Urteil des BPatG vom 07.02.2008

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BPatG 154
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
_______________
(Aktenzeichen)
7. Februar 2008
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 100 03 086.6-53
17 W (pat) 62/05
Verkündet am
r sowie des Richters
ipl.-Ing. Baumgardt und der Richterin Dipl.-Ing. Wickborn
eschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
hat der 17. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 7. Februar 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Dipl.-Phys. Dr. Fritsch, der Richterin Ede
D
b
- 2 -
G r ü n d e :
I.
Die vorliegende Patentanmeldung mit der Bezeichnung:
„Datenverarbeitungssystem“
ist am 25. Januar 2000 beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereicht wor-
den.
Sie wurde durch Beschluss der Prüfungsstelle für Klasse G 06 F des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 11. Januar 2005 mit der Begründung zurückgewie-
sen, der Gegenstand des Patentanspruchs 1 beruhe nicht auf erfinderischer Tätig-
keit.
Gegen diesen Beschluss ist die Beschwerde der Anmelderin gerichtet. Sie stellt
den Antrag,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das nachgesuchte
Patent mit folgenden Unterlagen zu erteilen:
Patentanspruch 1
vom
16. Juni 2004,
eingegangen
am
17. Juni 2004,
noch anzupassende Patentansprüche 2-18 und noch anzupas-
sende Beschreibung mit Bezugszeichenliste jeweils vom Anmel-
detag,
1 Blatt Zeichnungen mit 1 Figur vom 17. April 2000, eingegangen
am 19. April 2000.
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Der geltende Patentanspruch 1, hier mit einer denkbaren Gliederung versehen,
lautet:
„1. Datenverarbeitungssystem mit
a) einer ersten Datenverarbeitungsvorrichtung (1) mit zumindest einem
ersten Programmobjekt;
b) einer mit der ersten Datenverarbeitungsvorrichtung (1) verbundenen
Schnittstellenvorrichtung (2); und
c) einer mit der Schnittstellenvorrichtung (2) verbindbaren zugriffsge-
schützten zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung (7), die eine trans-
portable Einheit ist und die zumindest ein darin befindliches zweites
Programmobjekt enthält;
d) wobei das zumindest eine erste und das zumindest eine zweite Pro-
grammobjekt Programmschnittstellen zur Kommunikation miteinander
aufweisen und
e) das zumindest eine zweite Programmobjekt die Funktionalität des
zumindest einen ersten Programmobjekts ersetzt, wenn die Kommuni-
kation der Programmobjekte durch die Verbindung der zweiten Daten-
verarbeitungsvorrichtung (7) mit der Schnittstellenvorrichtung (2) er-
möglicht ist.“
Ihm liegt die Aufgabe zugrunde, eine neuartige flexible Softwareverwaltung zur
Verfügung zu stellen (vgl. Beschreibung, Seite 3 Abs. 2).
- 4 -
II.
Die Beschwerde wurde frist- und formgerecht eingelegt und ist auch sonst zuläs-
sig. Sie hat jedoch keinen Erfolg, denn der Gegenstand des geltenden Patentan-
spruchs 1 wurde gegenüber dem Inhalt der Anmeldung in der ursprünglich einge-
reichten Fassung unzulässig erweitert (§ 38 Satz 1 PatG).
1.
Die Anmeldung betrifft ein Datenverarbeitungssystem, das aus einer ersten
Datenverarbeitungsvorrichtung und einer zweiten transportablen Datenverarbei-
tungsvorrichtung besteht. In der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung ist min-
destens ein zweites Programmobjekt gespeichert zum Ersatz der Funktionalität
mindestens eines auf der ersten Datenverarbeitungsvorrichtung gespeicherten
ersten Programmobjektes, um so Programmfehler nachträglich beseitigen zu kön-
nen.
Bei Verbindung der ersten mit der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung wird
vom in der ersten Datenverarbeitungsvorrichtung vorhandenen Anwendungspro-
gramm das auf der ersten Datenverarbeitungsvorrichtung vorhandene und zu
ersetzende Programmobjekt identifiziert und deaktiviert und durch ein für diese
Funktionalität auf der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung lauffähiges zweites
Programmobjekt ersetzt.
Das auf der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung gespeicherte Programmobjekt
wird dabei in der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung abgearbeitet und die ent-
sprechenden Ergebnisse an die erste Datenverarbeitungsvorrichtung geliefert.
Damit können fehlerhafte Programmobjekte in der ersten Datenverarbeitungsvor-
richtung deaktiviert und bei der Abarbeitung durch fehlerfreie Programmteile
ersetzt werden.
Durch Verwendung eines Festwertspeichers zur Speicherung von Programmob-
jekten oder Daten in der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung können die imple-
mentierten Funktionalitäten bzw. die dort ablauffähigen Programmobjekte wir-
kungsvoll vor dem Zugriff von Anwendern geschützt werden.
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Als Fachmann für einen derartigen Sachverhalt sieht der Senat einen Informatiker
an, der Berufserfahrung im Update bzw. der Aktualisierung vorhandener Software-
systeme besitzt.
2. Eine im geltenden Patentanspruch 1 nunmehr beanspruchte „zugriffsge-
schützte“ zweite Datenverarbeitungsvorrichtung ist jedoch nicht ursprünglich offen-
bart.
Im ursprünglichen Patentanspruch 1 sowie auf S. 6 Abs. 2 und 3 der Anmeldeun-
terlagen wird aufgeführt, dass die zweite Datenverarbeitungsvorrichtung einen
Festwertspeicher enthält, in welchem zumindest ein zweites Programmobjekt
gespeichert vorliegt. Gemäß S. 6 Abs. 2 kann dieser Festwertspeicher im ein-
fachsten Fall ein ROM sein, der keine Änderung der gespeicherten Daten zulässt,
so dass diese Daten dem Zugriff des Anwenders entzogen sind, oder aber ein
mehrere Male programmierbarer Speicher, wobei die Programmierung über dem
Anwender nicht zugängliche Programmiervorrichtungen erfolgt oder durch Chiff-
rierverfahren, welche die gespeicherte Information verbergen. Wie in S. 6 Abs. 3
ausgeführt, können durch die Verwendung der spezialisierten zweiten Datenverar-
beitungsvorrichtung mit einem Festwertspeicher die darin implementierten Funk-
tionalitäten bzw. die dort ablauffähigen Programmobjekte wirkungsvoll vor dem
Zugriff von Anwendern geschützt werden.
Andere Mittel zum Zugriffsschutz des Programmcodes oder der Schutz anderer
Bereiche der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung werden dem Fachmann in
den ursprünglichen Unterlagen weder offenbart noch nahegelegt.
Damit lehrt die Anmeldung den Fachmann lediglich die Verwendung eines Fest-
wertspeichers in der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung zur Speicherung von
Programmcode, der dadurch vor dem Zugriff von Anwendern geschützt wird.
Demgegenüber wird mit dem geltenden Anspruch 1 nunmehr eine „zugriffsge-
schützte“ zweite Datenverarbeitungsvorrichtung beansprucht.
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Statt des konkret offenbarten Mittels zum Schutz des Programmcodes, nämlich
einem Festwertspeicher in der zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung, wird nun
allgemein die damit erzielte Wirkung, der Zugriffsschutz, beansprucht und auf die
gesamte zweite Datenverarbeitungsvorrichtung ausgeweitet.
Der beanspruchte Gegenstand erstreckt sich damit auf den Schutz der gesamten
zweiten Datenverarbeitungsvorrichtung vor fremdem Zugriff mit beliebigen Mitteln.
Die hiermit umfassten alternativen Möglichkeiten zum Zugriffsschutz des Pro-
grammcodes oder gar zum Schutz anderer Bereiche der zweiten Datenverarbei-
tungsvorrichtung kann der Fachmann den ursprünglichen Unterlagen keinesfalls
als mögliche Ausgestaltungen der Erfindung entnehmen.
Der beanspruchte Gegenstand geht daher in unzulässiger Weise über den Inhalt
der ursprünglichen Anmeldung hinaus.
2.1 Auch in Kenntnis dieses Mangels hat die Anmelderin den Anspruch in der
mündlichen Verhandlung unverändert aufrechterhalten.
Für eine weitergehende Beurteilung des Patentbegehrens war daher kein Raum
mehr.
2.2 Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Patentanspruch 1 nicht ge-
währbar ist, da sein Gegenstand über den Offenbarungsgehalt der ursprünglichen
Unterlagen hinaus unzulässig erweitert wurde.
III.
Das Datenverarbeitungssystem gemäß Patentanspruch 1 ist somit nicht patentfä-
hig. Mit dem Anspruch 1 fallen notwendigerweise auch die darauf rückbezogenen
geltenden Unteransprüche 2 - 18.
- 7 -
Bei dieser Sachlage war die Beschwerde der Anmelderin gegen den Beschluss
der Prüfungsstelle G 06 F zurückzuweisen.
Dr. Fritsch
Eder
Baumgardt
Wickborn
Fa