Urteil des BPatG vom 16.02.2000
BPatG (beschreibende angabe, physikalische therapie, bezeichnung, unterscheidungskraft, beschwerde, hilfsmittel, eintragung, publikum, begründung, angabe)
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 100/99
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. Februar 2000
…
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 397 43 592.4
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Februar 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Stoppel sowie der Richterin Grabrucker und der Richterin Martens
BPatG 154
6.70
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beschlossen:
Auf die Beschwerde werden die Beschlüsse des Deutschen
Patent- und Markenamts - Markenstelle für Klasse 10 - vom
14. Mai 1998 und vom 25. März 1999 aufgehoben.
G r ü n d e
I.
Angemeldet zur Eintragung in das Register ist die Wortmarke
GLOBAL CARE
für die Waren
Rollstühle für Kranke, nämlich Greifreifenrollstühle, Schiebe-
rollstühle, Transportrollstühle, Zimmerrollstühle, Sportroll-
stühle, Kinderrollstühle, Elektrorollstühle, Elektrokleinmobile,
Schiebewagen als Lernmobile für Kinder, sowie Einzelteile
der vorgenannten Waren; Toilettenstühle aus Metall oder
Holz; technische Hilfsgeräte für Behinderte, nämlich Gehilfen
wie Unterarm-Gehstützen, Gehwagen, Gehräder,
Gehgestelle, Armstützen, Spezialkissen an Rollstühlen mon-
tierbare Toilettensitze, Kopfstützen, Beinstützen; Geräte für
Rollstühle zum Ermöglichen oder Unterstützen der Sitzposi-
tion, nämlich anatomisch geformte und den Körper unterstüt-
zende Sitz- und Rückeneinlagen, Spastikereinsätze; Hilfs-
möbel für Behinderte für Bad und Toilette, nämlich Dusch-
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stühle aus Metall, Duschsitze, Badewannensitze und -ein-
sätze, Dusch- und Badewannengriffe, Aufsätze, Armaufla-
gen, Griffe und sonstige Halter für Toiletten; rutschfeste
Sicherheitsmatten für den Naßbereich; Hilfsgeräte zur Kör-
perpflege, nämlich Nagelbürsten, Nagelfeilen, Nagelscheren,
Badebürsten, Kämme und Haarbürsten, Hilfsgeräte beim An-
und Auskleiden, nämlich Strumpf-An- und -Auszieher,
Schuhanzieher, Knopfverschlußschließer; Hilfsgeräte für
Behinderte in Freizeit und Beruf, nämlich Arthrodesenstühle,
Wandstandgeräte, Aufrichtsessel, Aufrichthilfen,
Drehscheiben, Telefonhalter, Spezialscheren und -zangen,
Anti-Rutsch-Unterlagen, medizinische Schaffelle; Hilfsmittel
für Behinderte bei der Hausarbeit, nämlich Schlüsselhilfen,
Schraubverschlußöffner, Schälmesser, Universalhalter,
Kehrgarnituren, Türgriffverlängerungen; Hilfsgeräte für
Behinderte beim Essen und Trinken, nämlich Spezial-
Geschirr, Spezial-Trinkbecher, Besteckhalter, Spezial-
Bestecke, Schneidbretter; Hilfsmittel für die physikalische
Therapie, nämlich Hand- und Fingerquengel und ähnliche
Geräte zur Aktivierung der Hand- und Fingermuskulatur,
Trainingsgeräte zur Aktivierung der Rumpf- und Rückenmus-
kulatur, pneumatische Matratzenauflagen und Vakuum-Sitze,
Rückenkissen zur Decubitus-Prophylaxe; elektrisch,
hydraulisch und mechanisch betriebene Hebezeuge für
Behinderte, nämlich Badewannen-Lifte, Personenhebeein-
richtungen sowie Pkw-Lifte als Einsteighilfe; Hilfsmittel zur
Überwindung von Treppen oder Höhenunterschieden, näm-
lich treppensteigende Rollstühle, Treppenschrägaufzüge in
Sitz- und Plattformausführung, bewegliche Auffahrrampen;
Pkw-Zusatzgeräte für körperbehinderte Autofahrer, nämlich
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Schwenksitze sowie Einstieghilfen nämlich Rutschbretter.
GK. 10, 7, 8, 11, 12, 21, 27.
Die Markenstelle für Klasse 10 hat der angemeldeten Bezeichnung wegen feh-
lender Unterscheidungskraft die Eintragung mit der Begründung versagt, die
Wortverbindung sei mit "umfassende Pflege" zu übersetzen, und da sie zum
Grundwortschatz des Englischen gehöre, auch von den beteiligten Verkehrskrei-
sen zu verstehen. Zwar sei der Gebrauch der Wortverbindung nicht festzustellen,
aber er könne im Hinblick auf die Waren als sachbezogene Angabe aufgefaßt
werden, denn die Zusammenfügung ergebe nur eine sprachübliche Aussage
beschreibenden Inhalts, nämlich daß sämtliche beanspruchten Waren umfassend
in der Alten-, Kranken- oder Behindertenpflege einsetzbar seien. Sie sei daher als
glatte Bestimmungsangabe ungeeignet, einen markenmäßigen Hinweis auf die
Herkunft der Waren aus einem bestimmten Geschäftsbetrieb zu geben.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin mit dem Antrag,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom
14. Mai 1998 und vom 25. März 1999 aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, die Bezeichnung "GLOBAL CARE" vermittle nicht
den von der Markenstelle angenommenen eindeutigen Sinngehalt, denn das Wort
"global" sei im Deutschen nur territorial zu verstehen. Die Waren seien aber ge-
rade für Menschen bestimmt, die aufgrund ihrer Behinderung sich nicht weltweit
bewegen könnten. Diese Diskrepanz zwischen Bedeutungsgehalt und Zweckbe-
stimmung der Waren mache die Unschärfe der Aussage aus und begründe damit
ihre Unterscheidungskraft.
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II
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist begründet. Das angemeldete Wort-
zeichen ist eintragungsfähig gem §§ 33 Abs 2, 8 Abs 2 Nr 1 und 2 MarkenG, denn
ihm fehlt nicht jegliche Unterscheidungskraft und es besteht auch nicht aus-
schließlich aus Angaben, die im Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaf-
fenheit, der Menge sowie zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren dienen
können.
1.
Die beiden Wortelemente sind allerdings je für sich dem deutschen Publikum
ohne weiteres verständlich. "Global" ist ein aus dem lateinischen stammendes,
jedoch eingedeutschtes Wort in der Bedeutung von "weltumspannend,
umfassend" (DUDEN, Die deutsche Rechtschreibung). Die vom Senat gesam-
melten, der Allgemeinsprache aus den üblichen Printmedien der Tagespresse
entnommenen Belege zur Inhaltsbedeutung von "global" bestätigen die Bedeutung
als ein ausschließlich mit territorialem Bezug gebrauchtes Wort, wie zB "global
player", "..die regionale Kunst muß global angebunden sein.." (SZ v. 10. 1. 2000),
"Lokal, global, total", "globale Zukunft", "globale Kommunikation". Die Häufigkeit
seines Vorkommens läßt sogar auf seine Eigenschaft als ein Modewort schließen
(vgl Loskant, Das neue Fremdwörterlexikon, 1998, S 73 f).
"Care" ist ein zum Grundwortschatz des Englischen zählendes Wort, das im Sinne
von "Sorge, Betreuung" dem inländischen Publikum ebenfalls verständlich ist,
zumal es auch werbemäßig häufig stark herausgestellt wird ("Nivea Hair Care").
2. Nach ihrem Gesamteindruck beurteilt ergeben beide Worte zusammen
jedoch keinen Sinngehalt, der die mit dem Zeichen gekennzeichneten Waren
unmittelbar beschreibt, eine dahingehende Sachaussage ist oder dazu dienen
könnte. Insbesondere hat der Senat vorliegend ebensowenig wie die Markenstelle
Feststellungen treffen können, daß die Bezeichnung "GLOBAL CARE" auf dem
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vorliegenden Warengebiet zur unmittelbaren Bezeichnung der Waren oder ihrer
sonstigen Merkmale verwendet wird. Darüber hinaus ist "GLOBAL CARE" auch
kein Wort, das aufgrund seiner sprachüblichen und dem Publikum allgemein ver-
ständlichen, die Waren bezeichnenden Sachaussage jederzeit zur Beschreibung
der beanspruchten Waren dienen kann und somit ein künftiges Freihaltebedürfnis
gem § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG rechtfertigt.
Zwar hat eine vom Senat vorgenommene Recherche eine Fülle von Nachweisen
ergeben, daß die Wortfolge auf einer Vielzahl von Dienstleistungsgebieten ein
häufig gebrauchter Ausdruck ist, insbesondere auf dem Gebiet der Versicherun-
gen und der Reisevermittlungen. Eine speziell auf das von der Anmelderin bean-
spruchte Warengebiet der Hilfegeräte für behinderte Menschen ausgerichtete
Internet-Recherche des Senats erbrachte jedoch keinerlei Anhaltspunkte dafür,
daß "GLOBAL CARE" eine die beanspruchten Waren unmittelbar beschreibende
Angabe im Sinne des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist oder dazu dienen kann. Dieses
Ergebnis liegt schon deshalb nahe, weil die damit gekennzeichneten Waren
Menschen dienen, die nicht "global", also weltweit agieren wie ein "global player",
sondern vielmehr aufgrund ihrer Behinderung absolut ortsgebunden sind. Soweit
Belege auf dem Gebiet der hier verfahrensgegenständlichen medizinischen,
orthopädischen Geräte gefunden wurden, zeugten sie stets nur vom firmenmäßi-
gen Gebrauch der Wortfolge.
Es läßt sich daher nur mittelbar und im Wege der analysierenden Betrachtung ein
Zusammenhang zwischen der Bezeichnung und den so gekennzeichneten Waren
konstruieren. Dies aber auch nur dann, wenn man das Zeichenelement "global"
nicht in seiner allgemeinsprachlichen Bedeutung mit territorialem Bezug versteht.
Dies ist jedoch unrichtig, denn "global" wird nicht, wie von der Markenstelle ange-
nommen, als "umfassend" im Sinne eines Abstraktum für einen allgemeinen, auf
zahllose Handlungsmöglichkeiten bezogenen Einsatz gebraucht, wie die oben
aufgeführten Beispiele zeigten. Auch eine Rückübersetzung des Wortes aus dem
Englischen, was aufgrund seines englischen Sprachzusammenhangs mit dem
Wort "care" nahe liegt, gibt dafür keinen Anhaltspunkt. Für "umfassend" im nicht-
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räumlichen Sinne sind Wörter gebraucht, wie "extensive", "wide", "large", "com-
plete" (Langenscheidts Großwörterbuch, Deutsch/Englisch) oder eingebunden in
einen Satz wird "global" umschrieben mit "relating to.. or involving the entire world"
(Websters Third New International Dictionary). Da die sprachliche Voraussetzung
zur von der Markenstelle unterstellten Bedeutung des Zeichenelements "global"
schon unrichtig ist, steht daher die Einordnung der angemeldeten Wortfolge als
Ganzes nicht mit den tatbestandlichen Voraussetzungen des § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG in Einklang.
3.
Der angemeldeten Marke fehlt für die beanspruchten Waren auch nicht jeg-
liche Unterscheidungskraft iSv § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG. Wie die vorgenannten
Feststellungen des Senats ergeben haben, vermittelt die Wortfolge für sich gese-
hen keinen klaren Aussagegehalt, der lediglich eine im Vordergrund stehende
Sachangabe und einen beschreibenden Sinnzusammenhang mit den bean-
spruchten Waren darstellt. Vielmehr ergibt sich gerade aus der Divergenz zwi-
schen der emotionalen Bedeutung des weltweiten Flairs durch das Zeichenele-
ment "global" bezogen auf die Waren, die für behinderte Menschen bestimmt sind,
ein gewisser Gegenteil- und Aufmerksamkeitseffekt, dem eine gewisse, die
Unterscheidungskraft begründende Originalität nicht abzusprechen ist. Der Begriff
"GLOBAL CARE" ist daher geeignet, vom Verkehr als Kennzeichnung eines
bestimmten Geschäftsbetriebes aufgefaßt zu werden, so daß der Eintragung der
Marke in das Register keine Hindernisse entgegenstehen und die Beschwerde der
Anmelderin Erfolg hatte.
Stoppel Grabrucker Martens
E./Fa