Urteil des BPatG vom 30.04.2002

BPatG: beschreibende angabe, harmonisierungsamt für den binnenmarkt, form der ware, unterscheidungskraft, gestaltung, mitbewerber, mundpflegemittel, freihaltebedürfnis, verkehr, bildzeichen

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 170/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
30. April 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die IR-Marke 663 533
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 30. April 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Dr. Ströbele sowie des Richters Dr. Hacker und der Richterin Kirschneck
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 154
6.70
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G r ü n d e :
I.
Für die unter der Nummer 663 533 international registrierte Marke
sihe Abb. 1 am Ende
wird um Schutz in der Bundesrepublik Deutschland nachgesucht. Das Warenver-
zeichnis lautet:
"Dentifrices; produits pour les soins de la bouche, non à
usage médical".
Die Markenstelle für Klasse 3 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Marke wegen fehlender Unterscheidungskraft und im Hinblick auf ein Freihaltebe-
dürfnis der Mitbewerber beanstandet und ihr sodann den Schutz mit zwei
Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungsverfahren ergangen ist, wegen feh-
lender Unterscheidungskraft verweigert. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß
es sich bei der schutzsuchenden Marke um die weitgehend naturgetreue Abbil-
dung eines aus der Tube gedrückten Zahngelstranges mit punktförmigen Farbein-
schlüssen auf einem Zahnbürstenkopf handle. Die Farbgestaltung halte sich in
dem auf dem fraglichen Warengebiet üblichen Rahmen. Die angesprochenen Ver-
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kehrskreise würden die Darstellung daher als beschreibenden Hinweis auffassen
und sie nicht einem bestimmten Unternehmen zuordnen.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Markeninhaberin. Sie
macht geltend, daß die schutzsuchende Marke ein außergewöhnliches Zahngel
zeige. Dieses weise eine grüne Färbung mit grünen Punkten auf. Die Sprenkel
seien besonders auffallend, da es vergleichbare Gestaltungen auf dem Markt nicht
gebe. Insoweit bestehe auch kein Freihaltebedürfnis der Mitbewerber. Diese seien
nicht auf eine identische Gestaltung angewiesen. Darüber hinaus sei das eine
Ende des abgebildeten Zahnpastastranges abgerundet, während das andere spitz
zusammenlaufend und nach oben gebogen dargestellt sei. Es handele sich daher
nicht um eine weitgehend naturgetreue, sondern um eine stilisierte Abbildung. Auf-
grund seiner besonderen Ausgestaltung könne der dargestellte Zahnpastastrang
vom Verkehr einem bestimmten Hersteller zugeordnet werden. Im übrigen seien
vergleichbare Darstellungen sowohl beim Deutschen Patent- und Markenamt als
auch beim Harmonisierungsamt für den Binnenmarkt zur Eintragung gelangt.
Die Markeninhaberin beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse der Markenstelle aufzuheben.
In der mündlichen Verhandlung hat der Senat darauf hingewiesen, daß als
Schutzverweigerungsgrund auch das absolute Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG in Betracht komme. Dies wurde ausführlich mit der Markeninhaberin
erörtert.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet. Die Markenstelle hat der IR-Marke
663 533 jedenfalls im Ergebnis zu Recht den Schutz in der Bundesrepublik
Deutschland verweigert, da es sich bei der Marke um ein beschreibendes Zeichen
handelt (§§ 107, 113, 37 Abs 1, § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG iVm Art 5 Abs 1 Satz 2
MMA iVm Art 6
quinquies
B Nr 2 PVÜ).
1. Die Schutzfähigkeit von Bildmarken, welche in mehr oder weniger naturge-
treuer Form die Ware abbilden, für die der Schutz beansprucht wird, ist in der
bisherigen Rechtsprechung ganz überwiegend unter dem Gesichtspunkt der
fehlenden Unterscheidungskraft beurteilt worden (vgl BGH GRUR 2001, 734
"Jeanshosentasche"; GRUR 2001, 239 "Zahnpastastrang"; GRUR 1999, 495
"Etiketten"; GRUR 1997, 527 "Autofelge"; GRUR 1995, 732 "Füllkörper";
Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl, § 8 Rn 36 mwN). Wie jedoch der
Bundesgerichtshof für dreidimensionale Warenform-Marken bereits ausgeführt
hat, stellt sich bei Marken, welche die Ware darstellen, für die Markenschutz
beansprucht wird, darüber hinaus die Frage, ob sie – ungeachtet ihrer mögli-
chen Unterscheidungskraft – wegen ihres beschreibenden Charakters einem
Freihaltebedürfnis unterliegen (vgl hierzu BGH GRUR 2001, 334, 335 ff
"Gabelstapler"; WRP 2001, 265, 268 "Stabtaschenlampen"; WRP 2001, 269,
272 "Rado-Uhr"). In beiden Fallgruppen – Waren-Bildmarke und Waren-Form-
marke – stellt sich dabei gleichermaßen die grundsätzliche Frage, ob und
inwieweit über das Markenrecht ein Monopol an der Aufmachung oder Gestal-
tung von Waren erlangt werden kann, ohne daß geprüft wird oder auch nur
geprüft werden kann, ob die Voraussetzungen der insoweit einschlägigen Son-
dergesetze, zB des GeschmMG, vorliegen, ob also das Markenrecht als ein
Schutzrecht höherer Ordnung verstanden werden kann, das alle anderen
Schutzrechte im Bereich der Gestaltung von Waren letztlich überflüssig macht
(vgl BGH GRUR 2001, 334, 337 "Gabelstapler").
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2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind vom Schutz ua solche Marken ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit oder der Bestimmung der
betreffenden Waren dienen können. Entscheidend ist somit, ob sich das Zei-
chen in bezug auf die beanspruchten Waren (oder Dienstleistungen) für eine
beschreibende Verwendung eignet (vgl BGH GRUR 1996, 770, 771 "MEGA").
Das ist hier der Fall.
a) Auszugehen ist davon, daß eine Beschreibung von Waren nicht nur durch
Worte, sondern ebenso durch Bilder erfolgen kann. So werden Waren häufig in
beschreibendem Sinn auf der Verpackung abgebildet. Auch die Warenabbil-
dungen in Katalogen dienen ausschließlich der Produktbeschreibung (vgl
BPatG BlPMZ 1998, 541, 543 "CD-Hülle"; vgl auch BPatG GRUR 2001, 737,
739 "Waschmittelflasche"). Eine solche bildliche Warenbeschreibung liegt hier
vor.
Die dem Schutzgesuch zugrundeliegende Abbildung zeigt einen pastenförmi-
gen Strang auf einem Zahnbürstenkopf, somit die von der Marke beanspruch-
ten Waren in ihrer bestimmungsgemäßen Anwendung. Daß die schutzsu-
chende Marke insoweit über eine beschreibende Angabe hinausgeht, ist nicht
ersichtlich. Die in der Marke verkörperte beschreibende Aussage betrifft glei-
chermaßen Zahnputz- und Mundpflegemittel, die beide in entsprechenden For-
men vertrieben und verwendet werden.
b) Der Pastenstrang weist eine grüne Färbung mit grünen Sprenkeln auf.
Auch diese Gestaltung führt nicht aus dem Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG heraus. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob diese oder eine ver-
gleichbare Gestaltung bereits auf dem Markt vorzufinden ist oder ob es sich
insoweit, wie die Markeninhaberin vorgetragen hat, um eine Neuigkeit handelt.
Dies könnte allenfalls bei der Beurteilung der erforderlichen Unterscheidungs-
kraft (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG) eine gewisse Bedeutung erlangen. Schon das
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erscheint freilich zweifelhaft, weil allein der Umstand, daß sich nur ein einziger
Hersteller eines bestimmten Zeichens bedient, für sich noch nicht den Schluß
rechtfertigt, daß der Verkehr in diesem Zeichen einen herkunftsindividualisie-
renden Hinweis erblickt (vgl BGH GRUR 1992, 865 "Volksbank"; GRUR 1965,
146, 148 "Rippenstreckmetall II"; GRUR 1960, 83, 85 f "Nährbier"). Das bedarf
indessen keiner Vertiefung. Denn jedenfalls im Rahmen des § 8 Abs 2 Nr 2
MarkenG ist für die Sichtweise der Markeninhaberin kein Raum. Insoweit
kommt es nur darauf an, ob die von dem Schutzgesuch erfaßten Zahnputz-
und Mundpflegemittel grün gefärbt sein sowie grüne Sprenkel aufweisen kön-
nen und sich die schutzsuchende Darstellung als bildliche Beschreibung einer
solchen Beschaffenheit eignet. Das ist ohne weiteres der Fall. Die Markeninha-
berin hat in der mündlichen Verhandlung selbst dargelegt, daß sie entspre-
chend eingefärbte Zahnputz- und Mundpflegemittel mit den dargestellten
Sprenkeln anbietet oder anbieten will. Dann aber beschreibt die dem Schutz-
gesuch zugrundeliegende Darstellung nichts anderes als eben diese Eigen-
schaft der Waren. Die etwaige Neuheit, vielleicht auch gestalterische Eigen-
tümlichkeit der dargestellten Ware mag – worüber hier nicht zu befinden ist –
für eine geschmacksmusterrechtliche Schutzfähigkeit sprechen. Für die mar-
kenrechtliche Schutzfähigkeit ist dies indessen ohne Belang (vgl BGH GRUR
2001, 56, 58 "Likörflasche"; EuG GRUR Int 2002, 75, 79 (Nr
56-58)
"Geschirrspülmitteltablette"). Der allgemeine Grundsatz, daß die bloße Neuheit
einer Marke ihrer Eignung, als beschreibende Angabe zu dienen, nicht entge-
gensteht (vgl zB BGH GRUR 1996, 770 "MEGA"; GRUR 1997, 634, 635
"Turbo II"), gilt auch für Bildzeichen der vorliegenden Art.
Die Mitbewerber der Anmelderin können auch nicht darauf verwiesen werden,
daß ihnen eine Vielzahl anderer Produktgestaltungen offenstehe. Auszugehen
ist vielmehr davon, daß es jedermann freisteht, grün eingefärbte pastenförmige
Zahnputz- und Mundpflegemittel mit grünen Sprenkeln herzustellen und anzu-
bieten, sofern dem nicht ein besonderer Produktschutz, etwa ein Geschmacks-
muster, entgegensteht. Dann aber müssen die Mitbewerber der Markeninha-
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berin auf diese Wareneigenschaften auch in bildlicher Form hinweisen können.
Dies sicherzustellen, ist der Sinn des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, der sich nicht
nur auf unersetzliche beschreibende Angaben und Zeichen beschränkt, son-
dern den Mitbewerbern den ungehinderten Zugriff auf alle zur Warenbeschrei-
bung geeigneten Bezeichnungen und Formen erhalten soll (vgl BGH GRUR
1970, 416, 418 "Turpo"; BPatG GRUR 2001, 737, 740 "Waschmittelflasche";
EuG WRP 2002, 510, 512 (Nr 27) "CARCARD"; WRP 2002, 516, 518 (Nr 27)
"TELE AID").
c) Die Markeninhaberin sieht die Schutzfähigkeit ihrer IR-Marke des weiteren
darin begründet, daß es sich nicht um die (weitgehend) naturgetreue Abbildung
eines Zahnpastastranges handele. So sei das eine Ende abgerundet, das
andere dagegen spitz zusammenlaufend und nach oben gebogen dargestellt.
Einer derart stilisierten Darstellung könne die Schutzfähigkeit nicht abgespro-
chen werden.
Auch damit kann die Markeninhaberin nicht durchdringen. Zwar hat der Bun-
desgerichtshof einer anderen stilisierten Darstellung eines Zahnpastastranges
die erforderliche Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG
zugesprochen (BGH GRUR 2001, 239 "Zahnpastastrang"). Darauf kann sich
die Markeninhaberin im vorliegenden Fall aber nicht stützen. Zum einen betrifft
das Schutzgesuch nicht einen isolierten Zahnpastastrang, sondern einen
Zahnpastastrang auf einem Zahnbürstenkopf. Zum andern geht es vorliegend
allein um den Ausschlußgrund des Freihaltebedürfnisses. Dieser aber kann
- wie schon oben 1.) ausgeführt – ungeachtet einer etwa gegebenen Unter-
scheidungskraft eingreifen (vgl BGH GRUR 2001, 334, 337 "Gabelstapler").
Die im Rahmen des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG allein erforderliche der
schutzsuchenden Marke zur beschreibenden Verwendung wird durch die
angeführten Stilisierungsmerkmale ersichtlich nicht in Frage gestellt. Denn wie
jedermann trotz dieser stilisierenden Elemente – nicht zuletzt aufgrund der
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Darstellung des Pastenstrangs auf einem Zahnbürstenkopf – erkennt, handelt
es sich um eine Abbildung, die Auskunft über die Beschaffenheit der bean-
spruchten Waren gibt bzw geben kann. Die Stilisierung ändert daran nichts.
Eine andere Beurteilung ist auch nicht deswegen gerechtfertigt, weil nach dem
Wortlaut des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nur solche Marken vom Schutz ausge-
nommen sind, die aus Zeichen bestehen, die als beschreibende
Angaben dienen können. Damit ist nämlich nicht gesagt, daß nur
Zeichen vom Schutz ausgeschlossen sind. Die Vorschrift
besagt vielmehr, daß ein Ausschlußgrund nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nicht
besteht, wenn die Marke über etwaige zur Beschreibung geeignete Elemente
hinaus weitere, nicht beschreibende Elemente aufweist. Steht daher, wie im
vorliegenden Fall, fest, daß sich ein Bildzeichen - ungeachtet etwaiger stilisie-
render Merkmale – zur Beschreibung der betreffenden Ware eignet und weist
die Marke keine weiteren, nicht beschreibenden Bestandteile (Bilder, Wörter
usw) auf, besteht sie also ausschließlich aus zur Beschreibung geeigneten Ele-
menten, so greift das Schutzhindernis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG nach sei-
nem klaren Wortlaut ein (vgl zur Unbeachtlichkeit einer Mehrdeutigkeit bei
beschreibenden Angaben auch EuG GRUR Int 2002, 596, 598 (Nr 42)
"STREAMSERVE"; WRP 2002, 510, 513 (Nr 30) "CARCARD").
Zum selben Ergebnis führt es, wenn man das Ausschließlichkeitskriterium des
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG in dem einschränkenden Sinne auslegt, wie es der
Europäische Gerichtshof im Rahmen des Art 3 Abs 1 Buchst e Markenrechts-
Richtlinie versteht. Nach dieser für die Mitgliedstaaten verbindlichen und in § 3
Abs 2 MarkenG umgesetzten Vorschrift sind einem Schutz nicht zugänglich
Zeichen, die (ua) aus der Form der Ware bestehen, die zur Eig-
nung einer technischen Wirkung erforderlich ist. Der Europäische Gerichtshof
sieht das Ausschließlichkeitskriterium in diesem Zusammenhang auch dann
als erfüllt an, wenn die technisch bedingt sind (EuGH
WRP 2002, 924, 931 (Nr 83) "Philips/Remington"; ebenso Generalanwalt
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Colomer in derselben Sache, Schlußanträge Nr 28). Da es sich bei Art 3 Abs 1
Buchst e Markenrechts-Richtlinie um einen besonderen Fall des Freihaltebe-
dürfnisses handelt, wird es geboten sein, diese Auslegung auch im Rahmen
des Art 3 Abs 1 Buchst c Markenrechts-Richtlinie zu berücksichtigen. Auch
unter diesem Gesichtspunkt vermögen daher stilisierende Darstellungsele-
mente, die den im wesentlichen beschreibenden Charakter der Marke unbe-
rührt lassen, eine Schutzfähigkeit nicht zu begründen.
d) Ein schutzbegründendes Element in dem genannten Sinne kann auch nicht
darin gesehen werden, daß die Abbildung die beanspruchte Ware auf einem
Zahnbürstenkopf darstellt. Wie bereits unter 2.)a) ausgeführt, zeigt die Marke
insoweit lediglich das Produkt in seiner bestimmungsgemäßen Anwendung,
beschreibt somit die Ware in dieser Hinsicht.
3. Auf die von der Markeninhaberin angeführten, nach ihrer Auffassung in eine
andere Richtung weisenden Eintragungen von Marken mit Zahnpastastrang-
Darstellungen kommt es schon deswegen nicht an, weil keine dieser Marken
einen Zahnpastastrang auf einem Zahnbürstenkopf zum Gegenstand hat. Im
übrigen erzeugen derartige Voreintragungen nach st Rspr keinerlei Bindungs-
wirkung (vgl etwa BGH BlPMZ 1998, 248, 249 "Today").
Die Beschwerde war daher zurückzuweisen.
Dr. Ströbele
Kirschneck
Dr. Hacker
Fa
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