Urteil des BPatG vom 06.08.2008

BPatG: marke, beschreibende angabe, form, verkehr, wurst, international, patent, verfügung, abwertung, handel

BUNDESPATENTGERICHT
28 W (pat) 80/08
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die IR-Marke 838 023
hat der 28. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 6. August 2008 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Stoppel
sowie der Richterin Werner und des Richters Schell
BPatG 152
08.05
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beschlossen:
Die Beschwerde der Markeninhaberin wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die französische Marke
GOURMANDE
wurde international registriert für folgende Waren der Klasse 29:
„Jambon, préparations à base de jambon, saucisson, salaisons”.
Den Antrag auf Schutzerstreckung für diese Marke auf das Hoheitsgebiet der Bun-
desrepublik Deutschland hat die Markenstelle für Klasse 29 IR des Deutschen
Patent- und Markenamts mit zwei Beschlüssen, von denen einer im Erinnerungs-
verfahren ergangen ist, zurückgewiesen mit der Begründung, daß die IR-Marke
i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ausschließlich aus einer beschreibenden Angabe
bestehe und deswegen im allgemeinen Interesse an einem freien Wettbewerb
allen Mitbewerbern der Markeninhaberin zur freien Verfügung stehen müsse. Das
Markenwort „GOURMANDE“ sei die weibliche Form des männlichen Wortes
„GOURMAND“. Dieser Begriff sei in deutschen Lexika belegt und bedeute eine
Person, die „gerne gut und viel ißt“ oder auch einen „Schlemmer“. Mit diesen Be-
griffen könnten die potentiellen Abnehmerinnen, für die die beanspruchten
Fleisch-, Wurst- und Schinkenwaren in erster Linie bestimmt seien, unmittelbar
beschrieben werden. Dazu hat die Markenstelle in dem angegriffenen Erinne-
rungsbeschluss und dessen Anlagen u. a. auf den „Bib Gourmand“ hingewiesen,
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dem Zeichen, mit dem im Restaurant-Führer Guide Michelin auf Lokalitäten mit
guter und preiswerter Küche hingewiesen wird.
Weiter hat die Markenstelle ausgeführt, dass es den Mitbewerbern der Markenin-
haberin außerdem möglich sein müsse, mit der weiblichen Form „gourmande“
speziell Frauen anzusprechen. Denn es sei bekannt, dass Männer und Frauen
häufig unterschiedliche Essgewohnheiten hätten. Dazu hat die Markenstelle in
dem angegriffenen Erinnerungsbeschluß u. a. auf den Artikel „Warum Männer
Steak mögen und Frauen kein Bier“ aus der Süddeutschen Zeitung vom 7. Fe-
bruar 2008 hingewiesen.
Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Markeninhaberin weiterhin die beantragte
Schutzerstreckung. Sie meint, ihre Marke sei für eine beschreibende Verwendung
i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG im deutschen Sprachraum ungeeignet. Zum
einen sei das Markenwort „GOURMANDE“ für den deutschen Verkehr schon
wegen des Buchstabens „E“ am Ende des Wortes völlig unverständlich. Es könne
sein, dass der Verkehr das eingedeutschte französische Fremdwort „Gourmand“
kenne und verstehe, die weibliche Form „gourmande“ habe dagegen keinen Ein-
gang in die deutsche Alltagssprache gefunden. Der Verkehr werde daher das
Markenwort „Gourmande“ am ehesten als unverständliches Fremdwort oder als
reinen Phantasiebegriff auffassen. Im Zusammenhang mit den beanspruchten
Fleisch-, Wurst- und Schinkenwaren würde „gourmande“ - das richtige Ver-
ständnis dieses Wortes vorausgesetzt - im Übrigen keine Warenbeschreibung
abgeben, denn es gebe keine Fleisch-, Wurst- und Schinkenwaren, die aus-
schließlich für weibliche Schlemmer bestimmt wären. Vor allen Dinge aber mache
der Umstand, dass das Wort „gourmande“ im Französischen auch eine ent-
schieden negative Bedeutung annehmen könne, das Markenwort endgültig unge-
eignet, um als Beschreibung der beanspruchten Waren zu dienen. So werde im
Französischen mit den Ausdrücken „Gourmand/e“ auch ein Mensch bezeichnet,
der mit Gier und im Übermaß esse, und im übertragenen Sinne ein Mensch, der
unverschämte, exzessive Forderungen stelle. Ein negativ besetzter Begriff komme
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ersichtlich nicht als ernsthafte Beschreibung der potentiellen Abnehmer in Be-
tracht. Kein Hersteller von Lebensmitteln werde ernsthaft seine Waren mit einer
negativ besetzten Eigenschaft anpreisen. Der Bedeutungsgehalt „Gefräßige“ sei
ein solcher negativ besetzter Sinngehalt, der eine Beleidigung und Herabsetzung
der potentiellen Kundinnen wäre. An einer freien Verfügbarkeit solcher Beschrei-
bungen, die dem Produkt ein negatives Image beilegen oder die potentiellen
Abnehmer diffamieren, könne kein Allgemeininteresse bestehen.
Im Übrigen sei der Markeninhaberin nicht bekannt, dass es auf dem einschlägigen
Warengebiet der Schinken- und Wurstwaren eine geschlechterspezifische Aus-
richtung von Waren für männliche und weibliche Abnehmer gebe.
Die Markeninhaberin hat (sinngemäß) beantragt,
die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 29IR des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 9. Mai 2006 und vom 7. März 2008
aufzuheben und den Schutz für die international registrierte Marke
838023 „GOURMANDE“ auch auf das Hoheitsgebiet der Bundes-
republik Deutschland zu erstrecken.
Ihren Hilfsantrag aus der Beschwerdeschrift vom 17. April 2008 auf Durchführung
einer mündlichen Verhandlung hat die Markeninhaberin mit Schriftsatz vom
28. Juli 2008 zurückgenommen.
II.
Über die Beschwerde kann im schriftlichen Verfahren entschieden werden, § 69
MarkenG, weil die Markeninhaberin ihren Hilfsantrag auf Durchführung einer
mündlichen Verhandlung zurückgenommen und der Senat eine solche Verhand-
lung auch nicht für sachdienlich gehalten hat.
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Die Beschwerde der Markeninhaberin ist zulässig, bleibt aber in der Sache ohne
Erfolg. Denn die Markenstelle für Klasse 29 IR des Deutschen Patent- und Mar-
kenamts hat die Erstreckung des Schutzes für die international registrierte Marke
838023 auf das Hoheitsgebiet der Bundesrepublik Deutschland zu Recht mit der
Begründung versagt, dass das Markenwort „GOURMANDE“ eine unmittelbare
Warenbeschreibung i. S. v. §§ 8 Abs. 2 Nr. 2, 107, 113, MarkenG und Art. 6
quinquies B Nr. 2 PVÜ, Art. 5 MMA darstellt und deswegen im allgemeinen In-
teresse an einem freien Wettbewerb für alle Mitbewerber der Markeninhaberin zur
freien Verfügung gehalten werden muss.
Der französische Ausdruck „gourmande“ ist die weibliche Form des männlichen
Ausdrucks „gourmand“ und kann im deutschen Verkehr als Bestimmungsangabe
für die beanspruchten Waren und damit als beschreibende Angabe i. S. v. § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG dienen. Wie bereits die Markenstelle in den angegriffenen
Beschlüssen festgestellt hat, ist das Wort „Gourmand“ seit langem eingedeutscht
und bezeichnet im Deutschen einen Vielesser oder einen Schlemmer (vgl. z. B.
Wahring Deutsches Wörterbuch, 1986, S. 578). Deswegen kann nicht nur für den
Fachhandel sondern auch für die weitesten deutschen Verkehrskreise voraus-
gesetzt werden, dass diese die sachliche Bedeutung der IR-Marke sofort er-
kennen, selbst wenn einem Teil des angesprochenen Verkehrs nicht bekannt sein
sollte, dass das grammatische Geschlecht des Wortes nach den französischen
Sprachregeln wegen des „e“ am Ende weiblich ist. Der deutsche Ausdruck
„Gourmand“ kann über die in ihm enthaltende sachliche Beschreibung hinaus
wertfrei sein. Er wird häufig in einem inneren Zusammenhang zu dem ebenfalls
eingedeutschten, ursprünglich französischen Ausdruck „Gourmet“ gesehen, der im
Deutschen „Feinschmecker“ bedeutet (vgl. Wahring Deutsches Wörterbuch, 1986,
S. 578). Als deutsches Begriffspaar unterscheiden „Gourmet“ und „Gourmand“
regelmäßig Menschen, die sich beim Essen an erster Stelle für dessen Qualität
interessieren, von solchen, die sich an erster Stelle für die Quantität des Essens
interessieren.
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Aus diesen Gründen stellt das Markenwort der IR-Marke im Zusammenhang mit
den beanspruchten Fleisch-, Wurst- und Schinkenwaren eine reine Bestimmungs-
angabe des Inhalts dar, dass die Waren in erster Linie für solche Abnehmerinnen
bestimmt sind, die gerne viel essen. Allen Teilnehmern am Markt steht es frei, ob
sie ihre Waren speziell für Frauen anbieten und entsprechend beschreiben wollen.
Auf die Frage, ob die Waren solcher Angebote andere sind, als sie Männern
angeboten werden würden, kommt es dabei nicht an.
Es mag sein, dass die Ausdrücke „gourmand/e“ im Französischen auch abwer-
tende Bedeutungen annehmen können. Soweit damit nicht unmittelbar die Haltung
eines Menschen zum Essen beschrieben wird, sondern im übertragenden Sinne
dessen Einstellung und Verhalten gegenüber anderen Menschen, müssen diese
Bedeutungsgehalte bei der Prüfung des absoluten Schutzausschließungsgrundes
nach § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG schon deswegen außer Betracht bleiben, weil sie
keinen sachlichen Anknüpfungspunkt mehr zu den für die IR-Marke beanspruch-
ten Waren haben. Im Rahmen dieser Prüfung geht es nur um die mögliche Bedeu-
tung des Markenwortes „GOURMANDE“ als Bezeichnung für eine Frau, die gerne
viel isst. Mit dieser Bedeutung kann der Ausdruck im Deutschen eine sachliche
Beschreibung darstellen, mit der keine weitergehende Wertung verbunden ist.
Schon deswegen muß er zur freien Verfügung für Handel und Verkehr gehalten
werden. Auf die Frage, ob der Ausdruck im Deutschen außerdem als abwertende
Bezeichnung für eine „Vielfresserin“ verwendet und verstanden werden kann,
kommt es schon deswegen nicht mehr an. Dass nach den Gepflogenheiten des
deutschen Verkehrs davon ausgegangen werden müßte, dass speziell die weib-
liche Form „Gourmande“ - anders als die männliche Form „Gourmand“ - immer
und ausnahmslos abwertend verstanden werden würde, hat die Markeninhaberin
nicht vorgetragen und ist auch sonst nicht ersichtlich. Auf die Frage, ob solche
Ausdrücke und Begriffe, die der Handel und die angesprochenen Endabnehmer
immer und ausnahmslos als Abwertung der angebotenen Waren und Dienstlei-
stungen oder als Abwertung der angesprochenen Verkehrsteilnehmer auffassen
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würden, per se keine beschreibende Angaben i. S. v. § 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG,
Art. 6 quinquies B Nr. 2 PVÜ sein können, kommt es daher nicht an.
Aus diesen Gründen war die Beschwerde der Markeninhaberin als unbegründet
zurückzuweisen.
Stoppel Schell
Werner
Me