Urteil des BPatG vom 08.06.2004

BPatG: beschreibende angabe, zahl, verkehr, unterscheidungskraft, programm, wortmarke, bayern, marketing, herausforderung, auszug

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 364/02
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 09 513.6
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sit-
zung vom 8. Juni 2004 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Winkler, der
Richterin Dr. Hock und des Richters Kätker
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
BPatG 152
10.99
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G r ü n d e
I
Am 19. Februar 1999 ist beim Deutschen Patent- und Markenamt die Wortmarke
40 Plus
für folgende Dienstleistungen angemeldet worden:
Kl. 36: Versicherungswesen, Finanzwesen
(Dienstleistungsverzeichnis in der Fassung des Schriftsatzes vom 16. März 1999).
Mit Beschlüssen vom 2. April 2001 und 30. Juli 2002, letzterer im Erinnerungsverfah-
ren, hat die Markenstelle für Klasse 36 die Anmeldung nach §§ 37 Abs. 1, 8 Abs. 2
Nr. 1 MarkenG zurückgewiesen. Nach Auffassung der Markenstelle handelt es sich
bei der Anmeldemarke um eine rein beschreibende Angabe über die Eignung der
Dienstleistungen für Personen einer bestimmten Altersgruppe, wobei das Alter der
jeweiligen Gruppe nach unten durch die jeweilige Zahl begrenzt werde. Für den Cha-
rakter der angemeldeten Marke als beschreibende Angabe sprächen auch die Er-
gebnisse von Internetrecherchen, die den Beschlüssen beigefügt waren.
Gegen den Erinnerungsbeschluss hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt, mit der
sie beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben.
Zur Begründung führt sie aus, dass jedenfalls für Versicherungen und Finanzdienst-
leistungen keine Internetbelege auffindbar seien, in denen die angemeldete Bezeich-
nung als Hinweis auf Altersangaben verwendet werde. Selbst wenn die Marke einen
mittelbaren Hinweis auf bestimmte Altergruppen enthielte, stehe ein solch vager
Hinweis angesichts der Gewöhnung des Verkehrs an Kennzeichnungen mit be-
schreibendem Anklang der Schutzfähigkeit nicht entgegen. Dazu verweist die An-
melderin auf mehrere Voreintragungen wie etwa "DIREKTE LEBEN" und "KONZEPT
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50 PLUS". Kombinationen aus einer Zahl und dem Wort "Plus" könnten neben der
möglichen Altersstruktur der Zielgruppen etwa auch Versicherungswerte ("1000
Plus"), Jahreszahlen ("2000 PLUS-UNFALLVERSICHERUNG") oder die Zahl der
abgedeckten Bereiche benennen. Außerdem würden Versicherungen für bestimmte
Altersgruppen nicht allein nach der unteren, sondern auch nach der oberen Alters-
grenze bestimmt (z.B. "für die Altersgruppe 45 bis 65" etc.). Der Verkehr werde sich
fragen, warum die Altersangabe "40" genannt werde, da mit diesem Alter kein für das
wirtschaftliche Leben relevanter Lebensabschnitt verbunden sei. Wie indifferent die
angemeldete Marke sei, ergebe sich auch aus der von der Markenstelle vorgelegten
Fundstelle zu einem "Programm 59 plus", mit dem Personen ab ca. 55 Jahren bis
Ende 60 angesprochen würden. Als Altersangabe für über 59-Jährige wäre die Be-
zeichnung damit irreführend, da erkennbar auch jüngere Personen angesprochen
und eine Altersbegrenzung bis Ende 60 für das Programm gegeben sei.
Der Anmelderin sind Kopien des Ergebnisses einer vom Senat durchgeführten Re-
cherche übersandt worden, wobei der Senat auch auf die zugleich in den Parallel-
verfahren ( 33 W (pat) 355 - 358, Beschwerden gegen die Zurückweisungen der
Marken "30 Plus", "51 Plus", "59 Plus", "65 Plus", "70 Plus" und "80 Plus") über-
sandten Rechercheergebnisse hingewiesen hat.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist nicht begründet.
Die zur Eintragung angemeldete Bezeichnung weist nicht die für eine Marke erfor-
derliche Unterscheidungskraft auf (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG). Unterscheidungskraft
im Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewohnende (konkrete) Eignung,
vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren eines
Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden (vgl.
BGH GRUR 2001, 413, 414 - SWATCH, m.w.N.; GRUR 2001, 240, 241 - SWISS
ARMY; MarkenR 2001, 407 - antiKALK). Hierbei ist grundsätzlich von einem
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großzügigen Maßstab auszugehen. Kann einer Wortmarke kein für die fraglichen
Waren im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet werden
und handelt es sich auch sonst nicht um ein gebräuchliches Wort der deutschen oder
einer bekannten Fremdsprache, das vom Verkehr –
etwa auch wegen einer
entsprechenden Verwendung in der Werbung – stets nur als solches und nicht als
Unterscheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür,
dass ihr die Unterscheidungseignung und damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt
(vgl. BGH MarkenR 2001, 408, 409 - INDIVIDUELLE m.w.N.). Den danach an die
Unterscheidungskraft einer Marke zu stellenden Anforderungen wird die
angemeldete Bezeichnung nicht gerecht.
Die angemeldete Marke wird vom Verkehr als Angabe einer ab einem bestimmten
Mindestalter beginnenden Altersklasse, nicht aber als Hinweis auf einen bestimmten
Geschäftsbetrieb verstanden. Wie aus zahlreichen, der Anmelderin mitgeteilten In-
ternetbelegen hervorgeht, und auch schon vom 29. Senat des Bundespatentgerichts
in seiner Entscheidung vom 25. Oktober 2000 (29 W (pat) 208/99) festgestellt wor-
den ist, haben sich Kombinationen aus einer Zahl und dem angehängten Wort „plus“
(oder dem Zeichen „+“) inzwischen in wohl allen Lebensbereichen als Kurzbezeich-
nungen für solche Altersklassen eingebürgert. Insbesondere in Medienveröffentli-
chungen wird diese Bezeichnungsweise mit zunehmender Beliebtheit verwendet. So
heißt es z.B. in dem im Internet veröffentlichten Manuskript eines am 5. und 7. Juli
1999 im Radiosender Bayern 2 gesendeten Interviews mit dem Zukunftsforscher
Horst Opaschowski: „…ich unterscheide mittlerweile drei ältere Generationen: Die
Fünfzig-Plus-Generation, die 65-Plus-Generation und die 80-Plus-Generation"
(www.br-online.de/imperia/md/content/bayern/collegerad/religion/18/rtf.) In einem
Artikel der Internetseite der Leipziger Volkszeitung vom 2. August 2002 (www.lvz-
online.de) wird wie folgt über einen neuen Radiosender berichtet: „... TV 50 plus wird
der Sender sicher nicht heißen. Thomas Ziesch: Der Name darf nicht polarisieren. Er
soll ja auch die 30 plus- und die 40 plus-Zuschauer einladen. Außerdem gibt es ja
bereits das drohende Beispiel aus Berlin, wo Mitte der 90er Jahre der Radiosender
„50 plus“ startete – und schon ein Jahr später… in Spreeradio umgetauft wurde". In
der unter www.wdr.de/tv/service/geld/inhalt20030515/_1.phtml veröffentlichten
Zusammenfassung der Fernsehsendung "Das Geschäft mit den Alten" vom 15. Mai
2003 heißt es: "Das werden in den kommenden Jahren auch Industrie und Handel
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erkennen, die sich mehr und mehr mit den Wünschen und Bedürfnissen von Senio-
ren befassen."50-" und "60plus" zeigen heute – im Gegensatz zu älteren Jahrgängen
– ein sehr flexibles Kaufverhalten, heißt es bei Senioren-Marketingexperten. … Im
Gegensatz zur Generation 70plus haben sie das Konsumieren gründlich gelernt …".
Auch im deutschsprachigen Ausland lassen sich entsprechende Bezeichnungen
feststellen, was zusammen mit den o.g. inländischen Belegen für eine überregionale
und nachhaltige Verbreitung dieser Form der Altersgruppenbezeichnung spricht (vgl.
www.jobwinner.ch: "Die Wirtschaft und die Meinungsforscher vergeben gerne Etiket-
ten wie "30 Plus" oder "50 Plus"; Auszug aus einer österreichischen Diplomarbeit im
Fachhochschulstudiengang Marketing & Sales mit dem Titel "Zielgruppe 50plus –
eine Herausforderung für Banken": "... kann es sich kaum eine Branche leisten, diese
Zielgruppe der 50plus, 55plus oder 60plus noch länger außer Acht zu lassen"
(http://www.fachhochschule.at/FH/da.nsf).
Über die bereits in den o.g. Beispielen enthaltenen Verwendungen hinaus hat der
Senat auch die Verwendung der angemeldeten Zahl-Wort-Kombination "40 Plus"
selbst noch mehrfach - in verschiedenen Schreibweisen - belegen können (vgl. z.B.
www.monika-birkner.de/SEITEN/presse.htm: "Die Deutsche Bank hat beispielsweise
ein Orientierungsseminar für die Gruppe "40 Plus" aufgelegt."; www.jobpi-
lot.de/content/journal/beruf/40plus.html: (Überschrift:) "40 plus" – Karriere über
Vierzig" ... Die "40 plus" bringen jedoch auch viele Menschen dazu, inne zu halten
und Bilanz zu ziehen."; www.thueringen.de/imperia/md/content/tmsfg/abtei-
lung3/4_einkommen: " ... wenn in der Phase "40plus" allmählich weniger Kinder zu
versorgen sind und das Tilgungssparen geringer ausfällt."
Die Auffassung der Anmelderin, mit diesem Alter sei kein für das wirtschaftliche Le-
ben relevanter Lebensabschnitt verbunden, vermag der Senat nicht nachzuvollzie-
hen. Ab etwa dem 40. Lebensjahr befinden sich Berufstätige in einer Phase des be-
ruflichen Aufstiegs bei bereits gestiegenen Einkommen und nach wie vor weiter vor-
handenen beruflichen Perspektiven, so dass sie für die Anbieter der beanspruchten
Dienstleistungen besonders interessant sind. Dies dürfte allgemein bekannt sein und
ergibt sich auch aus den der Anmelderin übersandten Rechercheergebnissen.
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Gegen den Charakter einer rein beschreibenden Altersgruppenangabe spricht auch
nicht, dass solche Angaben teilweise ungenau verwendet werden, worauf die An-
melderin unter Bezugnahme auf das von der Markenstelle ermittelte Beispiel eines
"Programm 59 Plus" hingewiesen hat. Bei einer Gesamtschau aller vom Senat be-
legten Verwendungen solcher "Zahl-Plus"-Bezeichnungen (einschließlich der zu den
o.g. Parallelverfahren) ist festzustellen, dass es sich etwa bei Zielgruppenbezeich-
nungen um nur ungefähre Altersangaben handelt, die häufig eine maßvolle Unter-
schreitung der in der Angabe enthaltenen Jahreszahl erlauben. Dies ändert nichts
am Charakter einer beschreibenden Bezeichnung, mit der eine nach dem (ungefäh-
ren) Alter bestimmte Personengruppe definiert wird. Denn nach der Lebenserfahrung
ändert sich – abgesehen von gesetzlichen Altersbestimmungen – mit dem Erreichen
eines bestimmten Lebensalters nicht schlagartig die durch Gesundheit, Arbeitskraft,
Interessen usw. geprägte Lebenssituation eines Menschen. Schon allein die Indivi-
dualität der Menschen verhindert, dass solche Angaben vom Verkehr als mathema-
tisch exakte Lebensaltersangaben verstanden werden. Weiter ist zu berücksichtigen,
dass eine Lebensphase – bis auf die letzte – stets von einer weiteren abgelöst wird,
so dass Angaben wie "30 Plus" oder "40 Plus" in einer Gesellschaft mit zunehmend
älter werdender Durchschnittsbevölkerung schon aus diesem Grund zumeist nicht
als nach oben offene Altersklassenbezeichnungen verstanden werden. Dies zeigt
sich auch in Aufzählungen solcher Altersgruppenbezeichnungen, in denen die
Nennung der nächsthöheren Altersgruppe zugleich eine Begrenzung der
vorangehenden, jüngeren Gruppe darstellt (vgl. einige der o.g. Beispiele). Der
angemeldeten Marke fehlt damit die Eignung zur betrieblichen Herkunftsunter-
scheidung, so dass sie nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG von der Eintragung
ausgeschlossen ist. Die Beschwerde war damit zurückzuweisen.
Winkler Dr.
Hock
Kätker
Cl