Urteil des BPatG vom 21.10.2009

BPatG (stand der technik, patent, fachmann, anordnung, patg, gegenstand, signal, umfang, verhandlung, aufgabe)

BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
19 W (pat) 336/06
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
21. Oktober 2009
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
- 2 -
betreffend das Patent 101 14 439
hat der 19. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 21. Oktober 2009 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dipl.-Ing. Bertl, der Richterin Kirschneck und der Richter
Dr.-Ing. Scholz und Dipl.-Ing. J. Müller
beschlossen:
Das Patent Nr. 101 14 439 wird widerrufen.
G r ü n d e
I
Das Deutsche Patent- und Markenamt hat für die Anmeldung vom 23. März 2001
mit der japanischen Priorität vom 7. April 2000 (Aktenzeichen 2000-106758) ein
Patent mit der Bezeichnung „Solenoidventilverteiler“ erteilt und die Patenterteilung
am 15. Dezember 2005 veröffentlicht.
Gegen das Patent hat die Fa. F… AG & CO mit Schriftsatz vom
10. März 2006, eingegangen am 11. März 2006, Einspruch erhoben. Zur Begrün-
dung hat sie auf § 1 bis 5 PatG verwiesen und vorgetragen, der Gegenstand des
Patents sei nicht neu bzw. beruhe unter Berücksichtigung des Standes der Tech-
nik nicht auf einer erfinderischen Tätigkeit.
- 3 -
Die Einsprechende beantragte,
das Patent 101 14 439 in vollem Umfang zu widerrufen.
Die Patentinhaberin beantragte,
das Streitpatent im erteilten Umfang,
hilfsweise mit folgenden Unterlagen beschränkt aufrecht zu erhal-
ten:
- Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 1,
- Patentansprüche 1 bis 7 gemäß Hilfsantrag 2,
- jeweils überreicht in der mündlichen Verhandlung,
- mit anzupassender Beschreibung,
- Zeichnungen, wie erteilt.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II
1.
Der gemäß § 59 Abs. 1 PatG zweifelsfrei zulässige Einspruch hat Erfolg. Der
Gegenstand des Streitpatents beruht weder in er erteilten Fassung noch mit ge-
änderten Ansprüchen nach den Hilfsanträgen 1 und 2 auf einer erfinderischen Tä-
tigkeit (§§ 1 Abs. 1, 4 PatG). Das Patent war daher zu widerrufen (§ 21 Abs. 1
Nr. 1 i. V. m. §§ 61 Abs. 1 Satz 1, 147 Abs. 3 Nr. 1 a.F. PatG).
2.
Das angegriffene Patent betrifft einen Solenoidventilverteiler. Derartige Vertei-
ler sind modular aufgebaut und bestehen aus einer Reihe von Ventilen, die auf ei-
nem - meist ebenfalls modularen - Verteiler sitzen. Eine allen Ventilen gemein-
same Mediationseinheit ist für die Stromversorgung zuständig und leitet die Steu-
ersignale an die Ventile weiter.
- 4 -
Die Beschreibung nennt als Aufgabe der vorliegenden Erfindung, einen Verteiler
für solenoidbetätigte Ventile vorzuschlagen, bei dem alle oder Teile der elektroni-
schen Elemente einschließlich integrierter Schaltkreise zur Kommunikation auf
Substraten als freiliegende Chips getragen werden, und die Substrate an Sole-
noidventilen oder einem Verteiler angebracht werden, um das Volumen des Ver-
teilers zu reduzieren, so dass die Größe erfolgreich minimiert werden kann
(Abs. 0005).
Nach Anspruch 1 des Streitpatents (mit einer für diesen Beschluss eingefügten
Gliederung) besteht die Lösung dieses Problems in einem:
„a)
Solenoidventilverteiler mit einer Vielzahl von Solenoidventi-
len (16a bis 16e),
b) die an einem Verteiler (34) angebracht sind, und
c)
einer Mediationseinheit (20), die angrenzend Seite an Seite
mit dem Verteiler (34) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet,
d)
dass ein Substrat (24a bis 24e, 38, 40, 42), das elektrische
Komponenten (30) einschließlich eines integrierten Kommu-
nikationsschaltkreises(32, 32a bis 32e) trägt,
e)
jeweils in Aussparungen(26a bis 26e) an äußeren Flächen
von Verteilerblöcken (12a bis 12e), die den Verteiler (34) bil-
den, angebracht ist.
und nach Anspruch 9 in einem:
a)
Solenoidventilverteiler mit einer Vielzahl von Solenoidventi-
len (16a bis 16e),
b)
die an einem Verteiler (34) angebracht sind, und
- 5 -
c)
einer Mediationseinheit (20), die benachbart Seite an Seite
mit dem Verteiler (34) angeordnet ist,
dadurch gekennzeichnet,
d)
dass ein Substrat (24a bis 24e, 38, 40, 42), das elektroni-
sche Komponenten (30) einschließlich eines integrierten
Schaltkreises zur Kommunikation (32, 32a bis 32e) trägt,
e’)
jeweils im Inneren der Verteilerblöcke (12a bis 12e) ange-
bracht ist, die den Verteiler (34) bilden.
Der Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1 ist gegenüber dem erteilten Anspruch 1 unver-
ändert. In den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 wurde zusätzlich das Merkmal
„und dass ein Substrat (28), welches einen Gleichstrom/ Gleich-
strom - Wandler (56) trägt, an oder in der Mediationseinheit (20)
angebracht ist.“
aufgenommen.
In der mündlichen Verhandlung erläuterte die Anmelderin zur Aufgabenstellung,
dass die Substrate in den Aussparungen untergebracht sind, und die Verteilerblö-
cke dadurch insgesamt kleiner würden. Außerdem sei eine Zielrichtung der Erfin-
dung, die Zugänglichkeit und Wartungsfreundlichkeit durch die außenliegenden
Substrate zu erhöhen.
3.
Der Senat sieht in Übereinstimmung mit den Parteien einen Diplomingenieur
(FH) der Fachrichtung Elektrotechnik mit Berufserfahrung in der Automatisie-
rungstechnik als Fachmann an.
- 6 -
4.
Einige Merkmale der Ansprüche sind aus sich heraus weder ohne weiteres
verständlich noch eindeutig und bedürfen deshalb der Auslegung:
Dem Anspruch 1 kann der Fachmann folgende Grundanordnung entnehmen:
Die Verteilerblöcke 12 bilden zusammen den Verteiler 34, auf dem die (separaten)
Ventile angebracht sind. Der Verteiler 34 bildet zusammen mit den Ventilen 16
und der Mediationseinheit 20 den Solenoidverteiler. Der Auffassung der Einspre-
chenden, die Verteilerblöcke könnten als Scheiben einschließlich der Ventile an-
gesehen werden, konnte sich der Senat nicht anschließen. Er sieht zwar dann, der
Einsprechenden folgend, einen Widerspruch zum Anspruch 2, sieht das aber als
Mangel des Anspruchs 2 und nicht als Anlass den Anspruch 1 umzuinterpretieren.
Nach übereinstimmender Auffassung der Parteien und des Senats sieht der
Fachmann das Substrat als Leiterplatte. Dazu gehört aber nach Überzeugung des
Senats auch ein Schutz für die Leiterplatte in Form eines Gehäuses oder einer
Vergussmasse, denn für den Fachmann ist es nicht akzeptabel eine Leiterplatte
mit Elektronikelementen ungeschützt im Außenbereich anzubringen.
Der Auffassung der Patentinhaberin, das Merkmal e) beschränke den Anspruch 1
auf Nischen oder ähnliches als Aussparungen, in der das Substrat untergebracht
sei, kann der Senat so nicht folgen.
In Absatz 0021 der Patentschrift wird hierzu ausgeführt „Das Substrat ist mit Hilfe
von nicht dargestellten Stiften, die in Aussparungen an jeweiligen Seitenflächen
der Verteilerblöcke vorgesehen sind, angebracht. „Demnach wäre also nicht das
komplette Substrat, sondern lediglich dessen Befestigungsstifte in den Ausspa-
rungen angeordnet. Andere Beschreibungsstellen, die die Anbringung des Sub-
strats erläutern, hat der Senat nicht gefunden. Auch die Patentinhaberin hat keine
genannt. Die zum Anspruch 1 gehörige Figur 1 zeigt an den Vorderseiten der Blö-
cke in der jeweils linken unteren Ecke einen Schrägstrich, der die untere Kante ei-
- 7 -
ner Nische andeuten könnte. Dem widerspricht aber die jeweils am oberen Rand
der Vorderseite gezeichnete Doppellinie, die offensichtlich eine Ausnehmung in
einer glatten Vorderseite darstellt. Vor allem aber widerspricht dem die Darstellung
der Substrate 24, deren rechte Seite voll sichtbar und im Profil mit Doppellinie
dargestellt ist, so dass die Substrate selbst nicht in Aussparungen angeordnet sein
können, sondern allenfalls deren Befestigungsstifte. Die Figur 8, der man eher ein
Substrat in einer Nische entnehmen könnte, bezieht sich auf eine Anordnung an
einem Ventil, nicht am Verteilerblock.
Der Senat sieht somit im Merkmal e) keine Beschränkung auf die Anordnung der
kompletten Substrate in nischenförmigen Aussparungen. Dem Merkmal e) ist
schon Genüge getan, wenn lediglich die Befestigungsstifte oder andere Teilberei-
che der Substrate in den Aussparungen angebracht sind.
Der Anspruch 1 stellt sich als eine Aggregation von Merkmalen dar. Eine Aufga-
benstellung, an deren Lösung die Merkmale des Anspruchs 1 gemeinsam mitwir-
ken, ist nicht erkennbar. Auch die Ausführungen der Patentinhaberin zur Aufgabe
konnten den Senat nicht überzeugen. Zum einen sieht der Senat bei gegebener
Größe der einzelnen Baugruppen eines Verteilerblocks nicht, wie die Baugröße
durch Anordnung einer Baugruppe außerhalb des Gehäuses verringert werden
könnte. Auch die Anordnung in einer Ausnehmung ändert daran nichts, denn der
durch die Ausnehmung fehlende Platz im Inneren müsste durch ein entsprechend
größeres Gehäuse ausgeglichen werden. Zum anderen ist die Leiterplatte bei
Verwendung eines Gehäuses vergleichbar zugänglich wie eine Leiterplatte im In-
neren, bei einer vergossenen Leiterplatte schlechter.
5.
Der Senat sieht die JP 58-245 850 A mit englischer Übersetzung als nächst-
kommenden Stand der Technik an. Sie zeigt in Figur 3 einen Solenoidverteiler mit
einem modularen Verteiler 14, auf dem Ventile 12 angebracht sind. Ein als „bus
wire connector“ (S. 3 der Übersetzung, letzter Absatz) bezeichneter Baustein 50
mit einem „adress signal recognizing circuit“ (S. 3, Abs 4) wird über Steckerstifte
- 8 -
(„first terminals“ 62, S. 3, vorletzte Zeile), die auch als Befestigungsstifte wirken,
seitlich an den zugehörigen Verteilerblock angeschlossen. Die Steuersignale wer-
den über eine Steuereinheit 28, 38, 40 und über Busleitungen 46 an die Bau-
steine 50 weitergeleitet (S. 4, Z. 6 bis 12). Den „adress signal recognizing circuit“
sieht der Fachmann nach Überzeugung des Senats als integrierten Kommunikati-
onsschaltkreis, der, wie bei Elektronikbausteinen allgemein üblich, zusammen mit
den nötigen weiteren Bauelementen auf einer Leiterplatte angeordnet ist.
Damit ist mit den Worten des erteilten Anspruchs 1 bekannt ein:
a)
Solenoidventilverteiler mit einer Vielzahl von Solenoidventi-
len 12,
b)
die an einem Verteiler 14 angebracht sind, und
c)
einer Mediationseinheit 28, 38, 40, die angrenzend Seite an
Seite mit dem Verteiler 14 angeordnet ist,
wobei
d)
ein Substrat (Leiterplatte des Bausteins 50 mit Gehäuse)
elektrische Komponenten (die weiteren Bauelemente) ein-
schließlich eines integrierten Kommunikationsschaltkreises
(„adress signal recognizing circuit“) trägt.
6.
Der Gegenstand des Anspruchs 1 nach Hauptantrag ist nicht erfinderisch.
Ausgehend von dem Solenoidventilverteiler nach der JP 58-245 850 A ist dem
Fachmann klar, dass die Stifte 62 auch in dem Baustein 50 angeordnet werden
können. Das ist erforderlich, wenn die Gefahr besteht, dass freiliegende Stifte am
Verteiler beschädigt werden oder einen Kurzschluss verursachen. Etwas Erfinde-
risches kann der Senat darin nicht erkennen.
- 9 -
Damit gelangt der Fachmann aber bereits zum Gegenstand des Anspruchs 1 in
der in Absatz 0021 beschriebenen Ausführung, denn die Stifte des Bausteins 50
werden dann nach Merkmal
e)
jeweils in Aussparungen (den zugehörigen Buchsen) an
äußeren Flächen von Verteilerblöcken 14, die den Verteiler
bilden, angebracht (eingesteckt).
Aus ähnlichen Sicherheitsgründen ist er aber auch veranlasst, den ganzen Bau-
stein 50, der empfindliche Elektronik und Steckkontakte enthält, vor Beschädigung
zu schützen, und in einer Aussparung unterzubringen. Das ist bei außenliegenden
elektrischen und elektronischen Bauelementen (zB. Leistungstransistoren in Ra-
dioverstärkern oder auch Netzsteckern in der Steckdose) üblich und ist auch in der
im Steitpatent genannten EP 810 397 A2, (Sp. 5, Z 13 bis 19) beschrieben, wie die
Einsprechende zutreffend ausführte.
7.
Nach Fortfall des Anspruchs 1 teilen die darauf rückbezogenen Ansprüche 2
bis 8 dessen Schicksal. Auf den nebengeordneten Patentanspruch 9 mit den dar-
auf zurückbezogenen Ansprüchen 10 bis 16 brauchte nicht eingegangen zu wer-
den, da das Patent im Umfang des Hauptantrags schon aus den zum Anspruch 1
genannten Gründen zu widerrufen war, und sich weder aus der Fassung dieses
Antrags noch aus dem Vortrag der Patentinhaberin Gesichtspunkte ergeben ha-
ben, nach denen eine hilfsweise Aufrechterhaltung mit dem Anspruch 9 gemäß
Hauptantrag gewollt war (vgl. BGH GRUR 2007, 862 -„Informationsübermittlungs-
verfahren II“). Der Anspruch 9 wurde in den Hilfsanträgen 1 und 2 sogar gestri-
chen.
Darüber hinaus teilt der Senat die Bedenken der Einsprechenden bezüglich der
Neuheit des Anspruchs 9, insbesondere gegenüber der DE 298 21 410 U1.
- 10 -
8.
Der gegenüber dem Hauptantrag unveränderte Anspruch 1 nach Hilfsantrag 1
ist aus den zum Hauptantrag genannten Gründen nicht erfinderisch.
9.
In den Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 wurde zusätzlich das Merkmal
„und dass ein Substrat (28), welches einen Gleichstrom/ Gleich-
strom - Wandler (56) trägt, an oder in der Mediationseinheit (20)
angebracht ist.“
aufgenommen.
Ein Substrat (eine Leiterplatte) ist notwendigerweise auch in der bekannten Medi-
ationseinheit 28, 38, 40 nach JP 58-245 850 A für die dortige Elektronik vorhan-
den, und solche Schaltungen enthalten auch regelmäßig eine eigene Stromver-
sorgung, die zumindest die Versorgungsspannung stabilisiert. Eine solche ist auch
in der bekannten Schaltung vorgesehen (power source circuit 36, S 4, Z 3 bis 6).
Wenn diese Einheit nicht Wechselstrom erhält, was bei einer solchen Anlage äu-
ßerst ungewöhnlich wäre, bietet sich dafür ein Gleichstrom/ Gleichstrom - Wandler
unmittelbar an. Auch in dem Anspruch 1 nach Hilfsantrag 2 ist somit nichts Erfin-
derisches zu erkennen.
Dass die US 5 459 871 eine davon abweichende Lösung beschreibt, wie von der
Patentinhaberin vorgetragen, kann der Senat nicht sehen. Dort wird beschrieben,
dass die einzelnen Ventileinheiten - dem entsprechen beim Patent und der
JP 58-245 850 A die Ventile und die zugehörigen Verteilerblöcke - mit zwei unter-
schiedlichen Spannungen versorgt werden. Das ist auch beim Patent so (Fig. 6,
oberster Busleiter 24V, 3. Busleiter von oben 5V) Über die Spannungsversorgung
der dort nicht dargestellten Mediationseinheit sagt die US 5 495 871 nichts aus.
- 11 -
10. Nach Fortfall des Anspruchs 1 teilen die darauf rückbezogenen Ansprüche 2
bis 8 dessen Schicksal.
Bertl
Kirschneck
Dr. Scholz
Müller
prö