Urteil des BPatG vom 22.01.2003

BPatG (verwechslungsgefahr, marke, verkehr, zeichen, bestandteil, begriff, kennzeichnungskraft, verbindung, patent, beschwerde)

BUNDESPATENTGERICHT
29 W (pat) 201/02
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
22. Januar 2003
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend die Marke 398 27 642
hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf
die mündliche Verhandlung vom 22. Januar 2003 unter Mitwirkung der Vorsit-
zenden Richterin Grabrucker, der Richterin Pagenberg und des Richters Voit
beschlossen:
Auf die Beschwerde der Widersprechenden werden die Beschlüsse der
Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts
vom 4. Dezember 2000 und vom 18. Juni 2002 aufgehoben. Die Lö-
schung der Marke 398 27 642 wird angeordnet
.
G r ü n d e
I
Gegen die für die Waren und Dienstleistungen
"Druckereierzeugnisse, Zeitschriften; Organisation und Durchführung
von Messen und Kongressen für wirtschaftliche und Werbezwecke;
Sammeln, Liefern, Übermitteln und Zusammenstellen von Daten und
Informationen aller Art."
eingetragene Wortmarke 398 27 642
GeoMarkt
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ist Widerspruch aus der prioritätsälteren Wortmarke 395 33 426
GEO
erhoben worden, die für die Waren und Dienstleistungen
„09: Geräte
zur
Aufzeichnung, Übertragung und Wiedergabe
von Ton und Bild; Magnetaufzeichnungsträger, Schallplat-
ten; Datenverarbeitungsgeräte und Computer, einschließlich
von Datenverarbeitungsgeräten und Computern als Be-
standteile von Datennetzen und zur Teilnahme an der
Kommunikation in Datennetzen;
16: Periodische und nichtperiodische Druckereierzeugnisse
sowie Photographien einschließlich von Druckereierzeug-
nissen, von Teilen von Druckereierzeugnissen und von
Photographien, die auf Datenträgern gespeichert sind
und/oder über Datennetze übermittelt werden;
38: Telekommunikation,
einschließlich der Telekommunikation
in Datennetzen;
41:
Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung sowie sportliche und
kulturelle Aktivitäten, einschließlich solcher Dienstleistungen
mit Hilfe von Datenträgern oder Datennetzen; Dienstleis-
tungen eines Verlages, einschließlich von Verlagsdienst-
leistungen mit Hilfe von Datenträgern oder Datennetzen;
42:
Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung, ein-
schließlich von Programmen im Zusammenhang mit Daten-
trägern oder Datennetzen"
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im Markenregister eingetragen ist.
Die Markenstelle für Klasse 16 des Deutschen Patent- und Markenamts hat
den Widerspruch mit Beschlüssen vom 4. Dezember 2000 und vom
18. Juni 2002 wegen fehlender Verwechslungsgefahr zurückgewiesen. Die
Vergleichsmarken könnten sich zwar auf zum Teil identischen Waren und für
identische bzw sehr ähnliche Dienstleistungen begegnen. Es könne auch von
einer gesteigerten Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke ausgegangen
werden. Gleichwohl unterschieden sich die Markenbegriffe „GeoMarkt" und
„GEO" schon auffallend durch ihre unterschiedliche Wortlänge. Der Gesamt-
eindruck der angegriffenen Marke werde nicht von dem Bestandteil „Geo"
geprägt, da er auf den Begriff „Erde" hinweise. Beide Bestandteile der jünge-
ren Marke seien gleichermaßen kennzeichnungsschwach und sie würden vom
Verkehr als zusammengehöriger Begriff verstanden. Eine Verwechslungsge-
fahr unter dem Aspekt des Serienzeichens sei nicht erkennbar, da der Be-
standteil „Geo" aufgrund seines beschreibenden Charakters nicht als Stamm-
bestandteil geeignet sei und verschiedene andere Firmen diesen Bestandteil
ebenfalls verwendeten, so daß der Verkehr keinen Anlaß habe, ihn der Wider-
sprechenden zuzuordnen.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden. Die Marken-
stelle gehe zwar hinsichtlich der gesteigerten Kennzeichnungskraft und der
Identität bzw Ähnlichkeit der Waren und Dienstleistungen von zutreffenden
Feststellungen aus, ziehe daraus aber die unrichtigen Schlüsse für die Frage
der Verwechslungsgefahr, die nach ständiger Rechtsprechung unter Berück-
sichtigung aller Umstände des Einzelfalls sowie der Wechselbeziehung der die
Verwechslungsgefahr bestimmenden Faktoren zu beurteilen sei. Vor allem rügt
die Beschwerdeführerin und Widersprechende die Ausführungen des ange-
fochtenen Erinnerungsbeschlusses zur Verneinung der mittelbaren Ver-
wechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt des Serienzeichens. Sie verweist
hierzu auf die höchstrichterliche Rechtsprechung sowie auf ihr Vorbringen im
Erinnerungsverfahren, wo sie die zahlreichen Serienzeichen mit dem Stamm-
bestandteil angegeben und insbesondere auf die benutzten Marken GEO
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Special, GEO SAISON, GEO Wissen, GEOEPOCHE und GEOLINO hinge-
wiesen habe. Im Beschwerdeverfahren hat sie die Angaben vertieft und
außerdem vorgetragen, daß es keine andere Zeitschrift gebe, die den Be-
standteil „GEO" trage.
Sie beantragt sinngemäß,
die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben und die Löschung der
Marke 398 27 642 anzuordnen.
Der Markeninhaber hat sich in der Sache weder geäußert noch Anträge ge-
stellt. Gegenüber der Widersprechenden und Beschwerdeführerin hat er sich
auf den Ausgang des Widerspruchsverfahrens vor dem Deutschen Pa-
tent- und Markenamt berufen und den Verkauf der Marke an diese angebo-
ten.
II
Die zulässige Beschwerde der Widersprechenden hat in der Sache Erfolg.
Zwischen den Vergleichsmarken besteht Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1
Nr 2 MarkenG, so daß die Löschung der jüngeren Marke anzuordnen war.
Die Beurteilung der Verwechslungsgefahr iSv § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG ist unter
Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmen, wozu insbe-
sondere der Bekanntheitsgrad der Widerspruchsmarke, die gedankliche Ver-
bindung, die des jüngeren Zeichens zu ihm hervorrufen kann, sowie der Grad
der Ähnlichkeit zwischen den Marken und den mit ihnen gekennzeichneten
Waren bzw Dienstleistungen gehören. Dabei besteht eine kompensatorische
Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren (stRspr
BGH vgl zuletzt Beschluss v. 8.5.2002 MarkenR 2002, 332 - DKV/OKV mwN
sowie EuGH GRUR 1998, 387 - Sabél/Puma u. GRUR Int 1998, 876 - Canon).
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Aufgrund der vorgelegten Unterlagen und Erklärungen der Widersprechen-
den geht der Senat wie die Erinnerungsprüferin von einer gesteigerten Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke für Zeitschriften sowie von der Identi-
tät der „Druckereierzeugnisse, Zeitschriften" und der Ähnlichkeit der Dienst-
leistungen der Widerspruchsmarke mit denen der jüngeren Marke aus.
Außerdem besteht Identität zwischen der Widerspruchsmarke und dem Be-
standteil „Geo" der jüngeren Marke. Es sprechen somit bereits gewichtige
Gründe für die Annahme einer unmittelbaren Verwechslungsgefahr zwischen
den Vergleichsmarken. Letztlich kann die Frage, ob der maßgebliche Gesamt-
eindruck der erkennbar aus den Begriffen „Geo" und „Markt" zusammenge-
setzten jüngeren Marke von dem an erster Stelle stehenden Bestandteil „Geo"
geprägt wird, aber dahingestellt bleiben, weil die Marken jedenfalls insoweit
verwechselbar sind, als sie gedanklich miteinander in Verbindung gebracht
werden können.
Der Begriff der gedanklichen Verbindung iSv § 9 Abs 1 Nr 2 letzter Halbsatz
MarkenG stellt keine Alternative zum Begriff der Verwechslungsgefahr dar,
sondern soll lediglich dessen Umfang genauer bestimmen. Rein assoziative
Verbindungen, die ein Verwechseln der Marken nicht zur Folge haben, reichen
dabei nicht aus. Darunter zu subsumieren sind jedoch insbesondere die Ver-
wechslungsgefahr unter dem Aspekt des Serienzeichens und der Verwechs-
lungsgefahr im weiteren Sinne (vgl EuGH GRUR 1998, 387 - Sabél/Puma;
BGH GRUR 1999, 587 - Cefallone mwN sowie zuletzt Urt. v. 22.1.2001 =
GRUR 2002, 544 -BIG; Althammer/Ströbele MarkenG 6. Aufl § 9 Rdn 208).
Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer Serienmarke ist anzu-
nehmen, wenn die Zeichen in einem Bestandteil übereinstimmen, den der Ver-
kehr als Stamm mehrerer Zeichen eines Unternehmens sieht und deshalb die
nachfolgenden Bezeichnungen, die einen identischen oder wesensgleichen
Stamm aufweisen, dem gleichen Zeicheninhaber zuordnet (BGH GRUR 96,
200 - Innovadiclophlont; BGH GRUR 1999, 587, 589 - Cefallone; zuletzt BGH
GRUR 2002, 544 - BIG). Die Rechtsprechung zum Serienzeichen beruht auf
der dem Verkehr bekannten Übung mancher Unternehmen, sich eines Stamm-
zeichens für alle ihre Waren zu bedienen und dieses - dabei als solches er-
kennbar bleibende - Stammzeichen für einzelne Warenarten zu deren Kenn-
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zeichnung abzuwandeln. Anlaß zu einer solchen Schlußfolgerung kann für
den Verkehr insbesondere dann bestehen, wenn ein Unternehmen mit
demselben Wortstamm innerhalb mehrerer Zeichen bereits im Verkehr auf-
getreten ist, insbesondere, wenn er den Stammbestandteil auch als Firmen-
schlagwort benutzt. Ist der Verkehr an einen bestimmten Wortstamm gewöhnt,
so liegt es erfahrungsgemäß fern, in einem mit diesem Wortstamm gebildeten
neuen Zeichen - hier die angegriffene Bezeichnung „GeoMarkt" - ein eigen-
ständiges Zeichen zu sehen; vielmehr wird der Verkehr, der die Unterschiede
der einander gegenüberstehenden Zeichen erkennt, vermuten, es handele
sich bei dem neuen Zeichen um ein solches der Serie.
Ein derartiger Fall einer Verwechslungsgefahr unter dem Gesichtspunkt einer
Serienmarke ist hier gegeben. Die Widersprechende ist mit der Widerspruchs-
marke „GEO" als Stammbestandteil innerhalb mehrerer Zeichen bereits im
Verkehr aufgetreten. Hierzu zählen zum einen die Serienzeichen GEO Saison
(395 33 427), GEO Spezial (398 30 866), GEO Wissen (398 30 867) so-
wie GEOEPOCHE (399 18 733), bei denen es sich jeweils um Kennzeichen für
Zeitschriften handelt. Zum anderen hat die Widersprechende durch entspre-
chende Fotos, Erklärungen und Auszüge zur Überzeugung des Senats dar-
gelegt, daß die Markenserie auch Zeichen umfaßt, die für Waren und Dienst-
leistungen der Klassen 9, 16 und 38 zum Teil mit Onlineauftritt benutzt werden
(zB 396 41 412 GEOLINO, geoplay, GEOTON sowie GEOwebshop). Darüber
hinaus tritt die Widersprechende auf Messen mit umfangreichen Messeständen
auf und organisiert Foren mit aktuellen Themen sowie Seminare und Kon-
gresse für Umweltinteressierte, Abonnenten, Investoren und zur Anzeigenplat-
zierung auch für Dritte. Außerdem produziert die Widersprechende zusammen
mit dem Fernsehsender Arte die Sendereihe „360" - Die GEO-Reportage", die
wöchentlich ausgestrahlt wird.
Der Senat geht davon aus, daß die Widersprechende den Verkehr bereits
an „GEO" als Stammbestandteil einer existierenden Zeichenserie gewöhnt
hat, die ausgehend von dem Hauptgebiet der „Druckereierzeugnisse und Zeit
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schriften die Unterhaltung sowie Dienstleistungen eines Verlages, die Tele-
kommunikation und das Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung"
umfassen. Es bestehen somit identische, sehr ähnliche und noch ausreichend
enge Berührungspunkte zwischen den Waren und Dienstleistungen der Wider-
spruchsmarke mit denen der jüngeren Marke, so daß die Gefahr von Ver-
wechslungen infolge irriger Zuordnung zu bejahen ist, wenn der Verkehr der
angegriffenen Marke begegnet, die wie vergleichbare Zeichen der Markenserie
der Widersprechenden gebildet ist.
Bei dieser Sachlage kam es entgegen der Ansicht der Markenstelle nach der
Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht mehr darauf an, ob sich
„GEO" wegen des Sinngehalts von „die Erde betreffend" theoretisch als
Stammbestandteil eignet oder nicht (vgl BGH GRUR 2002, 544 - BIG a.E.).
Zu einer Auferlegung der Kosten des Beschwerdeverfahrens (§ 71 Abs 1 Mar-
kenG) bestand kein Anlaß.
Vorsitzende Richterin
Grabrucker ist wegen
Urlaubs verhindert zu
unterschreiben
Pagenberg
Pagenberg Voit
Cl