Urteil des BPatG vom 10.06.2003

BPatG: harmonisierungsamt für den binnenmarkt, internet, information technology, unterscheidungskraft, verkehr, software, computer, begriff, unternehmen, patent

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 85/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 22 014.3
BPatG 152
10.99
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hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 10. Juni 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Winkler,
der Richterin Dr. Hock und des Richters Kätker
beschlossen:
Auf die Beschwerde des Anmelders werden die Beschlüsse der Mar-
kenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent- und Markenamts vom
12. November 1999 und vom 17. Januar 2002 aufgehoben.
G r ü n d e
I
Am 17. April 1999 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke
iOFFICE
für folgende Waren bzw. Dienstleistungen angemeldet worden:
"35: integrierte Bürokommunikation, Plattform/Arbeitsumgebung für virtuelle
Teams und Unternehmen, Projektmanagement und Datenmanagement-Werk-
zeug;
36: Plattform für Geschäftsprozesse, Geschäftsabwicklung;
38: Unified-Massaging-Lösung mit Internet-Telefonie, Anrufbeantworter, Fax,
Email und SMS-Mitteilungen, Email-to-Voice, Real-Time-Chat;
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41: Seminare und Schulungen für den Aufbau und das Management von virtuellen
Teams und Unternehmen;
42: Spezielle Software mit Bedienungsoberfläche mit einem einzigen Formular für
das Versenden von Nachrichten unabhängig des Mediums (Fax, Voice, SMS,
Email, Brief), Software für Sicherheit und integrierte Kommunikation und Computer
Supported Collaborated Workspace (CSCW)".
Mit zwei Beschlüssen vom 12. November 1999 und vom 17. Januar 2002, von
denen der zweite als Erinnerungsbeschluss von einem Mitglied des Patentamts
erlassen worden ist, hat die Markenstelle für Klasse 35 des Deutschen Patent-
und Markenamts die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG
zurückgewiesen. Nach Auffassung der Erstprüferin wird das gerade im Bereich
der Datenverarbeitung in die deutsche Sprache eingebürgerte Wort "Office" von
den beteiligten Verkehrskreisen ohne Weiteres als "Büro, Geschäftsstelle" ver-
standen. Es sei eine glatt beschreibende (Sach-)Angabe, der es für sich genom-
men an Unterscheidungskraft fehle. Auch der vorangestellte Buchstabe "i" be-
gründe nicht die Unterscheidungskraft. Im Hinblick auf die angemeldeten Dienst-
leistungen aus dem EDV-Bereich stelle er, wie etwa bei "IR" oder "IP(-Adresse)",
eine Abkürzung für den Begriff "Internet" dar. Der Verkehr werde die Marke daher
als Hinweis darauf verstehen, dass die Dienstleistungen über ein Büro ("Office")
angeboten und mit Hilfe des Internets erbracht würden. Außerdem sei die Marke
auch nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG von der Eintragung ausgeschlossen, da es
sich bei der Bezeichnung "iOFFICE" um eine Angabe über Art, Inhalt, Thematik
und Zielsetzung der Dienstleistungen handele. Den Ausführungen zur fehlenden
Unterscheidungskraft hat sich der Erinnerungsprüfer angeschlossen.
Gegen diese Entscheidungen richtet sich die Beschwerde des Anmelders, mit der
er beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
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Zur Begründung führt er aus, dass es sich bei der Anmeldemarke um keine nor-
male Ausdrucksweise sondern um eine unterscheidungskräftige lexikalische Erfin-
dung handele. Es sei nicht einmal eindeutig, in welche Bestandteile die angemel-
dete Marke aufgeteilt werden könne, da sie nur als Einwortzeichen angemeldet
sei. Selbst wenn man die von der Markenstelle vorgenommene Aufgliederung
vornehmen würde, sei nicht eindeutig, dass der Buchstabe "i" ein übliches Kürzel
für den Begriff "Internet" darstelle. Er werde für zahlreiche Bezeichnungen der
Daten- und Telekommunikationstechnik verwendet, etwa für "Intel" oder "Informa-
tion" in "IT" (Information Technology). Auch "OFFICE" weise keinen für die ange-
meldeten Waren ohne Weiteres erkennbaren beschreibenden Sinngehalt auf.
Selbst wenn jeder der Bestandteile Teil von Ausdrücken zur Bezeichnung der
Dienstleistungen wäre, so wäre die Anmeldemarke dennoch eine der Struktur
nach ungewöhnliche Verbindung von bekannten Ausdrücken. Auch sei sie nicht
freihaltungsbedürftig, da ihr kein im Vordergrund stehender beschreibender Be-
griffsinhalt zugeordnet werden könne.
Ergänzend weist der Anmelder darauf hin, dass das Patentamt die Marke
300 44 610.1 "i-Office" und das Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt die
Marke 1222637 "iOFFICE" für schutzfähig erachtet haben, die beide prioritäts-
jünger als die hier angemeldete Marke seien.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist begründet.
Entgegen der Beurteilung der Markenstelle hält der Senat die angemeldete Marke
für hinreichend unterscheidungskräftig und nicht rein beschreibend. Absolute
Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG stehen der Eintragung
der Anmeldemarke gemäß §§ 33 Abs. 2, 41 MarkenG somit nicht entgegen.
So sind zunächst keine ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte ersichtlich, die
die Annahme eines Freihaltungsbedürfnisses i.S.d. §
8 Abs.
2 Nr.
2 Mar-
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kenG
rechtfertigen können. Nach dieser Vorschrift sind Marken von der
Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung, der
geographischen Herkunft, der Zeit der Herstellung der Waren oder der Erbringung
der Dienstleistungen oder zur Bezeichnung sonstiger Merkmale der Waren oder
Dienstleistungen dienen können.
Die Gesamtbezeichnung "iOffice" ließ sich weder in der Literatur noch im Internet
als Sachbegriff belegen. Insbesondere im deutschsprachigen Internet tauchte die
Bezeichnung nur markenmäßig als erkennbar frei gewählter Produktname auf,
zumeist als Name eines Softwareprodukts des japanischen Unternehmens Neo
Japan Inc. und als Bezeichnung einer Sammlung von Büroprogrammen, die für
Macintosh-Computer bestimmt sind, und die sich damit in die i-Zeichenserie des
Herstellers Apple einfügt (z.B. "iMac", "iBook", "iTunes", etc.). Auch im englisch-
sprachigen Internet ließ sich der angemeldete Begriff (nur) in markenmäßiger
Verwendung als Produktname für verschiedene Produkte, zumeist Software, auf-
finden.
Auch aus der Art der Wortbildung lässt sich kein eindeutiger, unmittelbar be-
schreibender Bedeutungsinhalt der angemeldeten Marke entnehmen. Im Gegen-
satz zur Auffassung des Anmelders ist für den Verkehr allerdings schon aufgrund
der uneinheitlichen Groß- und Kleinschreibung, aber auch wegen der Geläufigkeit
des Begriffs "office" ohne Weiteres ersichtlich, dass die Marke aus dem vorange-
stellten Buchstaben "i" und dem angefügten Wort "OFFICE" zusammengesetzt ist.
Zwar kommt der Bedeutungsgehalt "Internet" für das vorangestellte "i" in Betracht.
So wird z.B. das Büroprogramm "iOffice 2000", das nach Eingabe des Suchworts
"ioffice" im deutschsprachigen Internet von Suchdiensten am häufigsten genannt
wird, als "web-basierte Groupware-Anwendung" erläutert (vgl. z.B.
http://home.aventa.de/pv/software/office.htm). Auch steht das "i" bei der Produkt-
bezeichnung "iMac", auf dem die i-Serie der Macintosh-Computer basiert, für "In-
ternet" (vgl. Microsoft Press Computer Lexikon Fachwörterbuch
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Ausg. 2002 ,S. 360), so dass auch die entsprechende Bezeichnung des für dieses
Computersystem bestimmten Apple-Büroprogramms "iOffice" in diesem Sinn
verstanden werden könnte (wahrscheinlicher ist allerdings ein Verständnis als
willkürliche Einfügung in die i-Bezeichnungsserie von Apple).
Jedoch stellt der Buchstabe "i" weder in der Groß- noch in der Kleinschreibung
eine offizielle Abkürzung für das Internet dar. Es handelt sich nur um eine Inter-
pretationsmöglichkeit (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Dezember 2002, 33 W (pat)
198/02 - "i_Park" und Beschluss des 25. Senats vom 1. August 2002, 25 W (pat)
67/01 - "iSite"). So kann der Buchstabe "i" etwa folgende, lexikalisch belegbaren
weiteren Bedeutungen aufweisen:
"integrated", "intelligent", "information", "immediate", "indirect" (vgl. Schulze, Com-
puterkürzel, 1998; Vlietstra, Dictionary of Acronyms and Technical Abbreviations).
Im Hinblick sowohl auf den zweiten Markenbestandteil "office", dessen Bedeutung
im Sinne von "Büro" außer Frage steht, als auch auf die angemeldeten Dienst-
leistungen kommen selbst bei den internetorientierten Dienstleistungen noch wei-
tere Interpretationsmöglichkeiten des ersten Markenbestandteils "i" in Betracht,
auch wenn sie insoweit nicht lexikalisch nachgewiesen werden konnten: "image",
"industry", "interactive", "internal", "intra-".
Unter mehreren möglichen beschreibenden Bedeutungsgehalten kann damit der
Gesamtmarke kein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Be-
griffsinhalt zugeordnet werden. Solche mehrdeutigen Bezeichnungen eignen sich
in der Regel nicht zur beschreibenden Verwendung (vgl. z.B. BPatGE 38, 182,
183 –MAC m.w.N., 40,85 – CT). Es ist daher nicht erkennbar, dass die angemel-
dete Marke im Verkehr zur Bezeichnung eines Merkmals i.S.d. § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG dienen "kann".
Nach Auffassung des Senats weist die angemeldete Marke auch die erforderliche
Unterscheidungskraft auf (§
8 Abs.
2 Nr.
1 MarkenG). Unterscheidungskraft
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im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung,
vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines
Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden
(vgl. BGH GRUR 2001, 413, 414 - SWATCH, m.w.N.; GRUR 2001, 240, 241
- SWISS ARMY; MarkenR 2001, 407 - antiKALK). Hierbei ist grundsätzlich von
einem großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die
fraglichen Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt
zugeordnet werden und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches
Wort der deutschen oder einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr – etwa
auch wegen einer entsprechenden Verwendung in der Werbung - stets nur als
solches und nicht als Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen
tatsächlichen Anhalt dafür, dass ihr die Unterscheidungseignung und damit
jegliche Unterscheidungskraft fehlt (vgl. BGH MarkenR 2001, 408, 409
- INDIVIDUELLE m.w.N.).
Den danach an die Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderun-
gen wird die angemeldete Bezeichnung gerecht. Weder konnte ihr, wie oben aus-
geführt, ein eindeutiger, im Vordergrund stehender beschreibender Bedeutungs-
gehalt zugeordnet werden, noch waren Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass sie
nur als solche und nicht als betriebliches Unterscheidungsmittel verstanden wird.
Winkler Dr.
Hock
Kätker
Cl