Urteil des BPatG vom 16.05.2007

BPatG: verkehr, unterscheidungskraft, aktie, begriff, spiegel, eugh, informatik, quelle, anteil, kennzeichnung

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 126/05
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 304 62 290
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 16. Mai 2007 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker
und der Richterinnen Fink und Dr. Mittenberger-Huber
BPatG 152
08.05
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beschlossen:
1. Die Beschlüsse der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen
Patent- und Markenamts vom 20.
Mai
2005 und vom
26. Juli 2005 werden aufgehoben, soweit die Anmeldung für
die Ware
„Büroartikel (ausgenommen Möbel)“
zurückgewiesen worden ist.
2. Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Wortmarke Nr. 304 62 290
Share
soll nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses mit
Schriftsatz vom 10. Mai 2007 noch für die Waren der
Klasse
16:
Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte
und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik;
Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate);
Büroartikel (ausgenommen Möbel)
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in das Markenregister eingetragen werden.
Die Markenstelle für die Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts hat
die Anmeldung des Zeichens mit Erstbeschluss vom 20. Mai 2005 zurückgewie-
sen, da dem angemeldeten Zeichen jegliche Unterscheidungskraft fehle und für
die beanspruchten Waren und Dienstleistungen ein Freihaltebedürfnis bestehe.
Die dagegen eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss vom 26. Juli 2005 zu-
rückgewiesen. Bei dem Begriff „Share“ handle es sich um das englische Substan-
tiv für „Aktie, Wertpapieranteil“. Als Verb habe es die Bedeutung von „gemeinsam
benutzen, teilen“ und werde nicht nur allgemein in der Wirtschaftssprache für das
gemeinsame Benutzen von Ressourcen, sondern auch auf dem ITK-Sektor als
Basisbegriff für eine gemeinsame Nutzung von Netzen, Speichern und Pro-
grammkapazitäten verwendet.
Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde vom 21. September 2005 trägt die
Anmelderin vor, dass der durchschnittlich informierte Verbraucher den Begriff
„Share“ möglicherweise im Sinne von „Aktie, Anteil, Anteil am Geschäft“ kenne,
aber jedenfalls nicht als Fachbegriff der Medien- und Kommunikationswelt ver-
stehe. Selbst wenn dies der Fall sei, habe „Share“ keinerlei beschreibende Be-
deutung im Hinblick auf die - noch - beanspruchten Waren und stelle keine In-
haltsangabe derselben dar. Es bestehe Unterscheidungskraft, da das angemel-
dete Zeichenwort für den allgemeinen Betrachter in der Ausgestaltung phantasie-
voll und als einprägsamer, individueller Herkunftsnachweis erscheine.
Die Anmelderin beantragt daher sinngemäß,
die Beschlüsse der Markenstelle vom 20. Mai und 26. Juli 2005
aufzuheben.
Das Ergebnis der vom Senat durchgeführten Recherche zur beschreibenden Ver-
wendung des Zeichens „Share“ wurde der Anmelderin übersandt.
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II.
Die Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und nach der Ein-
schränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses in der Sache teilweise
begründet. Für die Waren
„Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder ge-
prägte Karten aus Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel
(ausgenommen Apparate)“
bleibt das angemeldete Zeichen jedoch auf Grund fehlender Unterscheidungskraft
von der Eintragung ausgeschlossen (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG).
1. Unterscheidungskraft
im
Sinne dieser Vorschrift ist die einer Marke innewoh-
nende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der
Marke erfassten Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber
solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Die Hauptfunktion der Marke
besteht nämlich darin, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren und
Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat
sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und an-
dererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren
(st. Rspr.; EuGH GRUR 2006, 229 - Rn. 27 ff. - BioID; GRUR 2004, 674 - Rn. 34
- POSTKANTOOR; BGH GRUR 2006, 850 - Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006;
GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; BGH GRUR 2003, 1050 - Cityservice; BGH
GRUR 2001, 1153, 1154 - antiKALK). Einer Wortmarke fehlt die erforderliche Un-
terscheidungskraft dann, wenn das Zeichenwort einen für die beanspruchten Wa-
ren und Dienstleistungen klaren und ohne weiteres verständlichen beschreiben-
den Begriffsinhalt aufweist, da bei solchen Bezeichnungen kein Anhaltspunkt be-
steht, dass der Verkehr sie als Unterscheidungsmittel erfasst (vgl. BGH, a. a. O.,
S. 419 - BerlinCard; GRUR 2001, 1151, 1152 - marktfrisch; GRUR 1999, 1089
- YES). Dies gilt auch für Angaben, die sich auf Umstände beziehen, die die Ware
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oder Dienstleistung nicht unmittelbar betreffen, wenn durch die Angabe ein enger
beschreibender Bezug zu den beanspruchten Waren und Dienstleistungen herge-
stellt wird und der Verkehr deshalb den beschreibenden Aussagegehalt auch ohne
weiteres hinsichtlich dieser Waren oder Dienstleistungen erfasst (BGH
GRUR 2006, 850 - Rn. 19 - FUSSBALL WM 2006; BPatG MarkenR 2007, 36, 37
- BuchPartner). Daran gemessen fehlt dem angemeldeten Zeichen „Share“ für die
Waren „Druckereierzeugnisse, Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Appa-
rate)“ jegliche Unterscheidungskraft.
2. Das englische Wort „Share“ ist die Bezeichnung für „Aktie“ und bedeutet
eigentlich „Teil, Anteil“ (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006
[CD-ROM]). Es hat in den deutschen Sprachgebrauch als Synonym von „Aktie“
Eingang gefunden und wird auch in deutschen Texten entsprechend verwendet
(„Der Nemax ignorierte beharrlich die Kursziele der Experten für 2001: Statt … zu
steigen, implodierte der All Share bis Jahresende auf 1200 Punkte. [Quelle: Der
Spiegel ONLINE] http://wortschatz.informatik.uni-leipzig.de/). Auf dem Finanzsek-
tor kennt der Verkehr mit „Share Deals“ „Share Market“ (http://wort-
schatz.informatik.uni-leipzig.de/) und „Shareholder“ (Aktionär; Duden, a. a. O.)
weitere Wortzusammensetzungen mit „Share“ im Sinne von „Aktie“.
Auch das englische Verbum „to share“ = „gemeinsam benutzen, teilen“ wird in
deutschen Veröffentlichungen verwendet: „What you share with them far out-
weighs your differences.“ [Quelle: Der Spiegel ONLINE]; „Eine Botschaft möchte
Blanca Li am Schluss noch loswerden: SHARE und PARTAGE steht auf Stoffbah-
nen, die die Tänzer zu einer Menschenkette verbinden.“ [Quelle: Der Spiegel
ONLINE] http://wortschatz.informatik.uni-leipzig.de/). Die Bedeutung des „gemein-
samen Benutzens“ ist einer weiteren Kombination mit „Share“ immanent, die der
Verkehr aus dem Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie
kennt, nämlich den der „Share Ware“. Dabei handelt es sich um eine kommerzielle
Software, die von Programmierern zum Kopieren freigegeben ist und vor dem
Kauf von zahlreichen Nutzern und Nutzerinnen kostengünstig getestet werden
darf. Erst nach einem Eignungsnachweis und bei dauerhafter Nutzung muss be-
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zahlt werden (Duden - Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006 [CD-ROM];
DB-Glossar, http://glossary.ges-training.de/GlossarName.php). Der Begriff „Share“
ist auf dem ITK-Sektor allerdings auch in Alleinstellung in Verwendung und be-
deutet soviel wie „Freigabe, bei der Netzwerk-Clients auf Server zugreifen können“
(DB-Glossar, http://glossary.ges-training.de/GlossarName.php) bzw. „freigege-
bene Verzeichnisse“ (IT-Lexikon, www.jens-k.de/intern/lexika.php…).
Es ergeben sich damit zwei Bedeutungsebenen, je nachdem in welchem Segment
„Share“ verwendet wird. Beide Sinnrichtungen sind dem inländischen Verkehr
- jedenfalls dem Fachverkehr (EuGH GRUR 2006, 411 ff. - Rn. 24 - Matratzen
Concord/Hukla) - bekannt. Für die Annahme einer beschreibenden Bedeutung
nach § 8 Abs. 2 S. 2 MarkenG genügt es bereits, wenn ein Zeichen in einer seiner
möglichen Bedeutungen ein Merkmal der in Rede stehenden Waren oder Dienst-
leistungen beschreibt (EuGH GRUR
2004, 146 ff. - Rn. 32 - DOUBLEMINT;
GRUR 2004, 674 ff. - Rn. 97 - POSTKANTOOR).
3.1. Für die Beurteilung der beanspruchten Waren „Druckereierzeugnisse,
insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton oder Plastik“ ist für
die Prüfung der Schutzfähigkeit vom Oberbegriff „Druckereierzeugnisse“ auszuge-
hen. Eine Einschränkung auf „bedruckte und/oder geprägte Karten aus Karton
oder Plastik“ hat nicht stattgefunden. Die Spezifizierung durch „insbesondere“ be-
deutet nur eine nicht abschließende Aufzählung, nicht aber die Einschränkung auf
eine konkrete unter den Oberbegriff fallende Ware (BGH GRUR 2002, 261, 262
- AC). Der durch „insbesondere“ bestehende Aufzählungscharakter führt nicht zu
einer wirtschaftlich und rechtlich eindeutig bestimmbaren dauerhaften Einschrän-
kung, die der Verkehr nachvollziehen kann, weshalb sie bei der Prüfung unbe-
rücksichtigt bleiben muss.
3.2.
Das Zeichen ist daher reine Inhaltsangabe für die noch beanspruchten Wa-
ren „Druckereierzeugnisse, insbesondere bedruckte und/oder geprägte Karten aus
Karton oder Plastik; Lehr- und Unterrichtsmittel (ausgenommen Apparate)“. Es
erschöpft sich in dem beschreibenden Hinweis, dass sich Druckereierzeugnisse
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inhaltlich z. B. im Sinne eines Werktitels entweder mit dem Thema „Aktien“ oder
der „Freigabe von Verzeichnissen“ beschäftigen können. Es spielt dabei keine
Rolle, dass sich der angesprochene Käufer oder Interessent Gedanken macht, ob
er ein finanzwissenschaftliches Buch oder ein Handbuch über frei verfügbare
Software erwerben will. In jedem Fall geht er davon aus, dass der Titel den Inhalt
des Werkes widerspiegelt. Dass es sich dabei um Druckerzeugnisse verschiede-
nen Inhalts handelt, führt nicht zur Schutzfähigkeit des angemeldeten Zeichens,
da es sich zwar inhaltlich um unterschiedliche Themengebiete handeln mag, aber
die Bedeutung der Bezeichnung über die bloße Inhaltsbeschreibung nicht hinaus-
geht. Das angemeldete Zeichen ist insoweit auch nicht mehrdeutig in rechtserheb-
lichem Sinn (vgl. BGH GRUR 2000, 882 - Bücher für eine bessere Welt), da es je
nach Gebiet einen eindeutig im Vordergrund stehenden erkennbaren Bedeu-
tungsgehalt aufweist. Es fehlt ihm die für eine Mehrdeutigkeit notwendige Unbe-
stimmtheit, in der eine andere Auslegung möglich ist.
3.3. Bei den Lehr- und Unterrichtsmitteln kann es sich ebenfalls um solche in
Papierform handeln, die für Schulungen auf dem Gebiet des Finanzwesens oder
zu Ausbildungszwecken im Bereich der Fortbildung in der Informationstechnologie
bestimmt sind. Dem Verkehr ist bekannt, dass Lehr- und Unterrichtsmittel regel-
mäßig im Titel den Sachbezug zur vermittelnden Materie enthalten, unabhängig
davon ob es sich um Schulbücher für den Unterricht oder Schulungsunterlagen für
Managerseminare handelt. In der Kennzeichnung mit dem Begriff „Share“ sieht
das Publikum daher lediglich den themenbezogenen Hinweis auf einen bestimm-
ten inhaltlichen Schwerpunkt, nicht jedoch auf ein bestimmtes Unternehmen.
4. Anders zu beurteilen ist die Situation im Zusammenhang mit den Waren
„Büroartikel (ausgenommen Möbel)“. Schutzhindernisse stehen einer Eintragung
nicht entgegen. Zur Kennzeichnung von Büroartikeln sind dem Verkehr keine Be-
zeichnungen inhaltlich-thematischer Art bekannt, sondern allenfalls neben dem
Herstellernamen weitere Hinweise auf Zweckbestimmung, Eigenschaft, Einsatz-
gebiet oder Typenbezeichnung. Er wird deshalb nicht davon ausgehen, dass ent-
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sprechend gekennzeichnete Waren wie z. B. Schreibgeräte, Klebemittel, Lineale,
Ordner etc. mit der Bezeichnung „Share“ eine Aufforderung zum Teilen darstellen
oder nur im Bereich des Finanzwesens oder der Softwareentwicklung eingesetzt
werden dürfen. Typischerweise handelt es sich dabei um Gebrauchsgegenstände,
die auf jedem privaten oder dienstlichen Schreibtisch vorhanden sind und von je-
dermann täglich zum Einsatz gebracht werden. Das angemeldete Zeichen kann
daher weder im Sinn des verständlichen Begriffsinhalts als „Aktie“ oder „freigege-
benem Verzeichnis“ eine im Vordergrund stehende Sachaussage für die Waren
„Büroartikel“ sein, noch ergibt sich aus ihm ein enger beschreibender Bezug zu
den genannten Produkten. Auch zur unmittelbaren Beschreibung im Sinn von § 8
Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist „Share“ nicht geeignet, da es weder Art, Beschaffenheit,
Zweckbestimmung, Herkunft oder sonstige Merkmale der beanspruchten Waren
„Büroartikel“ zu bezeichnen vermag.
Grabrucker Richterin
Fink ist in Urlaub
und kann daher nicht un-
terzeichnen.
Grabrucker
Dr. Mittenberger-Huber
Cl