Urteil des BPatG vom 30.11.2005

BPatG (stadt, handel und gewerbe, beschreibende angabe, tee, quelle, kaffee, bezeichnung, unternehmen, herkunft, angabe)

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
26 W (pat) 209/04
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 303 22 776.1
hat der 26. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 30. November 2005 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters
Albert sowie des Richters Kraft und der Richterin Friehe-Wich
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluss der Mar-
kenstelle für Klasse 32 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 16. Juni 2004 aufgehoben, soweit die Anmeldung für fol-
gende Waren zurückgewiesen worden ist:
„medizinische Tees und Kräutertees, Schlankheitstees für medizi-
nische Zwecke; Vitaminpräparate; mineralische Nahrungser-
gänzungsmittel;
pflanzliche Aromastoffe und Aromen für Getränke, ausgenommen
ätherische Öle; Essenzen für Nahrungszwecke, ausgenommen
ätherische Essenzen und Öle; Kaffee, Tee, Schokoladengetränke;
Kaffee-, Tee-, Milch- und Schokoladenmischgetränke; Milchkaffee,
-kakao, -schokolade; grüner Tee, Kakao, Kaffeegetränke; Scho-
kolade und Schokoladengetränke, nicht-medizinische Kräutertees;
Sirupe und andere Präparate für die Zubereitung von Getränken;
alkoholfreie Aperitife, Brausepulver und -tabletten für Getränke,
alkoholfreie Cocktails, Essenzen für die Zubereitung von Geträn-
ken, alkoholfreie Fruchtextrakte, Fruchtnektare (alkoholfrei),
Sarsaparilla (alkoholfreies Getränk), Kalter Kaffee, grüner Tee-Zu-
bereitungen; Erzeugnisse zur Herstellung kohlensäurehaltiger
Wässer, Molkegetränke“.
Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
Die Markenstelle hat die für die Waren
„Klasse 05
„Diätgetränke für medizinische Zwecke, flüssige Nahrungser-
gänzungsmittel für medizinische Zwecke; medizinische Tees und
Kräutertees, Schlankheitstees für medizinische Zwecke, Thermal-
wasser (Heilwasser); Vitaminpräparate; Mineralische Nahrungs-
ergänzungsmittel, Mineralwasser für medizinische Zwecke; medi-
zinische Getränke;
Klasse 30
Pflanzliche Aromastoffe und Aromen für Getränke, ausgenommen
ätherische Öle; Essenzen für Nahrungszwecke, ausgenommen
ätherische Essenzen und Öle; Kaffeegetränke, Kaffee, Tee, Scho-
koladengetränke; Kaffee-, Tee-, Milch- und Schokoladenmisch-
getränke; Milchkaffee, -kakao, -schokolade; grüner Tee, Eistee,
Kakao, Kaffeegetränke; Schokolade und Schokoladengetränke,
nicht-medizinische Kräutertees;
Klasse 32
Heilwässer, Mineralwässer, alkoholfreie Getränke, insbesondere
Limonaden; Cola-Getränke sowie Frucht- und Gemüsesaft-Ge-
tränke; Multivitaminsäfte; Sirupe und andere Präparate für die Zu-
bereitung von Getränken; alkoholfreie Aperitife, Brausepulver und
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-tabletten für Getränke, alkoholfreie Cocktails, Essenzen für die
Zubereitung von Getränken, alkoholfreie Fruchtextrakte, isotoni-
sche Getränke, Fruchtnektare (alkoholfrei), Sarsaparilla (alkohol-
freies Getränk), Sodawasser, Sorbets (Getränke), Diätlimonaden
und Diätfruchtsaftgetränke für nicht medizinische Zwecke, Apfel-
schorle, Mehrfrucht-Vitamin-Drinks, Eistee, Kalter Kaffee, grüner
Tee-Zubereitungen; Erzeugnisse zur Herstellung kohlensäure-
haltiger Wässer, Wässer (Getränke); Biere und Biermisch-
getränke, Molkegetränke, Sodawasser“
angemeldete Wortmarke
Warburger-Quelle
wegen des Bestehens eines Freihaltebedürfnisses zurückgewiesen. Die Zurück-
weisung ist damit begründet, dass es sich bei der Anmeldung um eine schutzun-
fähige Angabe handele, die im Verkehr zur Bezeichnung der geografischen Her-
kunft und der Beschaffenheit der beanspruchten Waren dienen könne.
Für die Beurteilung sei entscheidend, ob vernünftigerweise zu erwarten sei, dass
mit einer derartigen Angabe nach Auffassung der Verkehrskreise in Zukunft die
geografische Herkunft der betreffenden Waren bezeichnet werden könne. Diese
Eignung komme insbesondere bekannten Ortsnamen zu, bei denen nicht unwahr-
scheinlich sei, dass die beteiligten Verkehrskreise eine Verbindung zu der betref-
fenden Warengruppe herstellen könnten. Die Stadt Warburg mit über 22 000 Ein-
wohnern sei ein wirtschaftliches Mittelzentrum mit lebhaftem Handel und Ge-
werbe. Ihr Ortsteil Germete sei als Luftkurort mit mehreren Heilquellen staatlich
anerkannt und weithin bekannt. Der Verkehr werde daher die Marke in ihrer Ge-
samtheit lediglich als einen Hinweis auf diese Quellen in Warburg verstehen.
Hinsichtlich der beanspruchten Mineralwässer und Heilwässer stelle „Warburger-
Quelle“ deshalb nur eine Angabe über die Herkunft dieser Waren dar. Auch in
Bezug auf die übrigen Erzeugnisse beschreibe die angemeldete Bezeichnung nur,
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dass diese mit Quellwasser aus Warburg hergestellt oder versetzt seien. Das
Vorhandensein mehrerer Quellen in Warburg und die vorhandene Gewerbe- und
Infrastruktur lasse es durchaus möglich erscheinen, dass sich Hersteller der ent-
sprechenden Waren in Warburg angesiedelt haben oder ansiedeln werden.
Potentiellen Mitbewerbern der Anmelderin müsse es daher freistehen, mit der
beanspruchten Marke schlagwortartig auf die Herkunft und Beschaffenheit ihrer
Waren hinzuweisen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Ihrer Ansicht nach liegen
keinerlei greifbare Anhaltspunkte dafür vor, dass die angemeldete Bezeichnung
gegenwärtig oder in naher Zukunft auf dem Gebiet der Mineralwasserprodukte
ernsthaft als geografische Herkunftsangabe in Betracht kommt und daher von den
Mitbewerbern auch wirklich zum freien Gebrauch benötigt wird. In Warburg bzw.
im Warburger Land seien keine weiteren Mineralwasserquellen vorhanden oder
andere Getränkehersteller ansässig. Die Ansiedlung eines weiteren Mineral-
wasserbrunnenbetriebes sei in keiner Weise zu erwarten. Sie sei der einzige Be-
trieb, der im Bereich der Stadt Warburg berechtigt sei, Mineralquellen zu nutzen.
Zum Beleg verweist sie auf eine Erklärung des Rats der Stadt Warburg vom
22. Dezember 2004.
Weitere ausbeutungsfähige Quellen seien nicht bekannt. Nach menschlichem
Ermessen sei nicht davon auszugehen, dass ein weiteres Unternehmen im Stadt-
gebiet Warburg in Zukunft Quellnutzungsrechte beantragen werde.
II.
Die zulässige Beschwerde erweist sich nur in dem aus dem Beschlusstenor er-
sichtlichen Umfang als begründet, denn insoweit steht der Eintragung der ange-
meldeten Bezeichnung „Warburger-Quelle“ ein Freihaltebedürfnis an beschrei-
benden Angaben (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) nicht entgegen.
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Nach der genannten Bestimmung sind solche Kennzeichnungen nicht eintragbar,
die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u. a. zur Bezeichnung
der geografischen Herkunft, der Bestimmung oder sonstiger Merkmale der in
Frage stehenden Waren dienen können. Mit dem Ausschluss solcher Angaben
vom Markenschutz verfolgt der Gesetzgeber das im Allgemeininteresse liegende
Ziel, dass diese für die Waren, die sie beschreiben, von jedermann frei verwendet
werden können. Die Zurückweisung einer Anmeldung nach § 8 Abs. 2 Nr. 2
MarkenG setzt nicht voraus, dass das fragliche Zeichen bereits als beschreibende
Angabe verwendet wird. Es reicht vielmehr aus, dass es – entsprechend dem
Wortlaut der Bestimmung – für eine solche Verwendung geeignet ist (EuGH
Mitt. 2004, 28 - Doublemint).
An der Eignung der angemeldeten Bezeichnung, schlagwortartig die geografische
Herkunft der versagten Waren zu beschreiben oder auf die Verwendung eines
bestimmten Quellwassers hinzuweisen, bestehen keine Zweifel. Der Verkehr wird
„Warburger-Quelle“ als Hinweis darauf verstehen, dass es sich bei den betreffen-
den Erzeugnissen um Mineralwasser oder Getränke handelt, die aus einer auf
dem Gebiet der Stadt Warburg gelegenen Quelle stammen oder die unter Ver-
wendung von Wasser aus einer derartigen Quelle hergestellt wurden.
Derartige geografische Herkunftsangaben unterliegen einem Freihaltebedürfnis,
wenn auch mögliche, nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende zukünftige
wirtschaftliche Entwicklungen eine beschreibende Verwendung der betreffenden
(Orts-)Angabe vernünftigerweise erwarten lassen (vgl. dazu EuGH GRUR 1999,
723, 726 – Chiemsee). Für ein Freihaltebedürfnis spricht vor allem, wenn in dem
fraglichen Ort bereits einschlägige Unternehmen existieren oder wenn angesichts
der Gesamtumstände im Zuge der künftigen wirtschaftlichen Entwicklung die Er-
öffnung solcher Betriebe vernünftigerweise nicht auszuschließen ist. Bei Namen
wirtschaftlich bedeutender Örtlichkeiten besteht eine grundsätzliche Vermutung
dafür, dass sie als geografische Herkunftsangaben zur freien Verwendung für
nahezu alle Waren benötigt werden können (vgl BGH GRUR 1994, 905, 907
- Schwarzwald-Sprudel; 26 W (pat) 209/01 -
Baden-Baden). Eine langjährige,
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gegenwärtig noch bestehende und künftig nicht ohne weiteres in Frage zu
stellende tatsächliche Monopolstellung des Anmelders vermag dagegen der An-
nahme eines Freihaltebedürfnisses entgegenstehen (BPatG GRUR 1994, 627
- ERDINGER).
Entgegen der von der Anmelderin vertretenen Ansicht kann auf der Grundlage der
von ihr vorgetragenen und dem Senat bekannten Umstände nicht hinreichend
ausgeschlossen werden, dass in Zukunft noch weitere (Mineral-)Quellen auf dem
Gebiet der Stadt Warburg erschlossen werden und von weiteren Unternehmen
genutzt werden. Insoweit ist festzustellen, dass die Stadt Warburg in ihrem Ortsteil
Germete bereits jetzt über mehrere Heilquellen verfügt, die die Anmelderin als
einschlägiges Unternehmen nutzt. Laut Erklärung der Stadt Warburg betreibt die
Anmelderin zwar alle bisher im Bereich der Stadt Warburg erschlossenen
Mineralwasserquellen und es liegen derzeit auch keine Anhaltspunkte vor, dass
ein weiteres Unternehmen zukünftig Quellennutzungsrechte im Stadtgebiet bean-
tragen werde. Der Inhalt dieser Erklärung lässt es aber durchaus als möglich er-
scheinen, dass etwa aufgrund der aktuellen Wellness-Welle in Zukunft weitere
Quellen auf dem Gebiet der Stadt Warburg erschlossen werden und weitere
Unternehmen diese Quellen als Hersteller oder Lieferanten von Heil- und/oder
Mineralwasser nutzen. Der Erklärung der Stadt Warburg kann nicht entnommen
werden, dass die Erschließung weiterer Quellen auf dem Stadtgebiet aus tatsäch-
lichen oder rechtlichen Gründen ausgeschlossen ist oder der Anmelderin von der
Stadt etwa ein Monopolrecht auch für die Nutzung weiterer Quellen eingeräumt
wurde.
Soweit die Anmelderin auf die Eintragungen ähnlicher Marken verweist, geben
diese keine Veranlassung zu einer abweichenden Beurteilung, denn diese
Schutzgewährungen führen nicht zu einer anspruchsbegründenden Selbst-
bindung, weil die Entscheidung über die Schutzfähigkeit einer Marke keine Er-
messens-, sondern eine reine Rechtsfrage darstellt (vgl. z. B. BGH GRUR 1989,
420 – KSÜD).
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Damit ist von einem Freihaltebedürfnis für diejenigen Waren auszugehen, die wie
Getränke der Klassen
5 und
32 (insbesondere „Diätgetränke, Heilwässer,
Mineralwässer“) von einer Quelle im Bereich der Stadt Warburg stammen oder
derartiges Quellwasser enthalten können, weshalb der Beschwerde insoweit der
Erfolg versagt werden musste.
Auf die im Beschlusstenor aufgeführten Waren trifft diese Voraussetzung nicht zu,
weshalb der angefochtene Beschluss insoweit aufzuheben war.
Albert Friehe-Wich Kraft
Wf