Urteil des BPatG vom 01.02.2006

BPatG (marke, bundesrepublik deutschland, firmenname, kennzeichnungskraft, beschwerde, gesamteindruck, verwechslungsgefahr, beurteilung, bildmarke, annahme)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 254/04
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
1. Februar 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die IR-Marke 789 143/29
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 1. Februar 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Widersprechenden wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Für die international registrierte Marke 789 143
als Kennzeichnung einer Vielzahl von Waren, darunter u. a. in der Klasse 29
"… lait, laits en poudre, laits gélifiés aromatisés et laits battus; pro-
duits laitiers à savoir: desserts lactés, yaourts, yaourts à boire,
mousses, crèmes. crèmes dessert, crème fraîche, beurre, pâtes
fromagères, fromages, fromages affinés, fromages affinés avec
moisissure, fromages non affinés frais et fromages en saumure,
fromage blanc, fromages frais vendus sous forme pâteuse ou li-
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quide, nature ou arotmatisés; boissons composées majoritaire-
ment de lait ou de produits laitiers, boissons lactées où de lait pré-
domine, boissons lactées comprenant des fruits; produits laitiers
fermentés nature ou aromatisés; …"
wird um Schutz für die Bundesrepublik Deutschland nachgesucht.
Dagegen hat die Inhaberin der prioritätsälteren, für die Waren der Klasse 29
"Milch- und Milcherzeugnisse, nämlich Sauermilcherzeugnisse,
Joghurterzeugnisse, Kefirerzeugnisse, Buttermilcherzeugnisse,
Sahneerzeugnisse, Kondensmilcherzeugnisse, Trockenmilcher-
zeugnisse für Nahrungszwecke, alkoholfreie Milchmischgetränke,
Milchhalbfetterzeugnisse, Butter, Käse, insbesondere Frischkäse,
vorgenannte Waren auch unter Zusatz von Früchten, Kräutern,
Gewürzen, Säften, Extrakten aus den vorgenannten Zusätzen und
Aromen"
am 8. November 1994 eingetragene Wort-Bildmarke 2 084 223
Widerspruch erhoben.
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Ein Beamter des gehobenen Dienstes der Markenstelle für die Warenklasse 29
hat den Widerspruch mit der Begründung zurückgewiesen, dass zwischen den
Vergleichsmarken keine Verwechslungsgefahr i. S. v. § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1
Nr. 2 MarkenG bestehe.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Widersprechende weiterhin die Löschung der
angegriffenen Marke für alle identischen oder ähnlichen Waren. Zur Kennzeich-
nungskraft ihrer Marke hat die Widersprechende vorgetragen, dass "HANSANO"
der führende regionale Anbieter in Norddeutschland sei. In der mündlichen Ver-
handlung vom 1. Februar 2006 hat die Widersprechende weiter vorgetragen, A…
Eine äußerst starke Benutzung der Wi-
derspruchsmarke für Milch und Milcherzeugnisse könne nachgewiesen werden.
Insoweit hat die Inhaberin der angegriffenen Marke den Sachvortrag der Wider-
sprechenden nicht bestritten.
Als Kern ihrer Argumentation vertritt die Widersprechende die Auffassung, dass
die Widerspruchsmarke von der rot-weißen graphischen Figur auf dem blauen
Hintergrund in der oberen Bildhälfte geprägt werde und zwar unabhängig von dem
in diese Figur eingeschriebenen Wort "HANSANO". Dazu hat die Widersprechen-
de u. a. vorgetragen, bei der "roten Doppeldreiecksfigur" handele es sich um eine
"sehr klare geometrische Figur mit einprägsamer optischer Wirkung, die durch den
Farbkontrast "rot/blau" hervorgehoben" werde. "Das Wort "HANSANO" in der Dop-
peldreiecksfigur der Widerspruchsmarke" trete "gegenüber dem optischen Bildein-
druck zurück. Der Wortteil der Marke" sei "zudem derart in dem Doppeldreieck
versteckt, dass er nicht als gesonderter Wortteil" auffalle, "sondern eher als Teil
der optischen Gestaltung wahrgenommen" werde. "Dies um so mehr, als es sich
um den auf der gesamten Produktpalette der Widersprechenden verwendeten Fir-
menhinweis" handele.
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Im Vergleich zu der oberen Hälfte der Widerspruchsmarke könne die auf der unte-
ren Hälfte vereinfacht dargestellte dörfliche Landschaft als wenig kennzeichnungs-
schwach vernachlässigt werden.
Der besonderen Gestaltung der graphischen Figur in roter Grundfarbe auf blauem
Grund in der oberen Bildhälfte als dem prägenden Element der Widerspruchsmar-
ke komme die angegriffene reine Bildmarke verwechselbar nahe. Dafür könne es
auf das Wortelement "HANSANO" in der Widerspruchsmarke nicht ankommen,
weil sich die Vergleichsmarken vorzugsweise im Bereich niedrigpreisiger Waren
für den Alltagsgebrauch begegnen könnten. Bei diesen Waren käme es für die
Kaufentscheidung auf eine Wiedererkennung auf den ersten Blick an. Dafür biete
sich im Fall der Widerspruchsmarke an erster Stelle die besagte graphische Figur
an. Für eine eingehendere Betrachtung oder für das genaue Lesen der Aufschrif-
ten fehle den Kunden i. d. R. die Zeit, weil sie sich regelmäßig einer großen Aus-
wahl gleicher Waren von verschiedenen Herstellern gegenübersähen, die ihre
Produkte meistens auch in ähnlichen Behältern mit ähnlich bunten Deckeln ab-
packten.
Im Übrigen handele es sich bei dem Wort "HANSANO" um den Firmennamen der
Widersprechenden und nach herrschender Lehre könne der Firmennamen der
Markeninhaberin nicht den Kennzeichnungsschwerpunkt einer den Firmennamen
enthaltenen Marke bilden.
Die Widersprechende beantragt,
den Beschluss der Markenstelle für die Warenklasse 29 des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 13. Juli 2004 aufzuheben und
der international registrierten Marke 789 143 wegen des Wider-
spruchs aus der deutschen Marke 2 084 223 für alle identischen
oder ähnlichen Waren den Schutz für die Bundesrepublik
Deutschland zu versagen.
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Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
Sie hält bereits die Marken für nicht verwechselbar ähnlich, da die Widerspruchs-
marke nicht vom Bild, sondern vom Wortbestandteil beprägt werde.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die gem. § 165 Abs. 4 MarkenG a. F. zulässige Beschwerde ist nicht begründet,
weil zwischen den Vergleichsmarken keine Gefahr von Verwechslungen gemäß
§ 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG besteht.
Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften zu
Art. 4 Abs. 1 Buchst. b der Markenrechtsrichtlinie, die für die Auslegung der in Um-
setzung dieser Richtlinienbestimmung erlassenen Vorschrift des § 9 Abs. 1 Nr. 2
MarkenG von maßgeblicher Bedeutung ist, ist die Frage der Verwechslungsgefahr
unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls umfassend zu beurteilen. Zu
den dabei maßgebenden Umständen gehören insbesondere die Kennzeichnungs-
kraft der Widerspruchsmarke sowie der Grad der Ähnlichkeit der Marken und der
damit gekennzeichneten Waren und Dienstleistungen. Bei der umfassenden Beur-
teilung ist hinsichtlich der Ähnlichkeit der Marken auf den Gesamteindruck abzu-
stellen, den diese jeweils hervorrufen. Hierbei kommt es entscheidend darauf an,
wie die Marke auf den Durchschnittsverbraucher der jeweils in Frage stehenden
Waren und Dienstleistungen wirkt (vgl. EuGH GRUR 1998, 387, 389 f. "Sabèl/Pu-
ma"; GRUR Int. 1999, 734, 736 "Lloyd").
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Nach der Registerlage können sich hier die Zeichen u. a. im Bereich identischer
Waren begegnen, die breiten Verkehrskreisen von verschiedenen Produzenten zu
niedrigen Preisen für den alltäglichen Verbrauch angeboten werden. Das begüns-
tigt Verwechslungen.
Nach Maßgabe des insoweit unstreitigen Sachvortrages der Widersprechenden
und ohne abschließende Prüfung der Schlüssigkeit dieser Behauptungen ist der
Senat bei seiner Entscheidung von der Annahme ausgegangen, dass die Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke über den oberen Bereich des Durch-
schnittlichen gesteigert ist, die Widerspruchsmarke folglich über einen erweiterten
Schutzumfang verfügt.
Unter diesen Voraussetzungen musste die angegriffene Marke von der Wider-
spruchsmarke einen deutlichen Abstand halten, der auch strengsten Anforderun-
gen genügt. Die angegriffene Marke wahrt diesen Markenabstand in ausreichen-
dem Maß.
Im Grunde stimmen die Verfahrensbeteiligten darin überein, dass es zwischen den
Vergleichsmarken zu keinen klanglichen Verwechslungen kommen kann. Insoweit
hat auch aus der Sicht der Widersprechenden das Wortelement in der Wider-
spruchsmarke notwendig zur Folge, dass bei einer mündlichen Verständigung
über die Vergleichsmarken die Widerspruchsmarke mit "HANSANO" bezeichnet
werden wird, während für die angegriffene Marke als einer reinen Bildmarke ver-
schiedene Bezeichnungen in Frage kommen, je nach dem, wie der jeweilige Be-
trachter die rote Form auf dem blauen Hintergrund deutet. Eine begriffliche Ver-
wechslungsgefahr scheidet schon deswegen aus, weil die angegriffene reine Bild-
Marke keine Zeichen enthält, die entweder für sich genommen oder in ihrer Kom-
bination in der konkreten Marke eine inhaltliche Begrifflichkeit zum Ausdruck brin-
gen könnten. Die Marke beschränkt sich auf eine einfache rote geometrische Figur
auf blauem Hintergrund, die allenfalls als nach rechts gerichteter Pfeil aufgefasst
werden kann.
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Entgegen der von der Widersprechenden entwickelten Beurteilung besteht zwi-
schen den Marken auch keine bildliche Verwechslungsgefahr. Denn der Gesamt-
eindruck der Widerspruchsmarke wird auch bei einer rein optischen Wahrneh-
mung von dem Firmenamen "HANSANO" geprägt.
Bei der Feststellung des Gesamteindrucks von Wort-/Bildmarken ist regelmäßig
von dem Erfahrungssatz auszugehen, dass der Wortbestandteil den Gesamtein-
druck prägt, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen
(std. Rspr., zuletzt BGH GRUR 2004, 778, 779 - URLAUB DIREKT). Etwas ande-
res kann nur dann gelten, wenn dem Wortbestandteil für sich genommen wegen
des Bestehens absoluter Schutzhindernisse jeglicher Markenschutz zu versagen
wäre (BGH a. a. O.). Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Beurteilung der
Widerspruchsmarke zwingt zu der Feststellung, dass diese Marke von dem Fir-
mennamen "HANSANO" geprägt wird.
Der Senat folgt der Widersprechenden in ihrer Einschätzung, dass die untere Bild-
hälfte der Widerspruchsmarke im Gesamteindruck der Marke nur als Teil des Hin-
tergrundes in Erscheinung tritt. Die Abbildung einer dörflichen Landschaft ist in
Formen und Farben aufs Einfachste schematisiert und kann inhaltlich allenfalls als
Anklang an eine nicht kennzeichnungskräftige Warenbeschreibung wirken, näm-
lich als ein Hinweis auf landwirtschaftliche Produkte.
Wie die Widersprechende ist der Senat weiter der Auffassung, dass Blickfang der
Widerspruchsmarke das rot-weiße graphische Element in der oberen Bildhälfte
der Widerspruchsmarke ist; allerdings weicht die Beurteilung dieses Elements
durch den Senat von der Auffassung der Widersprechenden darin ab, dass der
Senat das graphische Element zusammen mit dem darin eingeschriebenen
Wort "HANSANO" als eine bildliche Einheit ansieht, die von dem Wort "HANSA-
NO" geprägt wird.
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Die Gründe für die Annahme der Widersprechenden, dass der optische Schwer-
punkt ihrer Marke allein die rot-weiße graphische Figur in der oberen Bildhälfte sei
und zwar unter völliger Vernachlässigung des darin eingeschriebenen Firmenna-
mens "HANSANO", sind für den Senat bis zuletzt nicht nachvollziehbar geblieben.
Gerade der Firmenname ist in besonderem Maße dazu geeignet, als Marke zu
fungieren, weil auf diese Weise das Herkunftsunternehmen der Waren unmissver-
ständlich identifiziert wird (vgl. Kliems GRUR 2001, 635 ff.). Das trifft uneinge-
schränkt auf die Widerspruchsmarke zu, die für niedrigpreisige Milchprodukte des
täglichen Bedarfs eingesetzt wird und dabei regelmäßig in denselben Regalen
oder Kühltruhen gleichen Produkten anderer Anbieter gegenübertritt. Das macht
für alle angesprochenen Verkehrskreise den jeweiligen Firmennamen zum nächst-
liegenden Unterscheidungsmerkmal, besonders wenn dieser Firmenname wie im
Fall der Widersprechenden ohne weiteres unterscheidungskräftig ist. "HANSANO"
ist entweder ein Eigenname oder eine reine Phantasieschöpfung und insoweit un-
eingeschränkt markenfähig. Es enthält keine Warenbeschreibung, lässt keine be-
schreibenden Anklänge erkennen und hat auch sonst keine Eigenschaften, die auf
ein markenrechtliches Schutzhindernis hindeuten.
Die Widersprechende geht fehl mit ihrer Annahme, dass es eine herrschende Mei-
nung dahin gebe, dass der Firmenname nicht den Kennzeichnungsschwerpunkt
einer diesen Namen enthaltenen Marke sein könne. Für die Frage, welche Stel-
lung ein Firmenname in Kombinationsmarken haben kann, kommt es auf die
Kennzeichnungskraft aller anderen Elemente und auf den Gesamteindruck an.
Dazu hat der Bundesgerichtshof wiederholt festgestellt, dass der Firmennamen
hinter weiteren Markenbestandteilen mit nur geringer Kennzeichnungskraft nicht
zurücktreten kann (vgl. BGH GRUR
1998, 927, 929 - COMPO-SANA,
GRUR 2002, 342, 344 - ASTRA/ESTRA-PUREN). So verhält es sich hier.
Die graphische Figur hat einen Umriss, wie er entsteht, wenn man zwei gleich gro-
ße, gleichschenklige Dreiecken, deren Spitzen jeweils nach rechts zeigen, über ei-
nander legt und dann das obere Dreieck nach rechts hin verschiebt, so dass von
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dem linken Dreieck die Basis mit den Basiswinkeln sichtbar wird während das
nach rechts verschobene Dreieck vollständig in Erscheinung tritt. Es handelt sich
mithin um ein einfaches geometrisches Bildelement, das für sich genommen allen-
falls dekorativen Charakter hat und wegen seiner großen Beliebigkeit keinen Auf-
schluss über das Herkunftsunternehmen der so verzierten Waren geben kann. Zu
einem Zeichen mit markenrechtlicher Hinweisfunktion wird das graphische Ele-
ment erst durch den darin eingeschriebenen Firmennamen der Widersprechen-
den. Dieser Firmenname ist das einzige Element der Widerspruchsmarke, das
auch in Alleinstellung unterscheidungskräftig wäre und nimmt im Übrigen im ge-
samten Bildaufbau der Widerspruchsmarke die zentrale Stellung ein. Das Wort be-
findet sich in der oberen Bildmitte, steht dort vor einheitlich blauem Hintergrund, ist
der unterlegten geometrischen Figur groß und gut leserlich eingeschrieben und
wird durch die Kontrastfarben dieser Figur besonders deutlich.
Für Stellung und Funktion des Firmennamens "HANSANO" in der Widerspruchs-
marke gibt es in der angegriffenen reinen Bild-Marke keine Entsprechung. Deswe-
gen kann die angegriffene Marke dem prägenden Element in der Widerspruchs-
marke nicht verwechselbar nahe kommen.
Aus diesen Gründen musste die Beschwerde der Widersprechenden zurückgewie-
sen werden.
gez.
Unterschriften