Urteil des BPatG vom 28.01.2003

BPatG (benutzung, versicherung, glaubhaftmachung, marke, form, tochtergesellschaft, beschwerde, geschäftsführer, verwechslungsgefahr, handelsregisterauszug)

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 347/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Januar 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 395 27 192
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Schermer sowie die Richterin Friehe-Wich und des Richters Dr. van Raden
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Gegen die am 20.
August
1996 veröffentlichte Eintragung der Wortmarke
395 27 192
Vito
für "Schuhwaren, Kopfbedeckungen" ist Widerspruch eingelegt aus der IR-Marke
514 757
INVITO
die in Deutschland nach Abschluß des Schutzbewilligungsverfahrens seit dem
28. November 1988 für ua die Waren "vêtements, chaussures, chapellerie" ge-
schützt ist.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss eines Beamten des höheren Dienstes vom 15. September 2000, be-
richtigt durch Beschluss vom 21. Dezember 2000, den Widerspruch zurückgewie-
sen, weil die Widersprechende auf die von dem Markeninhaber gemäß §§ 116
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Abs 1, 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG zulässig erhobene Einrede der Nichtbenutzung
eine rechtserhaltende Benutzung ihrer Marke nicht hinreichend glaubhaft gemacht
habe. Hierfür sei es unabdingbar, dass aus der von der Widersprechenden einge-
reichten eidesstattlichen Versicherung die Kompetenz des Erklärenden hervorge-
he. Hieran fehle es aber, denn Herr D… habe in seiner eidesstattlichen Versi-
cherung nicht angegeben, in welcher Eigenschaft er die Erklärung abgebe.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden, mit
der sie die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und die Anordnung der Lö-
schung der angegriffenen Marke anstrebt. Sie weist darauf hin, dass sich aus dem
zugleich mit der eidesstattlichen Versicherung des Herrn
D… eingereichten Handelsregisterauszug dessen Stellung als Geschäftsfüh-
rer der deutschen Tochtergesellschaft der Widersprechenden ergebe. Ergänzend
hat die Widersprechende im Beschwerdeverfahren Verkaufslisten von 1996 bis
Januar 1997, Beschreibungen der den Artikelnummern zugeordneten Waren, das
Photo einer Filialeröffnung der deutschen Tochtergesellschaft und eine weitere ei-
desstattliche Versicherung vom 3. Juli 2001 eingereicht. Zur Begründung der Ver-
wechslungsgefahr trägt sie vor: Die Identität bzw Ähnlichkeit der mit den Ver-
gleichsmarken beanspruchten Waren verlange einen erheblichen Abstand zwi-
schen den Marken, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen; dieser sei
nicht gewahrt, denn von der normal kennzeichnungskräftigen Widerspruchsmarke
unterscheide sich die jüngere Marke lediglich durch die Vorsilbe "in", welcher der
Verkehr als Herkunftszeichen wenig Beachtung schenke.
Der Markeninhaber, der zum Verhandlungstermin nicht erschienen ist, wendet
sich gegen die Annahme einer verwechslungsbegründenden Markenähnlichkeit
und wiederholt den bereits im Widerspruchsverfahren erhobenen Nichtbenut-
zungseinwand.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten
Schriftsätze sowie deren Anlagen Bezug genommen.
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II
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache keinen Erfolg,
denn der Widerspruch ist - wenn auch nicht aus dem von der Markenstelle ange-
nommenen Grund - wegen mangelnder Glaubhaftmachung der Benutzung der Wi-
derspruchsmarke zurückzuweisen (§ 43 Abs 2 Satz 2 iVm §§ 43 Abs 1, 26 Mar-
kenG).
Die mit patentamtlichen Verfahren erhobene Nichtbenutzungseinrede des Marken-
inhabers ist gemäß §§ 116 Abs 1, 115 Abs 2, 43 Abs 1 Satz 1 MarkenG zulässig,
nachdem die Benutzungsschonfrist der Widerspruchsmarke bereits am 28. No-
vember 1993, dh fünf Jahre nach der Zustellung des Schutzbewilligungsbescheids
des Deutschen Patent- und Markenamts, abgelaufen war. Auf diese Einrede hätte
die Widersprechende nicht nur für den vor dem Zugang des Schutzbewillligungs-
bescheids liegenden Fünfjahreszeitraum, sondern nach § 43 Abs 1 Satz 2 Mar-
kenG auch für den innerhalb der letzten fünf Jahre vor der Entscheidung über den
Widerspruch liegenden Zeitraum von Januar 1998 bis Januar 2003 (vgl BGH
GRUR 1999, 995 - HONKA) glaubhaft machen müssen, dass die Widerspruchs-
marke, wie behauptet, für Bekleidungsstücke und Schuhwaren rechtserhaltend be-
nutzt worden ist. Die Voraussetzung der Glaubhaftmachung ist zumindest für den
zweiten Benutzungszeitraum nicht erfüllt.
Aus den zur Glaubhaftmachung vorzulegenden präsenten Beweismitteln im Sinne
des § 294 ZPO, zu denen neben der ausdrücklich zugelassenen eidesstattlichen
Versicherung auch Unterlagen wie Rechnungen, Preislisten, Produktaufstellun-
gen, Photographien, Kataloge gehören können, auch wenn sie den Formerforder-
nissen des Urkundsbeweises nach den §§ 415 ff ZPO nicht entsprechen, muss
sich eindeutig ergeben, in welcher Form, in welchem Zeitraum, in welchem Gebiet,
in welchem Umfang und durch wen die Benutzung erfolgt ist (vgl Althammer/Strö-
bele, Markengesetz, 6. Aufl, § 43 Rdn 42). Die zur Darlegung der Benutzung der
Widerspruchsmarke für Bekleidung und Schuhwaren wesentlichen Angaben kön-
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nen den von der Widersprechenden eingereichten Unterlagen nicht entnommen
werden. Die Produktlisten aus den Jahren 1996-1997 betreffen ebenso wie die Ar-
tikelbeschreibungen nicht den relevanten Benutzungszeitraum. In der im Be-
schwerdeverfahren eingereichten eidesstattlichen Versicherung des Herrn
van de W…, Geschäftsführer der I… GmbH, vom 3.
Juli
2001
ist zwar für das Inland ein durchschnittlicher Umsatz von etwa … DM für
Bekleidungsstücke und Schuhe angegeben, doch ist aus ihr kein Anhaltspunkt er-
sichtlich, ob und ggf wie die Widerspruchsmarke an den Waren angebracht oder
auf andere Weise zu deren Kennzeichnung benutzt worden ist. Die Benutzungs-
form ergibt sich auch nicht glaubhaft aus den im patentamtlichen Verfahren einge-
reichten 6 Photographien, die Schuhe mit der Bezeichnung "invito", teilweise in
der abgewandelten Form "in Vito" bzw "inVito", zeigen. Es erscheint schon zweifel-
haft, ob diese Abwandlung noch im Rahmen des § 26 Abs 3 MarkenG liegt. Unab-
hängig davon betreffen die Photographien jedenfalls nicht den zweiten Benut-
zungszeitraum, denn in der eidesstattlichen Versicherung des Herrn D… vom
4. Mai 1998 wird erklärt, dass die Benutzung in der aus den Photos ersichtlichen
Form in den vergangenen fünf Jahren erfolgt sei. Die geringfügige, nur ca 3 Mona-
te (Jan. - Mai 1998) betreffende Überschneidung mit dem zweiten Benutzungszeit-
raum reicht mangels jeglicher sonstiger Belege für die Benutzung der Wider-
spruchsmarke in der eingetragenen Form an Schuhwaren (und erst recht Beklei-
dung) zur Glaubhaftmachung nicht aus.
Im übrigen ist auch nicht ausreichend glaubhaft gemacht worden, dass die Wider-
spruchsmarke mit Zustimmung der Widersprechenden benutzt worden ist (§ 26
Abs 2 MarkenG). Die Widersprechende hat im patentamtlichen Verfahren behaup-
tet, die Benutzung sei im Inland durch ihre deutsche Tochtergesellschaft, die I…
GmbH, erfolgt. Damit in Widerspruch stehen die Ausführungen von
Herrn van de W… in der eidesstattlichen Versicherung vom 3. Juli 2001, wonach
die I… GmbH die 100%ige Tochtergesellschaft der -
nicht im Re-
gister eingetragenen - H… B.V. ist.
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Diesen Gesichtspunkt hätte bereits die Markenstelle der Zurückweisung des Wi-
derspruchs zugrundezulegen müssen, denn auch im patentamtlichen Verfahren
war den Glaubhaftmachungsunterlagen die Zustimmung der Widersprechenden
zur Benutzung der Marke
"INVITO" durch die I… GmbH nicht mit
der für die Glaubhaftmachung erforderlichen überwiegenden Wahrscheinlichkeit
zu entnehmen. Statt dessen ist die Markenstelle, wie die Widersprechende zu
Recht geltend macht, von dem mangelnden Nachweis der Kompetenz von
Herrn D… für die von ihm eidesstattlich versicherten Angaben ausgegangen,
obwohl aus dem beigefügten Handelsregisterauszug seine Stellung als Geschäfts-
führer ersichtlich war.
Nachdem die Beschwerde bereits wegen mangelnder Glaubhaftmachung der Be-
nutzung zurückzuweisen war, bedurfte es keiner abschließenden Entscheidung,
ob eine markenrechtlich erhebliche Verwechslungsgefahr nach § 9 Abs 1 Nr 2
MarkenG vorliegt, wie die Widersprechende nicht ganz zu Unrecht unter Hinweis
auf den ihrer Ansicht nach vergleichbaren Fall "Intecta/Tecta" (vgl BPatGE 37, 30
= GRUR 1997, 282) ausführt.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 Mar-
kenG verwiesen. Gründe, hiervon abzuweichen, sind nicht ersichtlich.
Dr. Schermer
Friehe-Wich
Dr. van Raden