Urteil des BPatG vom 22.01.2007

BPatG (stand der technik, druck, fachmann, erdgas, stahl, lehre, verwendung, erfindung, gas, anmeldung)

BUNDESPATENTGERICHT
11 W (pat) 9/03
_______________
(Aktenzeichen)
Verkündet am
22. Januar 2007
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Patentanmeldung 198 82 480.7 - 24
hat der 11. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2007 unter Mitwirkung …
BPatG 154
08.05
- 2 -
beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Patentanmeldung 198 82 480.7-24 mit der Bezeichnung „Verbessertes Sys-
tem für das Verarbeiten, das Speichern und den Transport von Flüssigerdgas“ ist
am 20. Dezember 1999 als deutsche Fassung der internationalen Anmeldung
(PCT / US98 / 12726) , mit dem PCT-Anmeldetag 18. Juni 1998 und der Veröffent-
lichungsnummer WO 98 / 59085 beim Deutschen Patent- und Markenamt einge-
gangen und angemeldet worden. Für die Anmeldung sind die vier Unionsprioritä-
ten der Erstanmeldungen in den USA vom 20. Juni 1997 (US-Aktenzeichen
60 / 050 280), vom 28. Juli 1997 (US-Aktenzeichen 60 / 053 966), vom 19. De-
zember 1997 (US-Aktenzeichen 60 / 068 226) und vom 14. Mai 1998 (US-Akten-
zeichen 60 / 085 467) in Anspruch genommen. Der PCT-Veröffentlichungstag ist
der 30. Dezember 1998, für die deutsche Übersetzung der 21. Juni 2000.
Die Prüfungsstelle für Klasse C 22 C hat die Anmeldung mit Beschluss vom
12. September 2002, der auf den Bescheid vom 4. Januar 2002 Bezug nimmt, zu-
rück gewiesen, da die Patentanmeldung mit den am 21. Mai 2002 eingegangenen
neuen Ansprüchen 1 bis 17 samt neuer Beschreibung nach § 34 PatG nicht ein-
heitlich sei wegen der Gruppe von beanspruchten Gegenständen - wie Behälter
sowie Wasserfahrzeug, Verfahren zur Verarbeitung und zum Transport von Erd-
gas und ein System zum Verarbeiten von Erdgas, welche diesen Behälter aufwei-
sen. Außerdem sei der Gegenstand des neuen Anspruchs 1 nicht so hinreichend
offenbart, dass der Fachmann ihn zweifelsfrei und ohne erfinderisches Zutun
nacharbeiten könnte, was sich primär auf die zu wählende Stahllegierung bezieht,
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die zu ungenau angegeben sei, so dass die Zahl der in Betracht zu ziehenden
Stähle ins Unüberschaubare steige. Der Gegenstand des Anspruchs 1 sei unbe-
stimmt und daher nicht gewährbar, was ebenso für die Ansprüche 6, 8, 9, 13 und
16 gelte. Die Unteransprüche müssten mit dem Haupt- bzw. den Nebenansprü-
chen fallen, auf die sie bezogen sind.
Schließlich fehle es an einem erfinderischen Schritt gegenüber den Druckschriften
EP 757 113 A1 (1) und US 55 45 269 (2), aus denen entsprechende Platten und
Behälter bekannt seien sowie der US 41 82 254 (3), die nahelege, solche Natur-
gasbehälter in Transportschiffen zu verwenden. Auch die übrigen Anspruchsge-
genstände seien nahegelegt und nicht erfinderisch.
Gegen diesen Beschluss richtet sich die Beschwerde der Anmelderin.
Die Anmelderin stellt den Antrag,
den angefochtenen Beschluss des Patentamts aufzuheben und
das Patent mit den Schutzansprüchen 1 bis 4 gemäß Hauptantrag
vom 22. Januar 2007, hilfsweise mit dem Patentanspruch 1 ge-
mäß Hilfsantrag vom 22. Januar 2007 sowie jeweils mit der Be-
schreibung vom 21. Mai 2002 und den Zeichnungen (4 Blatt) Figu-
ren 1 bis 5 B zu erteilen.
Die geltenden Ansprüche 1 bis 4 nach dem Hauptantrag lauten:
1.
„Behälter zum Speichern von Flüssigerdgas unter Druck bei
einem Druck von etwa 1035 kPa bis etwa 7590 kPa und einer
Temperatur von etwa -123°C bis etwa -62°C, wobei der Be-
hälter durch Verschweißen mehrerer diskreter Platten aus
einem ultrahochfesten, niedrig legierten Stahl, der 1 bis
3 Gew.-% Nickel enthält, und eine Zugfestigkeit von mehr als
- 4 -
830 MPa und eine DBTT von weniger als etwa -73°C auf-
weist, wobei die Schweißverbindungen zwischen den diskre-
ten Platten etwa dieselbe Festigkeit und Zähigkeit bei diesen
Druck- und Temperaturbedingungen aufweisen, um das Flüs-
sigerdgas unter Druck festzuhalten.
2. Behälter
nach
Anspruch
1,
bei welchem das Verschweißen
durch Gasmetall-Lichtbogenschweißen erfolgt.
3. Behälter
nach
Anspruch
1,
bei welchem das Verschweißen
durch Wolframinertgasschweißen erfolgt.
4. Verwendung
eines
ultrahochfesten, niedrig legierten Stahls, der
1 bis 3 Gew.-% Nickel enthält, und eine Zugfestigkeit von mehr als
830 MPa und eine DBTT von weniger als etwa -73°C aufweist für
einen
Behälter aus
mehreren diskreten, miteinander verschweiß-
ten Platten, wobei die Schweißverbindungen zwischen den diskre-
ten Platten etwa dieselbe Festigkeit und Zähigkeit aufweisen wie
die diskreten Platten, zum Speichern von Flüssigerdgas unter
Druck bei einem Druck von 1035 kPa bis etwa 7590 kPa und einer
Temperatur von etwa -123°C bis etwa -62°C.“
Anspruch nach dem
des Hauptantrags.
Zur Begründung ihres Antrags führt die Anmelderin aus, dass dem Fachmann
nicht bekannt sei, wie er Erdgas aus kleinen Vorkommen wirtschaftlich über große
Strecken transportieren könne. Er kenne hochfeste, niedrig legierte Stähle mit ge-
ringem Nickelgehalt, hoher Zugfestigkeit und Tieftemperaturzähigkeit, beispiels-
weise aus der EP 757 113 A1 (1), der US 55 45 269 (2) oder der US 4182 254 (3)
und forsche ausgehend von solchen gering nickelhaltigen, gut schweißbaren be-
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kannten Stählen, die er aus Bibliotheken für seine Verwendung auswählen könne,
um die beanspruchten Bedingungen zu erfüllen und den erfindungsgemäßen Be-
hälter zu bauen. Die Erfindung bestehe also darin, erkannt zu haben, dass man
aus miteinander verschweißten einzelnen Platten aus einem nickelarmen, ultra-
hochfesten niedrig legierten Stahl mit einer Zugfestigkeit über 830 MPa und einer
Sprödbruchtemperaturgrenze DBTT von weniger als etwa -73°C einen Speicher-
behälter bauen kann, mit dem es gelingt, flüssiges Erdgas unter hohem Druck zwi-
schen 1035 und 7590 kPa bei niedrigen Temperaturen von -123 bis -62°C wirt-
schaftlich über weite Strecken zu transportieren.
Das neue Patentbegehren sei ursprünglich offenbart, zulässig und gegenüber dem
Stand der Technik neu und erfinderisch, also patentfähig.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Akteninhalt verwiesen.
Die in der Anmeldung offenbarten Hauptziele der Erfindung betreffen sinngemäß
die Bereitstellung eines verbesserten, kostengünstigeren Systems zum Verarbei-
ten, Speichern und Transportieren von Flüssigerdgas (LNG) von entfernten Quel-
len zu kommerziellen Märkten bei wesentlich erhöhten Drücken und Temperaturen
(vergl. Beschreibung vom 21.05.2002, S. 5, Abs. 4 i. V. m. S. 8, Abs. 2), wobei er-
findungsgemäß das Schlüsselprodukt für diese Anwendungen ein Behälter zum
Speichern von Flüssigerdgas bei Tieftemperatur und unter hohem Druck bildet.
II.
Die zulässige Beschwerde der Anmelderin ist nicht begründet.
Fachmann ist ein Diplomingenieur der Fachrichtung Maschinenbau oder Verfah-
renstechnik mit Hochschul- oder Universitätsabschluss, langjährig tätig und erfah-
ren in der Entwicklung und dem Bau von Speicherdruckbehältern für flüssige Gase
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insbesondere Erdgas, der über die dafür notwendigen schweiß- und werkstofftech-
nischen Kenntnisse auch für hohe Festigkeit und Tieftemperaturbedingungen ver-
fügt oder sich diesbezüglich beraten lässt.
1. Die Ansprüche nach dem Hauptantrag und der Anspruch nach dem Hilfsantrag
leiten sich zulässig aus der Ursprungsoffenbarung her, beispielsweise den An-
sprüchen 1, 8, 9 u. 10 unter zulässigen Beschränkungen innerhalb der ursprungs-
offenbarten Bereiche für den Nickelgehalt und der Festigkeit der Schweißverbin-
dungen.
2. Aufgabenstellung der Erfindung
Wirtschaftliches Handeln ist insbesondere im industriellen Bereich eine wesentli-
che alltägliche Aufgabenstellung. Kann aus wirtschaftlichen Gründen Erdgas nicht
in Leitungen transportiert werden, weil sich der Bau einer Leitung nicht lohnt, muss
man Speicherbehälter für den Transport verwenden um Gas zu transportieren.
Das ist bekanntermaßen umso wirtschaftlicher, je dichter das Gas vorliegt, je grö-
ßer also seine Masse pro Volumen ist. Deshalb werden Gase üblicherweise fast
immer unter hohem Druck, z. T. auch flüssig gespeichert und transportiert (vgl.
auch Beschreibungseinleitung der Patentanmeldung).
Das Speichern von Gas in flüssigem Zustand lohnt sich dabei nur, wenn der Kos-
tenanteil zur Gasverflüssigung und zum Erhalten des flüssigen Zustands klein ge-
nug ist gegenüber den Gesamttransportkosten.
Die Zustandsabhängigkeiten flüssiger Gase vom Druck und der Temperatur sind
aus der Physik allgemein bekannt, vgl. u. a. auch die von der Anmelderin (in urspr.
Beschr. S. 7, Z. 9) genannte US 32 98 805 mit schematischer Zeichnung. Danach
gilt, je höher der Druck ist, umso höher ist auch die Siedetemperatur, was auch für
Methan und flüssiges Erdgas gilt. Diese Abhängigkeit zwischen Druck- und Tem-
peratur von flüssigem Erdgas sind der einschlägigen Physikliteratur zu entneh-
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men. Gegebenenfalls unter Mithilfe eines flüssiggas-erfahrenen Physikers kann
daraus leicht die Festlegung wirtschaftlich zweckmäßiger Druck- und Temperatur-
bereiche für flüssiges Erdgas (LNG) gefunden werden, das in Behältern transpor-
tiert werden soll. Dabei sind energiesparend bekanntermaßen möglichst wenig tie-
fe Temperaturen, dafür aber die entsprechend hohen Drücke zu wählen.
Die Anmeldung (a. a. O. S. 7, Z. 13) nennt die US 41 82 254 (3) für Flüssiggas-
tanks zum Transport von flüssigem Naturgas auf Schiffen bei Drücken bis 10 At-
mosphären (rund 1000 kPa) und Temperaturen von -100°C bis -140°C, aus Stahl
mit 9 % Nickel. Weiter nennt sie die vorgenannte US 32 98 805 mit 9 % Nickelge-
halt im Stahl (s. Sp. 5, Z. 47) für den Flüssiggastransport von z. B. LNG und bei-
spielhaft für solche dichten flüssigen Gasmischungen einen Bereich für den Druck
zwischen ca. 6900 kPa (1000 psia [Sp. 3, Z. 74] bzw. 70 ata) und ca. 700 kPa
(100 psia [Sp. 4, Z. 21] bzw. 7 ata) - also z. B. 3450 kPa (500 psia [Sp. 4, Z. 1]
bzw. 35 ata) - und Temperaturen von -90°C (-130°F; Sp. 3, Z. 27) bis etwa
-130°C(-200°C; Sp. 3, Z. 64).
Ausgehend von solchen bekannten LNG-Temperaturbereichen von ca. -90 bis
-130°C mit zugehörigen Drücken von rund 700 bis 7000 kPa wählt der Fachmann
für möglichst weniger tiefe Temperaturen dann z. B. rund -60 bis -120°C, was ge-
mäß der geltenden physikalischen Abhängigkeit f(T) ≈ f(p) rechnerisch zu höheren
Drücken von über 1000 bis etwa 8000 kPa führen kann.
Daher sind die beanspruchten Temperaturbereiche von etwa -123°C bis -62°C mit
den dann zugeordneten Gasdrücken von beispielsweise etwa 1035 kPa bis
7590 kPa als Zielsetzung, wie das beansprucht ist, vom Fachmann einfach auszu-
wählen. Dies gilt um so mehr, weil solche Bedingungen für den Erdgastransport,
wie die anmeldungsgemäße Beschreibungseinleitung ausführt, in der Fachwelt
u. a. von Roger Ffooks („Natural Gas by Sea“, The Development of a New Tech-
nology, veröffentlicht von Witherby & Co. Ltd., Ausgaben 1979 und 1993 zu den
Bedingungen des Flüssiggastransportes auf Schiffen) bereits diskutiert worden
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sind, und zwar in Bereichen von mit 1390 kPa bis 7935 kPa und -115°C bis -60°C
in Verbindung mit niedrig legierten Stählen guter Festigkeit von 760 MPa.
Diese einfachen Überlegungen und wirtschaftlich sinnvoll ausgewählten Druck-
und Temperaturbereiche führen direkt zu der Zielsetzung, für das zu speichernde
Erdgas einen geeigneten Behälter zu bauen. Größere Gasbehälter - auch für Flüs-
siggas - werden üblicherweise aus Stahlplatten geschweißt und müssen mit ihren
Schweißverbindungen selbstverständlich den Druck- und Temperaturbedingungen
des Flüssiggases standhalten.
Die Kernaufgabe ist also, für die gewählten möglichst hohen Flüssigerdgasdrücke
bei möglichst wenig tiefen Flüssigerdgastemperaturen geeignete preisgünstige
Stähle zur Herstellung hochfester Stahlplatten herauszufinden, die zu einem Flüs-
sigerdgas-Speicherbehälter verschweißt werden können.
Die Lösungssuche richtet sich deshalb auf preisgünstige Stähle mit ausreichender
Zugfestigkeit sowie Tieftemperatur- und Schweißeignung zur Herstellung hochfes-
ter verschweißbarer Stahlplatten, die den vorgegebenen Temperatur- und Druck-
bedingungen standhalten.
3. Offenbarung der technischen Lehre
Aus Kostengründen kommen nur nieder legierte Stähle mit wenig Nickel in Be-
tracht, also z. B. unter 3 % Nickel, was auch die Schweißbarkeit erleichtert. Mit
bekannten Methoden der Festigkeitslehre errechnet sich aus dem Druck im
Speicher in Verbindung mit der Speicherkonstruktion und -dimensionierung
unmittelbar die notwendige Mindestzugfestigkeit für den Stahl, beispielswei-
se zu mehr als 830 MPa.
Wegen der tiefen Flüssigerdgastemperaturen muss der Stahl bekannterma-
ßen eine geeignete Übergangstemperatur zwischen dem Spröd- und Duktil-
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bruchverhalten im Tieftemperaturbereich (DBTT) aufweisen, beispielsweise unter
-73°C.
Die anspruchsgemäßen Festlegungen für den Flüssigerdgas- Speicherbehälter
führen den Fachmann somit direkt zu dem Problem, im Bereich der niedrig legier-
ten hochfesten Stähle geeignete herauszufinden, um daraus Platten zum Bau der
Behälter herzustellen, die dann die beanspruchten Merkmale erfüllen.
Es bestehen dabei erhebliche Bedenken hinsichtlich der Vollständigkeit und
Nacharbeitbarkeit der beanspruchten technischen Lehre.
Stahllegierungen, auch niedrig legierte, sind stets durch eine Reihe von gewollten
Legierungszusätzen und ungewollten Verunreinigungen festgelegt, die für be-
stimmte Eigenschaften innerhalb bestimmter Bereiche liegen müssen.
Solche Stähle sind entweder veröffentlicht und daher Stand der Technik oder aber
der Öffentlichkeit nicht bekannt oder noch nicht gefunden und daher nicht Stand
der Technik.
Bekanntlich sind Stähle und ihre Eigenschaften zunächst durch die Stahl-Zusam-
mensetzung und die Stahl-Herstellungsmaßnahmen, wie Erschmelzen und Urfor-
mung, bestimmt. Außerdem nehmen weitere Verarbeitungsmaßnahmen, wie Wär-
mebehandlungen und/oder Umformungen, großen Einfluss auf die Werkstoffei-
genschaften und sind daher maßgeblich für das Produkt und dessen Festigkeiten,
Formgebung, Abmessungen, Verschweißbarkeit usw. ausschlaggebend; also
letztlich für die Belastbarkeiten der Stähle und Platten bei ihrer Verwendung als
fertig verschweißte Platten im fertigen Druckbehälter und über die Dauer deren
betrieblicher Verwendung.
In den anmeldungsgemäßen Schutzansprüchen gibt es keine näheren Angaben
zur Stahlzusammensetzung, zu Behandlungen und zur Plattenherstellung als
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technische Lehre. Die Beschreibung nennt zwar zahlreiche Veröffentlichungen von
bekannten Produkten, die aber nicht unter die beanspruchten Bedingungen fallen
sollen.
Die Beschreibung nennt aus parallelen Schutzrechtsanmeldungen drei Stahlbei-
spiele mit Legierungszusammensetzungen, Behandlungs- und Herstellungsbedin-
gungen, um damit erfindungsgemäß geeignete Stahlplatten herzustellen, die in
Verbindung mit geeigneten Schweißzusatzwerkstoffen zur Fertigung von bean-
spruchten Behältern dienen.
Diese drei konkreten Beispiele kann der Fachmann nacharbeiten.
Verlässt der Fachmann aber die Parameter der drei Beispiele, z. B. hinsichtlich
der Stahlzusammensetzung und/oder -herstellung, ist fast alles unbestimmt, so
dass er dann nicht mehr sicher und zuverlässig zu einem brauchbaren Produkt mit
den beanspruchten Eigenschaften kommen kann, sobald er mit veränderten Para-
metern in Anlehnung an die Beispiele fachmännisch nachzuarbeiten versucht.
Wegen der Vielzahl maßgeblicher Parameter und den Auswirkungen bei deren
Veränderungen ist das Ergebnis nicht mehr vorherzusagen. Erst an den fertigen
Produkten Platte bzw. Behälter ist feststellbar, ob die geforderten Eigenschaften
erfüllt sind.
Weicht der Nacharbeitende mangels konkreter Festlegungen in den Schutzan-
sprüchen von den Beispiel-Legierungen ab und/oder wählt er andere Herstellungs-
bedingungen und Behandlungen, so kann er schon wegen der vielen Parameter,
Einflussfaktoren und Wechselwirkungen, deren Auswirkungen nur wenig vorher-
sehbar sind, zu ganz anderen Ergebnissen kommen und erst im Nachhinein fest-
stellen, ob das Ergebnis in den beanspruchten Bereichen liegt, also brauchbar ist
oder nicht.
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So kann z. B. die beanspruchte Zugfestigkeit und DBTT immer erst am fertigen
Produkt gemessen und festgestellt werden. Daher steht der Fachmann vor dem
Problem, die Stahllegierung, deren Herstellung, Verarbeitung und Behandlung au-
ßerhalb der drei konkret genannten Beispiele dann ohne weitere anmeldungsge-
mäße Hilfe so wählen zu müssen, dass die fertigen verbauten Stahlplatten und
ihre Verschweißung die beanspruchten Werte erfüllen, was er nur im Nachhinein
am fertigen Produkt messen und feststellen kann.
Sind geeignete, die beanspruchten Eigenschaften erfüllende Stähle außerhalb der
drei anmeldungsgemäß benannten Beispiele nicht ohne weiteres in den einschlä-
gigen Stahltabellen und –veröffentlichungen zusammen mit ihren genannten, hier
maßgeblichen Eigenschaften zu finden, so bleibt die beanspruchte Lehre für den
nacharbeitenden Fachmann nur eine reine Aufgabenstellung.
Mit seinem fachmännischen Wissen und Können kann er sie weder einfach und
zielgerichtet noch vorhersehbar und auch nicht mit Sicherheit zuverlässig lösen.
Außerhalb der drei konkret genannten Beispiele ist anmeldungsgemäß für den
Fachmann weder eine vollständige technische Lehre noch eine zuverlässige
Nacharbeitbarkeit gegeben, so dass es für die Ausführbarkeit an der ausreichen-
den Offenbarung fehlt.
So sind aus den anmeldungsgemäßen Merkmalen deren Zusammenwirken und
Bedeutung für die Erfindung nicht klar und vollständig zu erkennen (vgl. BGH
GRUR 90, 432, „Spleißkammer“). Es bleibt daher dem Fachmann überlassen, aus
der Vielzahl möglicher Legierungsbestandteile, Herstellungs- und Behandlungspa-
rameter die für die Erfindung wesentlichen herauszusuchen und richtig auszuwäh-
len (vgl. BPatGE 21, 64, Schaltungsanordnungen). Es ist eine Kombinationsfülle
konkreter Maßnahmen notwendig, wovon aber nur einige wenige konkret und
ohne Hinweis auf deren Zusammenhang, Wechselwirkungen, Einflüsse und mögli-
che Kombinationen genannt sind (vgl. Schulte PatG. 7. Aufl. § 1, RN. 309 - funk-
tionale Zusammenwirkungen). Diese ergeben sich dem Fachmann im vorliegen-
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den Fall keinesfalls auf einfache, vorhersehbare Weise in Richtung auf ein erfolg-
reiches Ergebnis. Es handelt sich somit um eine zu allgemeine, zu unbestimmte
Lehre, für die lediglich Einzelbeispiele offenbart sind, aus denen der Fachmann
eine so weite Verallgemeinerung, wie sie beansprucht ist, nicht herleiten kann (vgl.
EPA Entscheidungen TBK, T 435/ 91 ABl 95, 188, 195 u. T 694/92 ABl 97, 408
Nr. 18). Die allgemeine Lehre kommt daher der Aufforderung zur Durchführung ei-
ner Forschungsreihe gleich. Die Anmelderin sagt dazu in der mündlichen Ver-
handlung: Der Fachmann forsche ausgehend vom Stand der Technik in Bibliothe-
ken, um zu einem brauchbaren Ergebnis zu kommen.
Anders als im Fall „Alpinski“ (BGH Entscheidung v. 16.06.1998, X ZB 3/97), wo
durch Messwerte ein Lösungsweg aufgezeigt wird, dürfte es im vorliegenden Fall
bereits an der notwendigen Deutlichkeit und Vollständigkeit der Gesamtoffenba-
rung zur Erfüllung der Ausführbarkeit nach § 34, Satz 4 PatG fehlen. Wie darge-
legt lassen die wenigen Merkmale der Schutzansprüche – ergänzt durch die Be-
schreibungsangaben – nicht erkennen, wie der Durchschnittsfachmann durch übli-
ches Handeln einschließlich Routineversuchen zielgerichtet und erfolgreich zu Lö-
sungen außerhalb der drei konkret genannten Stahlbeispiele gelangen kann.
4. Dies kann jedoch im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, weil zumin-
dest im Rahmen der drei zitierten Stahlbeispiele, einschließlich gegebenen-
falls notwendiger Routineuntersuchungen, insoweit eine technische Lehre
offenbart ist, die nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruht.
Der Gegenstand des Patentanspruchs 1 ist neu. Aus keiner der im Verfahren be-
findlichen Entgegenhaltungen ist ein Speicherbehälter mit sämtlichen im An-
spruch 1 aufgeführten Merkmalen bekannt. Er beruht aber nicht auf erfinderischer
Tätigkeit.
Wie zur Aufgabenstellung unter 2. ausgeführt, führen vorgegebene Bedingungen
unter wirtschaftlichen Gesichtpunkten zur Aufgabenstellung der Erfindung; übliche
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Maßnahmen und einfache, nahe liegende Überlegungen führen zu einem Spei-
cherbehälter für Flüssigerdgas unter hohem Druck, zumal an Hand des anmel-
dungsgemäß genannten Buchs von Roger Ffooks, „Natural Gas by Sea“, The
Development of a New Technology (veröffentlichet von Witherby & Co. Ltd., erste
Ausgabe 1979, zweite Ausgabe 1993) zu den Bedingungen des Flüssiggastrans-
portes auf Schiffen zielführende Hinweise gegeben sind.
Einfache Überlegungen und die bekannten physikalischen Zusammenhänge füh-
ren zur Auswahl und Festlegung von wirtschaftlich zweckmäßigen, technisch er-
reichbar erscheinenden Druck- und Temperaturbereichen für das flüssig zu trans-
portierende Erdgas – wie beansprucht von etwa 1035 kPa bis etwa 7590 kPa so-
wie von etwa -123°C bis etwa -62°C -, wie sie ähnlich für Flüssigerdgas in der
US 41 82 254 (3) und US 32 98 805 genannt sind und sich mit den beanspruchten
Druck- und Temperaturbereichen überdecken.
Einen Flüssigerdgasspeicherbehälter für kommerzielle LNG-Verwendung durch
Verschweißen aus mehreren Einzelplatten herzustellen, ist eine Selbstverständ-
lichkeit.
Die wirtschaftlichen Gesichtspunkte führen einerseits zu möglichst energiesparen-
den Tieftemperaturen, die eine entsprechende Materialeignung voraussetzen, und
demzufolge andererseits zu entsprechend hohen Flüssiggasdrücken, die hohe
Materialfestigkeiten des Stahls verlangen, der aus Kostengründen auch unter Re-
duzierung des teuren Nickels niedrig legiert sein soll.
Hierdurch ergibt sich für die
Behälterstahlplatten ohne weiteres der beanspruchte ultrahochfeste, nieder legier-
te Stahlbereich mit Nickel zwischen 1 und 3 Gew. %.
In soweit sind die Festlegungen einfacher und nahegelegter Art.
Es ist somit zu prüfen, ob für die Lösung der Kernaufgabe entsprechende Stähle
in naheliegender Weise bereitstanden.
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Die Mindestzugfestigkeit für den Stahl von 830 MPa und der untere Grenzwert für
die Übergangstemperatur DBTT von weniger als -73°C ergeben sich aus üblichen
Festigkeitsberechnungen der Behälterkonstruktion, was zur genannten Kernauf-
gabe führt, den dazu passenden Werkstoff und dessen Behandlung für die Stahl-
platten aufzufinden.
Dies betrifft auch die Schweißverbindung der Stahlplatten, die sinnvollerweise
etwa dieselbe Festigkeit und Zähigkeit bei den angegebenen Druck- und Tempe-
raturbedingungen aufweisen müssen.
Aus der EP 0 757 113 A1 (1) sind hochfeste nieder legierte Stähle mit guter Tief-
temperaturzähigkeit und Schweißbarkeit bekannt, die mindestens 950 MPa Zug-
festigkeit erreichen (vgl. z. B. S. 2, Abs. 1), also mehr als anmeldungsgemäß ge-
fordert. Deren Nickelgehalt beträgt 1 % oder weniger (vgl. S. 5, Z. 51), und über-
deckt sich im Randwert insoweit mit dem anmeldungsgemäßen. Diese Stähle sind
zwar für Leitungsrohre zum Transport gasförmigen Erdgases benannt, können ge-
mäß Beschreibungseinleitung aber auch für verschiedene Druckbehälter verwen-
det werden (vgl. S. 1, Z. 15). Als 50 % Bruchübergangstemperatur sind für diese
Stähle -120°C bis -160°C (Beispiel 1, Tabelle 2, vTrs) und -85°C bis -195°C
(Bei-
spiel 2, Tabelle 4, vTrs) genannt, was im Unterschied zum beanspruchten Stahl
außerhalb des beanspruchten DBTT- Bereiches von weniger als -73°C liegt. Zu
den zahlreichen Legierungskomponenten und deren Bereichen nach (1) fehlen an-
meldungsgemäße Angaben. In (1) sind auch nicht, wie anmeldungsgemäß bean-
sprucht, die Druck- und Temperaturbereiche zur Aufnahme von Flüssigerdgas ge-
nannt.
Aus der US 5 545 269 (2) sind ebenfalls ultrahochfeste nieder legierte Stähle für
Stahlplatten mit hervorragender Schweißbarkeit und Niedertemperaturzähigkeit
bekannt (vgl. z. B. Sp. 1, Abs. 1). Die Legierungskomponenten dieser aus (2) be-
kannten Stähle (vgl. dort Anspruch 6) überdecken sich mit allen notwendigen Le-
gierungskomponenten aus den drei patentgemäß genannten Stahlbeispielen.
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Mit 0,5 bis 2,0 % Nickel überdeckt sich auch dieser Gehalt der Stähle mit dem be-
anspruchten. Durch die Behandlungen und Sekundärhärtung erreichen diese
Stähle Zugfestigkeiten von mindestens 827 MPa (vgl. Anspruch 9: ≥ 120 ksi), was
im anmeldungsgemäß beanspruchten Bereich liegt.
Zwar sind diese Stähle für Platten zum Verschweißen zu Leitungsrohren genannt,
doch sind solche Platten offensichtlich auch für Behälter zu verwenden. Die
Charpy-V-Kerbschlagzähigkeit bei -40°C liegt deutlich über 200 Joules, vorzugs-
weise über 120 Joules. Eine DBTT ist dazu nicht genannt, auch nicht von weniger
als -73°C. Eine Umrechnung der Duktil-/Sprödbruchergebnisse oder Vergleichsta-
feln erlauben keine sichere Zuordnung, so dass ein zuverlässiger Vergleich und
Schlussfolgerungen aus den Werten nach (2) gegenüber der beanspruchten
DBTT nicht möglich sind.
Zur Speicherung von flüssigem Gas nennt die DE 17 58 593 einen nieder legierten
Stahl mit 0,5 bis 3 % Nickel, hoher Zugfestigkeit sowie guter Kerbschlagfestigkeit
bei Übergangstemperaturen unter -73°C.
Wenngleich für den geforderten Anwendungsbereich bei den aus diesem Stand
der Technik bekannten Stählen nicht im Einzelnen die beanspruchten mechani-
schen Eigenschaften (Zugfestigkeit, DBTT) in den gewünschten Druck- und Tem-
peraturbereichen angegeben sind, so kann sich der Fachmann dennoch an die-
sen, den anmeldungsgemäß beanspruchten Stählen sehr nahe kommenden be-
kannten Stahlbeispielen orientieren und/oder nach weiteren Stahlbeispielen mit
dazu angegebenen DBTT-Werten recherchieren, oder entsprechende übliche Ver-
suche anstellen.
Soweit der Fachmann mit solchen bekannten Stählen und einfachen üblichen Ver-
suchen zu Legierungszusammensetzungen und Behandlungsbedingungen gelan-
gen kann, mit denen die beanspruchten Zugfestigkeits- und DBTT-Werte für Be-
hälter-stahlplatten erreicht werden, beruht der beanspruchte Speicherbehälter
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bzw. dessen Lehre nicht auf einer erfinderischer Tätigkeit, weil alle insoweit not-
wendigen Schritte - wie dargelegt - dann bereits bekannt oder üblich und fachmän-
nisch einfach sind.
Eine patentbegründende erfinderische Tätigkeit ist damit nicht verbunden.
Der Anspruch 1 ist somit nicht gewährbar.
Auch die Anmelderin selbst konnte in der mündlichen Verhandlung nicht darlegen,
in welchen Merkmalen oder Merkmalskombinationen die erfinderische Leistung
begründet sein soll. Sie hat die Gesamtheit aller Anspruchsmerkmale genannt.
Sollte der Fachmann jedoch mit den bekannten Stählen und Behandlungen, gege-
benenfalls auch üblichen einfachen Versuchen nicht zu entsprechenden geeigne-
ten beanspruchten Stahlplatten gelangen können, so ist die anmeldungsgemäß
beanspruchte Lehre dann, wie bereits zuvor dargelegt, weder vollständig noch
vom Fachmann nacharbeitbar.
Stahlplatten nach den Ansprüchen 2 und 3 zu einem Behälter mit an sich bekann-
ten Schweißverfahren wie dem Gasmetall-Lichtbogen- oder Wolframinertgas-
schweißen zu verbinden, betrifft rein fachmännisches Handeln ohne erfinderi-
schen Gehalt.
Der Anspruch 4 nach dem Hauptantrag, inhaltsgleich mit dem einzigen Anspruch
nach dem Hilfsantrag, betrifft die Verwendung des im Anspruch 1 nach Hauptan-
trag festgelegten Stahls für einen ebensolchen Behälter aus Platten mit Schweiß-
verbindungen zum Speichern von Flüssigerdgas unter Druck und Temperaturen,
wie sie ebenfalls bereits im Anspruch 1 Hauptantrag festgelegt sind.
Diese Verwendung des in Anspruch 1 Hauptantrag definierten Stahls für die Plat-
ten des dort festgelegten Speicherbehälters zum Speichern von Flüssigerdgas un-
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ter den dort angegebenen Bedingungen ist selbstverständlich, zumindest nahelie-
gend.
Die zu Anspruch 1 aufgezeigten Gründe stehen entsprechend auch hier entgegen.
Deshalb hat auch der Anspruch 4 nach dem Hauptantrag und der übereinstim-
mende einzige Anspruch nach dem Hilfsantrag keinen erfinderischen Gehalt.
Die Ansprüche 2 bis 4 nach dem Hauptantrag sowie der Anspruch des Hilfsan-
trags sind daher ebenfalls nicht gewährbar.
Die Beschwerde der Anmelderin ist daher zurückzuweisen.
gez.
Unterschriften