Urteil des BPatG vom 16.02.2000

BPatG (software, marke, beschreibende angabe, verkehr, unterscheidungskraft, 1995, bezug, beschwerde, begriff, ware)

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 3/99
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 397 00 892.9
hat der 29. Senat des Bundespatentgerichts (Marken-Beschwerdesenat) in der
Sitzung vom 16. Februar 2000 durch den Vorsitzenden Richter Meinhardt, die
Richterin Schuster und den Richter Guth
BPatG 152
10.99
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beschlossen:
Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Marken-
stelle für Klasse 42 des Deutschen Patentamts vom 8. Oktober 1998
aufgehoben.
Gründe:
I.
Die Wortmarke
"thinkware"
soll für die Dienstleistungen
"Unternehmensberatung; Erstellen von Software;
Wissenschaftliche Beratung"
in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für Klasse 42 des Deutschen Patentamts hat die Anmeldung mit
Beschluß vom 8. Oktober 1998 teilweise zurückgewiesen, nämlich für die Dienst-
leistungen "Erstellen von Software", weil der angemeldeten Marke für diese
Dienstleistungen jegliche Unterscheidungskraft fehle. Der Verkehr übersetze die
Marke ohne weiteres im Sinne von "Denkware" und sehe sie lediglich als Hinweis
an, daß die Dienstleistungen oder die daraus entstehenden Produkte auf gedank-
liche Tätigkeit abzielten bzw. Ergebnis gedanklicher Tätigkeit seien. Insbesondere
liege der Gedanke an Programme aus dem Bereich künstlicher Intelligenz
(Expertensysteme) oder die Interpretation, daß die Programme auf Förderung
menschlichen Denkens abzielten, nahe. Der derzeit noch nicht existierende Begriff
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"thinkware" sei mit eingeführten Sachbegriffen wie z.B. Software, Firmware,
Shareware, Freeware, Expireware und mit dem begrifflich naheliegenden Wort
"brainware" vergleichbar. Auf dem Gebiet der Software würden laufend neue Be-
griffe geschaffen, die nur beschreibend gemeint und verstanden würden. Der Ver-
kehr, der Kennzeichnungen nicht analysiere, werde daher in der ähnlich gebilde-
ten angemeldeten Marke ebenfalls eine reine Sachangabe sehen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderin. Sie ist der Auffassung, die
Fachsprache präge sehr schnell neue naheliegende und beschreibende Wörter für
neue Waren und Dienstleistungen. Der Umstand, daß das Wort "thinkware" noch
nicht existiere, lasse darauf schließen, daß der Begriffsinhalt zu unklar sei, um als
beschreibende Angabe zu dienen. Diese Unklarheit ergebe sich aus der
ungewöhnlichen Zusammensetzung der Wörter "think" und "ware". Die Bildung
eines Wortes aus Verbstamm und Substantiv sei sprachunüblich. Außerdem be-
ziehe sich "denken" auf einen inneren Vorgang und habe viele Bedeutungen. Die
angemeldete Marke stelle daher ein Phantasiewort dar, das wegen seines unkla-
ren begrifflichen Gehalts viele Interpretationen erlaube. Die angemeldete Marke
sei deshalb weder freihaltungsbedürftig noch ohne jegliche Unterscheidungskraft.
Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß aufzuheben.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerdebegründung und die
Amtsakte 397 00 892.9 Bezug genommen.
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II.
Die zulässige Beschwerde hat in der Sache Erfolg. An der angemeldeten Marke
läßt sich weder ein Freihaltungsbedürfnis (§ 8 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG) feststellen
noch fehlt ihr jegliche Unterscheidungskraft (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
Ein gegenwärtiges Freihaltungsbedürfnis an der angemeldeten Wortzusammen-
setzung ist nicht ersichtlich. Das zusammengesetzte Wort, das in seiner Gesamt-
heit zu beurteilen ist (vgl. dazu BGH GRUR 1995, 269, 270 - "U-KEY"; GRUR
1995, 408 "PROTECH"; GRUR 1997, 627, 628 "à la carte"), stellt keinen hinrei-
chend konkreten sprachüblich beschreibenden Hinweis auf die von der Marken-
stelle zurückgewiesenen Dienstleistungen dar. Bei einer Recherche in größeren
Computer- und Software-Lexika konnte das angemeldete Wort nicht festgestellt
werden. Auch in einschlägigen und aktuellen Online-Lexika ist "thinkware" nicht
aufgeführt. Bei einer Internet-Recherche des Senats fanden sich im amerikani-
schen Raum zahlreiche Nachweise für das Wort "thinkware'", die sich jedoch auf
eine bestimmte Gesellschaft (Thinkware Inc.) oder deren Produkte beziehen und
ausschließlich im Sinne einer betrieblichen Herkunftsbezeichnung, nicht aber als
Sachangabe verwendet werden. Im deutschsprachigen Bereich wird das Wort
zwar auf wenigen Websites verwendet, aber auch aus diesen läßt sich kein
unmittelbar beschreibender Hinweis in Hinblick auf die zurückgewiesenen
Dienstleistungen entnehmen. Aus den Sites ergibt sich nicht, wofür "thinkware"
steht und ob dieses Wort sich nicht auf Produkte der Firma "thinkware" bezieht.
Auf einer Site wird "thinkware" sogar in Gegensatz zu Hard- und Software gestellt
und in Anführungszeichen verwendet, ohne daß der Begriff näher definiert wird
("Der fähige Ingenieur denkt vorher und voraus. Er investiert weniger in Hardware
und Software, sondern in "Thinkware". Schon seit jeher."). Dieser Zusammenhang
spricht aber dafür, daß dort die gedankliche Arbeit von Menschen gemeint ist und
nicht eine Bezeichnung für eine bestimmte Art von Software. Für die hier zurück-
gewiesenen Dienstleistungen oder die durch diese Dienstleistungen erzeugten
Produkte läßt sich darum kein beschreibender Bezug ermitteln.
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Auch ein zukünftiges Freihaltungsbedürfnis kann nicht festgestellt werden. An-
haltspunkte dafür, daß Dritte künftig ein legitimes Interesse an der werblichen
Verwendung des angemeldeten Worts für die streitgegenständlichen Dienstlei-
stungen haben könnten, sind nicht ersichtlich. An ein solches potentielles Frei-
haltungsbedürfnis sind strenge Anforderungen zu stellen. Es sind konkrete An-
haltspunkte für eine entsprechende Entwicklung erforderlich, die bloße theoreti-
sche Möglichkeit genügt nicht (vgl. BGH GRUR 1990, 517, 518 "SMARTWARE";
1992, 515, 516 "VAMOS").
Die Wortzusammensetzung "thinkware", die mit "Denkware", "Denkartikel" über-
setzt werden kann, ist vielfältig interpretierbar. Die angemeldete Marke kann etwa
als Aussage verstanden werden, daß es sich um eine Ware handelt, die beim
Denken hilft, die einem Denkprozeß entstammt, die gut durchdacht ist, die selbst
denkt, die das Denken abnimmt, über die man nachdenken muß, die das Denken
schult oder die an etwas - etwa Termine - erinnert. Eine hinreichend klare Aus-
sage über Beschaffenheit oder Bestimmung der Software erlaubt die angemeldete
Marke deshalb nicht, sondern lediglich allgemeine, diffuse Assoziationen. Bei den
von der Markenstelle genannten Begriffen "Software, Firmware, Shareware,
Freeware Expireware, brainware" handelt es sich dagegen um - zum Teil konkre-
tere - jedenfalls aber um eingeführte Begriffe, die mit einem fest umrissenen
Begriffsinhalt verwendet und deshalb vom Verkehr als reine Sachangaben
verstanden werden. Insofern sind diese Wortzusammensetzungen mit der hier
angemeldeten Marke, die eine noch nicht gebräuchliche, aus sich heraus nicht
klar verständliche Wortneuschöpfung darstellt, nicht vergleichbar. Die konkrete
Bedeutung der angemeldetem Marke ist für die angesprochenen Verkehrskreise
unklar. Der äußerst unscharfe Sinngehalt erfordert detailliertere Überlegungen. Bei
derartigen vielfältig interpretierbaren Begriffen fehlt es aber an Anhaltspunkten,
daß sie vom Verkehr zur sinnvollen Beschreibung benötigt werden (vgl. dazu BGH
GRUR 1995, 269 "U-KEY"; GRUR 1997, 627 "à la carte"; GRUR 1997, 468, 469
"NetCom"). Auch gibt es für Software, die man mit "denken" in Verbindung bringen
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könnte, bereits wesentlich konkretere Fachbegriffe wie "Expertensystem",
"intelligente Software", "Lernsoftware", "Selbstmanagement-Software" oder
"Software for Neural Networks", für die z.B. die Firma Computer Associates unter
der Marke "Neugents-Software That Can Think" wirkt.
Bei dieser Ausgangslage ist auch die erforderliche Unterscheidungskraft (§ 8
Abs. 2 Nr. 1 MarkenG) gegeben. Da - wie bereits oben ausgeführt - der Verkehr
mit der angemeldeten Marke in Bezug auf die Waren nach Art eines "sprechenden
Zeichens" nur ungenaue, diffuse Assoziationen verbindet, fehlen hinreichende
Anhaltspunkte dafür, daß der Verkehr die Marke als reinen Sachhinweis und nicht
als betriebliche Herkunftskennzeichnung auffassen wird (vgl. BGH GRUR 1997,
627, 628 "à la carte").
Meinhardt Schuster
Guth
Cl