Urteil des BPatG vom 30.04.2010

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
14 W (pat) 30/06
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
30. April 2010
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 195 41 735.6-41
hat der 14. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 30. April 2010 unter Mitwirkung der Richterin
Dr. Proksch-Ledig als Vorsitzende, der Richter Harrer und Dr. Gerster sowie der
Richterin Dr. Schuster
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I
Mit Beschluss vom 30. Mai 2006 hat die Prüfungsstelle für Klasse A 61 K des
Deutschen Patent- und Markenamts die Patentanmeldung mit der Bezeichnung
„Verwendung hydrothermaler Gesteinsablagerungen zur Verbes-
serung der Lichtquanten - Resonanzeffekte des Körpers durch
molekulardisperse Verteilung, insbesondere zur Gesundheitsvor-
sorge“
zurückgewiesen.
Die Zurückweisung ist im Wesentlichen damit begründet, dass die Gegenstände
der seinerzeit geltenden Ansprüche über den Inhalt der Anmeldung in der ur-
sprünglich eingereichten Fassung hinausgingen und damit nicht den Anforderun-
gen des § 38 Patentgesetz genügten, da insbesondere der Begriff „Reibver-
schweißen“ aus den ursprünglichen Unterlagen nicht ableitbar sei. Außerdem sei
in den ursprünglichen Unterlagen kein konkreter Weg zum Ausführen der bean-
spruchten Erfindung im Einzelnen angegeben. Es sei nämlich weder zu entneh-
men, welche hydrothermalen Ablagerungen mit welchen Nano-Edelmineralen und
weiteren Stoffen mit welchem Hochenergiemahlverfahren in welchem Verhältnis
zu einer Suspension verarbeitet werden sollen, um für einen bestimmten Verwen-
dungszweck eingesetzt zu werden, noch sind die angestrebten Wirkungen auf
Mensch oder Tier erläutert.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der sie
ihr Patentbegehren mit dem Patentanspruch 1 vom 29. Juni 2006, den Patentan-
sprüchen 2 bis 3 vom 9. November 2005 und den Patentansprüchen 4 bis 32 vom
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3. Oktober 2005 sowie der Beschreibung vom 3. Oktober 2005 weiterverfolgt. Der
geltende Anspruch 1 lautet:
„Die Verwendung einer Zusammensetzung, die hergestellt wird
durch Suspendieren hydrothermaler Ablagerungen aus Thermal-,
Sole-, Fango-, Schwefel-, Heil-, Meer-, See-, Fluss-, Quell- und
Mineralwasservorkommen und Mahlen mittels eines Hochenergie-
mahlverfahrens unter Verwendung von Nanokristallen, Nanomine-
ralen, Nanoelementen und Nanoedelmineralen mit Wasser, Ölen,
Säuren, oder anderen Flüssigkeiten, pflanzlichen, mineralischen
und tierischen Stoffen gemischt, zur Herstellung von neuartigen
Stoffverbindungen für Gesundheitsvorsorge-, Kur-, Naturheil-, Le-
bens-, Nahrungsergänzungs-, Gesundheitspflege-, kosmetische-,
pharmazeutische Mittel und Getränke
dadurch gekennzeichnet, dass in einem ersten Verfahrensschritt
a) hydrothermale Ablagerungen, dabei handelt es sich um aus-
kristallisierte Mineralsteine, Mineralsalze, Minerale, Spurenele-
mente aus:
Calcit, Arragonit, Dolomit, Marmor, Zinkblende, Smithsonit,
Wurzit, Manganit, Hausmannit, Neptunit, Hornblende, Cala-
verit, Stephanit, Hessit, Krennerit, Chalkosin, Bornit, Linneit,
Magnetkies, Carrolit, Ilmenit, Ullmannit, Markasit, Klinozoisit,
Pyrophylit, Nakrit, Ankerit, Rhodochrosit, Kutnahorit, Epistilbit,
Heulandit, Flusspat, Basnäsit, Creedit, Synchisit, Tunisit,
Graphit, Kohle
Sellait, Karpholith, Brookit, Kalifeldspat, Plagioklas, Aöbit,
Vesuvian, Elbait, Dravit, Schörl, Buergerit, Tsilaisit, Uvit,
Liddicoatit, Siderit, Sprudelstein, Hydrokarbonat, Calciumcar-
bonat, Sulfat, freie Kohlensäure, gelöster Sauerstoff, Metakie-
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selsäure, Metaborsäure, Titansäure, Bernsteinsäure, Benzoe-
säure, Schwefel, Sole, Spuren von Eisen, Chrom, Titan, Alu-
minium, Gold, Silber, Platin, Selen, Molybdän, Ammonium,
Calcium, Lithium, Natrium, Chlorit, Jodid, Fluor, Brom, Natri-
um, Thermalsalze, Kalium, Magnesium, Kobalt, Zink, Meer-
salze, Meerschaum, Weinstein, die mit:
Nanomineralen, Nanokristallen, Nanoelementen und Nano-
edelmineralen mittels eines Hochenergiemahlverfahrens pul-
verisiert werden
und in einem zweiten Verfahrensschritt
b) dem Mahlgut Flüssigkeiten wie Wasser, Thermal-, Heil-, Sole-,
Schwefel-, Meer-, See-, Fluss-, Quell- und Mineralwasservor-
kommen, Öle, Säuren, Fette, Lösungsmittel, oder andere Flüs-
sigkeiten, sowie die bei der Herstellung entstehenden Lösun-
gen, Säuren, Salze, frei werdenden Gase, pflanzliche und tie-
rische Stoffe zugegeben werden und in einem dritten Verfah-
rensschritt
c)
dieses Gemisch suspendiert wird“.
Die Ansprüche 2 bis 32 sind auf Weiterbildungen der Verwendung nach An-
spruch 1 gerichtet.
Zur Begründung ihrer Beschwerde hat die Anmelderin im Wesentlichen vorgetra-
gen, dass der neue Anspruch 1 das Merkmal „Reibverschweißen“ nicht enthalte
und daher aus den ursprünglichen Unterlagen ableitbar sei. Auch sei der Gegen-
stand des Anspruchs 1 gegenüber dem entgegengehaltenen Stand der Technik
erfinderisch, da keine der Entgegenhaltungen Produkte lehre, die mittels Hoch-
energiemahlen nanokristallin hergestellt würden.
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und ein Patent zu
erteilen mit folgenden Unterlagen: Patentanspruch 1 vom
29. Juni 2006, Patentansprüche 2 bis 3 vom 9. November 2005
und Patentansprüchen 4 bis 32 vom 3. Oktober 2005 sowie Be-
schreibung vom 3. Oktober 2005.
Sie ist nach ordnungsgemäßer Ladung bei Aufruf zur mündlichen Verhandlung
nicht erschienen.
Wegen weiterer Einzelheiten, insbesondere zum Wortlaut der Patentansprüche 2
bis 32, wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die Beschwerde ist zulässig (§ 73 PatG); sie kann aber nicht zum Erfolg führen.
Es kann dahingestellt bleiben, ob die nunmehr geltende Fassung der Ansprüche 1
bis 32 aus den ursprünglich eingereichten Unterlagen ableitbar ist, denn die bean-
spruchte Verwendung nach dem geltenden Anspruch 1 ist jedenfalls in der Anmel-
dung nicht so deutlich und vollständig offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen
kann (§ 34 (4) PatG).
Der Gegenstand des geltenden Anspruchs 1 betrifft die Verwendung einer Zusam-
mensetzung, die hergestellt wird durch Suspendieren hydrothermaler Ablagerun-
gen und Mahlen mittels eines Hochenergiemahlverfahrens unter Verwendung von
Nanokristallen, Nanomineralen, Nanoelementen und Nanoedelmineralen mit Was-
ser, Ölen, Säuren oder anderen Flüssigkeiten gemischt mit pflanzlichen, minerali-
schen und tierischen Stoffen zur Herstellung von neuartigen Stoffverbindungen für
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Gesundheitsvorsorge-, Kur-, Natur-, Lebens- Nahrungsergänzungs-, Gesundheits-
pflege-, kosmetische-, pharmazeutische Mittel und Getränke.
Eine Erfindung ist ausführbar, wenn ein Fachmann anhand der Angaben in der
Anmeldung unter Einsatz seines Fachwissens in der Lage ist, die offenbarte tech-
nische Lehre praktisch zu verwirklichen. Dies setzt voraus, dass die Erfindung
brauchbar ist, d. h. dass das technische Ergebnis oder die angestrebte technische
Wirkung überhaupt erzielbar ist, dass sie wiederholbar ist, also nicht nur zufällig
realisiert werden kann, dass sie in ausreichendem Maße vom Fachmann in die Tat
umgesetzt werden kann, dass sie im gesamten beanspruchten Bereich verwirk-
licht werden kann, dass sie mit zumutbarem Aufwand durch den Fachmann ver-
wirklicht werden kann und dass diese Voraussetzungen zum Prioritätszeitpunkt
gegeben sind (Schulte PatG 8. Aufl. § 34 Rdn. 361).
Wie auch im angegriffenen Beschluss ausgeführt, ist in den ursprünglichen Unter-
lagen aber kein konkreter Weg beschrieben, wie der Fachmann, ein Pharmazeut,
pharmazeutisch technischer Chemiker, Lebensmittelchemiker, Ernährungswissen-
schaftler oder Kosmetikchemiker, die in den Unterlagen als „erfindungsgemäße
Zusammensetzung“ genannte Zusammensetzung in die Hände bekommt, die den
im geltenden Anspruch 1 angegebenen Verwendungen zugeführt werden soll.
Den ursprünglichen Unterlagen kann der Fachmann nämlich lediglich entnehmen,
dass mit einem Hochenergiemahlverfahren die Zusammensetzung gelöst bzw.
suspendiert wird, dass hydrothermale Ablagerungen in Kombination mit Nanomi-
neralen, Spurenelementen und organischen Stoffen mittels eines Hochenergie-
Mahlverfahrens verschiedener Flüssigkeiten bei niedrigen Temperaturen suspen-
diert werden, und dass durch das Hochenergie-Mahlverfahren der hydrothermalen
Gesteinsablagerungen mit Thermal-, Meerwasser usw., Säften etc. bis zu einer
Korngröße im Nanometerbereich Diffundierungen von schwer oder nicht zu verbin-
denden Stoffen stattfinden würden (DE 195 41 735 A1, Anspruch 8, Sp. 3 Z. 42
bis 52, Sp. 5 Z. 20 bis 32 und 54 bis 61). In sämtlichen Beispielen wird dabei von
der „erfindungsgemäßen Zusammensetzung“ ausgegangen, die dann mit weiteren
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Zusätzen zu verschiedensten Erzeugnissen verarbeitet wird. Ein konkreter Her-
stellungsweg bzw. ein konkretes Beispiel für auch nur eine „erfindungsgemäße
Zusammensetzung“ wird jedoch nicht beschrieben. Es werden lediglich Beispiele
angegeben, wie aus der nicht näher definierten „erfindungsgemäßen Zusammen-
setzung“ Produkte für verschiedene Verwendungszwecke hergestellt werden kön-
nen. Ob aber diese Produkte auch die angestrebten Wirkungen aufweisen, ist
nicht beschrieben und konnte im Verlauf des Prüfungsverfahrens, wie im angegrif-
fenen Beschluss zutreffend dargelegt, auch nicht nachgewiesen werden. Es be-
steht daher eine vollständige Ungewissheit über die konkrete Ausführung der „er-
findungsgemäßen Zusammensetzung“ und die der Lehre nach für die einzelnen
Verwendungen daran gekoppelte Wirkungsweise bzw. Heilwirkung. Es sind des-
halb auch nicht nur einzelne orientierende Versuche erforderlich, um unter der
Vielzahl möglicher Ausgangsstoffe und möglicher Mengenverhältnisse mittels
irgendeines Hochenergiemahlverfahrens Zusammensetzungen bereitzustellen,
und daran die beabsichtigten Wirkungen, insbesondere Heilwirkungen, der daraus
hergestellten Erzeugnisse festzustellen und einen etwaigen Wirkungsgrad zu
erproben. Es bedarf vielmehr erst aufwändiger Versuche und einer Vervollständi-
gung der beanspruchten technischen Lehre, um aus der Vielzahl der unbestimm-
ten Möglichkeiten eine ausführbare und fertige Lehre zu machen. Es fehlt für die
maßgebliche Frage der Ausführbarkeit der Erfindung neben der Herstellbarkeit der
Zusammensetzungen also auch daran, dass die Realisierung der besonderen Ver-
wendungszwecke für den Fachmann nicht hinreichend offenbart ist (vgl. BPatG
GRUR 2006, 1015, 1017, 3. - Neurodermitis-Behandlungsgerät). Es ist damit also
kein Weg zum Ausführen der Erfindung eindeutig aufgezeigt, was erforderlich
wäre, damit ein Fachmann zu deren Nacharbeitung ohne erfinderisches Zutun in
der Lage wäre. Eine nicht deutlich und vollständige, insbesondere auch nicht fer-
tige technische Lehre ist aber nicht ausführbar (Busse PatG 6. Aufl. § 34 Rdn. 278
und 308 m. w. Nachw.)
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Die Anmeldung erfüllt daher die Patentierungsvoraussetzungen gemäß § 34 (4)
PatG nicht, da der Fachmann anhand der Angaben in der Anmeldung unter Ein-
satz seines Fachwissens nicht in der Lage ist, die offenbarte technische Lehre
auszuführen.
Der Patentanspruch 1 ist daher nicht gewährbar.
Die Ansprüche 2 bis 32 teilen das Schicksal des Anspruchs 1 (vgl. BGH „Elektri-
sches Speicherheizgerät“ GRUR 1997, 120).
Proksch-Ledig
Harrer
Gerster
C. Schuster
Fa