Urteil des BPatG vom 16.09.2003

BPatG: kennzeichnungskraft, verkehr, form, wiedergabe, steigerung, verwechslungsgefahr, patent, haus, bekleidung, widerspruchsverfahren

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 136/03
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. September 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 399 30 361
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. September 2003 unter Mitwirkung der Vorsitzen-
den Richterin Dr. Schermer sowie der Richter Reker und Schwarz
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Markeninhabers werden die Beschlüsse
der Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Marken-
amtes vom 28. Dezember 2001 und vom 20. Februar 2003 aufge-
hoben. Der Widerspruch aus der Marke 2 013 098 wird zurückge-
wiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die am 27. Mai 1999 angemeldete und am 18. November 1999 veröffent-
lichte Eintragung der Wortbildmarke
für "Brillen, Sonnenbrillen, Sportbrillen, Lesehilfen, optische Fassungen, Brillen-
etuis, Brillenputztücher, Ferngläser, Vergrößerungsgläser, Mikroskope" ist Wider-
spruch eingelegt aus der am 22. April 1992 unter Nr 2 013 098 für "Optische Er-
zeugnisse, nämlich Brillen und Sonnenbrillen, sowie diesen angepaßte Behältnis-
se; Bett- und Badwäsche" eingetragenen Wortmarke
MEXX
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Der Inhaber der angegriffenen Marke hat im Widerspruchsverfahren die rechtser-
haltende Benutzung der Widerspruchsmarke bestritten; hierauf hat die Widerspre-
chende zwei eidesstattliche Versicherungen sowie weitere Benutzungsunterlagen
vorgelegt.
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
zwei Beschlüssen vom 28. Dezember 2001 und 20. Februar 2003, von denen ei-
ner im Erinnerungsverfahren erging, den Widerspruch zurückgewiesen. Aufgrund
der vorgelegten Benutzungsunterlagen sei eine Benutzung der Widerspruchsmar-
ke jedenfalls für "Sonnenbrillen" glaubhaft gemacht; die von der Widersprechen-
den konkret benutzte grafische Ausgestaltung der Widerspruchsmarke reiche für
eine rechtserhaltende Benutzung entgegen der Ansicht des Inhabers der angegrif-
fenen Marke aus. Die Waren, für welche die Widerspruchsmarke verwendet wer-
de, seien mit den für die jüngere Marke geschützten Waren teils identisch, teils
hochgradig ähnlich. Den danach erforderlichen Abstand zu der durchschnittlich
kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke halte die angegriffene Marke aber
nicht ein. Denn hierfür reiche der allein abweichende Anfangsbuchstabe nicht aus,
da die beiden unterschiedlichen Konsonanten "L" und "M" klangschwach seien
und zu den Augenblickslauten zählten, so dass dieser Unterschied leicht überhört
werden könne, zumal die identischen Endungen der angegriffene Marke markant
in Erscheinung träten. Da somit eine Verwechslungsgefahr nicht auszuschließen
sei, sei die jüngere Marke auf den Widerspruch zu löschen.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Inhabers der angegriffe-
nen Marke, mit der er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Zu-
rückweisung des Widerspruchs anstrebt. Er bestreitet weiterhin eine rechtserhal-
tende Benutzung der Widerspruchsmarke, weil die konkrete Form, in welcher das
Markenwort "MEXX" allein verwendet werde, dessen kennzeichnenden Charakter
verändere. Im übrigen sei die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke we-
gen zahlreicher benutzter Marken im einschlägigen Warengebiet mit den Endkon-
sonanten "XX" oder "KS" geschwächt. Bei der Beurteilung der Verwechslungsge-
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fahr spiele eine klangliche Ähnlichkeit keine Rolle, weil die betroffenen Waren al-
lein auf Sicht gekauft würden. Die begrifflichen Unterschiede beider Marke durch
die Anklänge an Mexiko auf der einen Seite und den lateinischen Begriff für Ge-
setz auf der anderen Seite schlössen eine Verwechslungsgefahr aus.
Die Widersprechende ist dem entgegengetreten. Ihrer Auffassung nach ist der
kennzeichnende Charakter der Widerspruchsmarke durch die konkret verwendete
grafische Form, in welcher sie benutzt werde, nicht verändert. Für eine Schwä-
chung der Kennzeichnungskraft der älteren Marke von Haus aus gebe es keine
Anhaltspunkte; vielmehr sei sie durch den sehr großen Bekanntheitsgrad auf dem
Bekleidungssektor, der auch auf Brillen ausstrahle, sogar deutlich gestärkt. Be-
griffliche Unterschiede bestünden bei den Vergleichsmarken nicht, da es sich bei
beiden Kennzeichnungen um reine Fantasiebezeichnungen handele.
In der mündlichen Verhandlung haben die Beteiligten ihre jeweiligen Standpunkte
aufrechterhalten und vertieft.
II
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg, weil eine Gefahr von Ver-
wechslungen der Vergleichsmarken im Sinne des §§ 42, 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG
nicht besteht.
Denn ungeachtet der zwischen den Beteiligten streitigen Frage, ob die Benutzung
der Widerspruchsmarke "MEXX" für "Sonnenbrillen" in der konkret verwendeten
Form mit bildlich ausgestaltetem Buchstaben "E" noch als rechtserhaltend anzuse-
hen ist, hält die jüngere Marke den erforderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke
trotz teilweiser Warenidentität und teilweiser hochgradiger Warenähnlichkeit noch
ein.
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Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ist dabei als normal einzustufen.
Entgegen der Ansicht des Inhabers der angegriffenen Marke gibt es keine An-
haltspunkte für eine Schwächung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmar-
ke. Soweit er hierzu auf angebliche Drittmarken hingewiesen hat, können ohnehin
nur solche in Betracht gezogen werden, welche für eng benachbarte Waren (hier
also für Brillen) geschützt sind und im Ähnlichkeitsbereich beider gegenüberste-
henden Marken liegen (vgl Althammer/Ströbele, aaO, § 9 Rn 316 mwN). Lediglich
13 der von ihm genannten Drittmarken sind aber auch für optische Hilfsmittel ge-
schützt, nämlich die Marken 300
28
170 MUXX, 399
77
528 MAX MILES,
398 10 565 YOUNG EYEWEAR MAX, 395 23 295 MAXX, 399 26 455 SPEXX,
395 50 759 SPECXS, 300 43 060 T-FLEX, 300 50 510 C-MEX SYSTEMS, die Ge-
meinschaftsmarken 1 447 382 SOLA MAX, 1 414 978 MAX MILES, 396 416
LEON MAX, 1 165 216 TIMEX und die auch im Inland geschützte IR-Marke
R 328 368 SOLEX. Von diesen wiederum weisen nur vier eine mit den Vergleichs-
marken vergleichbare Markenbildung in Form eines einsilbigen Wortes mit dem
durch Verdopplung verstärkten Konsonanten "X" bzw einer ähnlichen Lautbildung
durch die Konsonantenfolge "CXS" auf. Abgesehen davon, dass über den Umfang
ihrer Benutzung nichts bekannt ist, reicht eine so geringe Anzahl an vergleichba-
ren Drittmarken für die Annahme nicht aus, die Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke sei von Haus aus geschwächt.
Es sind aber auch keine Anhaltspunkte für die von der Widersprechenden geltend
gemachte Steigerung der Kennzeichnungskraft der Marke "MEXX" erkennbar. Auf
die von ihr hierzu vorgelegte Kommunikationsanalyse der Frauenzeitschrift BRI-
GITTE aus dem Jahr 2002, in welcher ein Bekanntheitsgrad der Kennzeich-
nung "MEXX" von 50 % im Bekleidungsbereich ausgewiesen ist, kann sie sich da-
bei nicht berufen, weil eine Steigerung der Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke bereits im Zeitpunkt der hier am 27. Mai 1999 erfolgten Anmeldung
der jüngeren Marke gegeben gewesen sein muss (vgl Ströbele/Hacker, Markenge-
setz, 7. Aufl, § 9 Rn 40). Die im Widerspruchsverfahren eingereichte Kommunika-
tionsanalyse der Zeitschrift BRIGITTE für das Jahr 1998 weist aber für die Beklei-
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dungsmarke "MEXX" lediglich eine Bekanntheit von 30 % aus. Dies reicht schon
auf diesem Warensektor für die Annahme einer Steigerung der Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke nicht aus. Auch wenn die Stärke der Kennzeich-
nungskraft einer Marke nicht einen bestimmten Prozentsatz ihrer Bekanntheit vor-
aussetzt, sondern auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen ist (vgl Altham-
mer/Ströbele, aaO, § 9 Rn 297 mwN), ist vorliegend zu berücksichtigen, dass die
Analyse sich auf insgesamt rund 120 Marken bezieht, von denen lediglich 1/3 ei-
nen Bekanntheitsgrad von unter 30 % hatten, während bereits 1/6 teils deutlich
über 50 % lagen. Die Bekleidungsmarke "MEXX" mit einer Bekanntheit von 30 %
im Jahr 1998 war daher damals eher im unteren Mittelfeld einzureihen; ist der da-
malige Bekanntsgrad somit nicht als deutlich über dem Durchschnitt liegend einzu-
stufen, kann hieraus eine Steigerung der Kennzeichnungskraft nicht hergeleitet
werden. Das gilt erst recht für die Marke "MEXX" in bezug auf die hier maßgebli-
chen Sonnenbrillen, denn selbst wenn zugunsten der Widersprechenden eine
Ausstrahlung des für die Bekleidungsmarke erreichten Bekanntheitsgrades von
30 % auf Sonnenbrillen als Accessoires zu Bekleidung im weiteren Sinne ange-
nommen wird, kann die dadurch erreichte Bekanntheit auf jeden Fall nur geringer
sein als für Bekleidung. Schließlich ergibt sich eine gesteigerte Kennzeichnungs-
kraft für Sonnenbrillen auch nicht aus den vorgelegten Benutzungsunterlagen, ins-
besondere aus den für die Jahre 1996-1999 eidesstattlich versicherten Umsatz-
zahlen. Denn abgesehen davon, dass eine für die Beurteilung der Kennzeich-
nungskraft erforderliche Vergleichsgröße in Form der Umsatzzahlen der gesamten
Brillenbranche nicht bekannt ist, reichen auch die genannten nicht allzu hohen
Umsatzzahlen von jährlich mindestens ca …
DM für die Annahme einer
Stärkung der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke nicht aus.
Unter Berücksichtigung der teilweise Warenidentität bzw. -ähnlichkeit und der nor-
malen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke reichen die vorhandenen Un-
terschiede in beiden Marken aber noch aus, um die Gefahr von Verwechslungen
auszuschließen.
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In schriftbildlicher Hinsicht können die beiden unterschiedlichen Anfangsbuchsta-
ben "L" und "M" bei ihrer Wiedergabe in allen üblichen Schrifttypen nicht überse-
hen werden. Hierfür spricht nicht nur ihre unterschiedliche Schreibweise, sondern
auch ihre Stellung am erfahrungsgemäß stärker beachteten Wortanfang; dieser
Erfahrungssatz wird hier auch nicht, wie die Widersprechende meint, dadurch rela-
tiviert, dass die übrigen Wortteile besonders markant seien. Denn ungeachtet der
Bedeutung des doppelt vorhandenen Konsonanten "X" steht dem die Kürze der
Vergleichsmarken entgegen, die den Verkehr verstärkt dazu veranlasst, auf alle
Bestandteile zu achten. Dann wird aber der unterschiedliche Wortanfang von ihm
nicht übersehen werden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass auf dem hier in
Rede stehenden Warengebiet der Verkehr seine Kaufentscheidungen zum einen
vor allem aufgrund der optischen Wahrnehmung der Produkte in einschlägigen
Geschäften trifft und zum anderen zumindest nicht zu vernachlässigende Teile
des Verkehr wegen ihres auf diesem Warengebiet ausgeprägten Markenbewusst-
seins auf die einzelnen Produktkennzeichnungen besonders achtet und dabei
schon geringfügige Unterschiede unmittelbar bemerkt. Schließlich wird der Ver-
kehr auch die beiden der Marke angefügten Kreise nicht unbeachtet lassen.
Auch eine klangliche Verwechslungsgefahr ist auszuschließen. Dabei ist vorlie-
gend schon nicht auszuschließen, dass der Verkehr die in der jüngeren Marke am
Ende angefügten beiden Kreise als den Buchstaben "O" auffaßt und die Marke bei
einer klanglichen Wiedergabe somit als "LEXXOO" benennt. Denn die grafische
Wiedergabe des Buchstabens "O" durch einen ausgefüllten Kreis ist allgemein üb-
lich; dem steht auch weder die Wiedergabe der übrigen Buchstaben in einem übli-
chen Schrifttyp noch die unterschiedliche Farbgebung der Buchstabenfol-
ge "LEXX" und der beiden Kreise entgegen; denn entsprechende Gestaltungen
sind häufig anzutreffen und sowohl in der Werbung als auch bei Produkt- und Un-
ternehmenskennzeichen gebräuchlich. Bei einer Wiedergabe wie "LEXXOO" kann
die jüngere Marke aber von der Widerspruchsmarke deutlich unterschieden wer-
den.
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Aber auch wenn Teile des Verkehrs den in der angegriffenen Marke angefügten
beiden Kreisen keine Beachtung schenken, etwa weil sie hierin angedeutete Bril-
lengläser sehen, und die Marke somit nur als "LEXX" wiedergeben, sind klangliche
Verwechslungen nicht zu befürchten. Zwar handelt es sich bei dem Anfangskon-
sonanten "M" in der Widerspruchsmarke um einen klangschwachen Laut; dies gilt
aber nicht in gleicher Weise für den Anfangslaut "L" in der angegriffenen Marke,
der eher fließend klingt und sich auch von der Art der Lautbildung her von dem
"M" unterscheidet, so dass die Abweichung angesichts der Wortkürze nicht unbe-
achtlich ist, zumal der Verkehr bei Kurzwörtern ohnehin verstärkt auf Abweichun-
gen achtet: Hinzu kommt, dass ihm zahlreiche vergleichbare Ausdrücke wie Max,
Rex, Flex usw bekannt sind, die sich klanglich jeweils nur im Anfangsbuchstaben
unterscheiden, so dass er bei solchen Wörtern gewohnt ist, auf den Wortanfang
zu achten. Schließlich wird die Gefahr klanglicher Verwechslungen auch wenn sie
nicht grundsätzlich außer Betracht bleiben kann, noch dadurch wesentlich gemin-
dert, dass eine mündliche Benennung der Produktkennzeichen etwa in Form von
Kaufempfehlungen durch Dritte oder das Verkaufspersonal beim Kauf von Brillen
eine eher untergeordnete Rolle spielt, weil die potentiellen Käufer von Brillen übli-
cherweise ihre Kaufentscheidung vorrangig nur nach einer optischen Begutach-
tung der einzelnen Produkte und einem von ihnen und den Verkäufern stets für er-
forderlich gehaltenen Probetragen treffen; dann begegnen ihnen die Kennzeich-
nungen der einzelnen Waren aber nicht nur klanglich, sondern immer zumindest
gleichzeitig auch optisch; wegen der schriftbildlichen Unähnlichkeit beider Marken
werden sie diese dann aber ohne weiteres auseinander halten können.
Da somit die Gefahr von Verwechslungen beider Marken nicht als noch erheblich
erachtet werden kann, war auf die Beschwerde des Markeninhabers der Be-
schluss der Markenstelle, mit welcher die Löschung der jüngeren Marke angeord-
net worden war, aufzuheben und der Widerspruch aus der älteren Marke
2 013 098 zurückzuweisen.
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Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 Mar-
kenG verwiesen; Gründe, hiervon abzuweichen, bestehen nicht.
Dr. Schermer
Reker
Schwarz