Urteil des BPatG vom 24.06.2003

BPatG: marke, verwechslungsgefahr, kunststoff, kennzeichnungskraft, versicherung, zubehör, eugh, bestandteil, vergleich, billigkeit

BPatG 154
6.70
BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 78/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
24. Juni 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
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betreffend die Marke 396 18 322
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 24. Juni 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden
Richters Winkler, des Richters Baumgärtner und der Richterin Dr. Hock
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist gegen die Eintragung der für die Wa-
ren und Dienstleistungen
„Baumaterialien (nicht aus Metall); transportable Bauten (nicht aus
Metall), insbesondere Vordächer, hergestellt aus Holz- und/oder
Kunststoff-Verbundteilen und Hauseingangsverbreiterungen aus
Kunststoff; wärmedämmende und schallhemmende Kunststoffplat-
ten als Einbauwandelemente; Haustür- und Garagentorfüllungen,
insbesondere solche aus Polyester oder anderen Kunststoffen;
Bauglas, insbesondere Verglasungen für Haustüren; (sämtliche
vorgenannten Waren der Klasse 19 ohne Ausdehnung auf feuer-
feste Steine und feuerfeste Massen); Baumaterialien aus Metall,
insbesondere Tür- und Tor-Beschläge sowie aus Alumi-
nium-Verbundteilen hergestellte Vordächer; Installation und Mon-
tage von transportablen Bauten, insbesondere von Haustür- und
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Garagentorfüllungen, Haustür-Vorbauten und -Verbreiterungen so-
wie von Vordächern“.
registrierten Marke 396 18 322
Cronal
aufgrund der für die Waren
„Fenster, Türen und Fassaden aus Kunststoff; Profile für Fenster,
Türen und Fassaden aus Kunststoff; Dichtungen aus Gummi und
Kunststoff; Schlosserwaren, wie Beschläge und Verstärkungsprofile
aus Metall (Klasse 6, 17, 19)“
am 28. Juni 1996 eingetragenen Marke 396 11 078
CORONA
am 26. April 1997 Widerspruch erhoben worden.
Die Markenstelle für Klasse 19 hat mit Beschluß vom 9. Februar 1998 den Wider-
spruch zurückgewiesen und diese Entscheidung mit Erinnerungsbeschluß vom
28. Januar 2002 bestätigt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, daß die sich ge-
genüberstehenden Waren und Dienstleistungen zwar teilweise im Identitätsbe-
reich lägen. Trotz des insoweit erforderlichen strengen Maßstabes sei der Mar-
kenabstand noch eingehalten. Insbesondere bestehe keine klangliche Verwechs-
lungsgefahr. Zwar stimmten die Marken in den Buchstaben „c-rona-“ vollständig
überein, sie unterschieden sich aber deutlich durch den zusätzlichen Vokal „o“ der
Widerspruchsmarke und den Schlußkonsonanten „l“ der angegriffenen Marke.
Durch diesen zusätzlichen Vokal ergebe sich zum einen eine andere Vokalfolge,
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zum anderen stehe damit ein dreisilbiges Wort einem zweisilbigen Wort gegen-
über.
Eine begriffliche Ähnlichkeit, die grundsätzlich zu einer Verwechslungsgefahr füh-
ren könne, scheide aus. Der Markenbegriff „CORONA“ stamme zwar aus dem La-
teinischen und bedeute „Krone“. Es sei aber bereits zweifelhaft, ob dieser Be-
griffsinhalt einem entscheidungserheblichen Teil des Verkehrskreises bekannt sei,
da es sich nicht um ein gängiges allgemeines Fremdwort handle. Zumindest
könne aber der Argumentation nicht gefolgt werden, wonach auch bei der ange-
griffenen Marke „Cronal“ begriffliche Anklänge an das Wort „Krone“ aufzufinden
seien.
Gegen diese Beurteilung richtet sich die Beschwerde der Widerspechenden. Sie
trägt vor, daß der erforderliche Markenabstand im vorliegenden Fall nicht ein-
gehalten werde. Dabei sei zu berücksichtigen, daß besonders Fachkreise aus
dem Handwerk den Abnehmern der Produkte beider Verfahrensbeteiligten zuzu-
rechnen seien. Es sei daher von ungünstigen Übermittlungsbedingen in stark
lärmbelasteter Umgebung auszugehen. In einer solchen Situation könnten die
Unterschiede der Marken kaum wahrgenommen werden, insbesondere, da das
zweite „o“ in „Corona“ nur eine Wiederholung des ersten „o“ darstelle. Demgegen-
über komme das Endungs-l von „Cronal“ praktisch kaum zu Gehör.
Nachdem die Markeninhaberin im Verfahren vor dem Bundespatentgericht die
Nichtbenutzungseinrede erhoben hat, hat die Widersprechende Benutzungsun-
terlagen und insbesondere eine eidesstattliche Versicherung des Leiters der Pa-
tentabteilung vorgelegt.
Die Widersprechende beantragt,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
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Der Inhaber der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er hat nach Vorlage der Benutzungsunterlagen die Benutzung für Kunststoff-
fenster- und -Türsysteme, bestehend aus Profilen, Zubehör und Beschlägen sowie
für Fenster und Türen unstreitig gestellt.
Er trägt vor, daß insbesondere eine klangliche Verwechslungsgefahr nicht be-
stehe. Die sich gegenüberstehenden Marken unterschieden sich hinsichtlich Vo-
kalfolge sowie Sprech- und Betonungsrhythmus. Auch die Wortanfänge seien un-
terschiedlich, das „l“ am Wortende der angegriffenen Marke werde nicht verschlif-
fen.
Die angesprochenen Verkehrskreise würden sich anhand von Prospektmaterial,
nicht auf lärmbelästigten Baustellen, sondern in Ruhe mit den Produkten befassen
und diese bestellen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Ak-
teninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist nicht begründet. Zwischen den sich gegenüberstehenden
Marken besteht keine Verwechslungsgefahr gemäß § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG.
Ob Verwechslungsgefahr besteht, hängt nach § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG von der
Identität oder Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Marken einerseits und
andererseits von der Identität oder Ähnlichkeit der von den beiden Marken erfaß-
ten Waren ab, wobei von dem Leitbild eines durchschnittlich informierten, auf-
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merksamen und verständigen Durchschsnittsverbrauchers auszugehen ist (EuGH
GRUR Int 1999, 734, 736 -
Lloyd; BGH GRUR 2000, 506, 508
- ATTACHÈ/TISSERAND). Darüber hinaus sind alle weiteren Umstände zu be-
rücksichtigen, die sich auf die Verwechslungsgefahr auswirken können, insbeson-
dere die Kennzeichnungskraft der älteren Marke (EuGH aaO - Lloyd; BGH aaO
- ATTACHÉ/TISSERAND; GRUR 1999, 995, 997 - HONKA). Dabei stehen die
verschiedenen für die Beurteilung der Verwechslungsgefahr heranzuziehenden
Faktoren in einer Wechselwirkung, so daß zB ein geringerer Grad an Markenähn-
lichkeit durch eine höhere Kennzeichnungskraft der älteren Marke bzw durch ei-
nen höheren Grad an Warenähnlichkeit ausgeglichen werden kann (stRspr; BGH
GRUR 2000, 603, 604 - Cetof/ETOP). Nach diesen Grundsätzen ist vorliegend
eine Verwechslungsgefahr nicht zu bejahen.
a)
Die Markeninhaberin hat im Verfahren vor dem Bundespatentgericht die
Einrede der Nichtbenutzung erhoben. Die Widersprechende hat daraufhin Benut-
zungsunterlagen vorgelegt, insbesondere eine eidesstattliche Versicherung des
Leiters der Patentabteilung der Widersprechenden, in der Ausführungen zur
Kennzeichnung von Kunststoff-Fenster- und -Türsystemen, bestehend aus Profi-
len, Zubehör und Beschlägen sowie für Fenster und Türen gemacht worden sind.
Hinsichtlich dieser Waren hat die Markeninhaberin in der mündlichen Verhandlung
vom 24. Juni 2003 die Benutzung ausdrücklich nicht mehr bestritten. Unter
Zugrundelegung der unstreitig benutzten Waren der Widersprechenden ist von
einer hochgradigen Warenähnlichkeit bis zur Warenidentität auszugehen.
b) Zugunsten der Widersprechenden geht der Senat ferner von einer normalen
Kennzeichnungskraft der Marke der Widersprechenden aus. Anhaltspunkte für
eine erhöhte Kennzeichnungskraft bestehen im vorliegenden Fall nicht. Zwar hat
die Widersprechende im Zusammenhang mit ihrer eidesstattlichen Versicherung
erhebliche Umsätze mit der streitgegenständlichen Marke dargetan. Maßgeblicher
Zeitpunkt für die Berücksichtigung erhöhter Kennzeichnungskraft ist jedoch der
Zeitpunkt der Anmeldung der jüngeren Marke (vgl BGH, GRUR 1961, 347
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- Almglocke). Die jüngere Marke wurde im Jahre 1996 angemeldet, die dargeleg-
ten Umsätze der Widersprechenden beziehen sich jedoch auf die Jahre 2000 bis
2002.
c) Den insoweit erforderlichen größeren Abstand halten die beiden Marken
- insbesondere in klanglicher Hinsicht - noch ein. Zwar enthalten beide Marken
den gemeinsamen Bestandteil „rona“. Hinsichtlich der Vokalfolgen und des Beto-
nungsrhythmusses liegen jedoch so erhebliche Unterschiede vor, daß die ange-
sprochenen Verkehrskreise, hier überwiegend professionelle Abnehmer, teilweise
auch Endabnehmer, die Unterschiede zwischen den sich gegenüberstehenden
Marken ohne weiteres erkennen werden.
Die Widerspruchsmarke enthält den zusätzlichen Vokal „o“ durch den sich eine
andere Vokalfolge, nämlich „o-o-a“ im Vergleich zu „o-a“ ergibt, was gleichzeitig
zur Folge hat, daß hier ein dreisilbiges einem zweisilbigen Wort gegenübersteht.
Hinzu kommt der in der angegriffenen Marke vorhandene stimmhafte Konsonant
„r“ als zweiter Buchstabe, der am Wortanfang mehr Beachtung findet. Weiter en-
det die Widerspruchsmarke mit dem dunklen Vokal „a“, die angegriffene Marke mit
dem zwar klangschwachen „l“, das aber nicht, wie die Widersprechende meint,
untergeht. Denn wie bei vergleichbaren zweisilbigen Wörtern mit der Endung „-al“,
z.B. „Regal, legal, fatal, egal“ folgt aus der Betonung auf dem letzten Vokal die
Betonung und vollständige Aussprache des Wortendes der jüngeren Marke. Auch
der Vertreter der Widersprechenden konnte auf Frage des Gerichts kein Beispiel
nennen, in dem bei auf „al“ endenden zweisilbigen Begriffen die Endsilbe unbetont
bleibt. Demgegenüber wird die Widerspruchsmarke auf dem zweiten Vokal betont.
Zu berücksichtigen ist weiterhin, daß die Auswahl der mit der Marke versehenen
Produkte nicht nur telefonisch erfolgt, sondern großen Teils unter Zuhilfenahme
entsprechenden Prospektmaterials und nach Beratung. Auch ergeben sich keine
Anhaltspunkte, daß die mündliche Übermittlung der Marken grundsätzlich im Zu-
sammenhang mit besonders hohen Geräuschpegeln erfolgt. Gerade weil die an-
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gesprochenen Verkehrskreise größtenteils professionelle Abnehmer sind, gibt es
keinen Grund dafür, daß entsprechende mündliche Gespräche durch besondere
Lärmbelästigung gestört werden, da derartige Gespräche regelmäßig außerhalb
des Produktionsprozesses oder der Montageabläufe abgewickelt werden.
Anhaltspunkte für eine schriftbildliche oder für eine begriffliche oder assoziative
Verwechslungsgefahr bestehen nicht. Insbesondere kann bei der angegriffenen
Marke „Cronal“ nicht von einem beschreibenden Anklang an den Begriff
„CORONA“ ausgegangen werden, zumal das in der Widerspruchsmarke enthal-
tene erste „o“ in der angegriffenen Marke fehlt.
Bei der gegebenen Sach- und Rechtslage besteht kein Anlaß aus Gründen der
Billigkeit einer der Verfahrensbeteiligten die Kosten des Beschwerdeverfahrens
gemäß § 71 Abs 1 MarkenG aufzuerlegen.
Winkler Baumgärtner Dr.
Hock
Cl