Urteil des BPatG vom 21.11.2005

BPatG: stand der technik, erfindung, patentanspruch, fig, patient, patv, gestaltung, anzeige, physiker, streichung

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend das Patent 195 13 803
21 W (pat) 6/06
_______________________
- 2 -
hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
28.
August
2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt
sowie der Richter Baumgärtner,
Dipl.-Phys. Dr. Morawek und Dipl.-Ing. Bernhart
beschlossen:
Der Beschluss der Patentabteilung 35 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 21. November 2005 wird aufgehoben und das
Patent DE 195 13 803 widerrufen.
G r ü n d e
I
Auf die am 11. April 1995 beim Deutschen Patent- und Markenamt unter Inan-
spruchnahme der Priorität der japanischen Anmeldung 6-75135
vom
13. April 1994 und der Anmeldung 7-71944 vom 29. März 1995 eingegangene Pa-
tentanmeldung wurde das Patent 195 13 803 mit der Bezeichnung "Röntgengerät
und Unterstützungsvorrichtung" erteilt. Veröffentlichungstag der Patenterteilung ist
der 22. November 2001.
Der erteilte Patentanspruch 1 lautet (mit Merkmalsgliederung):
M1
mit:
M2
einer Trägerplatte (5);
M3
einer auf der Trägerplatte (5) stehenden Stütze (4);
- 3 -
M4
einem hebbaren/senkbaren Hauptkörper (2), der so an der
Stütze (4) angebracht ist, dass er frei nach oben und unten
verstellt werden kann;
M5
einem Schwenkarm (1),
M6
in dem eine Röntgenquelle (37) und
M7
Erfassungseinrichtung
(21) zum Erfassen von von der
Röntgenquelle (37) abgestrahlter Röntgenstrahlung
M8
so angebracht sind, dass sie einander gegenüberstehen;
M9
einer Schwenk- und Antriebseinrichtung (7) zum Verstellen
und Antreiben des Schwenkarms (1) entlang einer ge-
wünschten Bahn,
M10
dem hebbaren/senkbaren Hauptkörper
(2) und dem
Schwenkarm (1) angebracht ist;
M11
(14) zum Positionieren und Halten
des Kopfs (13) eines Patienten (12) in einer gewünschten
Radiographieposition zwischen der Röntgenquelle (37) und
der Erfassungseinrichtung (21);
M12
(3), der am hebbaren/senkbaren
Hauptkörper (2) angebracht ist und an dem die Halteein-
richtung (14) befestigt ist; und
M13
M14
mation zum Festlegen von Radiographiebedingungen so-
wie
M15
Anzeigeeinrichtung
(63) zum Anzeigen der Informa-
tion zum Unterstützen des Eingabevorgangs mittels der
Eingabeeinrichtung (64), die folgendes aufweist:
M16
Auswahleinrichtung
(52, 55-61, 66-69) zum Auswählen
eines von mehreren Röntgenmodi,
- 4 -
M17
gungen für den durch die Röntgenmodus-Auswahleinrich-
tung ausgewählten Röntgenmodus und
M18
das Einstellen von Parametern für die Einstellbedingungen,
die durch die Einstellbedingung-Auswahleinrichtung (70,
71) ausgewählt worden sind;
dadurch gekennzeichnet, dass
M19
Anzeigeeinrichtung
(63)
einen Bereich (130) zum Anzei-
gen des durch die Röntgenmodus-Auswahleinrichtung (52,
55-61, 66-69) ausgewählten Röntgenmodus,
M20
gen, die dem im Röntgenmodus-Anzeigebereich (130) an-
gezeigten Röntgenmodus entsprechen,
M21
den auf der Einstellbedingung-Anzeigeeinrichtung (131) an-
gezeigten Einstellbedingungen entsprechen, und
M22
der Röntgenbilderstellung in Beziehung stehender Informa-
tion, wozu die Radiographieposition, der Projektionswinkel
und der Tomographiemodus gehören, durch wenigstens Bil-
der des Zahnbogens und Zeichen aufweist.
Nach Prüfung des für zulässig erachteten Einspruchs hat die Patentabteilung 35
des Deutschen Patent- und Markenamtes das Patent mit Beschluss vom 21. No-
vember 2005 in vollem Umfang aufrechterhalten.
Im Einspruchsverfahren wurde folgender Stand der Technik berücksichtigt:
D1
D2
- 5 -
D3
D4
D5
D6
D7
D8
D9
2002
EC Panorama-Röntgengerät Bedie-
nungsanleitung der Planmeca Oy, Finnland
D10
der Planmeca GmbH, Aachen.
In der Begründung ihres Beschlusses ist die Patentabteilung 35 davon ausgegan-
gen, dass der erteilte Patentanspruch 1 gegenüber der ursprünglichen Anmeldung
keine unzulässige Erweiterung enthalte und sein Gegenstand gegenüber dem
Stand der Technik neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Einsprechenden, mit der
sie den Widerruf des Patents weiterverfolgt.
Die Einsprechende sieht in dem Weglassen des einzigen kennzeichnenden Merk-
mals des ursprünglich eingereichten Anspruchs 1 eine unzulässige Erweiterung
und die Merkmale im Kennzeichnungsteil des patentierten Anspruch 1 durch die
Druckschriften D4, D5 und D9 nahe gelegt.
Die Einsprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Patentabteilung 35 des Deutschen Patent- und
Markenamts vom 21. November 2005 aufzuheben und das Patent
DE 195 13 803 zu widerrufen.
- 6 -
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
- die Beschwerde zurückzuweisen.
Ihrer Auffassung nach ist der Gegenstand des Anspruchs 1 ursprünglich offenbart
und beruht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die zulässige Beschwerde ist begründet, denn der Gegenstand des Patents geht
über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus (§ 21 (1) Nr. 4
PatG).
Das Streitpatent befasst sich mit einem Röntgengerät, wie es insbesondere bei
der medizinischen Behandlung und Untersuchung auf dem Gebiet der Zahnmedi-
zin verwendet wird. In der Patentschrift werden zwei herkömmliche Röntgengeräte
beschrieben, bei denen einmal eine Bedienkonsole 119 an einer Seite eines heb-
baren/senkbaren Hauptkörpers 102 angeordnet ist (siehe Fig. 50) und einmal an
einem Ende eines Schwenkarms 102 angeordnet ist (siehe Fig. 51 und Ab-
satz [0010]). Als Problem wird dabei angegeben, dass die Bedienkonsole relativ
weit entfernt vom Patienten vorliegt. Daher muss ein Radiologe dann, wenn er
Eingaben zu Röntgenbedingungen vornimmt, während er den Patienten positio-
niert, in eine andere Richtung als der Patient schauen, und er muss einen Schritt
oder zwei weiter die Bedingungen eingeben. Demgemäß sei die Bedienbarkeit un-
zureichend (siehe Absatz [0012]). Weitere Probleme bei der Auswahl von Radio-
graphieprogrammen werden in den Abschnitten [0013, 0014] erläutert.
- 7 -
Davon ausgehend liegt der Erfindung die Aufgabe zugrunde, ein Röntgengerät an-
zugeben, bei dem Röntgenbedingungen mit ausgezeichneter Bedienbarkeit einge-
geben werden können (siehe Absatz [0017]).
Der ursprünglich eingereichte Anspruch 1 umfasst die Merkmale der Merkmal-
gruppen M1 bis M13 und zusätzlich als einziges Merkmal im Kennzeichnungsteil
folgendes Merkmal:
M13a
net ist.
Der erteilte Anspruch 1 umfasst die Merkmale in den ursprünglichen Ansprü-
chen 1, 3, 4 und 6, weist aber die Merkmalsgruppe M13a nicht mehr auf. Über die
Anordnung der Bedienkonsole werden im erteilten Anspruch 1 überhaupt keine
Angaben mehr gemacht.
In der Beschreibung ist zu der Anordnung der Bedienkonsole lediglich in Ab-
satz [0091] ausgeführt:
"An der Oberseite 3a des Patientenrahmens 3 ist eine Bedienkonsole 19 mit einer
Anzeigeeinrichtung zum Anzeigen eines Unterstützungsschirms für Eingabevor-
gänge vorhanden. Ferner ist an der Unterseite 3b des Patientenrahmens 3 ein
Griff 18 vorhanden, und wenn ein Patient 12 diesen Griff 18 festhält, kann seine
Position während des Erstellens einer Röntgenaufnahme stabilisiert werden, und
gleichzeitig werden die Schultern des Patienten 12 nach unten gezogen, so dass
die Bewegung des Schwenkarms 1 nicht behindert wird."
Weitere Angaben zu der Anbringung der Bedienkonsole sind in der Beschreibung
nicht offenbart.
- 8 -
Der zuständige Fachmann, ein Dipl.-Physiker mit Erfahrungen auf dem Gebiet der
Medizintechnik, entnimmt der ursprünglichen Beschreibung in Verbindung mit dem
ursprünglich eingereichten Anspruch 1 somit, dass die Bedienkonsole als wesent-
liches Element zur Lösung der Aufgabe an dem Patientenrahmen angeordnet ist.
Die Streichung von Merkmalen führt zur unzulässigen Erweiterung, wenn dadurch
ein bisher enger definierter Gegenstand umfassender wird, dieser aber ursprüng-
lich nicht als offenbart erkennbar war oder bei Weglassen eines notwendigen, ur-
sprünglich als wesentlich offenbarten Merkmals (siehe Schulte, § 38, Rdn. 36)
- welches hier jeweils zutrifft.
Durch die beliebige Anbringbarkeit der Bedienkonsole gemäß dem erteilten An-
spruch 1 gegenüber der ursprünglich offenbarten Anbringung am Patientenrah-
men wird ein weiter gefasster und ursprünglich nicht offenbarter Gegenstand be-
ansprucht. Dieses Merkmal ist auch als ein wesentliches Merkmal der Erfindung
anzusehen, da es ursprünglich sogar als einziges Merkmal zur Lösung des Pro-
blems im Kennzeichnungsteil angegeben war. Gemäß PatV § 9 (4) sind im ersten
Patentanspruch , und in
PatV § 9 (4) wird ergänzend gefordert, in den kennzeichnenden Teil die Merkmale
der Erfindung aufzunehmen,
. Schon diese Formulierung bringt klar zum Ausdruck,
dass es sich insbesondere bei den kennzeichnenden Merkmalen um wichtige
Merkmale handelt, die nicht einfach weggelassen werden können. Ein solches
Weglassen käme allenfalls dann in Betracht, wenn für den Fachmann aus den Un-
terlagen vom Anmeldetag ersichtlich wäre, dass es auf dieses Merkmal gar nicht
ankommt, was vorliegend aus den genannten Gründen aber nicht der Fall ist.
Darüber hinaus ist der Senat der Überzeugung, dass der Gegenstand des An-
spruchs 1 auch nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit beruht. Die Merkmale der
Merkmalsgruppen M1 bis M18 sind offensichtlich aus der Druckschrift D1 bekannt
und die weiteren Merkmale in den Merkmalsgruppen M19 bis M22 betreffen ledig-
- 9 -
lich die Ausgestaltung der Darstellung/Anzeige von verschiedenen Röntgenmodi,
Parametern und Informationen, die der Fachmann aufgrund einfacher Überlegun-
gen im Rahmen seines Fachwissens zur Gestaltung einer grafischen Benutzer-
oberfläche ohne erfinderisch tätig zu werden vornimmt (siehe auch BPatG, Beschl.
v.
18. April 2007
- 9 W (pat) 34/04 und Beschl. v. 20.
August
2007
- 9 W (pat) 327/04 für Anzeigevorrichtungen auf dem Gebiet der Automobiltech-
nik).
Dr. Winterfeldt
Baumgärtner
Dr. Morawek
Bernhart