Urteil des BPatG vom 17.10.2000
BPatG: beschreibende angabe, unterscheidungskraft, internet, verkehr, computer, produktion, hörfunk, verbreitung, veranstaltung, patent
BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 10/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
…
betreffend die Markenanmeldung 300 46 907.1
hat der 32.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
13. März 2002 durch die Vorsitzende Richterin Winkler, Richter Dr. Albrecht und
Richter Sekretaruk
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss des
Deutschen Patent- und Markenamts -
Markenstelle für
Klasse 41 - vom 17. Oktober 2000 aufgehoben, soweit die
Anmeldung zurückgewiesen worden ist.
G r ü n d e
I.
Die Anmeldung zum Markenregister der Wortmarke
netnite
ist vom Deutschen Patent- und Markenamt für die Waren und Dienstleistungen
Computer-Software, insbesondere für die Abfrage, Darstel-
lung, Bearbeitung und Ausgabe multimedialer Daten in Com-
puternetzwerken einschließlich des Internets; mit Informatio-
nen versehene maschinell lesbare Datenträger aller Art
sowie Ton- und Bildaufzeichnungsträger, insbesondere Dis-
ketten, CD-ROMs, DVDs, Chip-Karten, Magnet-Karten,
Video-Kassetten, Compact-Disks und Video-Disks; auf
Datenträgern aufgezeichnete Informationssammlungen;
Datenbanken; Druckereierzeugnisse, Druckschriften, Zeit-
schriften, Zeitungen, Bücher, Lehr- und Unterrichtsmittel
(ausgenommen Apparate), soweit in Klasse 16 enthalten;
Werbung; Dienstleistungen einer Werbeagentur; Durchfüh-
rung und Produktion von Hörfunk- und Fernsehwerbesen-
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dungen sowie Print- und Internetwerbung; Marketing, Markt-
forschung und –analyse; Verteilung von Waren zu Werbe-
zwecken, Verkaufsförderung, Öffentlichkeitsarbeit und dazu-
gehörige Dienstleistungen; Durchführung von Werbeveran-
staltungen; Telekommunikation; Vermittlung von Informatio-
nen an Dritte, Verbreitung von Informationen über drahtlose
oder leitungsgebundene Netze, Veranstaltung und Verbrei-
tung von Hörfunk und Fernsehsendungen; Online-Dienste,
nämlich Übermittlung von Nachrichten; E-Mail-Datendienste
(=elektronischer Postversand), jeweils soweit in Klasse 38
enthalten; Veröffentlichung und Herausgabe von Druckerei-
erzeugnissen, insbesondere von Zeitungen, Zeitschriften und
Büchern, sowie von Lehr- und Informationsmaterial ein-
schließlich gespeicherter Ton- und Bildinformation, Produk-
tion von Ton- und Bildaufzeichnungen auf Ton- und Bildträ-
ger; Produktion und Sendung von Fernsehsendungen, ins-
besondere im Bereich Talk-, Informations- und Spieleshows
zum Thema Computer und Internet; Vorführung und Vermie-
tung von Ton- und Bildaufzeichnungen; Unterhaltung, Durch-
führung von Unterhaltungsveranstaltungen; Durchführung
von Schulungsveranstaltungen, Durchführung von Bildungs-
veranstaltungen und kulturellen Aktivitäten, soweit in Klas-
se
41 enthalten; Anbindung von Computersystemen an
Datennetze, Telefonanlagen und Telefonnetze; Dienstlei-
stungen einer Datenbank, nämlich Sammeln, Speichern und
Aktualisieren von Daten und sonstigen Informationen; Erstel-
len von Dokumentationen
wegen fehlender Unterscheidungskraft der Marke und eines Freihaltebedürfnisses
daran teilweise zurückgewiesen worden. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass
die Marke aus den bekannten englischen Wörtern "net" und "nite" sprachregelge-
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recht zusammengesetzt sei und in der Übersetzung "Internetnacht" laute. In Ver-
bindung mit den beanspruchten Waren und Dienstleistungen besage die Bezeich-
nung nur, dass es sich um solche handele, die eine Netznacht zum Gegenstand
hätten bzw. die notwendigen Informationen bereitstellten.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der
Auffassung, dass "netnite" zu vage sei, um überhaupt eine konkrete Ware oder
Dienstleistung zu beschreiben. Es ergebe sich deshalb kein im Vordergrund ste-
hender, beschreibender Begriffsinhalt. "Netnite" könne ein besonderes Tarifmodell
für Nachttelefonierer, ein nächtliches Chattreffen für Internetbenutzer, eine Veran-
staltung, die sich mit Computer-, Fischerei-, Sozial- oder sonstigen Netzwerken
beschäftigt, und vieles mehr sein. Es sei zu beachten, dass es sich bei "netnite"
um kein Fremdwort des allgemeinen Sprachgebrauchs handele. Ein Freihaltebe-
dürfnis könne nicht bestehen, da es sich um keine eindeutig beschreibende
Angabe handele. Auch von einer üblich gewordenen Bezeichnung könne keine
Rede sein.
II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.
Der begehrten Eintragung in das Markenregister steht für die noch in Frage ste-
henden Waren und Dienstleistungen weder das Eintragungshindernis der fehlen-
den Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG), noch das eines Freihalte-
bedürfnisses im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG entgegen.
Unterscheidungskraft im Sinne der in Frage stehenden Vorschrift ist die einer
Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel
für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens
gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hauptfunktion
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der Marke ist es nämlich, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren
oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Dabei ist grundsätzlich von einem groß-
zügigen Maßstab auszugehen, dh. jede auch noch so geringe Unterscheidungs-
kraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden. Kann einer Wortmarke
kein für die fraglichen Waren oder Dienstleistungen im Vordergrund stehender
beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst
nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder einer bekannten Fremd-
sprache, das vom Verkehr - etwa auch wegen einer entsprechenden Verwendung
in der Werbung - stets nur als solches und nicht als Unterscheidungsmittel ver-
standen wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die vorer-
wähnte Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt.
Der angemeldeten Marke "netnite" kann keine im Vordergrund stehende Sachaus-
sage entnommen werden. Selbst wenn man davon ausgeht, dass die angespro-
chenen Verkehrskreise, hier die breite Masse der Verbraucher, den beanspruch-
ten Markenbegriff mit "Netz (= Internet) Nacht" übersetzen können, so kann die-
sem trotzdem kein im Vordergrund stehender Begriffsinhalt zugeordnet werden.
Eine "Netznacht" hat keinen definitionsgemäßen Inhalt, sondern kann vieles sein.
Mehr als einen beschreibenden Anklang, dass es um das Internet geht und die
entsprechende Dienstleistung, etwa eine Fernsehsendung, zur Abend- oder
Nachtzeit ausgestrahlt wird, kann "netnite" nicht entnommen werden. Die Tatsa-
che, dass der beanspruchte Begriff interpretationsbedürftig ist, spricht für das Vor-
liegen einer Unterscheidungskraft der Marke.
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass "netnite" stets nur als solches und
nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird. Bei Eingabe des Begriffs in übli-
che Suchmaschinen des Internets (zB … am 10. Oktober 2001) befasst sich
die Mehrzeit der Treffer mit einer ZDF-Sendung, die diesen Titel trug. Bei dieser
Sachlage kann nicht davon ausgegangen werden, dass die angesprochenen Ver-
kehrskreise den Markenbegriff stets nur als solches und nicht als Unterschei-
dungsmittel auffassen werden.
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Da "netnite" kein eindeutig beschreibender Gehalt entnommen werden kann,
besteht die Marke auch nicht ausschließlich aus Angaben, die im Verkehr zur
Bezeichnung der Art oder sonstiger Merkmale der Waren oder der Dienstleistun-
gen dienen können, so dass auch das Schutzhindernis des § 8 Absatz 2 Nr. 2
MarkenG nicht vorliegt.
Winkler Dr.
Albrecht
Sekretaruk
br/Fa