Urteil des BPatG vom 05.04.2004

BPatG: video, radio, beschreibende angabe, daten, computer, internet, unterscheidungskraft, täuschung, winter, verkehr

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
30 W (pat) 4/03
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 12 835.2
hat der 30. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 5. April 2004 durch den Vorsitzenden Richter Dr. Buchetmann und
die Richterinnen Winter und Hartlieb
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
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G r ü n d e
I.
DIGICAM
zunächst für "Elektronische Verfahren zur komprimierten Übertragung von Radio,
Video sowie Daten, soweit in Klasse 9 enthalten."
Auf Hinweis des Patentamts, dass der angegebenen Klasse 9 serienmäßig her-
gestellte oder vertriebene Waren zugeordnet werden, elektronische Verfahren
aber keine handelbaren Waren seien, hat die Anmelderin sich auf Vorschlag des
Patentamts mit folgender Fassung des Warenverzeichnisses einverstanden er-
klärt: "Elektronische Geräte zur komprimierten Übertragung von Radio, Video so-
wie Daten, soweit in Klasse 9 enthalten."
Die Markenstelle für Klasse 9 des Deutschen Patent- und Markenamts hat die
Anmeldung zurückgewiesen. Begründend ist im Wesentlichen ausgeführt, daß die
Marke lediglich beschreibend auf Waren für digitale computergestützte Fertigung
(computer aided manufacturing) hinweise.
Die Anmelderin hat Beschwerde eingelegt. Sie hat im Beschwerdeverfahren zu-
nächst eine auf "Elektronische Verfahren" bezogene Einschränkung des Waren-
verzeichnisses vorgeschlagen. Zuletzt hat sie folgendes Warenverzeichnis vorge-
legt: "Elektronische Geräte zur komprimierten Übertragung von Radio, Video so-
wie Daten, nicht jedoch für Waren, welche zur computergestützten Fertigung be-
stimmt sind oder für nach digitaler Wandlung Bild und Ton aufzeichnende Kame-
ras (digitale Kameras), soweit in Klasse 9 enthalten."
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Die Anmelderin beantragt sinngemäß,
den angefochtenen Beschluß der Markenstelle für Klasse 9 auf-
zuheben.
Der Senat hat im Beschwerdeverfahren unter Übersendung von Nachweisen dar-
auf hingewiesen, dass "Digicam" die allgemein übliche Kurzbezeichnung für "Di-
gitalcamera" sei; die Marke könne damit auf eine wichtige (Teil-)funktion von be-
anspruchten Waren hinweisen; zum Beispiel seien Handys in Kombination mit
Radio und/oder Kamera im Handel.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Akten
Bezug genommen.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist in der Sache ohne Erfolg. Die Be-
DIGICAM
schriften des Markengesetzes von der Eintragung ausgeschlossen. Sie ist iSv § 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG eine beschreibende Angabe, der jegliche Unterschei-
dungskraft fehlt (§ 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG). Auf der Grundlage des zuletzt vorge-
legten Warenverzeichnisses steht der Eintragung das Schutzhindernis des § 8
Abs 2 Nr 4 MarkenG entgegen.
Im Hinblick auf die von der Anmelderin verwendeten Formulierungen, die sich
ausdrücklich auch auf "vorgeschlagene" Einschränkungen des Warenverzeichnis-
ses beziehen, ist nicht ganz zweifelsfrei, ob das zuletzt vorgelegte Warenver-
zeichnis allein der Entscheidung zugrundegelegt werden soll, oder ob es sich in-
soweit um ein hilfsweise vorgelegtes Warenverzeichnis handelt; der Senat geht
deshalb davon aus, dass es sich insoweit um einen Hilfsantrag handelt und Ge-
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genstand des Hauptantrags das bei der Entscheidung des Patentamts berück-
sichtigte Warenverzeichnis ist.
Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind solche Marken von der Eintragung ausge-
schlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Angaben bestehen, die im Verkehr
ua zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder sonstiger
Merkmale der Waren dienen können. Diese Voraussetzungen liegen bei der
angemeldeten Marke vor.
DIGICAM
schen Bezeichnung von "digital camera" auch im Deutschen zur Bezeichnung ei-
ner Digitalkamera verwendet wird (vgl Der Brockhaus, Computer und Informati-
onstechnologie 2003, S 243). Lediglich zur Veranschaulichung wird darauf hinge-
wiesen, dass im Internet bei Eingabe des Begriffs "Digicam" (Suchmaschine
"Google", Suche "Seiten auf Deutsch" und "Seiten aus Deutschland") Ergebnisse
gezeigt werden, die auf gesenkte Digicam-Preise (www.zdnet.de), eine schnelle
Digicam (www.chip.de) oder auch eine optimale Digicam (www.doyoo.de) hinwei-
sen.
Eine Digitalkamera ist eine Kamera, bei der Bilder nicht analog auf einen Film,
sondern in digitaler Form gespeichert und mithilfe von Computern oder Fernseh-
geräten ausgegeben werden und die heute sowohl Bilder wie auch Videos (Bild
und Ton) liefern kann (vgl Duden, Das große Fremdwörterbuch 2003 S 336;
FOCUS Nr 12 2004, CeBIT Spezial S 125f).
In Bezug auf die hier maßgeblichen Waren "Elektronische Geräte zur kompri-
mierten Übertragung von Radio, Video sowie Daten" ergibt sich die zur Beschrei-
bung geeignete Sachaussage, dass sie nach ihrer Art und Beschaffenheit über die
Funktionen einer Digitalkamera verfügen, wie im Warenverzeichnis mit der
Nennung von "Video" auch zum Ausdruck gebracht. Bei den Geräten zur kompri-
mierten Übertragung kann es sich zum Beispiel um die gerade besonders belieb-
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ten Handys mit integrierter Kamera handeln, die – unter Komprimierung - die
sofortige Übertragung der aufgezeichneten Bilder ermöglichen, oder etwa um die
auf der CeBIT 2004 vorgestellten mit drehbarer Kamera ausgestatteten Handys,
die Videotelefonie bieten sollen (vgl FOCUS aaO S 108, 109, 112; vgl auch
Beschreibung des Nokia 7250-Triband-Handys wie der Anmelderin übersandt);
ebenso in Betracht gezogen werden können im Rahmen von Video- und
Multimedia-Konferenzsystemen eingesetzte Komponenten, die für die Übertra-
gung eine Digitalkamera zur Aufzeichnung von Video- und Tonsignalen umfassen
können. Die Komprimierung von Datenmengen zur Datenreduktion ist heute üblich
und nötig, um die gewaltigen Ausmaße insbesondere auch von Videodateien zu
verringern und die Übertragung in den vorhandenen Datennetzen zu ermöglichen.
Soweit im Warenverzeichnis auf "Daten" Bezug genommen ist, können diese die
mit der Digitalkamera aufgezeichneten Bilder umfassen, ebenso wie den Ton (vgl
Der Brockhaus aaO S 212); gleiches gilt hinsichtlich des Begriffs "Radio", der auf
Audiosignale, die über das Internet übertragen werden, bezogen sein kann (vgl
Microsoft Press, Computer Lexikon, 7.
Aufl 2003 S
597), die mittels einer
Digitalkamera aufgezeichnet worden sind.
Unter diesen Umständen braucht nicht entschieden zu werden, ob der Marke auch
die von der Markenstelle angenommene Bedeutung von "digitaler computer-
gestützter Fertigung" zukommt und sie auch damit eine beschreibende, die Ein-
tragung ausschließende Angabe ist.
Wegen des in bezug auf diese Waren für die angesprochenen Verkehrskreise er-
kennbar im Vordergrund stehenden rein beschreibenden Begriffsinhalts fehlt der
angemeldeten Marke auch jegliche Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1
MarkenG (vgl ua BGH WRP 2003, 1429 11430 - Cityservice mwNachw).
Der vorgelegten, hilfsweisen Fassung des Warenverzeichnisses, die ausdrücklich
"nach digitaler Wandlung Bild und Ton aufzeichnende Kameras (digitale Kame-
ras)" ausnimmt, steht das Eintragungshindernis nach § 8 Abs 2 Nr 4 in Verbindung
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mit § 37 Abs 3 MarkenG entgegen; danach sind solche Marken von der Ein-
tragung ausgeschlossen, die geeignet sind, das Publikum insbesondere über die
Art, Beschaffenheit oder die geographische Herkunft der Waren oder Dienstleis-
tungen zu täuschen, wenn die Eignung zur Täuschung ersichtlich ist. Das ist hier
DIGICAM
Übertragung von Radio, Video sowie Daten, nicht jedoch für Waren, welche zur
computergestützten Fertigung bestimmt sind oder für nach digitaler Wandlung Bild
und Ton aufzeichnende Kameras (digitale Kameras), soweit in Klasse 9 enthalten"
ist ersichtlich geeignet, das Publikum über die Beschaffenheit der damit gekenn-
DIGICAM
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chene Publikum annehmen, dass ein so gekennzeichnetes elektronisches Gerät
zur komprimierten Übertragung von Radio, Video sowie Daten auch die Funktio-
nen einer Digitalkamera bietet. Genau dies ist aber nach der Fassung des Waren-
verzeichnisses nicht der Fall, so dass der Verkehr eine unrichtige verkehrswe-
sentliche Information über die Waren erhält und somit getäuscht wird. Da mit die-
ser Fassung des Warenverzeichnisses auch kein Raum für eine Verwendung der
Marke in einem sachlichen Zusammenhang mit Digitalkameras mehr besteht, mit-
hin also kein Fall einer nicht täuschenden Verwendung mehr denkbar ist, ist die
Eignung zur Täuschung dann auch ersichtlich im Sinne von § 37 Abs 3 MarkenG
(vgl Althammer/Ströbele MarkenG 7. Aufl § 8 Rdnr 554 aE; vgl auch – jeweils ver-
öffentlicht bei PAVIS PROMA CD-ROM - BPatG 26 W (pat) 36/01 – KOMBUCHA;
30 W (pat) 170/00 – INTERNET schnell & einfach).
Dr. Buchetmann
Winter
Hartlieb
Hu