Urteil des BPatG vom 09.01.2007

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BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 328/04
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
9. Januar 2007
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
gegen das Patent 198 34 095
BPatG 154
08.05
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hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 9. Januar 2007 unter Mitwirkung …
beschlossen:
Nach Prüfung des Einspruchs wird das Patent mit der Maßgabe
beschränkt aufrecht erhalten, dass der erteilte Anspruch 1 durch
die Merkmale des Anspruchs 3 ergänzt wird.
G r ü n d e
I
Auf die am 29. Juli 1998 beim Patentamt eingereichte Patentanmeldung ist das
nachgesuchte Patent 198 34 095 mit der Bezeichnung „Verfahren zur Wartung
und Funktionsprüfung eines Feuerlöschers“ erteilt worden. Die Veröffentlichung
der Erteilung ist am 18. März 2004 erfolgt.
Gegen das Patent ist Einspruch erhoben worden. Dem Einspruchsverfahren lie-
gen die erteilten Patentansprüche 1 bis 3 zugrunde.
Die Einsprechende hat in ihrem Einspruchsschriftsatz zum Stand der Technik auf
die Druckschrift
E1:
DIN-Norm
14406
Teil
4,
Dezember
1984, einschließlich Beiblatt 1 zu
DIN 14406 vom August 1986
verwiesen. Im Prüfungsverfahren ist außerdem die
- 3 -
US 2 112 924
in Betracht gezogen worden.
Die Einsprechende führt zur Begründung ihres Einspruchs aus, dass das Verfah-
ren nach dem erteilten Patentanspruch 1 angesichts des aus der Entgegenhal-
tung E1 Bekannten nicht mehr neu bzw. nicht erfinderisch sei. Das Merkmal des
erteilten Patentanspruchs 2 sei mangels Technizität dem Patentschutz nicht zu-
gänglich. Die Weiterbildung des patentgemäßen Verfahrens durch das Merkmal
des erteilten Patentanspruchs 3 sei durch die E1 nahegelegt.
Die Einsprechende beantragt,
das Patent zu widerrufen.
Der Patentinhaber beantragt,
das Patent in der erteilten Fassung aufrecht zu erhalten, hilfsweise
Patentanspruch 1 unter Hinzunahme des Merkmals des Patentan-
spruchs 3 (Hilfsantrag 1), weiterhin hilfsweise Patentanspruch 1
unter Hinzunahme der Merkmale der Patentansprüche 2 und 3
(Hilfsantrag 2 ).
Der Patentinhaber vertritt die Auffassung, dass das Verfahren nach dem erteilten
Patentanspruch 1 gegenüber der E1 neu sei und auf einer erfinderischen Tätigkeit
des zuständigen Fachmanns beruhe. Entsprechendes gelte für die Patentansprü-
che 1 gemäß den beiden Hilfsanträgen.
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Der erteilte, nach Merkmalen gegliederte Patentanspruch 1 lautet:
M1
Deckel aufweisenden Feuerlöschers,
M2
M3
M4
und Korrosion erfolgt,
M5
M6
Löschmittel eingefüllt
M7
dadurch gekennzeichnet,
M8
M1
M9
spruchs 3 anschließt, welches lautet:
M9
schers platziert wird.
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M1
M9
des erteilten Patentanspruchs 2 anschließt, welches nach Berichtigung eines of-
fensichtlichen Schreibfehlers lautet:
M10
bracht wird, der in seiner Farbgebung der Farbe einer Prüf-
plakette entspricht, die nach Verschließen des Deckels auf
der Außenseite des Feuerlöschers aufgebracht wird.
Hinsichtlich weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
Die Zuständigkeit des Bundespatentgerichts für die Entscheidung über den Ein-
spruch ergibt sich aus § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG in der bis einschließlich
30. Juni 2006 gültigen Fassung, da vorliegend die Einspruchsfrist nach dem
1. Januar 2002 zu laufen begonnen hat, der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 ein-
gelegt worden ist und das Bundespatentgericht auch nach Ablauf der befristeten
Zuständigkeitsregelung des § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 PatG durch das „Gesetz zur
Änderung des patentrechtlichen Einspruchverfahrens und des Patentkostenge-
setzes“ vom 26. Juni 2006 (BGBl 2006, Teil I, Seite 1318) mangels einer aus-
drücklich entgegenstehenden Regelung für die in dem bezeichneten befristeten
Zeitraum zugewiesenen Einspruchsverfahren nach dem allgemeinen Rechts-
grundsatz der fortwirkenden Zuständigkeit („perpetua fori“) zuständig bleibt (vgl.
hierzu ausführlich BPatG Beschl. v. 19. Oktober 2006 - 23 W (pat) 327/04).
Der form- und fristgerecht erhobene Einspruch ist zulässig, denn die für die Beur-
teilung des behaupteten Widerrufsgrundes maßgeblichen tatsächlichen Umstände
sind von der Einsprechenden innerhalb der gesetzlichen Frist im Einzelnen so
dargelegt worden, dass der Patentinhaber und der Senat daraus abschließende
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Folgerungen für das Vorliegen bzw. Nichtvorliegen eines Widerrufsgrundes ohne
eigene Ermittlungen ziehen können.
Die Zulässigkeit des Einspruchs ist vom Patentinhaber im Übrigen nicht bestritten
worden.
Der Einspruch ist auch insofern begründet, als er nach dem Ergebnis der mündli-
chen Verhandlung zur beschränkten Aufrechterhaltung des angegriffenen Patents
führt.
1)
reichten Patentansprüche 1 und 2. Er ist von daher zulässig. Die erteilten Patent-
ansprüche 2 und 3 entsprechen - in dieser Reihenfolge - den ursprünglichen Un-
teransprüchen 3 und 6. Sie sind deshalb ebenfalls zulässig. Demzufolge sind auch
die durch die Merkmale des erteilten Patentanspruchs 3 bzw. durch die Merkmale
der erteilten Patentansprüche 2 und 3 ergänzten Patentansprüche 1 gemäß Hilfs-
anträgen 1 und 2 zulässig.
2)
nes Feuerlöschers nach dem Oberbegriff des erteilten Patentanspruch 1 (Streit-
patentschrift Absatz [0001]).
Wie in der Streitpatentschrift ausgeführt wird, ist es nach den gesetzlichen Be-
stimmungen vorgeschrieben, dass bei einer Wartung und Funktionsprüfung eines
Feuerlöschers das Löschmittel aus dem Behälter entfernt und danach eine Prü-
fung des Innenraums auf Beschädigungen und Korrosion zu erfolgen hat (Ab-
satz [0002]). Um den mit der ordnungsgemäßen Überprüfung und Wartung ver-
bundenen Aufwand zu umgehen, werde häufig in betrügerischer Absicht der Prüf-
nachweis am Feuerlöscher angebracht, ohne dass die dadurch dokumentierten
Maßnahmen tatsächlich durchgeführt wurden. Eine Kontrolle hierüber sei bislang
nicht möglich, so dass im Falle des Funktionsversagens des Feuerlöschers nicht
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feststellbar sei, ob dieser ordnungsgemäß gewartet und geprüft wurde (Ab-
satz [0005]).
Dem Streitpatent liegt deshalb die Aufgabe zugrunde, ein Verfahren der gattungs-
gemäßen Art so zu entwickeln, dass die Gefahr eines Nichtfunktionierens des
Feuerlöschers aufgrund mangelhafter Wartung, beispielsweise Funktionsprüfung
gemindert wird ( Absatz [0008]).
3)
Patentanspruch 1 mag zwar als neu gelten, es beruht jedoch nicht auf einer erfin-
derischen Tätigkeit des zuständigen Fachmanns, der hier als ein mit der Fertigung
sowie der Wartung und Funktionsprüfung von Feuerlöschern befasster, berufser-
fahrener Handwerksmeister mit entsprechenden Kenntnissen der jeweiligen ge-
setzlichen Bestimmungen und Normen zu definieren ist.
E1
4.2.1 und 4.2.3 sowie die Tabelle 1 der DIN 14 406 sowie den Abschnitt 4 des
Beiblatts, Seite 4, linke und rechte obere Spalte) ist ein Verfahren bekannt, von
dem sich der Streitpatentgegenstand gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 al-
M6
trifft ein Verfahren zur Wartung und Funktionsprüfung eines Feuerlöschers, der -
um eine der Norm entsprechende Sichtprüfung des Innenraums des Löschmittel-
behälters durchführen zu können - notwendigerweise einen Deckel aufweisen
M1
M3
teren ist bei diesem Stand der Technik vorgesehen, den Innenraum des Lösch-
mittelbehälters auf Beschädigung und Korrosion hin zu prüfen (Sichtprüfung)
M4
M7
- 8 -
E1
sowie die Seite 4 des Beiblatts, rechte obere Spalte) soll mittels der Prüfmarkie-
rung im Innern des Löschmittelbehälters in Form einer Aufschrift dauerhaft ange-
geben sein, wann und von wem der Behälter geöffnet worden ist. Entgegen der in
der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung des Patentinhabers stellt
E1
M8
M6
Beiblatt Seite 4, rechte obere Spalte) angegeben, dass die besagte Prüfmarkie-
rung beispielsweise auf dem Steigrohr des Feuerlöschers angebracht werden
kann. Das Steigrohr taucht bei einem ordnungsgemäß befüllten Feuerlöscher so
weit in das Löschmittel ein, dass dieses im Einsatzfall möglichst vollständig freige-
setzt werden kann. Demzufolge wird die vom Fachmann bei der Überprüfung des
Feuerlöschers an beliebiger Stelle auf dem Steigrohr angebrachte Prüfmarkierung
mit einer gewissen Häufigkeit oberhalb oder unterhalb des Löschmittelpegels zu
M6
E1
heit des beanspruchten Verfahrens, nicht jedoch dessen erfinderische Tätigkeit
begründet werden.
Denn es kann nichts Erfinderisches darin gesehen werden, bei zwei vorhandenen,
letztendlich aber völlig gleichwertigen Alternativen sich für eine der beiden (hier:
Farbmarkierung unterhalb des Löschmittelpegels) zu entscheiden. Dies hat im
Übrigen auch schon der Patentinhaber zum Ausdruck gebracht, indem er das in
M6
siedelt und demnach von sich aus schon dem Stand der Technik zugeordnet hat.
Das Verfahren gemäß dem erteilten Patentanspruch 1 wird dem zuständigen
E1
gelegt. Der erteilte Patentanspruch 1 hat demnach keinen Bestand.
- 9 -
4)
Ergebnis der mündlichen Verhandlung Patentierungshindernisse nicht entgegen.
E1
M9
des Feuerlöschers zu platzieren, noch vermag diese Druckschrift dem zuständi-
gen Fachmann eine solche Maßnahme nahezulegen.
E1
lehrt , die Prüfmarkierung beispielsweise auf dem Steigrohr eines Feuerlöschers
anzubringen. Wie der Patentinhaber in der mündlichen Verhandlung anhand eines
Originallöschers sowie anhand eines Plexiglasmodells überzeugend dargelegt hat,
bietet sich dem Fachmann eine solche Vorgehensweise unmittelbar an. Denn
M2
mit der Druckgaspatrone befestigte Steigrohr aus der Öffnung des Löschers he-
rausgezogen und kann, nachdem es von Löschmitteresten gereinigt worden ist,
leicht mit einer Prüfmarkierung versehen werden.
Eine Anregung, die Prüfmarkierung statt dessen auf dem Boden des Löschmittel-
behälters anzubringen, wie dies insoweit im Patentanspruch 1 nach Hilfsantrag 1
E1
des bei geöffnetem Deckel problemlos zugänglichen Steigrohres müsste nun
durch die vergleichsweise enge Öffnung hindurch der Boden des Löschmittelbe-
hälters erreicht werden. Hierfür ist ein vom Patentinhaber entworfenes, in der
mündlichen Verhandlung präsentiertes Werkzeug in Form eines Verlängerungs-
stabes erforderlich, an dessen Ende sich ein zweckmäßiger wasserfester Markie-
rungsstift befindet. Ein Hinweis, dass ein derartiges Werkzeug benutzt werden
E1
E1
trag 1 beanspruchten Verfahren nicht neuheitsschädlich entgegen und legt es dem
zuständigen Fachmann auch nicht nahe.
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Der übrige im Verfahren befindliche Stand der Technik gemäß der US 2 112 924
liegt, wie der Senat überprüft hat, vom Gegenstand des Patentanspruchs 1 nach
Hilfsantrag 1 noch weiter ab. Er hat in der mündlichen Verhandlung von daher
auch keine Rolle gespielt.
5)
teranspruch 2 betrifft eine vorteilhafte und nicht selbstverständliche Weiterbildung
des beanspruchten Gegenstandes. Der im schriftlichen Verfahren geäußerten
Auffassung der Einsprechenden, das Merkmal dieses Anspruchs sei mangels
Technizität dem Patentschutz nicht zugänglich, vermag sich der Senat nicht anzu-
schließen.
Denn der geltende Unteranspruch 2 lehrt, die Prüfmarkierung mittels eines Farb-
stiftes aufzubringen, der in seiner Farbgebung der Farbe jener Prüfmarkierung
entspricht, die nach dem Verschließen des Deckels auf der Außenseite des Feu-
erlöschers angebracht wird. Das solchermaßen gekennzeichnete Verfahren stellt
damit als konstruktive Ausgestaltung, anders als die damit verbundene Informati-
onsvermittlung als solche (vgl. Kraßer, Patentrecht, 3. Auflage § 12 Seiten 143 bis
144, Schulte, Patentgesetz, 7. Auflage zu § 1 Abs. 2 Nr. 4 PatG unter § 1
Rdn. 181) zweifelsfrei eine Lehre zum planmäßigen Handeln (Auswahl der Farbe
der Prüfmarkierung) unter Einsatz beherrschbarer Naturkräfte (Aufbringung dieser
Farbe) zur Erreichung eines kausal übersehbaren Erfolges (Übereinstimmung der
Farben) dar - und nicht eine nach § 1 Abs. 3 Nr. 4 n. F. vom Patentschutz ausge-
schlossene, an den menschlichen Verstand gerichtete Wiedergabe von Informa-
tion - und ist somit nach ständiger Rechtsprechung als technisch einzustufen (vgl.
BGH GRUR 1969, 672, Ls a) - „Rote Taube“).
Deshalb ist der erteilte Patentanspruch 2 zusammen mit dem Patentanspruch 1
nach Hilfsantrag 1 bestandsfähig.
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6)
Patentansprüche 1 und 2 gemäß Hilfsantrag 1 beschränkt aufrecht zu erhalten.
Einer Beurteilung der Schutzfähigkeit des Verfahrens nach Patentanspruch 1 ge-
mäß dem nachrangigen Hilfsantrag 2 bedurfte es somit nicht.
gez.
Unterschriften