Urteil des BPatG vom 28.10.2002

BPatG (verwendung, gebrauchsmuster, behandlung, stand der technik, gebot der rechtssicherheit, zweck, stoff, eintragung, diabetes mellitus, patg)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
5 W (pat) 25/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Oktober 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Gebrauchsmusteranmeldung 200 14 819.2
hier: Eintragungsantrag
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Oktober 2002 unter Mitwirkung des Vor-
sitzenden Richters Goebel sowie des Richters Dr. Feuerlein und der Richterin
Friehe-Wich
beschlossen:
Die Beschwerde des Anmelders gegen den Beschluß des Deut-
schen Patent- und Markenamts - Gebrauchsmusterstelle - vom
11. Juli 2001 wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Der Anmelder hat am 26. August 2000 unter Zahlung der Gebühr nach Tarif die
Eintragung eines Gebrauchsmusters mit 11 Schutzansprüchen und der Bezeich-
nung "Pharmakologisch wirksame Substanz zur Behandlung kardiovaskulärer Er-
krankungen" beantragt, wobei er die Abzweigung aus der deutschen Patentan-
meldung 100 38 043.3 erklärt hat, welche er am 2. August 2000 eingereicht hat.
Am 29. März 2001 hat er neue Schutzansprüche vorgelegt. Diese Schutzansprü-
che, mit denen er die Eintragung des Gebrauchsmusters begehrt, lauten:
1. Verwendung von Serin/Threonin-Proteinphosphatase-Inhi-
bitoren für ein Arzneimittel zur therapeutischen und präven-
tiven Behandlung arteriosklerotischer Erkrankungen.
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2. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 zur the-
rapeutischen und präventiven Behandlung von HDL-Ma-
gel-Syndromen.
3. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 zur the-
rapeutischen und präventiven Behandlung einer Erkran-
kung ausgewählt aus der Gruppe folgender Erkrankungen:
Syndrome verursacht durch Apo-A-I-Synthesedefekte oder
Apo A-I-Mutationen, LCAT (Lecithin: Cholesterin-Acyltrans-
ferase)-Mangel, Fish-Eye-Erkrankung, Lipoproteinlipase-
Mangel.
4. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 zur the-
rapeutischen und präventiven Behandlung von auf Defekten
von ATP-Kassettentransportern beruhender Erkrankungen.
5. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 zur the-
rapeutischen und präventiven Behandlung von Diabetes
mellitus.
6. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 zur the-
rapeutischen und präventiven Behandlung gutartiger Ge-
schwulste.
7. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 zur the-
rapeutischen und präventiven Behandlung maligner Tumo-
re.
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8. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 zur the-
rapeutischen und präventiven Behandlung einer Krankheit
ausgewählt aus der Gruppe folgender Erkrankungen: Cysti-
sche Fibrose, Adrenoleukodystrophie, Retinitis pigmentosa,
Sideroblastenanämie, Ataxie, Stargardt-Krankheit und erbli-
chen intrahepatischen Cholestasen.
9. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 1 mit min-
destens einem Serin/Threonin-Proteinphosphatase-Inhibitor
aus der Gruppe folgender Substanzen: Cantharidin, Calycu-
lin, Okadasäure, Endothall, Norcantharidin sowie Derivate
der vorgenannten Substanzen für den Zweck nach einem
der Ansprüche 1 bis 8.
10. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 9 mit min-
destens einer weiteren pharmakologisch wirksamen Sub-
stanz für den Zweck nach einem der Ansprüche 1 bis 8.
11. Verwendung eines Arzneimittels nach Anspruch 10 mit ei-
ner pharmakologisch wirksamen Substanz aus der Gruppe
Statine, ACAT-Inhibitoren, HDL, HMG-CoA-Reduktase-Inhi-
bitoren, Probucol für den Zweck nach einem der Ansprü-
che 1 bis 8.
Durch Beschluß vom 11. Juli 2001 hat die Gebrauchsmusterstelle die Anmeldung
zurückgewiesen. Zur Begründung ist ausgeführt, bei den Schutzansprüchen han-
dele es sich um Verfahrensansprüche, die dem Schutz durch ein Gebrauchsmu-
ster aufgrund von § 2 Nr. 3 GebrMG nicht zugänglich seien. Die Verwendung ei-
nes bestimmten Stoffes zu einem bestimmten Zweck sei ohne Ausnahme als ein
Verfahren im Sinne dieser Vorschrift anzusehen. Zwar werde die Verwendung ei-
nes Stoffes für einen neuen Zweck im Patentrecht auch als "zweckgebundener
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Stoffschutz" oder als "zweckgebundener Mittelanspruch" verstanden. Dies ändere
jedoch nichts daran, daß ein Verwendungsanspruch stets der Patentkategorie
"Verfahren" zuzurechnen sei. Denn er umfasse auch den der eigentlichen gewerb-
lichen Nutzung vorgelagerten Bereich des Herstellens des Arzneimittels, nämlich
die Formulierung und Konfektionierung des Medikaments, seine Dosierung und
gebrauchsfertige Verpackung; diese Maßnahmen stellten echte Verfahren dar. Die
Schutzansprüche 10 und 11 seien bereits nach der Auslegung durch den Anmel-
der Verfahren. Denn sie enthielten die Anweisung, ein Gemisch aus Stoffen herzu-
stellen - dies sei die Lehre eines Herstellungsverfahrens.
Dem Anmelder könne nicht zugute kommen, daß in der Literatur die Vorschrift des
§ 2 Nr. 3 GebrMG bisweilen kritisiert werde. Denn der Gesetzgeber habe mit die-
ser Regelung klargestellt, daß ein Gebrauchsmusterschutz für Verfahrenserfindun-
gen definitiv nicht gewollt sei. Die Eintragung eines Gebrauchsmusters setze da-
her voraus, daß die Anmeldung insgesamt keine Merkmale eines Verfahrens auf-
weisen dürfe.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Er meint, die Einordnung
eines zu schützenden Gegenstands in eine Anspruchskategorie könne nicht vom
begehrten Schutz durch ein Patent oder durch ein Gebrauchsmuster abhängig
sein. Auch stehe § 2 Nr. 3 GebrMG einer Auslegung der Schutzansprüche im Ein-
zelfall nicht entgegen. Die Tatsache, daß vom Schutzbereich eines Verwendungs-
anspruchs der der eigentlichen gewerblichen Nutzung vorgelagerte Bereich des
Herstellens des Arzneimittels, nämlich die Formulierung und Konfektionierung des
Medikaments, seine Dosierung und gebrauchsfertige Verpackung umfaßt seien,
könne nicht den Ausschluß der Schutzfähigkeit begründen. Denn derartige Hand-
lungen seien auch bei gegenständlichen Erfindungen erforderlich. Insbesondere
die Ansprüche 11 und 12 stellten keine Verfahren dar, seien vielmehr allenfalls ge-
brauchsmusterrechtlich zulässige product-by-process-Ansprüche.
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Aus dem Gesetzeswortlaut sowie der Beschlußempfehlung und dem Bericht des
Rechtsausschusses des Bundestags, wonach ein Gebrauchsmusterschutz für
Verfahrenserfindungen nicht gewollt sei, ergebe sich nicht zwingend, daß Erfin-
dungen, die die Verwendung eines Erzeugnisses zum Gegenstand hätten, vom
Gebrauchsmusterschutz ausgeschlossen seien. Analog dazu, daß einer zu paten-
tierenden Erfindung nicht der technische Charakter verloren gehe, wenn dem
technischen Element ein nichttechnisches Element hinzugefügt wird, müsse auch
für Erfindungen mit den Merkmalen eines Erzeugnisses und eines Verfahrens der
Charakter des gegenständlichen Elements erhalten bleiben, auch wenn es von ei-
nem Verfahrenselement begleitet sei.
Ansprüche der vorliegenden Art ließen sich als Mittelansprüche oder als Verwen-
dungsansprüche formulieren. Der Bundesgerichtshof habe in der Entscheidung
"Antivirusmittel" (GRUR 1987, 794, 796) ausgeführt, der zweckgebundene Mittel-
anspruch sei aus Gründen der Rechtssicherheit als Verwendungsanspruch aufzu-
fassen; damit entziehe er aber seiner "Hydropyridin"-Entscheidung (GRUR 1983,
729, 732) im nachhinein die Grundlage. In seiner "Zahnpasta"-Entscheidung
(GRUR 1982, 162) führe der Bundesgerichtshof aus, allgemein gültige Regeln für
die Einordnung von Verwendungs- oder Anwendungsansprüchen in eine bestimm-
te Patentkategorie ließen sich nicht aufstellen. Verwendungsansprüche seien in al-
ler Regel Verfahrensansprüche, durch die ein Stoff zur Erzielung eines Zustands
oder eines Erzeugnisses eingesetzt werden solle. Die sich aus der vorgenannten
Entscheidung ergebenden Grundsätze habe die Gebrauchsmusterabteilung nicht
beachtet. In der "Spreizdübel"-Entscheidung (GRUR 1990, 508, 509) stelle der
Bundesgerichtshof aber ungeachtet seiner Forderung nach einer differenzieren-
den Betrachtung in der "Zahnpasta"-Entscheidung (aaO) und im Widerspruch zu
seiner "Antivirusmittel"-Entscheidung (aaO) ohne Wenn und Aber fest, Verwen-
dungsansprüche gehörten zur Kategorie der Verfahrensansprüche, weil sie auf
den zweckgerichteten Einsatz einer Sache zu der geschützten Verwendung ge-
richtet seien. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sei mithin nicht einheitlich; die
Literatur hierzu unergiebig.
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Das geltende Schutzbegehren betreffe rein gegenständliche Verwendungsansprü-
che; sie stellten keine Verfahrensansprüche dar. Der Verwendungsschutz stelle
sich als eingeschränkter Sachschutz dar, der nicht unter das Verbot des § 2 Nr. 3
GebrMG falle. Eine Erstreckung des gebrauchsmusterrechtlichen Verfahrens-
schutzverbots auf Verwendungserfindungen im Wege der Analogie könne nicht in
Betracht kommen, da das Verfahrensschutzverbot als Ausnahmeregelung eng
auszulegen sei, zumal es sich bei § 2 Nr. 3 GebrMG um eine Eigentum versagen-
de bzw. begrenzende Norm handele.
Der Ausschluß der Verfahrenserfindungen vom Gebrauchsmusterschutz sei nicht
verfassungskonform. Denn er verstoße gegen die Eigentumsgarantie des Art. 14
GG und das allgemeine Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG sowie den Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit. Zu vergleichen seien offengelegte nicht geprüfte
Verfahrenspatentanmeldungen mit nicht geprüften Gebrauchsmustern; ein Unter-
schied in der Rechtssicherheit sei nicht ersichtlich. Zwischen den Anmeldeerfor-
dernissen von Patenten und Gebrauchsmustern bestünden keine materiellen Un-
terschiede. Die Gründe des Gesetzgebers für einen Ausschluß von Verfahrenser-
findungen vom Schutz durch ein Gebrauchsmuster seien nicht stichhaltig.
Der Anmelder beantragt
Abänderung des Beschlusses der Gebrauchsmusterstelle des
Deutschen Patent- und Markenamts vom 11. Juli 2001 und Ein-
tragung des Gebrauchsmusters.
Er regt darüber hinaus die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Der dem Verfahren beigetretene Präsident des Deutschen Patent- und Marken-
amts beantragt
Zurückweisung der Beschwerde.
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Er ist der Ansicht, die Vorschrift des § 3 Abs. 3 PatG sei auf Gebrauchsmuster
nicht entsprechend anzuwenden. Denn es bestehe im Gebrauchsmustergesetz
keine Regelungslücke im Hinblick auf zweckgebundenen Stoffschutz. Die aus-
drückliche Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG, wonach Verfahren und damit auch
Verwendungen von Stoffen ausdrücklich vom Gebrauchsmusterschutz ausge-
schlossen seien, bilde eine Analogiesperre.
II
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Die Gebrauchsmusterstelle hat die
Anmeldung zu Recht (§ 8 Abs 1 GebrMG) zurückgewiesen. Denn die zur Eintra-
gung angemeldete Erfindung ist durch § 2 Nr. 3 GebrMG, gegen dessen Verfas-
sungsmäßigkeit der Senat keine durchgreifenden Bedenken hat, vom Schutz
durch ein Gebrauchsmuster ausgeschlossen.
1. Bei den Schutzansprüchen, für die der Anmelder die Eintragung als Gebrauchs-
muster begehrt, handelt es sich um Verfahrensansprüche, die dem Schutz durch
ein Gebrauchsmuster nicht zugänglich sind (§ 2 Nr. 3 GebrMG).
Für Arzneimittel - wie vorliegend beansprucht - können als technisches Schutz-
recht zum einen Patente verschiedener Kategorien erteilt werden, und zwar
- ein Erzeugnispatent, wenn ein Stoff beansprucht wird, der neu und erfinde-
risch ist;
- ein zweckgebundenes Erzeugnispatent, wenn zwar der beanspruchte Stoff
nicht aber seine Anwendung auf dem Gebiet der Medizin bekannt ist;
- ein Verfahrenspatent zur Herstellung eines Arzneimittels;
- ein Verwendungspatent, wenn die Verwendung eines als Arzneimittel be-
reits bekannten Stoffes zur Behandlung anderer Krankheiten beansprucht
wird und dies neu und erfinderisch ist.
- 9 -
Für Arzneimittel kann zum andern Gebrauchsmusterschutz - allerdings nicht, so-
weit der Schutzgegenstand ein Verfahren darstellt (§ 2 Nr 3 GebrMG) - erwirkt
werden.
Die Wahl der Kategorie obliegt grundsätzlich dem Anmelder. Der Senat geht mit
dem Anmelder darin überein, daß die Kategorie, in die ein Anspruch einzuordnen
ist, für Patente und Gebrauchsmuster generell nach denselben Kriterien zu be-
stimmen ist, so daß ein Anspruch, der bei einem Patent einen Verfahrensanspruch
darstellt, regelmäßig auch bei einem Gebrauchsmuster als Verfahrensanspruch zu
bewerten ist.
a) Die vorliegenden Schutzansprüche sind Verwendungsansprüche. Diese sind
darauf gerichtet, ein Erzeugnis durch Verfahrensmaßnahmen für eine neue Ver-
wendung geeignet zu machen. Sie sind als Verfahrensansprüche zu qualifizieren,
durch welche ein Stoff zur Erzielung eines Zustands oder eines Erzeugnisses
(Verbindung, Mischung) eingesetzt werden soll (vgl BGH GRUR 1982, 162 ff
- Zahnpasta).
Hierbei kann dahinstehen, ob Verwendungsansprüche ausnahmslos (BGHZ 110,
82, 86 - Spreizdübel) oder in der Regel Verfahrensansprüche darstellen (BGH
GRUR 1982 aaO - Zahnpasta). Denn die Schutzansprüche, deren Eintragung als
Gebrauchsmuster der Anmelder begehrt, stellen keine Ausnahmefälle, sondern ty-
pische Verwendungsansprüche dar, die als solche Verfahrensansprüche sind. Sie
umfassen neben der Verabreichung des Stoffes an den Patienten auch die Maß-
nahmen zur Herrichtung dieser Substanz zur Verwendung bei der therapeutischen
Behandlung, nämlich die Herrichtung des bekannten Wirkstoffes, die gebrauchs-
fertige Verpackung und Kennzeichnung des bekannten Stoffes für den neuen the-
rapeutischen Verwendungszweck, das Anbieten und Bereithalten des bekannten
Arzneimittels für den neuen Zweck, die Einleitung des Registrierverfahrens vor der
Gesundheitsbehörde und die Information auf Packungsaufdrucken und/oder Bei-
packzetteln (vgl BGHZ 88, 209, 212 - Hydropyridin).
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Die Anweisungen in den beanspruchten Schutzansprüchen richten sich darauf,
daß ein bestimmter Stoff, der selbst als solcher nicht geschützt werden soll, zu ei-
nem angegebenen Zweck, nämlich der Behandlung benannter Erkrankungen, be-
nutzt wird. Soweit die Ansprüche 10 und 11 voraussetzen, daß neben dem zu-
nächst zu verwendenden Stoff noch ein zweiter Stoff verwendet werden soll, um
den angegebenen Zweck zu erreichen, ändert dies an der Qualifizierung als Ver-
fahrensanspruch nichts. Denn abgesehen davon, daß wiederum Schutz nicht für
den aus zwei verschiedenen pharmakologisch wirksamen Substanzen bestehen-
den Stoff beansprucht wird, sondern nur Schutz für dessen Verwendung zur Be-
handlung von bestimmten Erkrankungen, würde auch ein Verwendungsanspruch,
durch welchen ein Stoff zur Erzielung eines Erzeugnisses (Verbindung, Mischung)
eingesetzt werden soll, wobei hierdurch ein neues Erzeugnis hervorgebracht wird,
lediglich ein Herstellungsverfahren beschreiben, also auch nur einen Verfahrens-
anspruch darstellen (vgl BGH GRUR 1982 aaO - Zahnpasta).
Da mithin Verwendungsansprüche - jedenfalls in der Regel - einen Unterfall der
Verfahrensansprüche darstellen (ständige Rechtsprechung des BGH GRUR 1982
aaO - Zahnpasta; BGH Z 101, 159 ff - Antivirusmittel; BGH Z 110, aaO - Spreiz-
dübel), handelt es sich bei dem Ausschluß des Schutzes für die unter Schutz ge-
stellte Erfindung durch ein Gebrauchsmuster gemäß § 2 Nr. 3 GebrMG nicht um
eine Erstreckung des gebrauchsmusterrechtlichen Verfahrensschutzverbots im
Wege der Analogie, sondern um einfache Subsumption.
Insoweit liegt auch keine analogiefähige Regelungslücke vor. Im Gesetzgebungs-
verfahren, das zur bestehenden Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG führte, hat ein
Bericht des Bundesministers der Justiz (im Beschwerdeverfahren eingeführt durch
den weiteren Verfahrensbeteiligten) vorgelegen, auf den sich die Gesetzesmotive
in diesem Zusammenhang beziehen (vgl BlPMZ 1990, 173, 197). Demnach hat
der Gesetzgeber "alle Formen technischer Verfahren (in chemischen, mikrobiolo-
gischen, mechanischen oder sonstigen Bereichen), einschließlich der Anwendun-
gen oder Verwendungen bekannter Gegenstände für einen neuen Zweck," - wie
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es im Abschnitt B 5 b dieses Berichts heißt - auch weiterhin vom Gebrauchsmu-
sterschutz ausgenommen. Es handelt sich also nicht um eine unbewußte Rege-
lungslücke des Gesetzgebungsverfahrens, sondern es entsprach dem Willen des
Gesetzgebers, Verfahrenserfindungen einschließlich der Verwendungen bekann-
ter Stoffe für einen neuen Zweck dem Schutz durch ein Gebrauchsmuster nicht
zugänglich zu machen.
b) Vergeblich macht der Anmelder geltend, der Gegenstand der zur Eintragung
vorgelegten Schutzansprüche betreffe ein rein gegenständliches, eingeschränktes
Sachschutzbegehren und sei dem Schutzausschluß des § 2 Nr 3 GebrMG des-
halb entzogen.
Allerdings umfaßt ein Erzeugnisanspruch auch Verwendungselemente, so daß
beim Patent im Einzelfall eine Beschränkung auf einen zweckgebundenen Er-
zeugnisschutz oder auch auf einen Schutz der bestimmten Verwendung erfolgen
kann (vgl Bruchhausen, GRUR 1980, 364, 367). Zwischen diesen beiden Formen
des eingeschränkten Schutzes ist aber ein Unterschied zu machen, wie sich aus
der gesetzlich in § 3 Abs 3 PatG eigens berücksichtigten Form des zweckgebun-
denen Arzneimittel-Stoffschutzes und des daneben möglichen patentrechtlichen
Schutzes für die Verwendung des Stoffes ergibt (vgl Benkard, PatG, 9. Aufl, PatG
§ 3 Rdn 89 mwN). Der Unterschied wirkt sich nach Auffassung des beschließen-
den Senats auch auf die Kategorie aus.
Zwar beruft sich der Anmelder auf die in der Literatur (von Falck, GRUR 1993,
199, 201) für das Patent vertretene Auffassung, Verwendungsansprüche, die auf
der Grundlage eines erteilten Erzeugnisanspruchs verteidigt würden, könnten im
Wege der Auslegung als auf den betreffenden Gebrauch beschränkte Erzeugnis-
ansprüche angesehen werden; hieraus folge, daß für entsprechende Verwen-
dungsansprüche, da kein Wechsel der Erzeugniskategorie eingetreten sei, auch
der Gebrauchsmusterschutz offenstehe (U. Krieger, GRUR Int 1996, 354, 355;
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Loth, GebrMG, § 1 Rdn 136; offen gelassen bei Busse, PatG, 5. Aufl, GebrMG § 1
Rdn 10).
Diese Auffassung berücksichtigt nach Meinung des beschließenden Senats nicht
ausreichend das Gebot der Rechtssicherheit. Der Anmelder hat eingangs der
mündlichen Verhandlung erläutert, von der Aufstellung von Arzneimittelansprü-
chen abgesehen zu haben, weil Probleme mit dem Stand der Technik und mögli-
cherweise auch Probleme der (entsprechenden) Anwendbarkeit des § 3 Abs 3
PatG in einem Löschungsverfahren zu erwarten seien. Er will also vom Gesetz
aufgestellte Schutzhindernisse, die dem Schutz der Erfindung in der Fassung von
Erzeugnisansprüchen entgegenstehen, vermeiden, andererseits aber den nur für
Erzeugniserfindungen eröffneten Gebrauchsmusterschutz nutzen. Damit über-
dehnt er aber in nicht hinnehmbarer Weise den gesetzlichen Begriff des Erzeug-
nisses. Denn er kann nicht in der für jeden Dritten - gerade beim Gebrauchsmu-
sterschutz als einem bloßen "Registrierrecht" unter dem Gesichtspunkt der
Rechtssicherheit - wichtigen äußeren Fassung des Schutzanspruchs den Erzeug-
nischarakter durch die Wahl des Begriffs der Verwendung verdecken, um sich zu-
gleich auf den in der Sache aber gegebenen, allerdings (erst) durch Auslegung zu
ermittelnden Erzeugnischarakter zu berufen.
Folgte man im übrigen der Auffassung, daß im patentrechtlichen Einspruchs- oder
Nichtigkeitsverfahren die Beschränkung des erteilten Erzeugnisanspruchs auf ei-
nen Verwendungsanspruch - anders allerdings als die höchstrichterliche Recht-
sprechung es bewertet - ohne Kategoriewechsel erfolgen kann, so erschiene der
Schluß auf die Zulässigkeit solcher Verwendungsansprüche im Gebrauchsmu-
stereintragungsverfahren allenfalls in Fällen der Abzweigung aus einer Erzeugnis-
patentanmeldung folgerichtig. Denn bei einer solchen Abzweigung ist der Ur-
sprung des gebrauchsmusterrechtlichen Verwendungsanspruchs der patentrechtli-
che Erzeugnisanspruch, so daß - folgt man dieser Auffassung - hier der Verwen-
dungsanspruch im Wege der Auslegung als auf einen reduzierten Erzeugnis-
schutz gerichtet angesehen werden könnte.
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Nicht alle abgezweigten gebrauchsmusterrechtlichen Verwendungsansprüche
müssen aber notwendig von einem patentrechtlichen Erzeugnisanspruch ausge-
hen. So ist es auch im vorliegenden Fall. Die der Abzweigung zugrunde liegende
Patentanmeldung 100 38 043.3 vom 2. August 2000 enthält nur auf den Schutz
vor Verwendungen gerichtete Patentansprüche. Damit entfällt auch schon aus die-
sem Grunde die Möglichkeit, im vorliegenden Fall bei der kategoriellen Beurteilung
der gebrauchsmusterrechtlichen Verwendungsansprüche der vorgenannten Auf-
fassung zu folgen.
2. Die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG ist auch verfassungskonform; sie verstößt
insbesondere weder gegen Grundrechte des Anmelders noch gegen den Grund-
satz der Verhältnismäßigkeit.
Inhalt und Schranken des Eigentumsrechts des Art. 14 GG werden durch die all-
gemeinen Gesetze bestimmt. Das geistige Eigentum an der Erfindung unterliegt
wie jedes Eigentum der Gestaltung durch den einfachen Gesetzgeber (BVerfGE
18, 85, 90; 36, 281, 290). Dem Gesetzgeber steht für die inhaltliche Ausgestaltung
des Schutzes von Erfindungen ein weiter Spielraum zu (vgl Busse, Patentgesetz,
5. Aufl, Einl RdNr 48 mwN). Art. 14 gebietet es insbesondere nicht, daß der Ge-
setzgeber einem Erfinder für jegliche Art von Erfindung sämtliche denkbaren
Schutzrechte zur Verfügung stellt. So kann der Gesetzgeber sogar bei bestimmten
Formen von Erfindungen den Patentschutz einschränken oder ausschließen, so-
weit die Unterscheidung nicht willkürlich erfolgt (BVerwG NJW 1995, 1627, 1628).
Wie aus dem bereits oben zitierten Bericht des Bundesministers der Justiz, der im
Zusammenhang mit dem Gesetzgebungsverfahren erstellt und vom Rechtsaus-
schuß des Deutschen Bundestages bekräftigt wurde (BlPMZ 1990, 195, 197), er-
sichtlich ist, wurde die Beurteilung der Schutzfähigkeit und des Schutzbereichs ei-
nes ungeprüften "Verfahrensgebrauchsmusters" für Dritte als im Vergleich zu Er-
zeugnisgebrauchsmustern nicht hinreichend zuverlässig angesehen; auch wurde
auf das mangelnde Bedürfnis der Wirtschaft an einem solchen Gebrauchsmuster-
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schutz verwiesen. Wenngleich im Einzelfall eine Verfahrenserfindung sich als
leichter überschaubar darstellen mag als eine konkrete andere Erzeugniserfindung
und ein individueller Schutzbedarf für sie bestehen mag, so erscheint die Beurtei-
lung in den Gesetzesmotiven als im Regelfall zutreffend und eine Differenzierung
jedenfalls nicht willkürlich.
Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ist nicht ersicht-
lich, zumal der Anmelder es weitgehend in der Hand hat, durch eine entsprechen-
de Formulierung der Schutzansprüche deren - zulässige - Kategorie selbst zu
wählen (siehe oben).
Die Regelung des § 2 Nr. 3 GebrMG verstößt auch nicht gegen das allgemeine
Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Hiernach ist im wesentlichen Gleiches
gleich und im wesentlichen Ungleiches seiner Ungleichheit entsprechend zu be-
handeln. Dies schließt es nicht aus, für bestimmte Kategorien von Erfindungen
verschiedene Schutzrechte zur Verfügung zu stellen bzw. auszuschließen, wenn
dies nicht willkürlich geschieht. Auch insoweit ist die Differenzierung aus den oben
genannten Gründen jedenfalls nicht willkürlich.
3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen, weil die geltend gemachte Einordnung
von Verwendungsansprüchen als Erzeugnisansprüche eine Rechtsfrage von
grundsätzlicher Bedeutung ist (§ 18 Abs 4 GebrMG iVm § 100 Abs 2 Nr 1 PatG).
Goebel
Richter Dr. Feuerlein ist wegen Urlaubs
verhindert zu unterschreiben
Goebel
Friehe-Wich
Be