Urteil des BPatG vom 04.12.2002

BPatG (marke, verbraucher, kennzeichnungskraft, bestandteil, verwechslungsgefahr, zeichen, hersteller, beschwerde, benutzung, gebäck)

BUNDESPATENTGERICHT
32 W (pat) 51/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
4. Dezember 2002
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 395 31 538
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) auf die mündliche Verhandlung vom
4. Dezember 2002 durch die Vorsitzende Richterin Winkler, Richter Dr. Albrecht
und Richter Sekretaruk
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e
I.
Gegen die am 1. August 1995 u.a. für "feine Backwaren und Konditorwaren" ange-
meldeten und am 2. Mai 1996 eingetragene Wort/Bildmarke 395 31 538
siehe Abb. 1 am Ende
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hat die Widersprechende aus ihrer IR-Marke 594 704
siehe Abb. 2 am Ende
die seit 1992 u.a. für "pâtisserie et confiserie, biscuits" Schutz genießt, Wider-
spruch eingelegt und im Beschwerdeverfahren auf "feine Back- und Konditorwa-
ren" beschränkt.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke hat die Benutzung der Widerspruchsmarke
bestritten. Die Widersprechende hat Unterlagen und eine eidesstattliche Versiche-
rung zum Zwecke der Glaubhaftmachung einer rechtserhaltenden Benutzung vor-
gelegt.
Die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den
Widerspruch mit Beschluss vom 18. Januar 1999 und die Erinnerung der Wider-
sprechenden mit Beschluss vom 21. November 2001 mangels Verwechslungsge-
fahr zurückgewiesen. Zur Begründung heißt es u.a., die Waren lägen zwar im eng-
sten Ähnlichkeitsbereich. "Tea-Time" weise aber als Bestimmungsangabe nur
geringe Kennzeichnungskraft auf. Daher werde sich der Verbraucher an den Fir-
menbezeichnungen "K…" bzw. "D…" orientieren. Diese dienten gerade bei
Keksen den Verbrauchern als wichtige Orientierungshilfe.
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Dagegen hat die Widersprechende Beschwerde eingelegt und ausgeführt, die Zei-
chen beanspruchten Schutz für identische Waren. Bei den Wort/Bildmarken orien-
tiere sich der Verbraucher an Tea-Time bzw. Tea TIME. Demgegenüber seien die
Herstellernamen "K…" und "D…" nicht maßgebend, da der Verbraucher
seine Aufmerksamkeit auf die Sortenbezeichnung richte, die den Gesamteindruck
der Marken präge. Eine Zeitangabe sage nichts über die Beschaffenheit von
Gebäck aus, sie sei daher nicht beschreibend.
Die Widersprechende beantragt
die Beschlüsse des Deutschen Patent- und Markenamts vom
18. Januar 1999 und vom 21. November 2001 aufzuheben
und die angegriffene Marke zu löschen.
Sie regt an, die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Demgegenüber beantragt die Inhaberin der angegriffenen Marke,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, die Widerspruchsmarke werde nicht rechtserhaltend
benutzt, weil sie von der eingetragenen Form stark abweichend verwendet worden
sei. Im übrigen sehe der Verbraucher in beiden Zeichen den Herkunftshinweis in
den Vignetten "K…" bzw. "D…" als maßgeblich an und nicht in "Tea-Time"
mit seinem beschreibenden Anklang. Herstellerangaben dürfe man nicht automa-
tisch eine prägende Kraft für Kombinationszeichen absprechen; es komme im Ein-
zelfall auf die Marktgewohnheiten und die Bekanntheit des Unternehmens an. Auf
dem vorliegenden Warengebiet gebe es weitere Zeichen mit dem Bestandteil
"Tea-Time", wozu die Hersteller jeweils ihre Firmennamen zur Konkretisierung bei-
gefügt hätten (Brandt, Milfort, Messmer, Lipton).
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II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, denn die angegriffene
Marke ist nicht zu löschen; mangels ihrer Ähnlichkeit mit der Widerspruchsmarke
besteht trotz Identität der durch die beiden Marken erfassten Waren keine Gefahr
von Verwechslungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 2, § 42 Abs. 2 Nr 1 MarkenG).
Ob zwei konkurrierende Marken einer Verwechslungsgefahr im Sinne von § 9
Abs. 1 Nr. 2 MarkenG unterliegen, hängt im wesentlichen vom Zusammenwirken
der Faktoren Waren- und Markenähnlichkeit sowie Kennzeichnungskraft der älte-
ren Marke ab. Diese Kriterien sind für sich gesehen voneinander unabhängig,
bestimmen aber in ihrer Wechselwirkung den Rechtsbegriff der Verwechslungs-
gefahr, wobei ein höherer Grad eines Faktors einen geringeren Grad eines ande-
ren ausgleichen kann (st. Rspr.; z.B. BGH GRUR 1999, 995 - HONKA).
Hier stehen sich identische bzw. hochgradig ähnliche Waren gegenüber.
Dass dem Bestandteil Tea TIME der Widerspruchsmarke keine Kennzeichnungs-
kraft zukomme und er daher für die Frage der Markenähnlichkeit außer Betracht
zu bleiben habe, kann nicht festgestellt werden. Allerdings ist Tea TIME äußerst
kennzeichnungsschwach, weil es einer Bestimmungsangabe sehr nahe kommt,
indem es auf die Verwendung des Gebäcks beim Teetrinken hinweist, zumal es im
Deutschen den Begriff "Teegebäck" gibt. An der Kennzeichnungsschwäche von
"Tea-Time" ändern auch die zur Glaubhaftmachung der Benutzung genannten
Umsatzzahlen nichts. Allein hohe Umsätze geben keinen Hinweis darauf, wel-
chem der vielen Bestandteile der Marke in einem bestimmten Umfang Kennzeich-
nungskraft zukommt.
Bei dieser Sachlage kommen sich die Marken nicht verwechselbar nahe, denn bei
insgesamt deutlich unterschiedlichen Kombinationsmarken, die nur über einen
gleichen oder ähnlichen Bestandteil verfügen, sind Verwechslungen rechtserhebli-
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chen Ausmaßes nur zu befürchten, wenn der gemeinsame Bestandteil den
Gesamteindruck der Marken maßgeblich prägt (BGH BlPMZ 1996, 180 – Sprin-
gende Raubkatze).
Das ist vorliegend nicht der Fall, auch wenn Tea TIME bzw. Tea-Time durch die
Schriftgröße hervorgehoben ist.
Die Firmennamen "D…" und "K…" prägen nämlich die Marken deutlich mit.
Sie sind farblich hervorgehoben und umrandet und sind – ohne jeden beschrei-
benden Bezug zu den beanspruchten Waren – ersichtlich Firmenkennzeichen.
Ob bei der Kombination mehrerer Wortbestandteile, zu denen eine dem Verkehr
bekannte oder als solche erkennbare Unternehmenskennzeichnung gehört, der
Verbraucher sein Augenmerk vor allem auf die eigentliche Produkt- und nicht auf
die Unternehmenskennzeichnung richtet, hängt von den Umständen des Einzel-
falls ab (vgl. BGH GRUR 1996, 774, 775 - falke-run/LE RUN). Diese ergeben sich
insbesondere aus den auf dem einschlägigen Warengebiet herrschenden Gepflo-
genheiten. Hier bieten viele Hersteller ein großes Sortiment an Gebäck an. Zur
Unterscheidung der Sorten werden die Waren üblicherweise - wie auch hier –
neben dem Herstellernamen auch mit einer Sortenbezeichnung versehen. Diese
kann glatt beschreibend, z.B. Butterkekse, oder mehr oder weniger kennzeich-
nungsstark sein.
Der Verbraucher wird aus kombinierten Zeichen jene Kennzeichnung(-en) heraus-
greifen, die ihm die Gewähr bietet (bieten), wunschgemäß bedient zu werden.
Dazu ist bei Waren, die in unterschiedlichen Sorten auf dem Markt sind, die Nen-
nung der Sortenmarke notwendige, aber nicht immer hinreichende Bedingung,
denn bei Verwendung einer Sortenbezeichnung ohne Kennzeichnungskraft (z.B.
Butterkekse) oder mit nur schwacher Kennzeichnungskraft (z.B. Tea TIME) kom-
men Zweifel auf, ob die Ware vom gewünschten Hersteller geliefert wird, da
andere möglicherweise dieselben Sorten anbieten. Bei Gebäck ist für den Ver-
braucher die Nennung des Herstellers als Garant für eine bestimmte Qualität von
entscheidungserheblicher Bedeutung für seinen Kaufentschluss. Trotz der Grö-
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ßenunterschiede von Hersteller- und Sortenbezeichnung wird der Verbraucher
daher die Herstellerangabe nicht außer Acht lassen.
Schließlich besteht auch keine Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt,
dass die Marken gedanklich miteinander in Verbindung gebracht werden, denn es
fehlt bereits an der Voraussetzung, dass Tea TIME ein für die Widersprechende
besonders charakteristisch hervorstechendes oder mit erhöhter Verkehrsgeltung
ausgestaltetes Element ist (vgl. Althammer/Ströbele, MarkenG, 6.
Aufl.; §
9
Rdn. 213).
Bei dieser Sachlage kann dahinstehen, ob die Widersprechende ihre Marke
rechtserhaltend benutzt hat.
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs. 2 MarkenG zugelassen. Der vorlie-
gende Fall wirft Rechtsfragen zur Beurteilung von Firmenbestandteilen in Kombi-
nationsmarken neben kennzeichnungsschwachen Bestandteilen auf.
Winkler Sekretaruk
Dr.
Albrecht
Fa
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Abb. 1
Abb. 2