Urteil des BPatG vom 13.12.2006

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BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 100/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 303 04 768
BPatG 152
08.05
- 2 -
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter
Mitwirkung …
in der Sitzung vom 13. Dezember 2006
beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die am 3.
Februar
2003 angemeldete und am 24.
Februar
2003 in das
Markenregister eingetragene Wortmarke 303
04
768 (veröffentlicht am
28. März 2003)
Chocino
genießt (nach Teillöschungen im April 2003 und im September 2003) Schutz für
folgende Waren der Klasse 30:
„Schokolade, Pralinen, Marzipan, Zuckerwaren, Bonbons, Gummi-
süßwaren, Schaumzuckerwaren, Lakritz, geröstete Nüsse in
Schokoladenhülle und dragiert, Rosinen in Schokoladenhülle“.
Widerspruch erhoben hat die Inhaberin zweier prioritätsälterer Marken. Hierbei
handelt es sich um
1. die am 25. November 1992 international registrierte Wortmarke IR 595 254
(Widerspruchsverfahren abgeschlossen am 21. Mai 1997)
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CHOCOCINO
geschützt für Waren der Klassen 29, 30 und 32, nämlich für
„Boissons à base de lait contenant du chocolat; Cacao et
préparations à base de cacao, chocolat et préparations à base de
chocolat; boissons à base de cacao et/ou de chocolat; sirops de
chocolat; Extraits et essences pour faire des boissons non
alcooliques contenant du chocolat“;
2. die am 12. Januar 1993 eingetragene Wortmarke 2 027 860 (Widerspruchs-
verfahren abgeschlossen am 24. Januar 1997)
Chococino
registriert für Waren der Klassen 5, 30 und 32, nämlich für
„Kaffee, Tee und Kräutertee; Kakao; Schokolade, Schokolade-
waren; Pralinen und Kaugummi; Kaffeegetränke, Teegetränke,
Kakaogetränke, koffeinhaltige, teehaltige und kakaohaltige Ge-
tränke; kakaohaltige und schokoladehaltige Getränkepulver; Trink-
schokolade; Nuß-Nougat-Creme, Kakao- und Nußpasten; Vita-
mine und Spurenelemente in Form von Brausepulver, Brause-
tabletten und Kaubonbons (auch ohne Zucker); Kräuterbonbons
und andere Zuckerwaren; Nudeln, Makkaroni und andere Teigwa-
ren; Hefe, Speisesalz, Essig; Zucker, Fruchtzucker, Invertzucker,
Traubenzucker und Honig; Grieß, Leinsamen, Trockenfrüchte;
Speiseeis, Speiseeispulver; Schokoladen-Sirup; alle vorgenannten
Waren, soweit, auch in Instantform“.
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Die Widersprüche richten sich gegen alle Waren der jüngeren Marke und werden
auf alle Waren der Widerspruchsmarken gestützt.
Die mit einem Beamten des gehobenen Dienstes besetzte Markenstelle für
Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat in einem ersten Beschluss
vom 29. Juni 2004 die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet. Zwischen
den Widerspruchsmarken und der jüngeren Marke bestehe eine klangliche
Verwechslungsgefahr.
Im Erinnerungsverfahren hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom
28. Oktober 2004 die Nichtbenutzungseinrede für alle Widerspruchswaren mit
Ausnahme von „kakaohaltige Getränkepulver“ erhoben.
Mit Beschluss vom 31. Oktober 2005 hat die Markenstelle die Erinnerung der Mar-
keninhaberin zurückgewiesen. Auch nach der Auffassung des Erinnerungsprüfers
bestehe zwischen den Vergleichsmarken eine klangliche Verwechslungsgefahr.
Dies gelte selbst dann, wenn man eine Kennzeichnungsschwäche der Wider-
spruchsmarken und nur eine entfernte Warenähnlichkeit annehmen würde.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie
hat schriftsätzlich (sinngemäß) beantragt,
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom
29. Juni 2004 und vom 31. August 2005 aufzuheben und die Wi-
dersprüche zurückzuweisen.
Unter Bezugnahme auf ihr Vorbringen im Amtsverfahren vertritt die Markeninha-
berin weiterhin die Auffassung, zwischen den Marken bestehe keine Verwechs-
lungsgefahr. Insbesondere aufgrund der unterschiedlichen Silbenzahl und der di-
vergierenden Vokalfolge seien die Marken klanglich nicht zu verwechseln.
- 5 -
Die Widersprechende, die im Amtsverfahren von einer klanglichen Verwechs-
lungsgefahr ausgegangen ist, hat sich im Beschwerdeverfahren zur Sache nicht
eingelassen.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Markeninhaberin ist nicht begründet, weil die jünge-
re Marke im Verhältnis zu beiden Widerspruchsmarken der Gefahr einer Ver-
wechslung im Verkehr unterliegt (gemäß § 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 107,
§ 116 MarkenG).
a) Die seitens der Markeninhaberin im Erinnerungsverfahren mit Schriftsatz
vom 28. Oktober 2004 abgegebene Erklärung, eine Benutzung der Widerspruchs-
marken werde für alle Waren mit Ausnahme von „kakaohaltige Getränkepulver“
bestritten, ist als zulässige Erhebung der beiden Nichtbenutzungseinreden gemäß
§ 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 MarkenG zu verstehen. Die Widersprechende traf daher
die Obliegenheit, eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Widerspruchsmarken in
den maßgeblichen Benutzungszeiträumen gemäß § 43 Abs. 1 Satz 1 und 2 Mar-
kenG - aufgrund der Veröffentlichung der angegriffenen Marke am 28. März 2003
vom 27.
März
1998 bis 27.
März
2003 und von Dezember
2001 bis
Dezember 2006 - für die übrigen Widerspruchswaren glaubhaft zu machen. Nach-
dem sie dem nicht nachgekommen ist, können in diesem Verfahren als Wider-
spruchswaren nur „kakaohaltige Getränkepulver“ berücksichtigt werden.
b)
Die Frage der Verwechslungsgefahr ist nach der Rechtsprechung des EuGH
und des BGH unter Beachtung aller Umstände des Einzelfalls zu beurteilen. Von
maßgeblicher Bedeutung sind insoweit die Identität oder Ähnlichkeit der zum
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Vergleich stehenden Marken sowie der von den Marken erfassten Waren (oder
Dienstleistungen). Darüber hinaus ist die Kennzeichnungskraft der älteren Marke
und - davon abhängig - der dieser im Einzelfall zukommende Schutzumfang in die
Betrachtung mit einzubeziehen. Dabei impliziert der Begriff der Verwechslungs-
gefahr eine gewisse Wechselwirkung zwischen den genannten Faktoren (vgl.
EuGH GRUR 1998, 387, 389 (Nr. 22) - Sabèl/Puma; GRUR Int. 2000, 899, 901
(Nr. 40) - Marca/Adidas; GRUR 2006, 237, 238 (Nr. 18 f.) - PICASSO; BGH
GRUR
2000, 506, 508 -
ATTACHE/TISSERAND; GRUR
2001, 507, 508
- EVIAN/REVIAN; GRUR 2002, 626, 627 - IMS; GRUR 2004, 865, 866 - Mustang;
GRUR 2005, 513, 514 - MEY/Ella May; GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz).
Kakaohaltige Getränkepulver bzw. boissons à base de cacao sind mit den Waren
der jüngeren Marke teilweise durchschnittlich ähnlich (mit Schokolade, Pralinen,
Marzipan, Zuckerwaren, Bonbons, gerösteten Nüssen in Schokoladenhülle und
dragiert, Rosinen in Schokoladenhülle, vgl. Richter/Stoppel, Die Ähnlichkeit von
Waren und Dienstleistungen, 13. Aufl., S. 148 f. zum Verhältnis von Kakaopro-
dukten), teilweise jedoch nur entfernt ähnlich (mit Gummisüßwaren, Schaum-
zuckerwaren, Lakritz).
Die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken ist von Haus aus wegen ihres
beschreibenden Anklangs am Wortanfang leicht unterdurchschnittlich. Den beiden
ersten Silben („CHOCO“ bzw. „Choco“) entnimmt der Verkehr einen Hinweis auf
die Geschmacksrichtung des kakaohaltigen Getränkepulvers, der durch die beiden
Endsilben nicht völlig untergeht. Diese Kennzeichnungsschwäche ist jedoch
aufgrund intensiver Benutzung zumindest kompensiert, so dass von einer durch-
schnittlichen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken auszugehen ist. Aus
der von der Widersprechenden im Amtsverfahren vorgelegten eidesstattlichen
Versicherung vom 4. September 2003 ergibt sich, dass die Widersprechende in
Deutschland unter der Marke „CHOCOCINO“ von 1996 bis einschließlich 2002 pro
Jahr jeweils mehr als 1 Million Packungen Kakao-Getränkepulver abgesetzt hat.
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Zwischen den Vergleichsmarken besteht jedenfalls in klanglicher Hinsicht eine er-
hebliche Ähnlichkeit. Die angegriffene Marke stimmt mit den Widerspruchsmarken
in der ersten und den beiden letzten Silben überein. Den Unterschied in der
Wortmitte wird der Verkehr vor allem unter ungünstigen Übermittlungsbedingun-
gen, etwa bei telefonischen Bestellungen, leicht überhören. Die klanglich ab-
weichende Mittelsilbe fügt sich ins Gesamtklangbild der Vergleichsmarken ein und
sticht nicht besonders heraus. Das Weglassen dieser Silbe bei der Benennung der
jüngeren Marke fällt daher nicht auf.
Die Gesamtabwägung von (mittlerer bis entfernter) Warenähnlichkeit, durch-
schnittlichem Schutzumfang der Widerspruchsmarken und erheblicher phone-
tischer Markenähnlichkeit ergibt, dass eine Gefahr von Verwechslungen nicht aus-
zuschließen ist.
Gründe für eine Auferlegung von Verfahrenskosten (gemäß § 71 Abs. 1 MarkenG)
sind nicht ersichtlich.
gez.
Unterschriften