Urteil des BPatG vom 17.09.2007

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BUNDESPATENTGERICHT
9 W (pat) 23/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
17. September 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 44 26 207
BPatG 154
08.05
- 2 -
hat der 9. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 17. September 2007 unter Mitwirkung des Vorsit-
zenden Richters Dipl.-Ing. Petzold sowie des Richters Dipl.-Ing. Bork, der Richte-
rin Friehe-Wich und des Richters Dr.-Ing. Höchst
beschlossen:
I.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
II.
Das Patent wird mit folgenden Unterlagen beschränkt auf-
rechterhalten:
- Patentanspruch
1,
überreicht in der mündlichen Ver-
handlung,
- Patentansprüche
2 bis 8, mit Schriftsatz vom
23.
März
2004 als Hauptantrag eingegangen am
26. März 2004,
- Beschreibung Seite
1, mit Schriftsatz vom
23. März 2004 als Beschreibungseinleitung eingegan-
gen am 26. März 2004, wobei in diese Beschreibungs-
einleitung an angegebener Stelle der Text der Patent-
schrift aus Spalte 1, Zeile 6 ab „ein Automatikgetriebe“
bis Zeile 27 einzufügen ist,
-
Beschreibung ab Spalte
1, Zeile
38, bis Spalte
4,
Zeile 42, und Zeichnungen Figuren 1 bis 3, jeweils nach
Patentschrift.
- 3 -
G r ü n d e
I.
Die Patentabteilung 14 des Deutschen Patent- und Markenamts hat nach Prüfung
des Einspruchs das am 23. Juli 1994 angemeldete Patent mit der Bezeichnung
„Wähleinrichtung für ein Automatikgetriebe eines Kraftfahrzeugs“
durch Beschluss vom 8. Dezember 2003 widerrufen. Nach ihrer Auffassung wird
der Patentgegenstand für einen Fachmann durch die EP 04 13 116 A1 und die
JP 62-34 214 A nahegelegt. Im Verfahren befinden sich außerdem noch folgende
Druckschriften:
DE 38 07 881 A1;
DE 40 29 330 A1;
DE 28 46 264 A1;
JP 6-94111 A; Patent Abstracts of Japan M-1635, July 8, 1994,
Vol. 18/No 363; Meyers Lexikon der Technik und exakten Wissen-
schaften, Mannheim 1970, 2. Band, S. 1417, Stichwort „Kardani-
sche Aufhängung”.
Gegen den Beschluss des Deutschen Patent- und Markenamts richtet sich die
Beschwerde der Patentinhaberin. Sie verteidigt das Streitpatent in beschränktem
Umfang und meint, die beanspruchte Wähleinrichtung sei neu und durch den
Stand der Technik nicht nahegelegt.
- 4 -
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Patent mit fol-
genden Unterlagen beschränkt aufrechtzuerhalten:
- Patentanspruch
1,
überreicht in der mündlichen Verhand-
lung,
-
Patentansprüche 2 bis 8, mit Schriftsatz vom 23. März 2004
als Hauptantrag eingegangen am 26. März 2004,
-
Beschreibung Seite 1, mit Schriftsatz vom 23. März 2004 als
Beschreibungseinleitung eingegangen am 26.
März
2004,
mit Einschub aus Spalte 1, Zeilen 6 bis Zeile 27 gemäß
Patentschrift,
-
Beschreibung ab Spalte 1, Zeile 38, bis Spalte 4, Zeile 42,
und Zeichnungen Figuren 1 bis 3, jeweils nach Patentschrift.
Die Einsprechende beantragt schriftsätzlich,
die Beschwerde zurückzuweisen.
In dem beim Bundespatentgericht per Fax am 11.9.2007 eingegangen Schriftsatz
vom 10.9.2007 hat sie dargelegt, dass und warum eine streitpatentgemäße Wähl-
einrichtung durch eine Zusammenschau der EP 04 13 116 A1 mit der
JP 62-34 214 A aus ihrer Sicht nahegelegt sei. Gleichzeitig hat sie mitgeteilt, der
mündlichen Verhandlung am 17.9.2007 fernbleiben zu wollen, weil die Sachlage
klar sei.
- 5 -
Der geltende Patentanspruch 1 lautet:
Wähleinrichtung, für ein Automatikgetriebe eines Kraftfahrzeugs,
mit Schaltgassen zum Vorwählen der einzelnen Fahrstufen im
Automatikbetrieb über einen schwenkbaren Betätigungshebel (6)
und zum schrittweisen Schalten der Gänge im manuellen Betrieb,
mit einem in einem fahrzeugfesten Rahmen (2) über eine erste
und eine zweite Achse (3, 4) in Fahrzeuglängs- und -querrichtung
schwenkbar gelagerten Wählhebel (1), der durch Schwenken um
die erste Achse (3) in jeweils einer der parallel verlaufenden
Schaltgassen in Fahrzeuglängsrichtung bewegbar ist und durch
Schwenken um die zweite Achse (4) in Fahrzeugquerrichtung zwi-
schen diesen Schaltgassen hin- und herschaltbar ist,
dadurch gekennzeichnet dass
die zweite Achse (4)
im fahrzeugfesten Rahmen (2) gelagert ist und
durch eine Kulisse (12) gebildet wird,
o
an der der Wählhebel (1) über die erste Achse (3) ge-
lagert ist und dass
o
die Kulisse (12) bei Stellung des Wählhebels (1) in der
Schaltgasse für Schrittstellung mit Wirkflächen (20)
des Betätigungshebels (6) eine formschlüssige Ver-
bindung bildet, die die Verschwenkbewegung des Be-
tätigungshebels (6) blockiert.
An ihn schließen sich die rückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 als Unteran-
sprüche an.
- 6 -
II.
Die Beschwerde ist zulässig; in der Sache hat sie Erfolg in dem sich aus der Be-
schlussformel ergebenden Umfang.
1.
Die Patentansprüche 1 bis 8 sind zulässig, sie ergeben sich ohne weiteres
aus dem Streitpatent sowie aus den Ursprungsunterlagen.
2.
Als Durchschnittsfachmann setzt der Senat einen mit der Konstruktion und
Entwicklung von Wähleinrichtungen an Kraftfahrzeugen bei einem Kfz-Her-
steller oder -Zulieferer befassten Maschinenbauingenieur mit mehrjähriger
Berufserfahrung voraus.
Dieser erhält durch den geltenden Patentanspruch 1 eine detaillierte kon-
struktive Lehre, wie die Lagerung des Wählhebels einer Wähleinrichtung für
ein Automatikgetriebe eines Kraftfahrzeugs auszubilden ist. Dabei wird eine
Wähleinrichtung vorausgesetzt, die zwei parallel verlaufende Schaltgassen
zum Vorwählen der einzelnen Fahrstufen im Automatikbetrieb über einen
im manuellen Betrieb aufweist. Der um zwei Achsen kardanisch gelagerte
Wählhebel ist in den beiden Schaltgassen in Fahrzeuglängsrichtung hin- und
her schalt-/ bzw. bewegbar. In der streitpatentgemäßen Ausgestaltung der
Wählhebellagerung ist die in Fahrzeuglängsrichtung verlaufende zweite
Achse besonders ausgebildet als bewegliche Kulisse zur Zwangsführung des
Wählhebels und in Fahrzeuglängsrichtung im fahrzeugfesten Rahmen gela-
gert. An der beweglichen Kulisse ist der Wählhebel über eine in Fahrzeug-
querrichtung verlaufende erste Achse gelagert. Außerdem ist die Ver-
schwenkbewegung des Betätigungshebels zur mechanischen Getriebean-
steuerung blockiert, wenn sich der Wählhebel in der Schaltgasse für schritt-
weises Schalten befindet. Um die Blockierung zu erreichen, ist zwischen der
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Kulisse und dem Betätigungshebel eine formschlüssige Verbindung herge-
stellt.
Mit dieser konkreten, vollständig im geltenden Patentanspruch 1 enthaltenen
technischen Lehre ist eine Konstruktion für eine mechanisch eindeutige Füh-
rung bzw. Lagerung des Wählhebels einer entsprechenden Wähleinrichtung
definiert, die mit den am Anmeldetag des Streitpatents im Stand der Technik
bekannten Informationen nicht zu erreichen war.
3.
Nach übereinstimmender Auffassung der Beteiligten und des Senats kommt
dem Streitgegenstand die Schaltvorrichtung gemäß der EP 04 13 116 A1 am
nächsten, denn sie beschreibt eine handhabungsgleiche Wähleinrichtung wie
die streitpatentgemäße. Diesbezüglich verfügt die vorbekannte Schaltvorrich-
tung über zwei parallel verlaufende Schaltgassen 6 und 8 zum Vorwählen
der einzelnen Fahrstufen im Automatikbetrieb über einen schwenkbaren Be-
tätigungshebel 11 und zum schrittweisen Schalten der Gänge im manuellen
Betrieb, vgl. insb. Zusammenfassung Abs. 1 i. V. m. Fig. 2. Der um zwei Ach-
sen 4 und 5 kardanisch gelagerte Wählhebel 3 ist in den beiden Schalt-
gassen 6 und 8 in Fahrzeuglängsrichtung hin und her schalt-/ bzw. beweg-
bar.
Unterhalb der Wählhebelkonsole unterscheidet sich die Mechanik der Wähl-
hebellagerungen grundsätzlich voneinander.
Eine streitpatentgemäß beanspruchte im fahrzeugfesten Rahmen gelagerte
Kulisse, an welcher der Wählhebel in Fahrzeuglängsrichtung schwenkbar
gelagert ist, offenbart die vorbekannte Wählhebellagerung unbestritten nicht.
Dort ist die in Fahrzeuglängsrichtung verlaufende Achse 5 vielmehr in einem
separaten Bauteil 32 gelagert, das seinerseits im Gehäuserahmen 2 um eine
in Fahrzeugquerrichtung verlaufende Achse 4 schwenkbeweglich gelagert
ist, vgl. insb. Fig. 1. Außer zur Lagerung der Achse 5 dient das separate Bau-
teil 32 noch zur Aufnahme der Feder 34 einer Federrastvorrichtung 30 am
- 8 -
unteren Ende des Wählhebels 3. Die Federrastvorrichtung 30 bewirkt eine la-
gemäßige Festlegung des Wählhebels 3 in den parallelen Schaltgassen 6
bzw. 8, vgl. insb. Sp. 3 Z. 41 bis 44.
Da die vorbekannte Konstruktion keine schwenkbewegliche Kulisse zur
Zwangsführung des Wählhebels 3 aufweist, kann zwischen dieser und dem
Betätigungshebel 11 einer mechanischen Getriebeansteuerung die streitpa-
tentgemäß beanspruchte formschlüssige Verbindung nicht hergestellt wer-
den. Deshalb ist die Verschwenkbewegung eines Betätigungshebels 11 zur
mechanischen Getriebeansteuerung dort auf eine konstruktiv völlig andere
Art blockiert, sobald der Wählhebel 3 in die Schaltgasse 8 für schrittweises
Schalten überführt wird. Der Wählhebel 3 ist in der Automatikgasse 6 durch
eine formschlüssige Verbindung mit dem Betätigungshebel 11 über einen
Mitnehmer 9 gekoppelt, vgl. insb. Sp. 2 Z. 39 bis 45 i. V. m. den Figuren 1
und 3. Diese Verbindung wird beim Schwenken des Wählhebels 3 in die
Quergasse 7 gelöst. Dabei wird gleichzeitig eine Sperreinrichtung 13 des Mit-
nehmers 9 freigegeben, die den Mitnehmer 9 gegenüber einer gehäusefes-
ten Platte 18 festlegt. Dazu ist an dem Mitnehmer 9 ein Sperrglied 15 unter
Federspannung gelagert, dessen obere Klinke 23 in einer Öffnung 20 der
Platte 18 eines feststehenden Bauteils 17 eingreift, vgl. insb. Sp. 2 Z. 52 bis
Sp. 3 Z. 18 sowie Z. 54 bis 57. Durch die Festlegung des Mitnehmers 9 ge-
genüber der feststehenden Platte 18 ist indirekt auch der Betätigungshe-
bel 11 blockiert.
In ihrer Argumentation setzt die Beschwerdegegnerin das feststehende Bau-
teil 17 der vorbekannten Schaltvorrichtung mit der streitpatentgemäßen Ku-
lisse 12 gleich und meint, zwischen dem feststehenden Bauteil 17 und einem
zweiarmigen Betätigungshebel 9/11 werde durch das Sperrglied 15 eine
formschlüssige Verbindung herstellt. Diese Verbindung entspreche dem
streitpatentgemäßen Formschluß zur Blockierung der Verschwenkbewegung
des Betätigungshebels 6. Davon konnte sie den Senat jedoch nicht über-
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zeugen. Denn abgesehen davon, dass die streitpatentgemäße Kulisse 12
durch die Achse 4 um die Fahrzeuglängsachse schwenkbeweglich gelagert
und nicht rahmenfest angeordnet ist, wie das Bauteil 17 der vorbekannten
Schalteinrichtung, löst dort das Wegschwenken des Wählhebels 3 von dem
feststehenden Bauteil 17 in die Schrittschaltgasse 8 die Sperreinrichtung 13
aus, wie vorstehend dargetan. Im Gegensatz dazu ist streitpatentgemäß be-
ansprucht, dass die Kulisse 12 mit Wirkflächen des Betätigungshebels 6 eine
formschlüssige Verbindung bildet, wenn sie sich mitsamt dem Wählhebel 1 in
der Schrittschaltgasse befindet. Dies ist nur dann möglich, wenn der Wähl-
hebel 1 mitsamt seiner Kulisse 12, an der er gelagert ist, zu dem Betäti-
gungshebel 6 hingeschwenkt wird und nicht davon weg, wie die vorbekannte
Schalteinrichtung vorschlägt. Diesen grundlegenden Unterschied verkennt
die Beschwerdegegnerin offensichtlich in Kenntnis des Streitpatents.
Eine andere Wähleinrichtung für ein Automatikgetriebe mit zwei Schaltgas-
sen zum Vorwählen der einzelnen Fahrstufen im Automatikbetrieb und zum
schrittweisen Schalten der Gänge im manuellen Betrieb ist aus der
JP 62-34214 A bekannt. Hinsichtlich der Beschreibung wird auf die von der
Einsprechenden vorgelegte Übersetzung Bezug genommen. Im Unterschied
zum Streitgegenstand verlaufen die Schaltgassen dort jedoch nicht parallel,
sondern senkrecht zueinander, vgl. insb. Fig. 4. Die Automatikschaltgasse ist
in Fahrzeuglängsrichtung und die Schrittschaltgasse in Fahrzeugquerrich-
tung ausgerichtet, vgl. insb. Fig. 4. Die kardanische Lagerung des Wählhe-
bels 16 erfolgt über eine schwenkbare Kulisse, die aus einer Grundplatte 14
und seitlichen, davon aufragenden Halteplatten 17 und 60 besteht, vgl. insb.
Figuren 1 und 5. Die Grundplatte 14 ist um eine rahmenfest gelagerte, in
Fahrzeuglängsrichtung verlaufende Achse 13 schwenkbar. Zwischen den
seitlichen aufragenden Halteplatten 17 und 60 ist u. a. der Wählhebel 16 um
eine in Fahrzeugquerrichtung verlaufende Achse 15 gelagert, vgl. insb. Figu-
ren 1 und 3. Abgesehen von der Lagerung eines Wählhebels an einer
schwenkbaren Kulisse offenbart die Druckschrift keine Gemeinsamkeiten mit
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dem Streitgegenstand. Insbesondere ist ein schwenkbarer Betätigungshebel,
über den die einzelnen Fahrstufen im Automatikbetrieb vorgewählt werden
können, hier nicht vorhanden. Denn die Übertragung der gewählten Fahrstu-
fe zur Getriebesteuerung erfolgt elektrisch, und zwar im Automatikmodus
durch einen Hallgeber 25, der an der Halteplatte 60 fixiert auf der Achse 15
gelagert ist, vgl. insb. S. 17 Abs. 1 der Übersetzung i. V. m. Fig. 5, und im
Schrittschaltmodus durch Schalter 23/24, die außen an der Unterseite der
schwenkbaren Grundplatte 14 befestigt sind, vgl. insb. S. 17 Abs. 2 der Über-
setzung. Mangels eines Betätigungshebels kann diese Wähleinrichtung keine
Blockierung der Verschwenkbewegung eines Betätigungshebels offenbaren,
wie sie streitpatentgemäß beansprucht ist.
Die Führung des Wählhebels 16 in den senkrecht zueinander verlaufenden
Schaltgassen ist mechanisch ausgebildet. Sie ist durch eine vor dem Wähl-
hebel 16 angeordnete, feststehende Nockenplatte 21 mit Kontaktflächen
55/56 realisiert, in die ein mit dem Wählhebel 16 verschweißter Führungs-
stift 22 längs- und querbeweglich eingreift, vgl. insb. S. 14 letzter Abs. bis
S. 15 Abs. 3 der Übersetzung i. V. m. den Figuren 1 und 2. Solange sich der
Wählhebel 16 in der Automatikschaltgasse befindet, ist seine Querbewegung
durch die Lage des Führungsstiftes 22 in der Kontaktfläche 55 verhindert.
Erst mit Erreichen der Schrittschaltgasse gelangt der Führungsstift 22 in die
in Fig. 2 gestrichelt gezeichnete, obere Lage, wodurch der Wählhebel 16 in
den Grenzen der Kontaktfläche 56 quer zur Fahrzeuglängsrichtung um die
Achse 13 schwenkbar ist.
Die übrigen im Verfahren befindlichen Druckschriften offenbaren Konstruk-
tionen, die mit dem Beanspruchten noch weniger Gemeinsamkeiten aufwei-
sen als die vorstehend beschriebenen. Von der Beschwerdegegnerin sind
diese Druckschriften im Beschwerdeverfahren deshalb zu recht nicht mehr
aufgegriffen worden. Mit der Beschlussbegründung der Patentabteilung
stimmt der Senat insoweit überein, dass diese Druckschriften für sich oder in
- 11 -
einer Zusammenschau die Patentfähigkeit des Streitgegenstandes nicht in
Frage stellen können.
4.
Aufgrund der dargelegten grundlegenden konstruktiven Unterschiede führt
eine Zusammenschau der vorstehend erläuterten Wähl- bzw. Schaltvorrich-
tungen am Anmeldetag des Streitpatents nicht zu der patentgemäßen Wähl-
einrichtung.
Die Einsprechende hat schriftsätzlich übereinstimmend mit der Patentab-
teilung in dem angegriffenen Beschluss ausgeführt, der Durchschnittsfach-
mann übertrage die Kulissenlagerung des Wählhebels gemäß der
JP 62-34214 A auf die Schaltvorrichtung gemäß der EP 04 13 116 A1 und
gelange so zum Streitgegenstand. Dazu müsste er allerdings ein ganz be-
stimmtes konstruktives Element, hier die Kulissenlagerung, aus einer in sich
geschlossenen Lösung separieren und in eine andere in sich geschlossene
Lösung implantieren. Für eine derartige mosaikartige Vorgehensweise ist
aber kein objektiver Grund erkennbar und auch nicht dargelegt worden, denn
beide Druckschriften offenbaren für sich vollständig unterschiedliche Kon-
struktionen. Das wird zum einen deutlich durch die unterschiedliche Lage der
Schaltgassen, die nach der JP
62-34214
A senkrecht und nach der
EP 04 13 116 A1 parallel zueinander verlaufen. Damit untrennbar verbunden
ist die jeweilige kardanische Aufhängung und Lagesicherung des Wählhebels
in den Schaltgassen, die jeweils der Lage der Schaltgassen zueinander an-
gepasst ist. Ein absehbarer Vorteil im Hinblick auf den kompakten Aufbau
geht mit der bekannten Kulissenführung allein im übrigen nicht einher, denn
sie erfordert in jedem Fall den Bauraum, welcher der Längs- und Querbewe-
gung des Wählhebels entspricht, der an der Kulisse gelagert ist.
Hinsichtlich einer kompakten und kleinen Bauweise im Sinne der streitpatent-
gemäßen Aufgabe würde der Verzicht auf einen schwenkbaren Betätigungs-
hebel von Vorteil sein, wie er bei der JP 62-34214 A-Lösung durch die elek-
- 12 -
trische Informationsübertragung verwirklicht ist. Gleichfalls böte die Führung
des Wählhebels 16 durch den Führungsstift 22 gemäß der JP 62-34214 A
einen offensichtlichen Bauraumvorteil gegenüber der Federrastvorrich-
tung 30 am unteren Ende des Wählhebels 3 gemäß der EP 04 13 116 A1.
Warum der Durchschnittsfachmann von diesen Lösungsvorschlägen bei
einer Zusammenschau der beiden Druckschriften keinen Gebrauch machen,
wohl aber die Kulissenführung übernehmen soll, ist nicht nachvollziehbar.
Daran wird jedoch deutlich, dass die alleinige Übertragung der Kulissenfüh-
rung aus der JP
62-34214
A auf die Schaltvorrichtung nach der
EP 04 13 116 A1 nur rückschauend möglich war.
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob der in Fig. 1 der EP 04 13 116 A1
zwar dargestellte, jedoch mit keinem Bezugzeichen versehene und in der
Beschreibung mit keinem einzigen Wort erwähnte Querbolzen im Wählhe-
bel 3 das Verständnis des feststehenden Bauteils 17 als Kulisse stützen
kann, wie die Beschwerdegegnerin meint. Denn selbst wenn ein derartiger
federbelasteter Querbolzen zusammenwirken sollte mit Rastnocken an dem
feststehenden Bauteil 17, beispielsweise als Sicherung gegen unbeabsichtig-
tes Einlegen der Rückwärtsfahrstufe, ist damit eine Kulisse als schwenkbe-
wegliche Achse für die schwenkbewegliche Lagerung des Wählhebels im
streitpatentgemäßen Sinn weder vorweggenommen noch nahegelegt.
Wie vorstehend aufgezeigt, war die spezielle Art der streitpatentgemäßen
Wählhebellagerung durch die Kenntnis des in Betracht gezogenen Standes
der Technik am Anmeldetag nicht zu erreichen. Da sie sich auch unter Be-
rücksichtigung des allgemeinen Fachwissens des Durchschnittsfachmannes
nicht ohne weiteres ergibt, beruht sie auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Mithin ist der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 patentfähig.
- 13 -
Die auf Patentanspruch 1 zurückbezogenen Patentansprüche 2 bis 8 betref-
fen konkrete Weiterbildungen der Wähleinrichtung nach dem Patentan-
spruch 1 und werden von deren Patentfähigkeit getragen.
Petzold Bork Friehe-Wich
Dr.
Höchst
Hu