Urteil des BPatG vom 28.07.2000

BPatG: dreidimensionale marke, farbe, ware, wiedergabe, hersteller, unterscheidungskraft, herkunft, kunststoff, gestaltung, unternehmen

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 85/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Juli 2000
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 397 31 409.4
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. Juli 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Winkler, des Richters v. Zglinitzki und der Richterin Pagenberg
BPatG 154
6.70
- 2 -
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 17 des Patentamts vom 20. Mai 1998 und
vom 5. März 1999 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patentamt (seit dem 1. November 1998 „Deutsches Patent- und
Markenamt“) ist am 5. Juli 1997 die türkisfarbene dreidimensionale Marke mit der
als Anlage beigefügten Wiedergabe in fünf verschiedenen Ansichten, insbeson-
dere den Darstellungen
siehe Abb. 1 am Ende
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für die Waren
„17: Dichtungen, insbesondere Dichtungsringe;
7: Lager, Buchsen und Führungen an Maschinenteilen, auch
Führungsbahnen für Maschinenteile, Formteile aus Kunst-
stoff für Maschinen;
17: Halbzeug aus Kunststoff enthaltenden Gewebeverbund-
werkstoffen“
zur farbigen Eintragung in das Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 17 des Patentamts hat die Anmeldung durch Be-
schluß vom 20. Mai 1998 gemäß §§ 8 Abs 2 Nr 1, 37 Abs 1 MarkenG wegen
fehlender Unterscheidungskraft sowie die Erinnerung der Anmelderin auch wegen
eines Freihaltungsbedürfnisses an einem beschreibenden Zeichen gemäß § 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt worden, die
Anmeldemarke stelle lediglich die beanspruchten Waren oder Teile von diesen
dar, insbesondere als Dichtungsring, Kupplungsstück, Buchse oder Formteil und
besitze keine betriebskennzeichnende Eigenart. Weder die Formgebung noch die
Farbe türkis könne als schutzbegründend anerkannt werden. Die Formelemente
seien rein funktional und damit technisch bedingt.
Hiergegen wendet sich die Anmelderin mit ihrer Beschwerde. Aus dem Warenver-
zeichnis der Anmeldung hat sie die Waren
„Dichtungen, insbesondere Dichtungsringe“
gestrichen und das Warenverzeichnis im übrigen mit folgendem Zusatz be-
schränkt:
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„..., ausgenommen sämtliche vorgenannte Waren in ringförmiger
Gestalt oder mit ringförmigem Querschnitt.“
Die Anmelderin beantragt,
die Beschlüsse des Patentamts aufzuheben
und trägt im wesentlichen vor, die im Warenverzeichnis noch enthaltenen Waren
unterschieden sich hinsichtlich ihrer Form und ihrem Anwendungszweck erheblich
von dem Zweck, für den die angemeldete dreidimensionale Marke, die einen Ring
darstelle, verwendet werden könne. Die angemeldete Marke weise daher keinen
Bezug zu den im Warenverzeichnis verbliebenen Waren auf und stelle somit auch
keine Angabe über Form und Anwendung dieser Waren dar, so daß die beteiligten
Verkehrskreise die angemeldete Marke als Hinweis auf einen bestimmten Ge-
schäftsbetrieb erkennten. Außerdem werde die Unterscheidungskraft der ange-
meldeten dreidimensionalen Marke durch ihre Farbe „Türkis“ (Pantone 3125) be-
gründet, welche die Anmelderin zu ihrer Hausfarbe gemacht habe.
II
Die Beschwerde ist begründet.
Der Senat hält die angemeldete dreidimensionale Marke hinsichtlich der nunmehr
noch verbliebenen beanspruchten Waren für unterscheidungskräftig und nicht
freihaltungsbedürftig. Insoweit stehen ihrer Eintragung gemäß §§ 33 Abs 2, 41
MarkenG keine absoluten Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und 2 Mar-
kenG mehr entgegen.
Bei der dreidimensionalen Anmeldemarke handelt es sich um einen türkisfarbenen
ringförmigen Gegenstand in bestimmten Ausformungen, vornehmlich einen
Dichtungsring oder ein Formteil, wie ihn die Anmelderin sowie - in jedenfalls sehr
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ähnlicher Art - auch andere Unternehmen herstellen. Dies belegen nicht nur die
eingereichten Prospektblätter der Anmelderin, sondern auch einige Produktkata-
loge weiterer Hersteller, die der Senat der Anmelderin im Laufe des Beschwerde-
verfahrens sowie in der mündlichen Verhandlung zur Einsichtnahme vorgelegt hat.
Soweit die Anmelderin die Ansicht vertritt, schon die Farbe „türkis“ der angemel-
deten Marke sei - von Hause aus ohne Nachweis der Verkehrsdurchsetzung ge-
mäß § 8 Abs 3 MarkenG - unterscheidungskräftig, vermag sich der Senat dem
nicht anzuschließen. Da die Anmelderin die farbige Eintragung der Marke bean-
tragt hat, ist die Farbgebung zwar ein graphischer Bestandteil der Marke (vgl
BPatG GRUR 1997, 285 f = BPatGE 37, 98, 100 f - VISA-Streifenbild; BPatG
GRUR 2000, 147, 148 f - rosa Isoliermaterial). Im allgemeinen ist der Verkehr aber
an farbliche Gestaltungen von Waren - oder zumindest ihrer Behältnisse oder
Verpackungen - gewöhnt, wobei die Farbgebung, soweit sie nicht schon auf
technischen, funktionalen oder praktischen Gründen beruht oder sogar vorge-
schrieben ist, normalerweise dazu dient, ein ästhetisch ansprechendes Aussehen
oder Design zu verleihen, auf Merkmale hinzuweisen, Teile voneinander
abzusetzen oder Eigenschaften zu symbolisieren (BPatG aaO mwN - rosa Iso-
liermaterial). Eine schlicht einfarbige Färbung der gesamten Ware, wie sie die
Anmeldemarke wiedergibt, entbehrt weitgehend jeder gestalterischen Phantasie
und ist - unabhängig von einer bestimmten Farbe oder einem bestimmten Farbton
- jedenfalls dann nicht unterscheidungskräftig, wenn derartige Einfärbungen auf
dem betreffenden Warengebiet nicht ungewöhnlich sind (vgl BPatG aaO mwN
- rosa Isoliermaterial). Nach den Ermittlungen des Senats bei einigen Dichtungs-
herstellern werden Dichtungsringe, sonstige technische Dichtungselemente etc
auch tatsächlich in unterschiedlichen Farben angeboten, wobei es in der Dich-
tungsbranche gängige Praxis ist, daß ein Hersteller bestimmte Produktserien nach
der jeweiligen Art des Werkstoffs (Kunststoffs), Verwendungszweckes und der
Anwendungseignung verschiedenfarbig kenntlich macht. Die Farbe wird dem
Verkehr dabei nicht im Sinne eines Unternehmenskennzeichens nahegebracht,
sondern ausdrücklich als Symbol für eine bestimmte Materialbeschaffenheit (vgl
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BPatG, Beschluß des Senats vom 26. Mai 2000 - 33 W (pat) 240/98 - 3 D-Marke
„türkiser Ring“ -, der Anmelderin mit Zwischenbescheid vom 6. Juni 2000 über-
sandt).
Der Senat geht ferner davon aus, daß Zeichen, die sich in der bloßen Wiedergabe
der Waren erschöpfen, für die der Markenschutz in Anspruch genommen wird,
grundsätzlich die nach §
8 Abs
2 Nr
1 MarkenG erforderliche (konkrete)
Unterscheidungskraft fehlt (vgl BGH GRUR 1999, 495, 496 - Etiketten; BGH
GRUR 1997, 527, 528 f - Autofelge; BGH GRUR 1995, 732, 734 - Füllkörper; BGH
GRUR 1985, 383, 384 - BMW-Niere). Die (weitgehend) naturgetreue Wiedergabe
des im Warenverzeichnis genannten Erzeugnisses ist häufig nicht geeignet, die
Ware iher Herkunft nach zu individualisieren. Denn soweit die Elemente eines
Zeichens lediglich die typischen Merkmale der betreffenden Ware darstellen und
keine über die technische Gestaltung der Ware hinausgehenden Merkmale
aufweisen, mangelt es im allgemeinen an der konkreten Eignung eines Zeichens,
die so gekennzeichneten Waren nach ihrer Herkunft von denjenigen anderer
Unternehmen zu unterscheiden (vgl BGH aaO; HABM MarkenR 2000, 37, 39
Ez 18, 19 - Strahlregler).
Dies traf zweifellos auf einige der im ursprünglichen Warenverzeichnis der An-
meldung enthaltenen Produkte - vor allem Dichtungsringe und sonstige Formteile -
zu. Denn die von der Anmelderin in der mündlichen Verhandlung beschriebene
und erläuterte Formgebung der Anmeldemarke hält der Senat hinsichtlich solcher
Waren - auch im Vergleich mit sehr ähnlich aussehenden Dichtungsringen anderer
Hersteller - lediglich für eine technische Gestaltung, die im übrigen ohne weiteres
ersichtlich
- jedenfalls
weitgehend -
durch technische Bedürfnisse und
Anforderungen bedingt ist.
Nachdem die Anmelderin jedoch das Warenverzeichnis erheblich eingeschränkt
hat, indem die Waren „Dichtungen, insbesondere Dichtungsringe“ entfallen und im
übrigen „Waren in ringförmiger Gestalt oder mit ringförmigem Querschnitt“
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ausdrücklich ausgenommen sind, kann es sich bei der angemeldeten Marke aber
nicht mehr um eine gegenständliche Wiedergabe der noch verbliebenen bean-
spruchten Waren handeln. Da somit die Anmeldemarke - unter der selbstver-
ständlichen Voraussetzung der bestimmungsgemäß markenmäßigen und nicht
täuschenden Verwendung - insofern offensichtlich nicht geeignet ist, von den
angesprochenen Verkehrskreise als warenbeschreibendes Zeichen iSd § 8 Abs 2
Nr
2 MarkenG aufgefaßt zu werden, ist davon auszugehen, daß sie als
betriebskennzeichnend individualisierendes Unterscheidungsmerkmal angesehen
werden wird.
Winkler Pagenberg
v.
Zglinitzki
Cl
Abb. 1