Urteil des BPatG vom 05.02.2009

BPatG (stand der technik, grundsatz der perpetuatio fori, perpetuatio fori, patent, gegenstand, patentanspruch, technik, stand, einspruch, verhandlung)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
6 W (pat) 342/07
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
5. Februar 2009
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
betreffend das Patent 102 16 425
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hat der 6. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 5. Februar 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dr.-Ing. Lischke sowie der Richter Guth, Dipl.-Ing. Ganzenmüller und
Dipl.-Ing. Küest
beschlossen:
Das Patent 102 16 425 wird mit folgenden Unterlagen beschränkt
aufrechterhalten:
-
Patentansprüche 1 bis 3, eingereicht in der mündlichen Ver-
handlung,
-
Patentansprüche 4 bis 17 sowie Beschreibung und Zeich-
nungen wie erteilt.
G r ü n d e
I .
Gegen das Patent 102 16 425, dessen Erteilung am 14. August 2003 veröffentlicht
wurde, ist mit Schriftsatz der Einsprechenden vom 13. November 2003, per Fax
eingegangen am gleichen Tag, Einspruch erhoben worden.
Der Einspruch stützt sich auf den Widerrufsgrund der fehlenden Patentfähigkeit
des Patentgegenstands.
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Die Einsprechende bezieht sich in ihrer Einspruchsbegründung bezüglich des
Patentanspruchs 1 auf folgende Druckschriften:
D6:
EP 0 192 472 B1
D7:
DE 963 10 389 T2
D8:
EP 0 319 695 A1
D9:
DE 92 14 581 U1
D10: DE 38 01 989 A1
D11: EP 0 751 276 B1.
Im Erteilungsverfahren wurden noch folgende Druckschriften in Betracht gezogen:
D1:
DE 36 24 491 C3
D2:
DE 199 39 172 A1
D3:
DE 195 35 976 A1
D4:
DE 38 08 981 A1
D5:
DE 89 13 572 U1.
Die Einsprechende führt in ihrer Einspruchsbegründung aus, dass der Patentge-
genstand gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik nicht neu sei und nicht
auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Sie beantragt,
das angegriffene Patent zu widerrufen.
Die Patentinhaberin stellt den Antrag,
das angegriffene Patent mit folgenden Unterlagen beschränkt auf-
recht zu erhalten:
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-
neue Patentansprüche 1 bis 3, eingereicht in der mündlichen
Verhandlung,
-
Patentansprüche 4 bis 17 sowie Beschreibung und Zeich-
nungen wie erteilt.
Sie führt aus, dass ihrer Auffassung nach der Gegenstand nach dem nun gelten-
den Patentanspruch 1 gegenüber dem geltend gemachten Stand der Technik neu
sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit beruhe.
Das Patent betrifft nach dem Wortlaut des geltenden Patentanspruchs 1 eine
Isolierverglasung (1) mit Haltesystem, die insbesondere für eine
Glasfassade vorgesehen ist, mit mindestens zwei Glasschei-
ben (2), wobei mindestens eine Außenfläche (2a) einer Glas-
scheibe (2a’) eine Fassadenaußenseite und mindestens eine
Außenfläche (2b) einer Glasscheibe (2b’) eine Fassadeninnen-
seite bildet, wobei die Glasscheiben (2) über mindestens einen
Abstandshalter (3) verbunden sind und mindestens einen Hohl-
raum (4) zwischen den Glasscheiben (2) bilden, wobei eine Trag-
konstruktion (11) mit Halterungen (12) für die Isolierverglasung (1)
vorgesehen ist, dadurch gekennzeichnet, dass die Halterun-
gen (12) ausschließlich und unmittelbar an der mindestens einen,
die Fassadeninnenseite bildenden Glasscheibe (2b) angreifen und
mindestens ein Stützelement (5, 10) vorgesehen ist, welches aus-
schließlich über die Isolierverglasung (1) mit der Tragkonstruktion
verbunden ist, welches zumindest die mindestens eine auf der
Fassadenaußenseite angeordnete Glasscheibe (2a) unterstützt,
wobei das Stützelement (5, 10) die Fassadenaußenseite bildende
Glasscheibe (2a) und die Fassadeninnenseite bildende Glas-
scheibe (2b) zumindest teilweise umgreift, indem das mindestens
eine Stützelement (5, 10) mindestens ein längliches Verbindungs-
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element (10) aufweist, das die Isolierverglasung (1) im Bereich ei-
ner Ecke in einer geschlossenen Bahn umläuft.
Hieran schließen sich die rückbezogenen Unteransprüche 2 bis 17 an, zu deren
Wortlaut auf den Akteninhalt verwiesen wird.
Nach der in Abs. [0005] der Patenschrift angegebenen Aufgabe der Erfindung
sollen Isolierverglasungen, vorzugsweise für Glasfassaden, derart gestaltet wer-
den, dass unter Einhaltung aller sicherheitsrelevanten Anforderungen optisch stö-
rende Rahmen und Haltevorrichtungen weitestgehend vermieden werden.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
1.
Das Bundespatentgericht ist für die Entscheidung über den vorliegenden Ein-
spruch nach § 147 Abs. 3 PatG in der bis zum 30. Juni 2006 geltenden Fassung
zuständig geworden und auch nach der ab 1. Juli 2006 in Kraft getretenen Fas-
sung des § 147 Abs. 3 PatG gemäß dem Grundsatz der perpetuatio fori zuständig
geblieben (vgl. hierzu BGH GRUR 2007, 859, 861 f. - Informationsübermittlungs-
verfahren I; BGH GRUR 2007, 862 f. - Informationsübermittlungsverfahren II; BGH
X ZB 6/08 - Ventilsteuerung, Urteil vom 6. Dezember 2008).
2.
Der form- und fristgerecht erhobenen Einspruch ist substantiiert, auf Wider-
rufsgründe gem. § 21 PatG gegründet und daher zulässig.
3.
Der geltende Patentanspruch 1 ist zulässig.
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Der geltende Patentanspruch 1 ergibt sich aus den erteilten Patentansprüchen 1
und 2. Unzulässige Erweiterungen sind von der Einsprechenden auch nicht gel-
tend gemacht worden.
4.
Der Durchschnittsfachmann ist vorliegend ein Bauingenieur mit mehrjähriger
Erfahrung auf dem Gebiet der Fassaden- und Fensterkonstruktion sowie deren
Fertigung.
5.
Auf den Einspruch ist das Patent beschränkt aufrecht zu erhalten, weil der
Gegenstand des nunmehr geltenden Patentanspruchs 1 gegenüber dem ange-
führten Stand der Technik patentfähig ist.
5.1
Der zweifellos gewerblich anwendbare Gegenstand des geltenden Patentan-
spruchs 1 ist gegenüber dem aufgezeigten Stand der Technik neu, da keine der
entgegengehaltenen Druckschriften einen Gegenstand mit sämtlichen Merkmalen
des geltenden Patentanspruchs 1 zeigt. Entgegen der Auffassung der Einspre-
chenden trifft dies auch auf den Stand der Technik nach der D11 zu, da die D11
zwar Stützelemente mit länglichen Verbindungselementen (Zugstäbe 8) zeigt;
diese umlaufen aber die Isolierverglasung nicht im Bereich der Ecken in geschlos-
senen Bahnen, sondern sind offensichtlich zwischen oberen und unteren Anker-
stücken 11 im Abstandshalterrahmen 2 der Isolierverglasung angeordnet (vgl. Fi-
guren 1 und 2).
5.2
Der Gegenstand des geltenden Patentanspruchs 1 beruht auch auf einer
erfinderischen Tätigkeit.
Der wesentliche Erfindungsgedanke ist darin zu sehen, dass ein längliches Ver-
bindungselement, das nach Patentspruch 2 ein Drahtelement aus Metall und /oder
Kunststoff ist, den Eckbereich einer Isolierglasscheibe in einer geschlossenen
Bahn, die nach Patentanspruch 3 zumindest teilweise durch eine Nut gebildet
wird, umläuft (vgl. insb. Fig. 8 und 8a der PS).
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Die Isolierverglasung nach der D11 kommt nach Auffassung des Senats dem Ge-
genstand nach dem geltenden Patentanspruch 1 am nächsten, was offenbar die
Einsprechende ebenfalls so sieht, da sie in der mündlichen Verhandlung in Bezug
auf fehlende Neuheit und erfinderische Tätigkeit ausschließlich die D11 herange-
zogen hat.
Die D11 zeigt in den Figuren 1 und 2 eine Isolierverglasung 1 mit Haltesystem, die
für eine Glasfassade vorgesehen ist.
Die bekannte Isolierverglasung 1 weist mindestens 2 Glasscheiben 4, 5 auf. Die
Außenfläche der Glasscheibe 4 bildet die Fassadenaußenseite und die Außenflä-
che der Glasscheibe 5 bildet die Fassadeninnenseite. Die Glasscheiben 4, 5 sind
über mindestens einen Abstandshalter 2 verbunden und bilden einen Hohlraum
zwischen den Glasscheiben 4, 5.
Das Haltesystem besteht aus einer Tragkonstruktion, die mit an der Isoliervergla-
sung vorgesehenen Halterungen 6 verbindbar ist. Die Halterungen 6 greifen aus-
schließlich und unmittelbar an der die Fassadeninnenseite bildenden Glasschei-
be 5 an.
Mindestens ein Stützelement (Zuganker 7) ist ausschließlich über die Isolierver-
glasung 1 mit der Tragkonstruktion verbunden und unterstützt die auf der Fassa-
denaußenseite angeordnete Glasscheibe 4.
Das Stützelement 7 umgreift, wie in Fig. 1 und 2 dargestellt, die Fassadenaußen-
seite bildende Glasscheibe 4 und die Fassadeninnenseite bildende Glasscheibe 5
zumindest teilweise.
Das Stützelement, der Zuganker 7 nach der D11, ist zwar ein längliches Verbin-
dungselement; es umläuft aber die Isolierverglasung nicht im Bereich einer Ecke
in einer geschlossenen Bahn, sondern dort erfolgt die Unterstützung der die Fas-
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sadenaußenseite bildenden Glasscheibe 4 über diagonal verlaufende Zugstäbe 8
und über die Glasscheiben 4, 5 teilweise übergreifende Ankerstücke 11 (vgl.
Fig. 1, 2 u. Abs. [0011]).
Bei der Isolierverglasung nach dem geltenden Patenanspruch 1 dagegen ist eine
Unterstützung der die Fassadenaußenseite bildende Glasscheibe im Eckbereich
der Isolierverglasung vorgesehen und zwar durch längliche Verbindungselemente,
die die Isolierverglasung im Bereich der Ecken in geschlossenen Bahnen umlau-
fen (vgl. insb. Fig. 8, 8a u. Abs. [0010], [0011] der PS).
Hinweise hierzu sind der D11 nicht zu entnehmen, weil die Unterstützung der die
Fassadenaußenseite bildenden Glasscheibe durch eine Konstruktion mit Zugstä-
ben erfolgt und die D11 somit, wie auch oben dargelegt, eine andere technische
Lösung für die Unterstützung von die Fassadenaußenseite bildenden Glasschei-
ben vermittelt.
Die weiteren im Verfahren befindlichen Druckschriften (D1 bis D10) wurden zum
Gegenstand der geltenden Patentansprüche in der mündlichen Verhandlung nicht
mehr aufgegriffen und die Prüfung dieser Druckschriften durch den Senat hat er-
geben, dass die dort beschriebenen Isolierverglasungen schon mangels eines
länglichen Verbindungselements keine Anregungen auf die Lehre des Patents ge-
ben können.
Der geltende Patentanspruch 1 ist somit gewährbar.
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5. Mit der Gewährbarkeit des geltenden Patentanspruchs 1 sind auch die auf
nicht platt selbstverständliche Ausgestaltungen des Patengegenstandes gerichte-
ten Unteransprüche 2 bis 17 gewährbar.
Dr. Lischke
Guth
Ganzenmüller
Küest
Cl