Urteil des BPatG vom 08.11.2000

BPatG (beschreibende angabe, marke, bezeichnung, unterscheidungskraft, spezialität, angabe, verpflegung, internet, verkehr, bezug)

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 262/99
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
8. November 2000
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenameldung
398 18 458.5
hat der 29. Senat des Bundespatentgerichts (Marken-Beschwerdesenat) aufgrund
der mündlichen Verhandlung vom 8. November 2000 durch den Vorsitzenden
Richter Meinhardt, den Richter Baumgärtner und den Richter Guth
beschlossen:
BPatG 154
6.70
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Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Die Wortmarke
"Smoortaal"
soll für die Waren und Dienstleistungen
"Fische, Fischfilet, Aale, Räucheraale, Fischgerichte; Verpflegung;
Beherbergung von Gästen"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung mit Beschluß vom 16. Juli 1999 zurückgewiesen, weil der angemel-
deten Marke jegliche Unterscheidungskraft fehle. Es handele sich um eine glatt
beschreibende Angabe. Das plattdeutsche Wort "Smooraal" bedeute soviel wie
"geräucherter Aal
".
Da in plattdeutschen Dialekten häufig der Buchstabe "t" zur
Bildung der Vergangenheitsform hinzugefügt werde, sähen beachtliche Verkehrs-
kreise in der angemeldeten Marke lediglich eine Bezeichnung für "geräucherten
Aal" in einer Variante des plattdeutschen Dialekts, sofern der Unterschied zu
"Smooraal" wegen der orthographischen Unsicherheit bei der schriftlichen Wie-
dergabe von Dialekten überhaupt auffalle. Es komme nicht darauf an, daß das
Plattdeutsche keine offizielle Amtssprache sei und gegebenenfalls von nur noch
relativ kleinen Bevölkerungsgruppen gesprochen werde. Jedenfalls sei in Bezug
auf die angemeldeten Waren und Dienstleistungen davon auszugehen, daß es
von großen Teilen der norddeutschen Bevölkerung ohne weiteres als Sachhinweis
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auf die Beschaffenheit der Waren und den Gegenstand der Dienstleistungen
verstanden werde.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Die Markenstelle habe
nicht bewiesen, daß es sich bei dem angemeldeten Wort um eine sprachübliche
die angemeldeten Waren und Dienstleistungen beschreibende Angabe handele.
Das Wort sei lexikalisch nicht einmal im Plattdeutschen belegbar. Im übrigen gebe
es in den plattdeutschen Dialekten zahlreiche unterschiedliche Bezeichnungen für
"Räucheraal", zu denen "Smoortaal" aber nicht gehöre. Das Einschieben eines "t"
sei nicht erforderlich, wenn "Smooraal" ohnehin bereits "geräucherter Aal" heiße.
Auch werde der plattdeutsche Dialekt, der nur von einer geringen Anzahl von
Personen gesprochen werde, kaum in der Schriftsprache verwendet. Die
Entscheidung der Markenstelle widerspreche der Rechtsprechung des Bundesge-
richtshofs in der Sache "Wit" (GRUR 1957, 499), in der ausgeführt werde, daß im
kaufmännischen Verkehr mundartliche Ausdrücke im allgemeinen nicht zur Be-
schreibung verwendet würden und daß die niederdeutsche Sprache einem großen
Teil der norddeutschen Bevölkerung fremd sei. Dies gelte heute in weit stärkerem
Maße als zum Zeitpunkt der dieser Entscheidung. Auch aus der Entscheidung des
Bundesgerichtshofs betreffend die Marke "FÜNFER" ergebe sich, daß einem
vieldeutigen, kaum bekannten Begriff wie der angemeldeten Marke nicht jegliche
Unterscheidungskraft fehle.
Im übrigen gelte der von der Markenstelle angewandte
Grundsatz, daß geringe Abwandlungen die Unterscheidungskraft nicht begründen
könnten, vor allem auf dem Gebiet der pharmazeutischen Erzeugnisse, nicht aber
auf anderen Waren- oder Dienstleistungsgebieten. Auch werde das mit
"Smoortaal" bezeichnete Produkt ausschließlich von der Anmelderin hergestellt
und diese Bezeichnung ausschließlich in Verbindung mit diesem Produkt
verwendet.
Die Anmelderin beantragt,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
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Der Senat hat eine Internet-Recherche zur Bedeutung des Wortes "Smoortaal"
(Blatt 26 bis 35 dA) durchgeführt, die der Anmelderin übersandt worden ist. We-
gen weiterer Einzelheiten wird auf die Akten Bezug genommen.
II
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig. In der Sache hat sie jedoch keinen
Erfolg. Die Markenstelle hat der angemeldeten Marke zu Recht die Eintragung
versagt, da für die beanspruchten Waren und einen Teil der Dienstleistungen ein
Freihaltungsbedürfnis besteht und der Marke jedenfalls für alle angemeldeten
Waren und Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehlt (§ 8 Abs 2 Nr 2
und 1, § 37 MarkenG).
Die angemeldete Marke kann als beschreibende Angabe für die beanspruchten
Waren und die Dienstleistung "Verpflegung" dienen. Wie die Internet-Recherche
des Senats belegt, wird "Smoortaal" (also das angemeldete, unabgewandelte
Wort) auf Plattdeutsch (wohl besonders im Gebiet um Bad Zwischenahn) für einen
auf spezielle Art zubereiteten Aal verwendet. Diese Art von Räucheraal wird
bereits seit 890 Jahren als Spezialität aus dem Zwischenahner Meer geschätzt.
Der angemeldete Begriff wird in der Werbung im Internet von unterschiedlichen
Quellen als Bezeichnung für eine regionale Fischspezialität verwendet, wie zB in
den Formulierungen ""Smoortaal" - wie der Räucheraal auf Plattdeutsch heißt -
wird bereits seit 890 Jahren als Spezialität aus dem Zwischenahner Meer ge-
schätzt." (Bl 26 dA), unter der Überschrift "Kochen in Ostfriesland": "Diesmal wird
der "Smoortaal", wie er von den Bad Zwischenahnern genannt wird, aber nicht
nach traditioneller Art gekocht, sondern in Rotwein geschmort." (Bl 30 dA),
"Ammerländer Schinken und Wurst, Oldenburger Käse, Zwischenahner
"Smoortaal" haben hier ihren Ursprung." (Bl 31 dA), "Der "Smoortaal" wie der
Räucheraal auf Plattdeutsch heißt - ..." (Bl 32 dA), "Berühmt ist das Ammerland
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auch für seinen Schinken und den Zwischenahner "Smoortaal". Beides steht in
vielen der Restaurants auf der Speisekarte" (Bl 35 dA).
Aus dieser Verwendung des Wortes "Smoortaal" ergibt sich weder ein Hinweis für
die Auffassung der Anmelderin, die Zitate wiesen lediglich auf eine ausschließlich
von der Anmelderin hergestellte Fischspezialität hin, noch findet sich ein Anhalts-
punkt für einen markenmäßigen Gebrauch dieses Wortes. Vielmehr wirkt das Wort
in seiner Verwendung im Fließtext wie eine Sachangabe. Im übrigen würde selbst
der Umstand, daß außer der Anmelderin kein anderer Betrieb "Smoortaal"
anbietet, nicht zwingend für eine Schutzfähigkeit dieses Wortes sprechen, wenn
es wie hier vom Verkehr als Sachangabe verwendet und verstanden wird (vgl
29 W (pat) 119/93 "Der Felsenkünstler", 29 W (pat) 30/99 "Porzellan-Klinik"). Es
handelt sich darum um eine Bezeichnung für eine regionale Spezialität, für die die
Aussage in der Entscheidung des Bundesgerichtshofes hinsichtlich der Marke
"Wit" (GRUR 1957, 499), die sich ausdrücklich nur auf allgemeine Beschaffen-
heitsangaben bezieht, nicht einschlägig ist (vgl auch BPatGE 6, 91, 92 "Swatt"
abstellend auf Lebensmittel und sich abgrenzend zu "Wit"). Auch in der
"Achterdiek-Entscheidung" (GRUR 1999, 498, 499) geht der Bundesgerichtshof
davon aus, daß das plattdeutsche Wort "Achterdiek" von maßgeblichen Ver-
kehrskreisen verstanden wird. Dies muß im vorliegenden Fall für die Bezeichnung
"Smoortaal" ebenfalls gelten. Es ist naheliegend - wie die Internet-Recherche
zeigt
-, daß gerade für regionale Spezialitäten mit den mundartlichen Be-
zeichnungen geworben wird, um den Charakter als regionale Spezialität zu beto-
nen und unterschwellig die positiven Vorstellungen, die sich im Verkehr mit dieser
Gegend verbinden, anzusprechen (zur Relevanz solcher positiven regionalen
Vorstellungen EuGH GRUR 1999, 723 Tz. 26, 36 "Chiemsee"; BPatG GRUR
2000, 149, 150 "WALLIS"). Die Bezeichnung ist auch für die angesprochenen
Verkehrskreise, die des Niederdeutschen nicht mächtig sind, verständlich, weil
das Wort im Text ins Hochdeutsche übersetzt bzw erklärt wird. Auch insoweit liegt
der vorliegende Fall anders als der Fall der für Waschmittel und weitere Waren der
Klasse 3 eingetragenen Marke "Wit".
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Der angemeldeten Marke fehlt außerdem für sämtliche angemeldeten Waren und
Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft. Die angemeldete Marke nimmt
auf eine konkrete, für den Abnehmer vorteilhafte Eigenschaft der Waren und
Dienstleistungen der angemeldeten Marke Bezug (vgl BGH WRP 1999, 1169,
1171 "FOR YOU") und beschreibt die Bestimmung und Herkunft der Waren sowie
die Beschaffenheit der Dienstleistungen leicht erfaßbar in allgemein verständlicher
Form unmittelbar, weil die hochdeutsche Bedeutung des Wortes aus dem Text
oder dem Zusammenhang stets erkennbar wird. Die angesprochenen Ver-
kehrskreise werden wegen dieses im Vordergrund stehenden rein sachbezogenen
Begriffsinhalts für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen den an-
gemeldeten für die Waren und die Dienstleistungen "Verpflegung" beschreibenden
Begriff nur als solchen und nicht als Unterscheidungsmittel auffassen, also nicht
als Hinweis auf einen bestimmten Geschäftsbetrieb (vgl BGH WRP 1999, 1169,
1171 "FOR YOU"; WRP 1999, 1167, 1168 "YES"). Dies gilt auch für die
Dienstleistungen "Beherbergung von Gästen", weil die Bedeutung der angemel-
deten Marke zu diesen Dienstleistungen jedenfalls einen sehr engen sachlichen
Bezug aufweist. Die Beherbergung von Gästen steht im engsten gastronomischen
Umfeld der Verpflegung von Gästen, für die - wie oben ausgeführt - die Marke
eine unmittelbar beschreibende Angabe darstellt. Es besteht daher für den
Verkehr kein Anlaß, in Verbindung mit diesen Dienstleistungen bei der Bezeich-
nung einer kulinarischen Spezialität an die Kennzeichnung des Ursprungs dieser
Dienstleistungen aus einem bestimmten Betrieb zu denken.
Meinhardt Baumgärtner
Guth
Cl/Hu