Waren sowie Überein-
stimmung in der stofflichen Beschaffenheit und Berührungspunkte beim Vertrieb
(vgl BGH GRUR 1999, 246 - Libero). Kopfbedeckungen ergänzen und vervoll-
ständigen die Bekleidung und werden üblicherweise gemeinsam mit Bekleidungs-
stücken angeboten.
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Die Widersprechende hat unter Hinweis auf aktuelle Markenerhebungen eine
außerordentliche Bekanntheit der Widerspruchsmarke auf dem Modesektor be-
hauptet. Auch die Markeninhaberin hat dies nicht bestritten.
Den insoweit erforderlichen erheblichen Markenabstand halten beide Marken im
Umfang der Löschungsanordnung jedenfalls in klanglicher Hinsicht nicht ein.
Bei der Anmeldemarke handelt es sich ersichtlich um ein Phantasiewort fremd-
sprachlicher Herkunft, wie sich bereits aus dem in der deutschen Sprache unge-
bräuchlichen Akzent über dem ersten „E“ ergibt. Dieser weist insbesondere auf die
französische Sprache hin. Die Verbindung von „S“ und „H“ ist in der deutschen
Sprache nicht gebräuchlich, im Zusammenhang mit dem nachfolgenden Vokal
drängt sich daher die Aussprache als „SCH“ auf. Auch werden erhebliche Teile
der angesprochenen Verkehrskreise, hier des allgemeinen Publikums, bei der
Aussprache des Begriffes das „E“ am Wortende nicht berücksichtige. Auch dieje-
nigen Verkehrskreise des deutschen Publikums, die der französischen Sprache
nicht mächtig sind, wissen zu einem überwiegenden Teil, daß ein „E“ am Ende
eines französischen Wortes unausgesprochen bleibt. In klanglicher Hinsicht ste-
hen sich somit „SCHANEL“ und SCHINEL“ gegenüber. Die beiden Wörter unter-
scheiden sich nur in einem Vokal. Dabei ist davon auszugehen, daß beide Begriffe
auf dem zweiten Vokal betont werden. Dies gilt für „SHINELE“ aufgrund des sich
hier befindlichen Akzentes und für „CHANEL“ deshalb, weil einem erheblichen Teil
der angesprochenen Verkehrskreise aufgrund der Bekanntheit die Marke und ihre
Aussprache geläufig sind. Entgegen der Auffassung der Markeninhaberin kann
dabei aus der erheblichen Bekanntheit der Widerspruchsmarke nicht abgeleitet
werden, daß Verwechslungen in geringerem Maße zu befürchten sind. Es verhält
sich im Gegensatz dazu so, daß aufgrund des gesteigerten Bekanntheitsgrades
der Widerspruchsmarke, der auch von der Markeninaberin nicht bestritten wird,
die Verwechslungsgefahr - auch in klanglicher Hinsicht - steigt. Marken mit er-
höhter Kennzeichnungskraft können nämlich einen erweiterten Schutzumfang be-
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anspruchen, ungeachtet der Möglichkeit, daß sie unter Umständen gerade wegen
ihrer Bekanntheit von anderen Kennzeichen tatsächlich leichter zu unterscheiden
sind (stRspr vgl Ströbele/Hacker MarkenG, 7. Aufl, 2003, § 9 Rdn 281 mit weiteren
Nachweisen
).
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß aus Gründen der
Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens
gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.
Vorsitzender Richter Winkler
ist wegen Urlaubs gehindert
zu unterschreiben
Pagenberg
Pagenberg Dr.
Hock
Cl