Urteil des BPatG vom 02.01.2006

BPatG (marke, kennzeichnungskraft, verwechslungsgefahr, venedig, beschwerde, verkehr, angabe, eugh, klasse, patent)

BUNDESPATENTGERICHT
27 W (pat) 65/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 152
08.05
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betreffend die Marke 304 51 454
hat der 27.
Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
1. Februar 2007 durch …
beschlossen:
Unter Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle für Klasse 24
des Deutschen Patent- und Markenamtes vom 2. Januar 2006
wird die Löschung der Marke 304 61 454 aufgrund des Wider-
spruchs aus der Marke 2 089 261 angeordnet.
G r ü n d e
I.
Die Widersprechende hat gegen die am 14. Januar 2005 veröffentlichte Eintra-
gung der am 8. September 2004 angemeldeten, für „Dusch- und Saunatücher,
Textilhandtücher; Bademäntel, Bekleidungsstücke“ geschützten Marke
Nr. 304 51 454
Widerspruch eingelegt aus ihrer am 25. Juli 1991 angemeldeten und seit 30. De-
zember 1994 für „Mittel zur Körper- und Schönheitspflege, einschließlich Gesichts-
und Körperemulsionen; Parfümerien, ätherische Öle, nichtmedizinische Mund- und
Zahnpflegemittel, Zahnputzmittel, kosmetische Sonnenschutzcremes, nichtmedi-
zinische Hautschutzcremes, Feuchtigkeitscremes, Nagellack, Nagellackentferner,
kosmetische Badezusätze, insbesondere Badesalze, nichtmedizinische Badepu-
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der, nichtmedizinische Mittel zur Reinigung, Pflege und Verschönerung der Haare,
kosmetische Mittel zum Behandeln der Kopfhaut, Haarlotionen, Haartönungsmit-
tel, Haarkonditionierungsmittel, Shampoos, Lippenstifte, Lippenrouges, Desodo-
rants für den persönlichen Gebrauch, Rasierseifen und -cremes, After-Shave-Lo-
tionen und Balsam; Bekleidungsstücke, Bade- und Strandbekleidung“ eingetrage-
nen Marke Nr. 2 089 261
laPERLA
Die Markenstelle für Klasse 24 des Deutschen Patent- und Markenamts hat mit
Beschluss vom 2. Januar 2006 den Widerspruch mit der Begründung zurückge-
wiesen, trotz zumindest teilweiser Warenidentität halte die jüngere Marke den er-
forderlichen Abstand zur Widerspruchsmarke noch ein, weil die Kennzeichnungs-
kraft der älteren Marke wegen ihres erkennbaren Sinngehalts „die Perle“ eher un-
terdurchschnittlich sei und wegen des Zusatzes „Venezia“ in der angegriffenen
Marke ein ausreichender Unterschied bestehe; dieser Zusatz könne wegen des
ebenfalls kennzeichnungsschwachen Bestandteils „La Perla“ nicht vernachlässigt
werden. Wegen der Kennzeichnungsschwäche des Bestandteils der Wider-
spruchsmarke könne auch eine assoziative Verwechslungsgefahr nicht festgestellt
werden.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Sie
hält eine Verwechslungsgefahr für gegeben. Eine originäre Kennzeichnungs-
schwäche der Widerspruchsmarke bestehe nicht, da weder bekannt sei, dass Be-
kleidungsstücke aus Perlen bestünden, noch mit Perlen besetzte Kleidungsstücke
mit „La Perla“ bezeichnet würden; zudem sei die Kennzeichnungskraft der Wider-
spruchsmarke infolge starker Benutzung gestärkt, da die Widersprechende seit
50 Jahren unter der Widerspruchsmarke hochwertige Dessous vertreibe, die in-
tensiv beworben und mit denen erhebliche Umsätze erzielt würden. Der einzige
Unterschied zwischen den Marken bestehe daher allein in dem Zusatz „Venezia“,
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bei dem es sich aber um eine evident freihaltungsbedürftige Angabe handele, die
einen Markenabstand nicht begründen könne.
Die Widersprechende beantragt sinngemäß,
den Beschluss der Markenstelle vom 2. Januar 2006 aufzuheben
und die angegriffene Marke wegen des Widerspruchs aus der
Marke 2 089 261 zu löschen.
Die Markeninhaberin hat keinen Antrag gestellt und sich auch nicht zur Be-
schwerde geäußert.
II.
A. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. Entgegen der Auffassung
der Markenstelle kann eine Gefahr von Verwechslungen der Vergleichsmarken
nach § 43 Abs. 2 Satz 2, § 42 Abs. 2 Nr. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG nicht
verneint werden.
Unter Berücksichtigung der bei der Beurteilung der Verwechslungsgefahr
miteinander in Wechselbeziehung stehenden Komponenten der Waren- und Mar-
kenähnlichkeit sowie der Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke (vgl. EuGH
GRUR 1998, 922, 923 - Canon; MarkenR 1999, 236, 239 - Lloyd/Loints), wobei
ein geringer Grad der Ähnlichkeit der Waren durch einen größeren Grad der Ähn-
lichkeit der Marken ausgeglichen werden kann und umgekehrt (st. Rspr.; vgl.
EuGH GRUR 1998, 387, 389 Tz. 23 f. - Sabèl/Puma; EuGH GRUR 1998, 922, 923
Tz. 16 f. - Canon; BGH GRUR 1999, 241, 243), ist angesichts der weitgehenden
Warenidentität und hochgradigen Warenähnlichkeit sowie der als normal anzuse-
henden Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke die Ähnlichkeit der gegen-
überstehenden Marken zu groß, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen.
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1. Die jeweils beanspruchten Waren sind im Bereich der Klasse 25 identisch, wo-
bei „Bademäntel“ im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke unter den Ober-
begriff „Badebekleidung“ im Warenverzeichnis der Widerspruchsmarke fallen, und
im Übrigen hochgradig ähnlich, weil „Dusch- und Saunatücher, Textilhandtücher“
im Warenverzeichnis der angegriffenen Marke wie die im Warenverzeichnis der
Widerspruchsmarke genannte „Strand- und Badebekleidung“ einem gemeinsamen
Zweck dienen, häufig aus denselben Herkunftsstätten stammen und zudem auch
in der Regel in gemeinsamen Vertriebsstätten angeboten werden.
2. Ob eine originäre Kennzeichnungsschwäche der Widerspruchsmarke vorliegt,
wie die Markenstelle angenommen hat, kann letztlich dahinstehen, auch wenn
hieran erhebliche Zweifel bestehen; denn selbst bei einem (zutreffenden) Ver-
ständnis der Widerspruchsmarke als „die Perle“ (was als solches allerdings wegen
der geringen Kenntnisse der italienischen Sprache bereits fraglich ist) wird der
Verkehr diese selbst bei perlenbesetzten Bekleidungsstücken, wie sie vor allem im
hier einschlägigen Dessousbereich häufig vorkommen, wohl kaum nur als bloße
Sachangabe verstehen, weil ein Besatz mit nur einer Perle ungewöhnlich ist und
so gut wie nicht vorkommt, der übliche Besatz mit vielen Perlen aber kaum mit der
Singularform beschrieben wird; näher liegt es, die Widerspruchsmarke auf das
Kleidungsstück als solches zu beziehen, dann drückt sie aber keine (objektive)
Eigenschaft des Kleidungsstücks mehr aus, sondern allein eine subjektive Wert-
schätzung des Herstellers oder des Verbrauchers.
Ungeachtet dessen ist aber selbst bei Annahme einer originären Kennzeich-
nungsschwäche der Widerspruchsmarke zumindest von einer normalen Kenn-
zeichnungskraft auszugehen, weil die Widersprechende von der Inhaberin der an-
gegriffenen Marke unwidersprochen vorgetragen hat, dass es sich bei der Wider-
spruchsmarke im Bereich der Dessous - die zu den Waren der angegriffenen
Marke in einem sehr engen Ähnlichkeitsverhältnis stehen - um eine sehr bekannte
Marke handelt; selbst bei einer originären Kennzeichnungsschwäche würde dies
zu einer zumindest normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke füh-
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ren, bei der unabhängig von einer weiteren Steigerung der Kennzeichnungskraft
bereits eine Verwechslungsgefahr zur angegriffenen Marke vorliegt.
3. Entgegen der Ansicht der Markenstelle sind die Marken sowohl schriftbildlich
als auch klanglich als hochgradig ähnlich anzusehen. Sie unterscheiden sich zwar
bildlich durch die Schreibschrift der angegriffenen Marke und darin, dass in der
Widerspruchsmarke der Artikel „la“ in Kleinbuchstaben und das Markenwort
„PERLA“ in Großbuchstaben geschrieben ist; beides kann indessen bei der unge-
nauen Erinnerung des Verkehrs, dem vor allem die übereinstimmenden Marken-
bestandteile „La Perla“ in Erinnerung bleiben werden, unbeachtet bleiben, so dass
insofern jedenfalls eine eher enge Ähnlichkeit anzunehmen ist.
Im Übrigen liegt ein Unterschied allein in dem Zusatz „Venezia“ in der angegriffe-
nen Marke, der in der Widerspruchsmarke keine Entsprechung findet. Ein erhebli-
cher Teil des Verkehrs wird hierin - wie auch die Markenstelle im Grundsatz nicht
in Abrede gestellt hat - lediglich eine geografische Herkunftsangabe sehen, wel-
cher er keine wesentliche Bedeutung in der angegriffenen Marke zumisst; solche
Angaben sind nämlich auf dem hier einschlägigen Textil- und Modebereich häufig,
zumindest wenn es sich um positiv besetzte Orte wie Paris, London, New York,
Rom, Mailand oder - wie hier - Venedig handelt. Dem steht auch die Erwägung der
Markenstelle nicht entgegen, der Verkehr werde die angegriffene Marke nur als
Gesamtbegriff mit der Bedeutung „Die Perle Venedig“ ansehen, denn eine solche
(Gesamt-) Begriffsbildung ist ungewöhnlich und im Übrigen auch mit dem Beispiel
„Piazza San Marco, die Perle Venedigs“ - die als dem Verkehr geläufige Bezeich-
nung des bekannten Marktplatzes in Venedig entgegen der nicht belegten Ansicht
der Markenstelle allerdings kaum in Betracht kommt - nicht vergleichbar, da in die-
sem Beispiel der Zusatz „die Perle Venedigs“ (bei dem im Übrigen die Ortsbe-
zeichnung im Genitiv steht) erst durch die den Markusplatz bezeichnende Angabe
einen bestimmten Sinn erhält, der in der Angabe „die Perle Venedig“, die sich
grammatikalisch nur auf die gesamte Stadt beziehen kann, gerade fehlt. Begegnet
der Verkehr aber der angegriffenen Marke an hochgradig ähnlichen, teils gar iden-
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tischen Waren, wird er sie ohne weiteres mit der ihm bekannten Widerspruchs-
marke für entsprechende Waren gleichsetzen, weil er dem Zusatz „Venezia“ keine
Beachtung schenkt und beide Marken somit leicht füreinander hält.
4. Da somit entgegen der Auffassung der Markenstelle letztlich eine Verwechs-
lungsgefahr nicht verneint werden kann, war auf die Beschwerde der Widerspre-
chende der anderslautende Beschluss der Markenstelle aufzuheben und die Lö-
schung der angegriffenen Marke anzuordnen.
B. Da Gründe für eine Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen nach § 71 Abs. 1
Satz 1 MarkenG weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich sind, hat es dabei
zu verbleiben, dass beide Beteiligte ihre jeweiligen außergerichtlichen Kosten
selbst zu tragen haben (§ 71 Abs. 1 Satz 2 MarkenG).
gez.
Unterschriften