Urteil des BPatG vom 12.10.2006

BPatG: wiedereinsetzung in den vorigen stand, gesetzliche frist, muttergesellschaft, patentregister, patentinhaber, rechtsnachfolger, rückzahlung, vertreter, fristversäumnis, fristablauf

BUNDESPATENTGERICHT
10 W (pat) 1/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent DE 595 09 186 (EP 0 775 113)
(Wiedereinsetzung in den vorigen Stand)
hat der 10. Senat (Juristischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 12. Oktober 2006 durch …
BPatG 152
08.05
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beschlossen:
1.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2.
Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr wird zu-
rückgewiesen.
3.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Auf eine Anmeldung der A… AG vom 22. Juli 1995 wurde das europäische Pa-
tent 0 775 113 mit der Bezeichnung „N-substituierte Azabicycloheptan-Derivate als
Neuroleptika usw.“ u. a. mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilt.
Die Zahlung der 8. Jahresgebühr für das Patent, das vom Deutschen Patent- und
Markenamt (DPMA) unter dem Aktenzeichen 595 09 186 geführt wird, ist unter-
blieben, obwohl das DPMA mit Schreiben vom 4. Dezember 2002 an die bis zum
31. Januar 2003 laufende Nachfrist zur Zahlung der Gebühr mit Verspätungszu-
schlag und an die Folgen einer nicht rechtzeitigen Zahlung erinnert hatte. Auf
Grund eines Antrags vom 24. Februar 2003 ist das Patent am 5. Februar 2004 auf
die jetzige Patentinhaberin umgeschrieben worden.
Am 10. Juni 2003 hat die (jetzige) Patentinhaberin Wiedereinsetzung in den vori-
gen Stand beantragt und in Höhe des für die achte Jahresgebühr samt Zuschlag
geschuldeten Betrags (290,- €) einen Abbuchungsauftrag erteilt. Zur Begründung
hat sie geltend gemacht, das Patent sei, zusammen mit einer Vielzahl anderer
Schutzrechte, auf Grund eines im März 2001 wirksam gewordenen Kaufvertrags,
den ihre in den USA ansässige Muttergesellschaft B… mit der ur-
sprünglichen Patentinhaberin A… AG abgeschlossen habe, auf sie übertragen
worden. Gemäß diesem Vertrag sei die B… seit dem
1. September 2001 für die Überwachung und Zahlung der Jahresgebühren für die
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Schutzrechte ihrer Tochtergesellschaft und (jetzigen) Patentinhaberin verantwort-
lich gewesen. Sie, die (jetzige) Patentinhaberin habe ab Juli 2002 die Zahlung al-
ler Jahresgebühren zu dem übernommenen Patent-Portfolio bis zum jeweils spä-
test möglichen Termin ausgesetzt, um die Patente auf das wirtschaftliche Inte-
resse an einer Weiterverfolgung zu überprüfen. Bei B… sei eine
seit 1993 dort tätige Mitarbeiterin mit der Eingliederung der Schutzrechte in ihr
Gebührenzahlungssystem beauftragt gewesen. Diese Mitarbeiterin, die sich an-
sonsten stets als zuverlässig erwiesen habe, habe im Hinblick auf das vorliegende
Patent versehentlich eingegeben, dass die Jahresgebühren für dessen gesamte
Restlaufzeit bezahlt seien. Dies habe zur Folge gehabt, dass das Patent in späte-
ren, von einer Computer-Datenbank automatisch erstellten Zahlungslisten nicht
mehr aufgetaucht sei. Erst am 27. Mai 2003 habe die Mitarbeiterin festgestellt,
dass der deutsche Teil des Patents erloschen sei.
Durch Beschluss der Patentabteilung 44 des DPMA vom 15. April 2004 ist der
Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen worden. Die Beschlussbegründung
stellt zunächst – in Anlehnung an einen vorangegangenen Zwischenbescheid –
darauf ab, dass bis zum Ende der Zahlungsfrist kein Umschreibungsantrag gestellt
worden sei. Daher könnten Fehler oder Versehen, die beim Rechtsnachfolger auf-
getreten seien, keine Berücksichtigung finden. Weiter heißt es in der Beschluss-
begründung (insoweit über den Zwischenbescheid hinausgehend), die Vollmacht
der im Patentregister als Vertreter der früheren Patentinhaberin eingetragenen
Anwälte habe auch die Gebührenzahlung umfasst. Daran hätten interne Regelun-
gen zwischen der früheren und der jetzigen Patentinhaberin nichts geändert. Die
Anwälte hätten die ihnen gerade in der Übergangsphase des Inhaberwechsels
obliegende Sorgfaltspflicht nicht eingehalten. Zwar könne ihnen der Datenbank-
fehler bei der (jetzigen) Patentinhaberin nicht direkt angelastet werden. Sie hätten
jedoch auf Grund der ihnen übermittelten Zahlungserinnerung des DPMA selbst
tätig werden müssen. Die Fristversäumnis sei daher als Verschulden der früheren
Patentinhaberin zu werten.
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Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Patentinhaberin. Sie
stellt die Anträge,
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den angefochtenen Beschluss aufzuheben;
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dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand statt-
zugeben;
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die Beschwerdegebühr zurückzuerstatten.
Die Patentinhaberin ist der Meinung, ihre Rechtsvorgängerin sei ab Septem-
ber 2001 nicht mehr für die Zahlung der Jahresgebühren verantwortlich gewesen,
weshalb ihr auch im Zusammenhang mit der Zahlung der 8. Jahresgebühr kein
Fehler unterlaufen sei. Ihre anwaltlichen Vertreter seien zu keinem Zeitpunkt mit
der Zahlung der Jahresgebühren beauftragt gewesen. Sie hätten daher auch nicht
die Aufgabe gehabt, die fristgerechte Einzahlung durch die jetzige Patentinhaberin
zu überwachen. Vielmehr hätten sie ihrer Pflicht dadurch genügt, dass sie Mittei-
lungen des Patentamts bzgl. der Jahresgebühren an die tatsächliche materiell-
rechtliche Inhaberin und für die Gebührenzahlung Verantwortliche weitergeleitet
hätten. Aus dem Patentgesetz ergebe sich keine Verpflichtung der Verfahrensbe-
vollmächtigten, Korrespondenz ausschließlich oder zusätzlich an die noch als Pa-
tentinhaberin Eingetragene weiterzuleiten. Selbst wenn sie dies getan hätten,
hätte die frühere Patentinhaberin derartige Schreiben unverzüglich mit dem Ver-
merk, dass sie für diese Sache nicht mehr zuständig sei, an die Anwaltskanzlei
zurückgesandt.
Auch meint die Patentinhaberin, es widerspreche der materiellen Gerechtigkeit,
wenn im Rahmen der Wiedereinsetzung der tatsächliche materiellrechtliche Pa-
tentinhaber, der die Verwaltung der Zahlung der Jahresgebühren vorgenommen
habe und lediglich noch nicht im Patentregister eingetragen sei, nicht berücksich-
tigt werde.
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Der Antrag auf Rückzahlung der Beschwerdegebühr sei begründet, weil sich der
angefochtene Beschluss auch auf Gründe stütze, die im Zwischenbescheid der
Patentabteilung nicht genannt worden seien, und zu denen sich die Antragstellerin
deshalb nicht habe äußern können. Diese Gehörverletzung sei ursächlich für die
Beschwerdeeinlegung.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch in der Sache nicht begründet.
1.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung ist statthaft, weil eine gesetzliche Frist
i. S. d. § 123 Abs. 1, nämlich die Frist zur Zahlung der 8. Jahresgebühr, versäumt
worden ist. Diese Zahlungsfrist ergibt sich aus Art. II § 7 IntPatÜG i. V. m. § 17
Abs. 1 PatG, § 3 Abs. 2, § 7 Abs. 1 PatKostG. Ausgehend vom Anmeldetag
22. Juli 1995 war die 8. Jahresgebühr am 31. Juli 2002 fällig und hätte bis zum
30. September 2002 zuschlagsfrei, bis 31. Januar 2003 mit Zuschlag gezahlt wer-
den können. Tatsächlich erfolgte die Zahlung erst am 10. Juni 2003.
2.
Die Zulässigkeitsvoraussetzungen des § 123 Abs. 2 PatG sind erfüllt. Die
Patentinhaberin war auch zur Stellung des Antrags berechtigt, obwohl die Ände-
rung in der Person der Patentinhaberin zum damaligen Zeitpunkt (10. Juni 2003)
noch nicht im Patentregister vermerkt war. Solange die Änderung nicht eingetra-
gen ist, bleibt zwar nach § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG der frühere Patentinhaber nach
Maßgabe des Patentgesetzes berechtigt und verpflichtet. Der Rechtsnachfolger ist
daneben aber auch zur Stellung des Wiedereinsetzungsantrags berechtigt, wenn
er – wie im vorliegenden Fall – zuvor den Antrag auf Umschreibung gestellt hat
(vgl. den Senatsbeschluss vom 12.
Januar
2006 in der Parallelsache
10 W (pat) 51/04, BlPMZ 2006, 244, 245 - Triazolverbindungen; BPatGE 3, 140;
Benkard/Schäfers, PatG, 10.
Aufl., §
123 Rn. 48; a. A. Kraßer, Patentrecht,
5. Aufl., S. 475).
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3.
Die von der Patentinhaberin vorgetragenen Tatsachen können jedoch eine
Wiedereinsetzung nicht rechtfertigen.
a)
Unabhängig von Verabredungen zwischen der früheren und der jetzigen
Patentinhaberin (bzw. deren Muttergesellschaft), wer von ihnen im Innenverhältnis
die für das Patent anfallenden Gebühren zu zahlen habe, war nach der bereits
genannten Vorschrift des § 30 Abs. 3 Satz 2 PatG die frühere Patentinhaberin ge-
genüber dem Patentamt zur Zahlung der 8. Jahresgebühr verpflichtet. Dabei kann
dahingestellt bleiben, ob sich daneben eine zusätzliche Zahlungsverpflichtung der
jetzigen Patentinhaberin ergeben hätte, wenn der Umschreibungsantrag bereits
vor Ende der Zahlungsfrist gestellt worden wäre, was hier nicht der Fall war. § 30
Abs. 3 Satz 2 PatG kann jedenfalls nicht in der Weise interpretiert werden, dass
neben dem im Register noch als Patentinhaber Eingetragenen stets auch dessen
noch nicht eingetragener Rechtsnachfolger zur Zahlung von Jahresgebühren ver-
pflichtet ist. Aus Gründen der Rechtssicherheit muss klar sein, an wen sich das
DPMA wegen der Patentgebühren halten kann. Vom Übergang der Rechte an ei-
nem Patent erfährt das Patentamt jedoch i. d. R. frühestens durch den Umschrei-
bungsantrag (ebenso Senatsbeschluss vom 12. Januar 2006, a. a. O.).
b)
Dementsprechend ist bei der Prüfung, ob die Frist zur Zahlung der
8. Jahresgebühr schuldlos versäumt worden ist (§ 123 Abs. 1 Satz 1 PatG), allein
auf die frühere Patentinhaberin abzustellen. Soweit die Rechtsprechung in der
Vergangenheit ausnahmsweise Wiedereinsetzungstatsachen in der Person des
noch nicht eingetragenen materiell Berechtigten berücksichtigt hat (Nachweise bei
Benkard/Schäfers, a. a. O., § 123 Rn. 12), ist dies damit begründet worden, dass
die wirkliche Rechtslage dem Patentamt vor Fristablauf bekannt geworden sei und
die sich hieraus ergebenden rechtlichen Folgerungen im Verhältnis zum Patent-
amt nicht davon abhängig sein dürften, wann das Amt die Umschreibung in der
Patentrolle vornehme. Diese Voraussetzungen sind aber dann nicht gegeben,
wenn der Nachweis des Rechtsübergangs und der Umschreibungsantrag – wie
das hier der Fall war - erst nach Fristablauf beim Patentamt eingehen.
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c)
Gründe, die eine Wiedereinsetzung rechtfertigen könnten, sind nach dem
Vortrag der Patentinhaberin in der Person ihrer Rechtsvorgängerin nicht gegeben.
Dies ergibt sich bereits daraus, dass letztere nicht die Absicht hatte, die Zahlung
der 8. Jahresgebühr gegenüber dem Patentamt selber (bzw. mit Hilfe ihrer Verfah-
rensbevollmächtigten) zu bewirken. Vielmehr wollte sie die Entscheidung, ob die
Jahresgebühr gezahlt werden sollte, ebenso wie die Zahlung selbst, entsprechend
der mit ihrer Rechtsnachfolgerin (bzw. deren Muttergesellschaft) getroffenen Ver-
einbarung dieser überlassen. Die Patentinhaberin wollte ihrerseits die Zahlung
nicht als Vertreterin oder Zahlungsgehilfin ihrer Rechtsvorgängerin (bzw. von de-
ren Anwälten) vornehmen, sondern in eigener Person. Auch gegenüber dem Pa-
tentamt ist sie nicht im Namen der früheren Patentinhaberin aufgetreten.
d)
Es ist daher nicht möglich, die Vorgänge, die auf Seiten der (jetzigen)
Patentinhaberin zur Versäumung der Zahlungsfrist geführt haben, der früheren
Patentinhaberin zuzurechnen (etwa entsprechend § 85 Abs. 2 ZPO) und danach
zu fragen, ob die (jetzige) Patentinhaberin im Hinblick auf den von der Mitarbeite-
rin ihrer Muttergesellschaft begangenen Fehler von eigenem Verschulden freige-
sprochen werden kann oder ob sie (bzw. die Muttergesellschaft) möglicherweise
selber in vorwerfbarer Weise zur Fristversäumnis beigetragen hat, etwa weil bei
der Auswahl und Überwachung der Mitarbeiterin oder bei der Organisation der
Zahlungsvorgänge nicht mit der erforderlichen Sorgfalt vorgegangen worden ist
(ebenso Senatsbeschluss vom 12. Januar 2006, a. a. O.).
4.
Die Rückzahlung der Beschwerdegebühr kommt nicht in Betracht. Die
Patentabteilung hat den angefochtenen Beschluss zwar auch auf Gründe gestützt,
die im Zwischenbescheid noch nicht genannt waren. Ob dadurch das rechtliche
Gehör der Patentinhaberin verletzt worden ist, kann aber dahingestellt bleiben. Es
ist nämlich nicht anzunehmen, dass die Entscheidung bei ordnungsgemäßer Ge-
währung des rechtlichen Gehörs anders ausgefallen wäre (vgl. Schulte, PatG,
7. Aufl., § 73 Rn. 132).
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5.
Die Zulassung der Rechtsbeschwerde erfolgt im Hinblick auf die hier ver-
neinte Frage, ob bei der Prüfung eines Wiedereinsetzungsantrags nach versäum-
ter Frist zur Zahlung einer Patent-Jahresgebühr auf den noch nicht im Patentre-
gister eingetragenen Erwerber des Patents abgestellt werden darf, wenn dieser
- entsprechend einer mit seinem Rechtsvorgänger getroffenen Vereinbarung - die
Gebührenschuld als eigene begleichen wollte. Hierbei handelt es sich um eine
Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (§ 100 Abs. 2 Nr. 1 PatG).
gez.
Unterschriften