Urteil des BPatG vom 01.09.2008

BPatG: elektronische datenverarbeitung, bestandteil, verwechslungsgefahr, medien, handel, aufzeichnung, kennzeichnungskraft, verkehr, wiedergabe, ware

BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 75/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die Marke 303 62 375
hat der 25.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
1. September 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems sowie der
Richterin Bayer und des Richters Merzbach
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 1. Dezember 2003 farbig angemeldete Marke
ist am 30. März 2004 für die Waren und Dienstleistungen
„Filmapparate und -instrumente, Geräte zur Aufzeichnung, Übert-
ragung und Wiedergabe von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungs-
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träger; Materialbearbeitung; digitale Bildbearbeitung, elektronische
Datenverarbeitung und Konvertierung von Daten oder Dokumen-
ten von physischen auf elektronische Medien, insbesondere die
Herstellung und Bearbeitung von Filmen, die Überlassung von
Filmteams und Technik, die Erbringung von Beratungsleistungen
und der Handel mit medienbezogenen Verwertungsrechten sowie
der Verleih und die Vermietung von Sportbooten“
unter der Nummer 303 62 375 in das Markenregister eingetragen worden. Auf die
Waren „Magnetaufzeichnungsträger“ hat die Inhaberin der angegriffenen Marke im
Beschwerdeverfahren nunmehr verzichtet.
Die Inhaberin der seit 15. November 1972 für die Waren
„Zeitungen
eingetragenen farbigen Marke Nr. 899 441
hat dagegen Widerspruch erhoben.
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Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
zwei Beschlüssen vom 5. Juli 2005 und vom 7. März 2006, wovon letzterer im Er-
innerungsverfahren ergangen ist, den Widerspruch zurückgewiesen.
Nach Ansicht des Erstprüfers komme vorliegend eine Verwechslungsgefahr be-
reits wegen fehlender Produktähnlichkeit nicht in Betracht. Die Waren wiesen so-
wohl im Hinblick auf ihre Beschaffenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft,
sowie ihre regelmäßige Vertriebs- und Erbringungsart keinerlei Überschneidungen
mit „Zeitungen“ auf. Zu den beanspruchten Dienstleistungen bestehe ebenfalls
keine Ähnlichkeit. Der Umstand, dass Verlage auch Techniken wie die der digita-
len Bildbearbeitung oder der elektronischen Datenverarbeitung anwenden, sei für
die Annahme einer Ähnlichkeit nicht geeignet, da es sich bei diesen Tätigkeiten
nur um unselbständige Hilfsdienstleistungen handle. Selbst wenn man eine Pro-
duktähnlichkeit unterstellte und die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke
aufgrund ihres hohen Bekanntheitsgrads als erhöht einstufe, bestehe keine Gefahr
von Verwechslungen, da die angegriffene Marke einen ausreichenden Abstand zu
der Widerspruchsmarke einhalte. Die Erinnerungsprüferin ließ dahingestellt, ob
und in welchem Umfang eine Waren- und Dienstleistungsähnlichkeit vorliege,
denn die Marken seien selbst unter der Annahme von Waren- und Dienstleis-
tungsidentität und unter Berücksichtigung des erhöhten Schutzumfangs der Wi-
derspruchsmarke nicht verwechselbar ähnlich. Eine unmittelbare Verwechslungs-
gefahr komme nicht in Betracht, da das Wort „bild“ in der angegriffenen Marke ein
rein beschreibender Hinweis sei. Wegen der Schutzunfähigkeit des Begriffs „bild“
in Bezug auf den hier beanspruchten Medienbereich sei davon auszugehen, dass
dieser Bestandteil nicht isoliert zur Benennung herausgegriffen werde. Vielmehr
werde der Verkehr den weiteren, die Marke mitprägenden Bestandteil „pool“ mit
heranziehen und die Marke als „bildpool“ bezeichnen. Auch mittelbar seien die
Marken nicht verwechselbar ähnlich. Zwar seien für die Widersprechende zahlrei-
che Marken mit dem Bestandteil „Bild“ registriert, wobei das Wort „Bild“ sowohl am
Zeichenanfang als auch am Zeichenende erscheine. Jedoch sei der abweichende
Bestandteil bei den Zeichenserien der Widersprechenden stets glatt beschreibend.
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Dies sei bei der angegriffenen Marke nicht der Fall. Es sei davon auszugehen,
dass die Bedeutung des Begriffs „pool“ als Hinweis auf eine Ansammlung von ver-
schiedenen Produkten nur einem kleinen Teil des Verkehrs bekannt sein dürfte
und nur eine vage Vorstellung davon bestehe, was man sich unter einem „bild-
pool“ vorzustellen habe.
Hiergegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und beantragt sinn-
gemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben und die Marke auf-
grund des Widerspruchs zu löschen.
Die Erinnerungsprüferin habe die bestehende höchstrichterliche Rechtsprechung
nicht berücksichtigt, dass die Übernahme einer älteren (auch verkehrsdurchge-
setzten) Marke in eine jüngere Mehrwortmarke geeignet sei, die Gefahr von Ver-
wechslungen zu begründen. Wesentlich sei, dass der übereinstimmende Be-
standteil in der jüngeren Marke nicht seine Eigenständigkeit verliere. Der Be-
standteil „bild“ sei optisch stark betont und hervorgehoben. Die angegriffene jün-
gere Marke reihe sich in die bestehende Markenserie der Widersprechenden ein.
Auch stehe die beschreibende Bedeutung von „pool“ außer Frage. So gebe es Be-
zeichnungen wie „Schreibpool, Wissenspool, Akademikerpool, Pool-Redaktion
usw.. Werde der Bestandteil „pool“ mit dem bekannten Zeitschriftenartikel „Bild“
verbunden, so sei das für jeden ohne weiteres erkennbar ein Hinweis auf eine
Pool-Redaktion der Zeitschrift „Bild“ bzw. auf einen „pool“ (eine Sammlung) mit Ar-
tikeln etc der Zeitschrift „Bild“. Es bestehe eine enge Verzahnung in den Bereichen
Unterhaltung generell und Information. Die traditionellen Printmedien wie Zeitun-
gen, Zeitschriften fänden sich eng mit den Medien Fernsehen und Film verbunden.
Heutzutage umfassten Medienkonzerne nicht nur eine Mediensparte. Damit Hand
in Hand gehe die Auffassung des Verkehrs, dass bekannte Marken aus dem
Printbereich auch im Bereich Filmmedien eingesetzt werden. Die Bekanntheit ei-
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ner Marke wie „Bild“ für Zeitungen lasse sich ohne weiteres auch auf den gesam-
ten Medienbereich übertragen.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Es bestehe keine Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen. Eine Ähnlichkeit
mit den Dienstleistungen scheide schon aus, weil grundlegende Unterschiede zwi-
schen der Erbringung einer unkörperlichen Dienstleistung und der Herstellung
bzw. dem Vertrieb einer körperlichen Ware bestünden. Der Hinweis der Wider-
sprechwenden, dass sich Verlage mittlerweile nicht mehr lediglich mit der Heraus-
gabe von Zeitungen bzw. Zeitschriften beschäftigten, sei bei der Frage der Pro-
duktähnlichkeit nicht relevant. Die angegriffene Marke halte einen ausreichenden
Abstand zu der Widerspruchsmarke. In der Gesamtheit wiesen die Marken hinre-
ichende Unterschiede auf. Dem Markenbestandteil „bild“ komme innerhalb der
angegriffenen Marke auch keine selbständig kollisionsbegründende Stellung zu,
weil er nicht deren Gesamteindruck präge, da er schutzunfähig sei.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg,
da mangels Ähnlichkeit hinsichtlich der noch streitgegenständlichen Waren und
Dienstleistungen keine Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG be-
steht.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG bemisst
sich nach dem Grad der Ähnlichkeit der Waren bzw. Dienstleistungen und der
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Ähnlichkeit der Marken sowie dem Grad der Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke.
Auch wenn für die Ware „Zeitungen“ aufgrund einer langjährigen umfangreichen
Benutzung von einer erhöhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke aus-
gegangen wird, besteht keine Verwechslungsgefahr.
Bei der Beurteilung der Ähnlichkeit von Waren und Dienstleistungen sind alle er-
heblichen Faktoren zu berücksichtigen, die das Verhältnis zwischen den Waren
bzw. Dienstleistungen kennzeichnen; hierzu gehören insbesondere ihre Beschaf-
fenheit, ihre regelmäßige betriebliche Herkunft, ihre regelmäßige Vertriebs- oder
Erbringungsart, ihr Verwendungszweck und ihre Nutzung, ihre wirtschaftliche Be-
deutung und ihre Eigenart als miteinander konkurrierende oder sich ergänzende
Produkte und Leistungen (zur Definition der Ähnlichkeit von Wa-
ren/Dienstleistungen vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl. § 9 Rdn. 44).
Insbesondere kommt es darauf an, ob der Verkehr (bei gleicher Kennzeichnung)
erwartet, dass die beiderseitigen Waren und Dienstleistungen unter der Kontrolle
desselben Unternehmens hergestellt oder vertrieben bzw. erbracht werden, wel-
ches für ihre Qualität verantwortlich ist.
Die Waren „Filmapparate und -instrumente, Geräte zur Aufzeichnung, Übertra-
gung und Wiedergabe von Ton und Bild“ weisen zu „Zeitungen“ keine Berüh-
rungspunkte auf, die eine Warenähnlichkeit begründen könnten. Selbst wenn es
zwischen Zeitungen und elektronischen Medien Verknüpfungen gibt, führt dies
nicht dazu, dass Waren allein deshalb ähnlich sind, weil die Bilder oder Doku-
mente, deren Herstellung, Aufzeichnung oder Wiedergabe die Geräte dienen,
auch in Zeitungen veröffentlicht werden können. Gleiches gilt für die Dienstleis-
tungen „Materialbearbeitung; digitale Bildbearbeitung, elektronische Datenverar-
beitung und Konvertierung von Daten oder Dokumenten von physischen auf elekt-
ronische Medien, insbesondere die Herstellung und Bearbeitung von Filmen“, die
zu Zeitungen nur insoweit eine Verbindung haben können, als zur Herstellung von
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Zeitungen diese Dienstleistungen in Anspruch genommen werden können. Solche
im Rahmen eines Warenherstellungsprozesses erfolgenden Tätigkeiten rechtferti-
gen - auch wenn sie im geschäftlichen Verkehr als selbständige Dienstleistungen
durch und für Dritte erbracht werden können - die Annahme einer Ähnlichkeit mit
dem unter Markenschutz stehenden Endprodukt nur dann, wenn die beteiligten
Verkehrskreise in entscheidungserheblichem Umfang davon ausgehen, dass Wa-
renhersteller und Dienstleistungsunternehmen sich jeweils auch auf dem anderen
Gebiet eigenständig gewerblich betätigen. Dafür liegen hier keine konkreten An-
haltspunkte vor. Zudem ist auch der generell zwischen Waren und Dienstleistun-
gen bestehende Unterschied zu berücksichtigen. Die bloße Möglichkeit von Fehl-
vorstellungen über irgendwelche Zusammenhänge wirtschaftlicher oder organisa-
torischer Art reicht nicht aus (vgl. Ströbele/Hacker, Markengesetz, 8. Aufl., § 9
Rdn. 83). Wenn im Printmedienbereich - wie von der Beschwerdeführerin vorge-
tragen - Firmen teilweise auch einzelne Fernsehsendungen (wie z. B. Stern TV)
produzieren, so handelt es sich insoweit bei den genannten Dienstleistungen der
angegriffenen Marke allenfalls um unselbständige Dienstleistungen (Hilfsdienst-
leistungen) zur Produktion solcher Sendungen. Im Hinblick auf die hier maßgebli-
che Ware "Zeitungen", für die allein die Widerspruchsmarke geschützt ist, ergeben
sich daraus keine Berührungspunkte, welche die Annahme einer Ähnlichkeit
rechtfertigen könnten.
Dementsprechend gibt es auch bezüglich der noch ferner stehenden Dienstleis-
tung „Überlassung von Filmteams und Technik“, welche trotz der sehr ungenauen
Formulierung wohl nicht zur mit „insbesondere“ eingeleiteten Aufzählung unter den
Oberbegriff „elektronische Datenverarbeitung und Konvertierung von Daten oder
Dokumenten von physischen auf elektronische Medien“ zu zählen ist, sondern of-
fenbar einen eigenständigen Dienstleistungsbegriff darstellen soll, keine ausrei-
chenden Anhaltspunkte für die Annahme einer Ähnlichkeit mit Zeitungen.
Die Dienstleistungen „Erbringung von Beratungsleistungen und der Handel mit
medienbezogenen Verwertungsrechten sowie der Verleih und die Vermietung von
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Sportbooten“ haben als eigenständige Dienstleistungen keine Ähnlichkeit mit „Zei-
tungen“. Auch wenn in Zeitungen gelegentlich Ratschläge erteilt werden oder Zei-
tungen Verwertungsrechte innehaben können, so handelt es sich dabei nicht um
die selbständigen Dienstleistungen „Erbringung von Beratungsleistungen und der
Handel mit medienbezogenen Verwertungsrechten“, sondern „Tipps“ stellen nur
ein Thema dar, mit dem sich die Zeitungen inhaltlich befassen können bzw. es
handelt sich bei dem „Handel mit medienbezogenen Verwertungsrechten“ um eine
Tätigkeit, die die Zeitung für sich selbst und nicht für andere erbringt. Der Verleih
und die Vermietung von Sportbooten mag etwa bei einem Preisausschreiben auch
von einem Zeitungsverlag angeboten werden oder in einer Zeitung können ent-
sprechende Anzeigen abgedruckt werden, jedoch sind diese nicht regelmäßig Er-
bringer der genannten Dienstleistung.
Die Beschwerde der Widersprechenden hat daher keinen Erfolg.
Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs. 1 MarkenG.
Kliems Merzbach
Bayer
Na