Urteil des BPatG vom 21.06.2000

BPatG: marke, internet adresse, begriff, unterscheidungskraft, freihaltebedürfnis, vogel, patent, hotellerie, fremdsprache, werbung

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 116/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 396 28 124.9
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 21. Juni 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Meinhardt,
des Richters Dr. Vogel von Falckenstein und des Richters Guth
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin werden die Be-
schlüsse der Markenstelle für Klasse 42 des Deut-
schen Patent- und Markenamts vom 3. März 1999
und 1. Oktober 1997 aufgehoben.
Gründe:
I.
Angemeldet ist das Wort
„KIDSUITES“
als Marke zur Kennzeichnung von „Hotel- und Moteldienstleistungen“.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung wegen eines Freihaltebedürfnisses und fehlender Unterscheidungs-
kraft zurückgewiesen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Markenteile „KID“
und „SUITES“ stellten unabhängig von der Frage, ob die Gesamtmarke eine
Wortneuschöpfung sei, eine bloße Aneinanderreihung im Inland geläufiger und
lexikalisch nachweisbarer Begriffe dar. Die Marke sage sprachüblich und unmit-
telbar aus, die beanspruchten Dienstleistungen würden in Form von Zimmer-
fluchten für Kinder und Jugendliche erbracht. So sei auch der Begriff „Juniorsuite“
nachgewiesen. Dann spielten auch die Voreintragungen u.a. in den USA und in
Großbritannien keine Rolle.
Mit ihrer dagegen gerichteten Beschwerde macht die Anmelderin u.a. geltend, die
Marke sei nicht beschreibend. Nach der lexikalischen Lage seien beide Marken-
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bestandteile jeweils mehrdeutig und erforderten Überlegung, um zu einem be-
schreibenden Gehalt zu kommen. So habe auch das Amt selbst den Ausdruck im
Verlauf des Verfahrens unterschiedlich interpretiert (Zimmerfluchten für Kinder,
kindergerechte Suiten als mit kindergerechten Möbeln ausgestattet oder als ge-
sondertes Kinderzimmer). Auch die sonstigen im Zusammenhang mit Hotels ge-
brauchten deutschen Begriffe „Kinderhaus“, „Kinderspielzimmer“,
„Familienzimmer“, „Junior-Suiten“ seien nicht konkret genug. Schließlich sei die
Indizwirkung der Voreintragungen unbeachtet geblieben.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, und sie hat auch in der Sache Erfolg.
Denn für die angemeldete Marke läßt sich weder ein Freihaltebedürfnis noch das
Fehlen der erforderlichen Unterscheidungskraft feststellen (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 und 1
MarkenG).
Der Senat konnte nicht feststellen, daß das Markenwort gegenwärtig für die be-
anspruchten Dienstleistungen eine sachbeschreibende, freihaltebedürftige Be-
deutung hat und für sie beschreibend verwendet wird. Aufgrund einer Internet-
Recherche hat der Senat den Ausdruck „Kidsuites“ im hier relevanten Touristikbe-
reich zwar häufig, aber ausschließlich markenmäßig verwendet gefunden für Be-
herbergungs-Dienstleistungen der Anmelderin oder mit ihr konzernmäßig ver-
bundener Unternehmen. Ebenso markenmäßig und zudem fachlich nicht ein-
schlägig ist ferner die festgestellte Verwendung von „Kidsuite“ für eine EDV-Soft-
ware. Als rein beschreibende Sachangabe findet sich das Markenwort nur im
Bereich der Musik als Bezeichnung von für Kinder geeigneten Musikstücken
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(„Kidsuite“ = Suite für Kinder). Damit ist ein gegenwärtiges Freihaltebedürfnis nicht
belegbar.
Auch Anhaltspunkte dafür, daß Dritte künftig ein legitimes Interesse an der werb-
lichen Verwendung des angemeldeten Worts für die beanspruchten Dienstlei-
stungen haben könnten, sind nicht ersichtlich. An ein solches potentielles Frei-
haltebedürfnis sind strenge Anforderungen zu stellen. Konkrete Hinweise für eine
entsprechende Entwicklung (BGH GRUR 1990, 517, 518 „SMARTWARE“; 1992,
515, 516 „VAMOS“) hat der Senat aber nicht feststellen können. Zwar ließe sich
eine beschreibende Aussage von „Kidsuite“ im Zusammenhang mit den Beher-
bergungs-Dienstleistungen der Marke lexikalisch näherungsweise erschließen. So
wird der Begriff „Kid“ für „Kind“ (Langenscheidt, Handwörterbuch Englisch, 1988,
zu diesem Stichwort) auch im Inland als englischer Begriff der eher lockeren
Alltagssprache ebenso verstanden wie der Begriff „Suite“, der eine Zimmerflucht in
Hotels bezeichnet (Brockhaus Enzyklopädie, 20. Aufl., zu diesem Stichwort),
zumal Begriffe wie „Präsidentensuite“, „Juniorsuite“ im Hotelwesen weit verbreitet
sind. Indessen hat sich dort der Begriff „Kindersuite“ ersichtlich nicht etabliert,
auch „Juniorsuite“ bezeichnet eine kleine Zimmersuite, nicht jedoch eine solche
etwa für junge Leute. Ebenso wie im Englischen bei „kidsuite“ gibt es das
deutsche Pendant „Kindersuite“ nur vereinzelt als Bezeichnung von Musikstücken.
Es kommt hinzu, daß eine „Kidsuite“, wie sie ersichtlich allein die Anmelderin
anbietet, nicht den ansonsten üblichen Wortsinn trifft. Es bezeichnet keine Kindern
vorbehaltene Zimmerflucht, sondern, soweit den Fundstellen entnehmbar, lediglich
eher einen für Kinder reservierten und abgegrenzten Bereich im Zimmer bzw. den
Zimmern der Erwachsenen (s. z.B. Werbung für das „Portofino Bay Hotel“:
„KidSuite (where the children's sleeping area is enclosed within the room itself)“,
Internet-Adresse http://members.aol. com/parisbyair/stay.htm). Bei dieser
Sachlage mag „Kidsuite“ zwar einen gewissen sprechenden Charakter haben. Der
Begriff gibt aber erkennbar die tatsächlichen Verhältnisse nur unscharf, eher
werbemäßig überhöht wieder. Unter diesen Umständen besteht in den Fach-
kreisen der Hotellerie ersichtlich kein ernsthaftes Bedürfnis zur freien Verwendung
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dieses Begriffes als Sachangabe. Dies ist um so weniger nahegelegt, als für die
Marke Voreintragungen in den englischsprachigen Staaten USA und vor allem
Großbritannien nachgewiesen worden sind, so daß die im Inland erforderliche
freie Verwendbarkeit der Wortfolge schon von daher eher fernliegend erscheint
(BGH GRUR 1996, 771, 772 „THE HOME DEPOT“).
Aus diesen Gründen kann der Marke auch nicht jegliche Unterscheidungskraft
abgesprochen werden. Der Senat hat im Rahmen der Beurteilung des Freihalte-
bedürfnisses keinen für die fraglichen Dienstleistungen im Vordergrund stehen-
den, eindeutig beschreibenden Begriffsgehalt der Marke (vgl. BGH MarkenR 1999,
347, 348f. - Absolut), sondern einen unscharfen, werbemäßig verkürzten Inhalt
nach Art einer sprechenden Marke feststellen können. Da es sich auch nicht um
einen so gebräuchlichen Ausdruck der deutschen oder englischen Fremdsprache
handelt, der vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als betriebliches
Unterscheidungsmittel verstanden wird, fehlen im vorliegenden Falle jegliche
Anhaltspunkte dafür, daß das Publikum aufgrund der dargestellten Unschärfe des
Worts die Marke als Sachangabe und nicht als betrieblichen Herkunftshinweis
deuten könnte.
Meinhardt
Dr. Vogel von Falckenstein
Guth
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