Urteil des BPatG vom 06.12.2007

BPatG: kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, verkehr, bestandteil, bildmarke, gesamteindruck, alter, verfahrenskosten, englisch, wörterbuch

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
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(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
6. Dezember 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
27 W (pat) 73/07
zugestellt am
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betreffend die Marke 305 57 947
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2007 durch den Vorsitzenden Richter
Dr. Albrecht, Richter Dr. van Raden und Richter Kruppa
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 30. September 2005 angemeldete und am 22. November 2005
unter der Nr. 305 57 947 für die Waren
„Schneiderhandwerkzeuge, nämlich Nahttrenner, Scheren, Nadel-
einfädler; Maßbänder, Magnete; Flusenrollen, Wollkämme,
Fusselbürsten; Garne für textile Zwecke und Nähfäden; Hosen-
träger, vorgefertigte Kleidertaschen; Markierbänder für Wäsche,
Nähmaschinennadeln, Nähnadeln, Sticknadeln, Stecknadeln,
Sicherheitsnadeln, Babysicherheitsnadeln, elastische und un-
elastische Bänder und Litzen, Nähsets, aufbügelbare Bänder,
Druckknöpfe, Haken und Ösen als Bundverschlüsse, Fingerhüte,
Knöpfe, Wäscheknöpfe, Maschen-Haltenadeln, Haken und Ösen
als Bekleidungsverschlüsse, Nadeldosen (nicht aus Edelmetall),
Handarbeits- und Bastelnadeln, Ziernieten für Kleidungsstücke,
Ösen für Kleidungsstücke, Hakenband für Miederwaren, Trä-
gerbandpolster, Trägerhalter“
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in das Markenregister eingetragene Wort-/Bildmarke
ist aus der prioritätsälteren deutschen Wortmarke 763 073 (angemeldet am
18. Oktober 1961)
DRIMA
Widerspruch erhoben worden. Die Widerspruchsmarke genießt Schutz für
"Garne und Zwirne".
Der Widerspruch richtet sich gegen alle Waren der angegriffenen Marke und wird
auf alle Waren der Widerspruchsmarke gestützt.
Die mit einer Beamtin des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 26
des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Widerspruch mit Beschluss vom
15. Dezember 2006 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die
Marken hielten auch unter Berücksichtigung teilweiser Warenidentität einen
ausreichenden Abstand ein. Der Verkehr werde die jüngere Marke mit "Prima
SEWING" und nicht lediglich mit "Prima" benennen. "Prima" sei dem Verkehr als
Superlativ im Sinne von "bestens" bekannt und geläufig, so dass er in den
Wortbestandteilen "Prima SEWING" einen in sich geschlossenen Gesamtbegriff
sehen werde.
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Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden,
die die Marken für verwechselbar hält. Die sich gegenüberstehenden Waren seien
teilweise identisch, teilweise hochgradig ähnlich. Der angegriffene Beschluss gehe
völlig darüber hinweg, dass der Bestandteil "SEWING" der angegriffenen jüngeren
Marke den rein beschreibenden englischsprachigen Bestandteil "sewing", also
"nähen" enthalte. Dieses Wort der englischen Umgangssprache sei auch
deutschen Benutzern gut bekannt, da derartige Produkte vielfach mehrsprachig
bedruckt seien. In Hotels lägen sehr häufig sog. "sewing kids" kostenlos in den
Hotelzimmern aus, um Reisenden bei der Reparatur kleinerer Schäden an
Kleidung, Waschzeug oder dergleichen behilflich zu sein. Den angesprochenen
Verkehrsteilnehmern stünden somit die Ausdrücke "drima sewing" und "prima
sewing" oder eben "prima" und "drima" gegenüber. Im Amtsverfahren hat die
Widersprechende eine Verwechslungsgefahr im Wesentlichen mit einer über-
durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und einer
Prägung der jüngeren Marke durch den Wortbestandteil "Prima" begründet.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die angegriffene
Marke zu löschen.
Die Markeninhaberin beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie hat sich im Beschwerdeverfahren schriftlich nicht zur Sache eingelassen, in
der mündlichen Verhandlung hat sie eine Verwechslungsgefahr verneint. Im
Amtsverfahren hat die Markeninhaberin eine erhöhte Kennzeichnungskraft der
Widerspruchsmarke bestritten. Die angegriffene Marke werde entgegen der
Auffassung der Widersprechenden auch nicht von dem Wortbestandteil "Prima"
geprägt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden ist nicht begründet, weil die
einander gegenüberstehenden Marken keiner Gefahr der Verwechslung im
Verkehr nach § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unterliegen.
Nach diesen Bestimmungen ist die Eintragung einer Marke im Falle eines
Widerspruchs u.
a. zu löschen, wenn wegen ihrer Ähnlichkeit mit einer
eingetragenen Marke älteren Zeitrangs und der Identität oder Ähnlichkeit der
durch die beiden Marken erfassten Waren für das Publikum die Gefahr von
Verwechslungen besteht, einschließlich der Gefahr, dass die Marken gedanklich
miteinander in Verbindung gebracht werden. Die Beurteilung der Verwechs-
lungsgefahr ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vor-
zunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu
ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Marken und der Ähnlichkeit
der mit ihnen gekennzeichneten Waren sowie der Kennzeichnungskraft der
älteren Marke, so dass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen
höheren Grad der Ähnlichkeit der Marken oder durch eine erhöhte Kenn-
zeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st.
Rspr.; vgl. BGH GRUR 2006, 60, 61 - coccodrillo m. w. Nachw.).
a)
Die zur Warenklasse 23 gehörenden "Garne" sind in beiden Waren-
verzeichnissen identisch enthalten. Die übrigen Waren der jüngeren Marke sind zu
den Widerspruchswaren "Garne und Zwirne" aufgrund gemeinsamer Verwendung
teilweise durchschnittlich, teilweise nur entfernt ähnlich.
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b)
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke hält der Senat für
durchschnittlich. Allein das Alter der Widerspruchsmarke begründet noch keine
erhöhte Kennzeichnungskraft. Für die von der Markeninhaberin bestrittene
Behauptung der Widersprechenden, die Kennzeichnungskraft der Widerspruchs-
marke sei aufgrund vielfacher Benutzung überdurchschnittlich, fehlt jeglicher
Sachvortrag.
c)
Auch den bei Warenidentität erforderlichen weiten Abstand hält die jüngere
Marke ein. Schriftbildlich scheitert eine Verwechslungsgefahr bereits an der
besonderen graphischen Ausgestaltung der als Wort-/Bildmarke angemeldeten
jüngeren Marke.
Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr liegt nicht vor. Diese wäre selbst dann
zu verneinen, wenn man - wie die Widersprechende - von einer Prägung der
jüngeren Marke durch den Bestandteil "Prima" ausgehen sollte. Der klangliche
Unterschied am Wortanfang der jüngeren Marke durch den deutlich wahr-
nehmbaren Sprenglaut
"P" zu dem eher weich gesprochenen "D" der
Widerspruchsmarke ist nicht zu überhören. Erfahrungsgemäß fallen Abwei-
chungen am Wortanfang eher auf als bei den übrigen Markenteilen
(Ströbele/Hacker, MarkenG, 8.
Aufl., §
9 Rdn.
131). Hinzu kommt, dass
Abweichungen bei den kurzen Wörtern "Prima" und "DRIMA" deutlicher auffallen
als Abweichungen von längeren Markenwörtern (Ströbele/Hacker, a. a. O., § 9
Rdn. 135).
Letztlich ist die Frage, ob die Bestandteile "Prima" und "DRIMA" für sich betrachtet
klanglich verwechselbar sind, jedoch nicht entscheidend, weil die jüngere Marke
entgegen der Auffassung der Widersprechenden nicht von dem für sich betrachtet
schutzunfähigen Wortbestandteil "Prima" geprägt wird. Das Wort "prima" ist dem
Verkehr als Superlativ im Sinne von "erstklassig, von bester Qualität, hervor-
ragend, ausgezeichnet, großartig" bekannt (vgl. Duden, Deutsches Uni-
versalwörterbuch, 6. Aufl. 2006). Derart kennzeichnungsschwache Bestandteile
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sind nicht geeignet, den Gesamteindruck einer Marke zu prägen (Ströbele/Hacker,
a.
a.
O., §
9 Rdn.
276) oder eine selbständig kennzeichnende und damit
verwechslungsfähige Stellung einzunehmen.
Dafür spricht auch der gesamtbegriffliche Charakter der Wortbestandteile "Prima
SEWING". Jene Verkehrskreise, die in der Lage sind, das englischsprachige Wort
"sewing" mit "Näharbeit" zu übersetzen (vgl. Duden-Oxford-Großwörterbuch
Englisch, 3. Aufl. 2005), werden in der jüngeren Marke einen Gesamtbegriff im
Sinne von "prima Näharbeit" erkennen, bei dem sie keinen Anlass haben, den
zweiten Wortbestandteil wegzulassen. Für diejenigen, die mangels Eng-
lischkenntnisse die Bedeutung des Wortes "sewing" nicht verstehen, besteht erst
recht kein Grund, dieses Wortelement zu vernachlässigen.
d)
Eine mittelbare Verwechslungsgefahr scheitert abgesehen von der
aufgezeigten gesamtbegrifflichen Bedeutung von "Prima SEWING" bereits daran,
dass die gemeinsame Buchstabenfolge "rima" in beiden Marken nicht eigen-
ständig hervortritt, sondern durch die unterschiedlichen Anfangsbuchstaben je-
weils in ein neues Wort eingebunden ist.
Für die Auferlegung von Verfahrenskosten (§ 71 Abs. 1 MarkenG) besteht kein
Anlass.
Dr. Albrecht
Dr. van Raden
Kruppa
br/Me