Urteil des BPatG vom 28.01.2003

BPatG: ältere marke, kennzeichnungskraft, gesamteindruck, verwechslungsgefahr, verkehr, bestandteil, streitverkündung, vorname, einheit, park

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 70/01
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Januar 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 398 54 986
hat der 27. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. Januar 2003 durch die Vorsitzende Richterin
Dr. Schermer sowie die Richterin Friehe-Wich und des Richters Dr. van Raden
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Gegen die Eintragung der Marke 398 54 986
siehe Abb. 1 am Ende
für
"Badeanzüge; Badehosen; Bademäntel; Bademützen; Badesan-
dalen; Badeschuhe; Büstenhalter; Camisoles; Hemd-Höschen-
kombinationen; Korsettleibchen; Korsetts; Leibwäsche; schweiß-
aufsaugende Leibwäsche; Mieder; Bustiers; Morgenmäntel; Petti-
coats; Pyjamas; Schlafanzüge; Schlüpfer; Slips; Stirnbänder;
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Strandanzüge; Strumpfhalter; Strumpfhosen; Strümpfe; Sweater;
Trikotkleidung; Trikots; T-Shirts; Unterbekleidung; Unterhosen;
Unterwäsche; Schlüpfer; Dienstleistungen eines Modedesigners"
hat die Inhaberin der prioritätsälteren Marken 1 056 140
BOSS
eingetragen für ua
"Badezimmertextilien, nämlich Bademäntel und Handtücher; texti-
le Taschentücher; Bekleidungsstücke für Damen, Herren und Kin-
der, insbesondere Anzüge, Mäntel, Jacken, Hosen, Hemden, Re-
genmäntel, Über- und Unterbekleidungsstücke, Socken, Strümpfe,
Trikots, Pullover, Strickhemden; Schuhe und Kopfbedeckungen,
Krawatten, Handschuhe, Gürtel, Hosenträger",
und 2 036 450
siehe Abb. 2 am Ende
eingetragen für ua
"Bekleidungsstücke für Damen, Herren und Kinder; Strümpfe;
Kopfbedeckungen; Gürtel; Schals; Accessoires, nämlich Kopftü-
cher, Handtücher, Schultertücher, Einstecktücher; Krawatten;
Handschuhe; Schuhe"
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Widerspruch eingelegt.
Die Markenstelle für Klasse 25 des Deutschen Patent- und Markenamtes hat mit
Beschluss vom 19. Februar 2001 die Löschung der angegriffenen Marke angeord-
net. Zur Begründung ist ausgeführt, dass angesichts der Identität oder jedenfalls
engen Ähnlichkeit der durch die Marken erfaßten Waren und der amtsbekannt er-
höhten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken die Gefahr von Verwechs-
lungen bestehe. Die angegriffene Marke werde ebenso wie die Widerspruchsmar-
ke 2 036 450 durch das graphisch deutlich hervorgehobene Wortelement "BOSS"
geprägt. Schon deshalb liege für den Verkehr bei der Benennung der Marken die
Orientierung an diesem Bestandteil nahe. Zudem habe "BOSS" eine amtsbekann-
te gesteigerte Kennzeichnungskraft.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde des Markeninhabers, mit der
er die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses anstrebt. Zur Begründung führt
er aus: Die Markenstelle habe ihren Beschluss ausschließlich auf die allgemeinen
Grundsätze zur Beurteilung der Verwechslungsgefahr gestützt, das von ihm gel-
tend gemachte "Recht der Gleichnamigen" aber nicht berücksichtigt. Er sei be-
rechtigt, seinen bürgerlichen Namen zum Gegenstand einer Markenanmeldung zu
machen; durch die Hinzufügung seines Vornamens zum Namen habe er alles Not-
wendige getan, um eine Verwechslungsgefahr zu vermindern. Weitere Zusätze
seien angesichts der Gleichnamigkeit nicht zumutbar; ein "Rest an Verwechs-
lungsgefahr" sei zu tolerieren. Hilfsweise regt er die Zulassung der Rechtsbe-
schwerde an.
Der Markeninhaber hat seinen ursprünglichen anwaltlichen Vertretern, den Patent-
anwälten P… und B… aus J…, im Beschwerdeverfahren
den Streit verkündet und zur Begründung geltend gemacht, die Firma T…
GmbH, deren Geschäftsführer und Gesellschafter
er sei, führe vor dem Landgericht Erfurt einen Schadenersatzprozess wegen
Schlechtleistung eines Vertrags zur Entwicklung und Anmeldung der im vorliegen-
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den Verfahren angegriffenen Marke. Die Streitverkündeten sind dem Beschwerde-
verfahren auf Seiten des Markeninhabers beigetreten und beantragen ebenfalls,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben, hilfsweise, die Rechtsbeschwerde zu-
zulassen.
Die Streithelfer halten die Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarken im Hin-
blick auf den Markenbestandteil "BOSS" für geschwächt, weil 167 Marken mit die-
sem Bestandteil im deutschen Markenregister eingetragen seien. Zu Unrecht habe
die Markenstelle abweichend von dem Grundsatz, daß bei der Beurteilung der
Verwechslungsgefahr mehrteiliger Marken auf deren Gesamteindruck abzustellen
sei, eine Prägung der angegriffenen Marke durch den Familiennamen "BOSS" oh-
ne den hinzugefügten Vornamen angenommen, während der Gesamteindruck
durch die Gesamtheit der Bezeichnung bestimmt sei, bei welcher der hinzugefügte
Vorname nicht zurücktrete. Die Annahme, ein erheblicher Teil des Publikums nei-
ge dazu, die Vergleichszeichen auf den Namensbestandteil zu verkürzen, sei nicht
zutreffend. Die Rechtsbeschwerde sei zuzulassen, um zu klären, ob bei älteren
Marken von besonderer Kennzeichnungskraft abweichend von der üblichen Praxis
davon ausgegangen werden könne, dass der Verkehr sich am Familiennamen als
prägenden Bestandteil orientiere.
Die Widersprechende ist der Beschwerde entgegengetreten und beantragt, sie zu-
rückzuweisen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Einzelnen wird auf die eingereichten
Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Der Markeninhaber hat zulässig Beschwerde eingelegt (§ 66 Abs 1 MarkenG).
Auch gegen die seinen früheren anwaltlichen Vertretern gemäß §§ 72, 73 ZPO er-
klärte Streitverkündung bestehen weder unter dem Gesichtspunkt der Statthaftig-
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keit noch der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen Bedenken. Bei dem Wider-
spruchsverfahren handelt es sich um ein echtes Streitverfahren, das keine der ent-
sprechenden Anwendung der Vorschriften über die Streithilfe und die Streitverkün-
dung entgegenstehenden Besonderheiten im Sinne des § 82 Abs 1 Satz 1 Mar-
kenG aufweist (vgl BGH GRUR 1998, 940, 941 - Sanopharm). Nachdem der Mar-
keninhaber die Streitverkündung ausreichend begründet und die Widersprechende
dem Beitritt der Streithelfer auch nicht widersprochen hat, waren diese ohne weite-
res zuzulassen.
Die Beschwerde des Markeninhabers hat in der Sache keinen Erfolg; zu Recht hat
die Markenstelle die Löschung der angegriffenen Marke angeordnet, weil zwi-
schen den Vergleichsmarken die Gefahr von Verwechslungen im Sinne des §§ 42,
9 Abs 1 Nr 2 MarkenG besteht.
Die Marken sind für identische Waren bestimmt. Auch die Dienstleistungen eines
Modedesigners der jüngeren Marke liegen im engen Ähnlichkeitsbereich der Be-
kleidungsstücke der Widerspruchsmarken, denn es ist allgemein bekannt, dass
Bekleidungsstücke häufig von Modedesignern unter ihrer Marke vertrieben wer-
den, zB Benetton, Paloma Picasso, Missoni, Versace etc. Es ist daher für den Ver-
kehr im Bekleidungssektor eine Selbstverständlichkeit, die Dienstleistung des De-
signers den Waren zuzuordnen und einen gemeinsamen betrieblichen Ursprung
anzunehmen.
Den von der Widersprechenden geltend gemachten hohen Bekanntheitsgrad des
Designernamens "BOSS" für Bekleidung haben weder der Markeninhaber noch
die Streithelfer in Abrede gestellt. Die Auffassung der Streithelfer, die Kennzeich-
nungskraft der Marke "BOSS" sei durch eine Vielzahl eingetragener "BOSS"-Mar-
ken geschwächt, ist unzutreffend, weil im Bereich der hier allein zu berücksichti-
genden Warenklasse 25 praktisch alle Marken mit dem Bestandteil "BOSS" für die
Inhaberin der Widerspruchsmarken geschützt sind.
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In Anbetracht der erheblich verwechslungsfördernden Faktoren der Identität oder
engen Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen und der erhöhten Kennzeich-
nungskraft der Marke "BOSS" hält die angegriffene Marke nicht den erforderlichen
Abstand zu den Widerspruchsmarken ein.
Hinsichtlich der Widerspruchsmarke 2 036 450 besteht schon die Gefahr von Ver-
wechslungen im bildlichen Gesamteindruck. Sowohl die angegriffene Marke als
auch die Marke 2 036 450 sind graphisch im wesentlichen übereinstimmend ge-
staltet. Sie bestehen aus einem zweizeiligen Blocksatz, der jeweils den Na-
men "BOSS" in optisch dominierender Stellung und in einer über bzw unter dem
Namen befindlichen Zeile in wesentlich kleinerer Schrift die weiteren Namensbe-
standteile "KARL MARTIN" und "HUGO BOSS" enthält, die einander von der Län-
ge und der Schriftart her entsprechen. Dadurch vermitteln die Marken einen sehr
ähnlichen optischen Gesamteindruck, der eine sichere Unterscheidung nicht ge-
währleistet. Ein erheblicher Teil des angesprochenen Verkehrs, zu denen prak-
tisch alle Verbraucher gehören, prägt sich die Marken als zweizeilige Namensmar-
ke "BOSS" ein, ohne genau darauf zu achten, welche Angaben in der kleineren
Zeile enthalten sind. Kennt er die ältere Marke "BOSS HUGO BOSS", wird er in
der bildlich weitgehend übereinstimmenden jüngeren Marke ohne weiteres die äl-
tere Marke vermuten, weil er die kleinere Zeile mit dem Vornamen "KARL MAR-
TIN" entweder nicht bewußt wahrnimmt oder, wenn er den Vornamen liest, nicht
sicher weiß, ob es sich hier um den Vornamen des ihm bekannten De-
signers "BOSS" handelt. Gerade weil der Name "BOSS" so bekannt ist, wird ein
beachtlicher Teil des Verkehrs selbstverständlich annehmen, "KARL MARTIN" sei
der "richtige" Vorname.
Die angegriffene Marke begründet aber auch aufgrund ihres Bestandteils "BOSS"
allein die Gefahr von Verwechslungen mit beiden Widerspruchsmarken. Der Auf-
fassung des Markeninhabers und der Streithelfer, bei der erkennbar aus Vor- und
Nachnamen gebildeten Marke "KARL MARTIN BOSS" und entsprechend auch der
Widerspruchsmarke "BOSS HUGO BOSS" komme grundsätzlich auch dem Vor-
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namen eine den Gesamteindruck prägende Wirkung zu, kann in dieser Allgemein-
heit nicht gefolgt werden. Der Bundesgerichtshof hat in der "RAUSCH/EL-
FI RAUCH"-Entscheidung (GRUR 2000, 233 f) ausdrücklich darauf abgestellt, ob
der Gesamtname seine Einprägsamkeit und Individualisierungsfunktion auch
durch den Vornamen erhält (so auch BGH GRUR 1999, 241, 244 reSp - Lions).
Ob diese Voraussetzung vorliegt, ist nach den jeweiligen Umständen des Einzel-
falles zu beurteilen. Handelt es sich bei dem Nachnamen um einen Allerweltsna-
men oder jedenfalls einen relativ häufigen oder wenig klangvollen Namen (zB EL-
FIE RAUCH), kommt dem Vornamen in der Regel eine für die Kennzeichnung we-
sentliche Bedeutung zu. Dasselbe gilt bei Kombinationen aus Vor- und Nachna-
men, die ihrer Art nach als zusammengehörig wirken, etwa wegen ihres Klangs
oder ihrer Kürze (vgl BPatG GRUR 1997, 292 - Chin Lee/Lee; GRUR 1996, 496 -
PARK/Jean Barth) oder weil sie graphisch eine Einheit bilden (vgl BGH - Carl
Link). Auch bei einer Gleichwertigkeit von Vor- und Nachnamen hat der Verkehr
nicht ohne weiteres Anlass, den Vornamen unbeachtet zu lassen (zB BPatGE 44,
53 - Noelle Claris/CLARIS). Im Gegensatz zu diesen Fallgestaltungen besteht vor-
liegend aber die Besonderheit, dass es sich bei "BOSS" um einen im Bekleidungs-
bereich unstreitig bekannten Hersteller- bzw Designernamen handelt und dass er
in der angegriffenen Marke zudem auch grafisch stark herausgestellt ist. Unter
diesen Umständen ist in beachtlichem Umfang mit einer auf den Nachna-
men "BOSS" verkürzten Wiedergabe der angegriffenen Marke wie auch der Wi-
derspruchsmarke 2 036 450 zu rechnen, zumal es gerade bei den Namen bekann-
ter Modehersteller bzw Designer weitgehend üblich ist, den Vornamen wegzulas-
sen und nur den Nachnamen wiederzugeben, jedenfalls soweit er von Hause aus
kennzeichnungskräftig ist, zB Chanel, Armani, Lagerfeld, Joop, Ferrè usw. Auch
der Name "BOSS" gehört zu den im Modebereich bekannten Namen, die auch oh-
ne den Vornamen eigenständige Kennzeichnungskraft besitzen.
Der Ansicht des Markeninhabers, bei "Echtnamen" wie Karl-Martin Boss sei ein
Rest-Verwechslungsrisiko hinzunehmen, kann jedenfalls im Hinblick auf die Ver-
wendung des Namens als Marke nicht gefolgt werden, denn insoweit gilt das
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Recht der Gleichnamigen nicht (vgl Althammer/Ströbele/Klaka, 6. Aufl, § 14 Rdn).
Im Gegensatz dazu ist der rein firmenmäßige Gebrauch des Namens von dem im
Markenrecht zu beachtenden Abstand von einer älteren, denselben Namen ent-
haltenden Marke nicht berührt.
Zur Zulassung der Rechtsbeschwerde bestand keine Veranlassung, weil weder ei-
ne Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung zu entscheiden war (§ 83 Abs 1
Nr 1 MarkenG) noch die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitli-
chen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erforderte (§ 83
Abs 2 Nr 2 MarkenG). Die Entscheidung beruht einerseits auf den anerkannten
Grundsätzen der Rechtsprechung über die Verwechslungsgefahr von Marken
nach ihrem bildlichen Gesamteindruck und andererseits auf der Anwendung der
Grundsätze der "RAUSCH/ELFIE RAUCH"-Entscheidung (BGH aaO) auf die tat-
sächlichen Gegebenheiten des vorliegenden Falles.
Wegen der Kosten des Beschwerdeverfahrens wird auf § 71 Abs 1 Satz 2 Mar-
kenG verwiesen.
Dr. Schermer
Friehe-Wich
Dr. van Raden
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