Urteil des BPatG vom 16.10.2001

BPatG (gegen die guten sitten, marke, beschreibende angabe, unterscheidungskraft, bezug, eintragung, anmeldung, teil, rückzahlung, sitten)

BUNDESPATENTGERICHT
24 W (pat) 132/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
16. Oktober 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 25 734.1
hat der 24. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 16. Oktober 2001 unter Mitwirkung des Richters
Dr. Hacker als Vorsitzenden sowie des Richters Dr. Schmitt und der Richterin
Werner
BPatG 154
6.70
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
Pussytime
ist als Marke für die Waren und Dienstleistungen
„Seifen, Parfümerien, ätherische Öle, Mittel zur Körper- und
Schönheitspflege, Haarwässer; pharmazeutische Erzeugnisse,
Präparate für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für
medizinische Zwecke, Desinfektionsmittel; Geräte zur Aufzeich-
nung, Übertragung und Wiedergabe von Ton und Bild, belichtete
Filme, Tonfilme, Diapositive, Videokassetten, Verkaufsautomaten
und Mechaniken für geldbetätigte Apparate, magnetische und op-
tische Ton- und Datenträger; ärztliche und gesundheitliche Instru-
mente und Apparate (einschließlich künstlicher Gliedmaßen), hy-
gienische Gummiwaren, Massagegeräte; Druckschriften, Zeit-
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schriften, Bücher, Photographien, Lehrmittel (ausgenommen Ap-
parate), auch als Unterrichtsmittel geeignet, Spielkarten; Tele-
kommunikation; Unterhaltung, Filmverleih, Filmvorführungen"
zur Eintragung in das Register angemeldet.
Die mit einem Beamten des höheren Dienstes besetzte Markenstelle für Klasse 3
des Deutschen Patent- und Markenamtes hat die Anmeldung wegen fehlender
Unterscheidungskraft und Verstoßes gegen die guten Sitten zurückgewiesen. Das
der englischen Sprache entnommene Wort „pussy“ sei ein Vulgärausdruck für
„Vulva“ iSv „Muschi“ oder „Möse“ und in dieser Bedeutung dem inländischen Pub-
likum, soweit es an sexuellen oder pornographischen Inhalten interessiert sei, be-
kannt. Das englische Wort „time“ bedeute in Wortzusammensetzungen der vorlie-
genden Art die Zeit, in der man sich mit etwas, hier der „Muschi“ oder „Möse“, be-
schäftige. Die Wortverbindung „Pussytime“ stelle sich insoweit als „branchenüb-
lich“ gefaßte Sachumschreibung der beanspruchten Waren und Dienstleistungen
in ihrem Bezug zur Vulva dar, nicht aber als individualisierender Hinweis auf die
betriebliche Herkunft dieser Waren und Dienstleistungen. Darüber hinaus sei da-
von auszugehen, daß zumindest ein erheblicher Teil des potentiellen Publikums
die Marke für grob geschmacklos oder sexuell anstößig halte.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde des Anmelders. Zur Begrün-
dung trägt er vor, daß das Wort „pussy“ mehrere Bedeutungen habe und z.B. auch
für „Miezekatze“ oder „Puderdose“ stehen könne. Darüber hinaus sei die ange-
meldete Marke mit der Zusammenschreibung der Wörter „pussy“ und „time“ spra-
chunüblich gebildet. Schließlich seien nicht alle Interpretationen des Markenwortes
„Pussytime“ anstößig.
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Der Anmelder beantragt,
1.
den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben;
2.
die Rückzahlung der Beschwerdegebühr anzuordnen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die angemeldete
Marke ist sowohl wegen fehlender Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 Mar-
kenG) als auch wegen Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 8 Abs. 2 Nr. 5 Mar-
kenG) von der Eintragung ausgeschlossen.
1. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes sind wegen fehlender Un-
terscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) u.a. solche Marken von der
Eintragung in das Markenregister ausgeschlossen, die im Hinblick auf die be-
anspruchten Waren oder Dienstleistungen einen im Vordergrund stehenden
beschreibenden Sinngehalt aufweisen (vgl BGH GRUR 2001, 1043, 1044
„Gute Zeiten – Schlechte Zeiten“; GRUR 2001, 1042 „REICH UND
SCHOEN“). Das ist hier der Fall.
Die angemeldete Marke ist erkennbar aus dem englischen Wort „pussy“, ei-
nem vulgärsprachlichen Ausdruck für „Vulva“ im Sinne von „Muschi, Möse“,
und dem weiteren englischen Wort „time“ zusammengesetzt. Die Markenstelle
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ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß ein nicht unerheblicher Teil des
Verkehrs, insbesondere die an sexuellen oder pornographischen Inhalten inte-
ressierten Kundenkreise, das Markenwort „Pussytime“ in Anlehnung an ver-
gleichbar gebildete Begriffe wie „tea-time“ oder „business-time“ ohne weiteres
als beschreibende Angabe im Sinne von „Zeit für die Möse“ oder „Zeit für die
Muschi“ verstehen.
Das Wort „pussy“ weist allerdings, rein lexikalisch betrachtet, mehrere Be-
deutungen auf. Außer „Muschi, Möse“ kann es auch „Miezekatze“ oder „Pu-
derdose“ heißen. Diese Mehrdeutigkeit verschafft der angemeldeten Marke
aber noch nicht die erforderliche Unterscheidungskraft. Zwar ist in der Recht-
sprechung des Bundesgerichtshofes anerkannt, daß mehrdeutigen Wortmar-
ken die Unterscheidungskraft in der Regel nicht abgesprochen werden kann
(vgl BGH GRUR 2002, 64, 65 „INDIVIDUELLE“; GRUR 2001, 1150, 1151
„LOOK“ m.w.Nachw.). Insoweit darf aber nicht auf eine bloß lexikalische Be-
trachtung abgestellt werden. Entscheidend ist vielmehr, ob die Marke gerade
im Hinblick auf die beanspruchten Waren und Dienstleistungen mehrdeutig ist.
Daran fehlt es hier. Bei den von der Anmeldung erfaßten Waren und Dienst-
leistungen kann es sich durchgängig um solche handeln, die einen mehr oder
weniger deutlichen Bezug zu den weiblichen Geschlechtsorganen aufweisen.
Insoweit rückt die vulgärsprachliche Bedeutung von „pussy“ im Sinne von
„Muschi, Möse“ in den Vordergrund. Daß unter die allgemeinen Begriffe des
Verzeichnisses der Waren und Dienstleistungen der angemeldeten Marke
auch Waren und Dienstleistungen fallen können, bei denen ein beschreiben-
der Bezug des Wortes „pussy“ nicht festzustellen ist, ist insoweit ohne Belang
(vgl BGH, Beschluß vom 5. Juli 2001, I ZB 8/99 „AC“, zur Veröffentlichung
vorgesehen).
Beizutreten ist der Markenstelle auch in der Annahme, daß ein nicht unerheb-
licher Teil des Verkehrs in der Lage ist, das Wort „pussy“ in dem genannten
vulgärsprachlichen Sinne zu verstehen. Dem steht nicht entgegen, daß es sich
um ein Wort der englischen Umgangssprache handelt. So ist bereits das
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Reichsgericht in einem Urteil vom 3. Juni 1927 von einer „großen Verbreitung
der Elementarkenntnisse der englischen Sprache in Deutschland“ ausgegan-
gen (RGZ 117, 215, 221 „Eskimo Pie“). Angesichts der allgegenwärtigen
Durchsetzung der deutschen Umgangssprache mit Anglizismen kann daher
ohne weiteres angenommen werden, daß das Markenwort „Pussytime“ in dem
Sinne verstanden wird, in dem es gemeint ist. Dafür spricht auch die mit der
Anmeldung getroffene Wortwahl selbst. Ein Wort wie „Pussytime“ wählt man,
um verstanden zu werden, nicht um den Kunden im Unklaren zu lassen.
Schließlich weist das Wort „Pussytime“ auch keine sprachliche Regelwidrigkeit
auf, die ihm die erforderliche Unterscheidungskraft vermitteln könnte. Ob die
Zusammenschreibung der Wörter „Pussy“ und „time“ eine Regelwidrigkeit dar-
stellt, erscheint fraglich, kann aber dahinstehen, weil sie jedenfalls so gering-
fügig wäre, daß sie neben dem deutlich im Vordergrund stehenden beschrei-
benden Sinngehalt nicht ins Gewicht fiele (vgl BGH GRUR 2001, 1153 „anti
Kalk“).
2. Der Markenstelle ist des weiteren darin zuzustimmen, daß die angemeldete
Marke auch wegen Verstoßes gegen die guten Sitten nicht eintragbar ist (§ 8
Abs. 2 Nr. 5 MarkenG). Von diesem Ausschlußtatbestand ist allerdings nur
sehr zurückhaltend Gebrauch zu machen, vor allem wenn es um mögliche
Verstöße gegen das Schamgefühl geht, da die Auffassung breiter Verkehrs-
kreise in diesem Bereich von einer weitgehenden Liberalisierung geprägt ist
(Althammer/Ströbele, Markengesetz, 6. Aufl. 2000, § 8 Rn. 268). Andererseits
ist aber dem Eindruck entgegenzuwirken, daß Marken mit diskriminierendem,
insbesondere frauendiskriminierendem Inhalt staatlichen Schutz erfahren. Da-
her sind Marken, die Frauen als beliebig verfügbare Sexualobjekte darstellen
oder dies suggerieren, von der Eintragung auszuschließen (vgl BPatG Mitt
1985, 215 „Schlüpferstürmer“; s. auch BGH GRUR 1995, 592, 594 „Bu-
sengrapscher“). Dies trifft auch auf die vorliegende Marke zu.
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3. Für eine Rückzahlung der Beschwerdegebühr besteht kein Anlaß (§ 71 Abs. 3
MarkenG). Soweit der Anmelder rügt, daß sich die Markenstelle nicht mit sei-
nem Vortrag zur Mehrdeutigkeit des Wortes „pussy“ auseinandergesetzt habe,
rechtfertigt dies die Rückzahlung nicht, da eine ausdrückliche Berücksichti-
gung dieses Vorbringens keine andere Entscheidung in der Sache zur Folge
hätte haben können (vgl oben 1.; Althammer/Ströbele, aaO § 71 Rn. 38).
Dr. Hacker
Dr. Schmitt
Werner
Bb