Urteil des BPatG vom 06.11.2006

BPatG (elektronische post, marke, software, unterscheidungskraft, verkehr, computersoftware, eintragung, begriff, eugh, daten)

BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 85/05
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
6. November 2006
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 55 360.6
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 6. November 2006 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Die Beschwerde der Markenanmelderin wird zurückgewiesen.
BPatG 154
08.05
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G r ü n d e
I.
Zur Eintragung in das Markenregister angemeldet ist
MAILWASHER
für die Waren und Dienstleistungen
„Computersoftware für das Schreiben, Senden, Speichern, Verar-
beiten und/oder Verwalten von Emails oder anderen Kommunika-
tionsformen; Computersoftware für das Schreiben, Senden, Spei-
chern, Verarbeiten und/oder Verwalten von Daten, Dokumenten
und Bildern; Computersoftware zur Identifizierung, Verhinderung
von und/oder für den Schutz vor unverlangt zugesandten Emails
und/oder anderem absichtlichen falschen Gebrauch oder unauto-
risiertem Zugriff auf Computer, Computersysteme und/oder Com-
puternetzwerke; Computersoftware für die Überwachung von
Computern, Computersystemen und/oder Computernetzwerken;
Computersoftware für die Identifizierung und Beseitigung von
Computerviren; Computersoftware für die Beschaffung von Infor-
mationen im Zusammenhang mit den vorstehend genannten Wa-
ren;
Wartung und Support (technische Unterstützung) bezüglich Com-
puterhardware; Wartung, Installation und Aktualisierung von Com-
putern, Computersystemen und/oder Computernetzwerken (aus-
genommen Software); Beratungsservice im Zusammenhang mit
den vorstehend genannten Dienstleistungen; alle vorstehend ge-
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nannten Dienstleistungen erbracht auf elektronischem oder sons-
tigem Wege;
Design und Entwicklung von Computerhardware; Softwaredesign,
-entwicklung, -installation, -pflege und -support (technische Unter-
stützung); Softwareleasing; Entdeckung von unverlangt zuge-
sandten Emails, Verwaltung von Emails, elektronischen Bildern,
Dokumenten, Daten und Informationen; Speichern von Emails,
elektronischen Bildern, Dokumenten, Daten und Informationen;
Datenverschlüsselungsdienstleistungen; Analyse von Software;
Computern, Computersystemen und/oder Computernetzwerken;
Zertifizierung von Software, Computern, Computersystemen
und/oder Computernetzwerken und/oder Benutzern von Software,
Computern, Computersystemen und/oder Computernetzwerken;
Authentifizierung von Software, Computern, Computersystemen
und/oder Computernetzwerken und/oder Benutzern von Software,
Computern, Computersystemen und/oder Computernetzwerken;
Überwachung von Software, Computern, Computersystemen
und/oder Computernetzwerken und/oder Benutzern von Software,
Computern, Computersystemen und/oder Computernetzwerken;
Aktualisierung von Computern, Computersystemen und/oder
Computernetzwerken (ausgenommen Hardware); Rettung und
Wiederherstellung von in elektronischer Form gespeicherten Da-
ten; Bereitstellung von Sicherungsdienstleistungen bezüglich Soft-
ware, Computerhardware, Computersystemen und/oder Compu-
ternetzwerken und/oder Benutzern von Software, Computerhard-
ware, Computersystemen und/oder Computernetzwerken; Bera-
tungsservice im Zusammenhang mit den vorstehend genannten
Dienstleistungen; alle vorstehend genannten Dienstleistungen er-
bracht auf elektronischem oder sonstigem Wege.“
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Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die
Anmeldung wegen fehlender Unterscheidungskraft und eines bestehenden Frei-
haltebedürfnisses zurückgewiesen. „MAILWASHER“ sei sprachüblich gebildet; der
Begriff sei eine verständliche Bezeichnung für einen „Filter für (unerwünschte)
elektronische Post“ und gebe einen beschreibenden Hinweis auf Bestimmung und
Einsatzzweck der beanspruchten Waren und Dienstleistungen.
Hiergegen hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt und im Wesentlichen ausge-
führt, „Mailwasher“ sei durch die Verbindung nicht zusammengehöriger Begriffe
sprachunüblich gebildet.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluss der Markenstelle für Klasse 9 des
Deutschen Patent- und Markenamtes vom 5. April 2005 aufzuhe-
ben.
Ergänzend wird auf das schriftsätzliche Vorbringen und den Inhalt des patentamtli-
chen Beschlusses Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg.
Die angemeldete Marke ist für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen
gemäß § 8 Absatz 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, weil ihr
für diese angemeldeten Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungs-
kraft fehlt.
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Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist nach ständiger
Rechtsprechung im Hinblick auf die Hauptfunktion einer Marke, die Ursprungs-
identität der gekennzeichneten Waren bzw. Dienstleistungen zu gewährleisten, die
einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung, vom Verkehr als Unterschei-
dungsmittel für die von der Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines
Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden
(vgl. BGH MarkenR 2004, 39 – City Service). Die Unterscheidungskraft einer Mar-
ke ist dabei zum einen in Bezug auf die genannten Waren oder Dienstleistungen
und zum anderen im Hinblick auf die Anschauung der maßgeblichen Verkehrs-
kreise zu beurteilen, die sich aus den durchschnittlich informierten, aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbrauchern dieser Waren oder Durchschnitts-
empfängern dieser Dienstleistungen zusammensetzen (vgl. EuGH MarkenR 2004,
99 – Postkantoor).
Nach ständiger Rechtsprechung des BGH sind Wortmarken nach § 8 Abs. 2 Nr. 1
MarkenG wegen fehlender Unterscheidungskraft von der Eintragung ausgeschlos-
sen, wenn ihnen entweder ein für die fraglichen Waren und Dienstleistungen im
Vordergrund stehender beschreibender Begriffsgehalt zugeordnet werden kann
oder es sich um ein gebräuchliches Wort der deutschen Sprache oder einer be-
kannten Fremdsprache handelt, das vom Verkehr – etwa auch wegen einer ent-
sprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden wird (vgl. BGH a. a. O. – City Service). So kann
auch solchen Bezeichnungen, die keine beschreibenden Angaben im Sinne des
§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG darstellen und die auch nicht zu den allgemein ge-
bräuchlichen Wörtern der Alltagssprache gehören, jegliche Unterscheidungskraft
fehlen. Das ist insbesondere bei allgemein warenanpreisenden Ausdrücken oder
Wortfolgen anzunehmen, bei denen – ohne eine warenbeschreibende Sachanga-
be zu sein – ein auf die Ware bezogener Sinngehalt so stark im Vordergrund
steht, dass der Gedanke fern liegt, es könnte sich – über eine Werbeaussage hin-
aus – um einen Herkunftshinweis handeln (vgl. BGH GRUR 2000, 720, 721
- Unter Uns; GRUR 2000, 323, 324 – Partner with the Best).
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Bei der Prüfung ist nach der Rechtsprechung des BGH von einem großzügigen
Maßstab auszugehen, d. h. jede noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus,
um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1151 – markt-
frisch). Allerdings darf die Prüfung dabei nicht auf ein Mindestmaß beschränkt
werden, sondern sie muss vielmehr streng und vollständig ausfallen (vgl. EuGH
WRP 2003, 735 – Libertel-Orange; a. a O. – Postkantoor).
Nach diesen Grundsätzen erfüllt die angemeldete Wortfolge selbst diese geringen
Anforderungen nicht, da sie eine Sachaussage beinhaltet, die sich ausschließlich
in der Beschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen erschöpft
(vgl. BGH a. a. O. – marktfrisch).
Die angemeldete Bezeichnung setzt sich aus den beiden Bestandteilen „mail“ und
„washer“ zusammen.
Das englische Wort „mail“ bedeutet im Deutschen „Post, Postsendung“ (vgl. LEO-
Online Lexikon der TU München) und steht im Computerbereich auch als Syno-
nym für den Begriff „E-Mail“ (elektronische Post) (vgl. Irlbeck, Computerenglisch,
4. Aufl.). Im Bereich der Kommunikation mit E-Mail werden Zusammensetzungen
verwendet wie „mail filter“ (Mailbox-Filterprogramm zum Aussondern unerwünsch-
ter Mitteilungen), „mail reader“ (Mailbox-Leseprogramm), „mail server“ (Mailbox-
Serverstation) (vgl. Schulze, Computer-Englisch).
Das englische Wort „washer“ - bedeutet im Deutschen allgemein „Waschanlage,
Wäscher“ und ist auch in Zusammensetzungen gebräuchlich wie „dish washer“
(Spülmaschine), „windscreen washer“ (Scheibenwaschanlage), „gold washer“
(Goldwäscher) (vgl. LEO a. a. O.). Wie das Wort „gold washer“ zeigt, geht es bei
dem Begriff nicht nur um die Befreiung eines Gegenstands von Schmutz mittels
Waschmittel und Wasser, sondern um die Trennung des Goldes von Gestein und
Ähnlichem durch waschen des Goldes. Das Wort „Geldwäscher“ ist dem deut-
schen Verkehr zudem auch im übertragenen Sinne in der Bedeutung eines Krimi-
nellen bekannt, der auf illegale Weise erworbenes Geld durch komplizierte Fi-
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nanztransaktionen wieder legalisiert (vgl. Duden, Das große Wörterbuch der deut-
schen Sprache, 3. Aufl., Bd. 10 S. 4433).
Der Verkehr wird die angemeldete Bezeichnung daher mit „Postwäscher, E-Mail-
Wäscher“ übersetzen und verstehen. Ebenso wie die oben genannten Zusam-
mensetzungen ist auch die Kombination „MAILWASHER“ eine sprachübliche und
naheliegende Wortverbindung. Beide Markenbestandteile werden dabei entspre-
chend ihrem Sinngehalt verwendet und bilden auch in der Gesamtheit keinen
neuen, über die bloße Kombination hinausgehenden Begriff.
Für den Verkehr bietet sich in Verbindung mit den Waren und Dienstleistungen der
Anmeldung ein Verständnis dieser Wortfolge als Sachangabe an. So ergibt „MAIL-
WASHER“ die zur Beschreibung geeignete Sachaussage, dass es sich nach Art,
Beschaffenheit und Bestimmung um Waren handelt, die die elektronische Post
(Emails) in der Weise bearbeiten, dass z. B. Datei-Anhänge, unerwünschte Wer-
bung oder Computer-Viren entfernt werden, wie es bei Mailfiltern, Spamfiltern oder
Virenscannern der Fall ist (vgl. z. B. Wikipedia online-Lexikon, Stichwörter „Mailfil-
ter“, „Spamfilter“). Die Dienstleistungen können Einrichtung und Verwendung er-
möglichen oder hierzu in Bezug stehen.
Auch wenn der Begriff „MAILWASHER“ auf eine Wortschöpfung durch die Anmel-
derin zurückzuführen wäre, ändert dies nichts daran, dass er sprachüblich gebildet
und deshalb zur Beschreibung der Waren geeignet ist (Ströbele/Hacker a. a. O.
§ 8 Rdn. 262; vgl. auch BGH GRUR 2005, 578, 580 - LOKMAUS).
Dass aus der Angabe nicht die konkrete Funktionsweise entnommen werden
kann, ändert nichts daran, dass der Verkehr die Angabe lediglich als Sachhinweis
sieht. Auch relativ allgemeine Angaben können von Fall zu Fall als verbraucher-
orientierte Sachinformation zu bewerten sein, insbesondere wenn sie sich auf all-
gemeine Sachverhalte beziehen (vgl. Ströbele/Hacker, MarkenG, 8. Aufl. § 8
Rdn. 58).
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Insgesamt wird der Verkehr daher in der angemeldeten Bezeichnung in Bezug auf
die angemeldeten Waren und Dienstleistungen keine Marke sehen.
Die Anmelderin kann sich zur Ausräumung des Schutzhindernisses auch nicht auf
die Eintragung der Wort-Bildmarke im englischsprachigen Ausland berufen. Selbst
aus inländischen Voreintragungen übereinstimmender Marken erwächst unter
dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots (Art. 3 GG) grundsätzlich kein
Eintragungsanspruch für spätere Markenanmeldungen, da es sich bei der Ent-
scheidung über die Eintragbarkeit einer Marke nicht um eine Ermessens-, sondern
um eine gebundene Entscheidung handelt, die jeweils einer auf den Einzelfall be-
zogenen Prüfung unterliegt (vgl. BGH GRUR 1997, 527, 528 „Autofelge“; BlPMZ
1998, 248, 249 „Today“; vgl. dazu auch EuGH GRUR 2004, 428, 431 f. – Nr. 60 ff.
„Henkel“). Noch weniger erheblich sind ausländische Voreintragungen (vgl. EuGH
a. a. O. – Nr. 61 ff. „Henkel“). Dies gilt besonders für die Frage der Unterschei-
dungskraft, für die allein die inländische Verkehrsauffassung entscheidend ist. Die
Eintragung einer mit der angemeldeten Marke identischen Marke für identische
Waren oder Dienstleistungen im Ausland bildet lediglich einen Umstand, den die
zuständige inländische Behörde bzw. das zuständige inländische Gericht unter
sämtlichen Tatsachen und Umständen, die in die Beurteilung einzubeziehen sind,
berücksichtigen kann. Sie ist jedoch für die Entscheidung, die Anmeldung einer
bestimmten Marke zur Eintragung zuzulassen oder zurückzuweisen, nicht maßge-
bend (vgl. EuGH a. a. O. „Henkel“).
gez.
Unterschriften