Urteil des BPatG vom 10.07.2003

BPatG: verwechslungsgefahr, arzneimittel, gesamteindruck, kennzeichnungskraft, apotheker, aufmerksamkeit, gesundheit, sorgfalt, markenregister, patent

BPatG 152
10.99
BUNDESPATENTGERICHT
25 W (pat) 235/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Marke 396 54 068.6
hat der 25. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 10. Juli 2003 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Kliems so-
wie des Richters Engels und der Richterin Bayer
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beschlossen:
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I.
Die Bezeichnung
ASEBO
ist am 5. März 1997 unter der Nummer 396 54 068 für "humanmedizinische Arz-
neimittel" ins Markenregister eingetragen worden. Das Warenverzeichnis wurde im
Beschwerdeverfahren auf "humanmedizinische Arzneimittel, nämlich verschrei-
bungspflichtige Antibiotika" eingeschränkt. Widerspruch erhoben hat die Inhaberin
der für die Waren "Arzneimittel, pharmazeutische Erzeugnisse sowie chemische
Erzeugnisse für die Gesundheitspflege; diätetische Erzeugnisse für Kinder und
Kranke" geschützten Widerspruchsmarke Nr 2 102 463
Aleno
Die Markenstelle für Klasse 5 des Deutschen Patent- und Markenamts hat den Wi-
derspruch mit Beschluss vom 21. Juni 2001 durch eine Prüferin des höheren Dien-
stes zurückgewiesen.
Ausgehend von einer normalen Kennzeichnungskraft der Widerspruchsmarke und
einer hohen Ähnlichkeit bzw möglichen Identität der sich gegenüber stehenden
Waren seien mindestens durchschnittliche bis hohe Anforderungen an den Mar-
kenabstand zu stellen, um eine Verwechslungsgefahr auszuschließen. Es seien
jedoch keine Verwechslungen zu befürchten. Mangels Rezeptpflicht in den der
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Markenstelle vorliegenden Warenverzeichnissen kämen zwar auch Laien als maß-
gebliche Verkehrskreise in Frage. Diese würden jedoch bei Arzneimitteln größere
Sorgfalt walten lassen als bei Waren des täglichen Bedarfs. Die Zeichen seien
klanglich und schriftbildlich hinreichend verschieden, da die Konsonanten sehr un-
terschiedlich seien und das Schriftbild der Zeichen auf Grund der an unterschiedli-
cher Stelle stehenden Oberlängen deutlich voneinander abweiche.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Widersprechenden mit dem Antrag
(sinngemäß),
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und die Löschung der
angegriffenen Marke anzuordnen.
Unter Berücksichtigung des Umstands, dass das Erinnerungsbild stärker durch
Übereinstimmungen der Vergleichsmarken als durch ihre Abweichungen geprägt
werde, halte die angegriffene Marke entgegen den Ausführungen der Markenstelle
keinen ausreichenden Abstand zur Widerspruchsmarke ein. Entscheidend sei der
Gesamteindruck der Marken, für den es weniger auf die einzelnen Laute als auf
Silbengliederung und Vokalfolge ankomme. Darin stimmten vorliegend die Marken
überein und damit auch in Sprech- und Betonungsrhythmus. Es bestehe deshalb
eine Verwechslungsgefahr, auch wenn wegen der nunmehr festgeschriebenen
Verschreibungspflicht vorwiegend auf die beteiligten Fachkreise (Ärzte/Apotheker)
abzustellen sei.
Die Inhaberin der angegriffenen Marke beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Markenstelle habe bereits zutreffend eine Verwechslungsgefahr verneint. Dar-
über hinaus führe die Rezeptpflicht für die Waren der angegriffenen Marke
- wenngleich mündliche Benennungen nicht ausgeschlossen seien - dazu, dass
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selbst bei Warenidentität nicht mehr strenge Anforderungen an den Markenab-
stand zu stellen seien.
Wegen der Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akten Bezug genommen.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.
Auch nach Auffassung des Senats besteht bei den sich gegenüberstehenden Mar-
ken nicht die Gefahr von Verwechslungen im Sinne von § 9 Abs 1 Nr 2 MarkenG,
so dass die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen war (§ 43 Abs 2
Satz 2 MarkenG).
Der Senat geht wie bereits die Markenstelle von einer durchschnittlichen Kenn-
zeichnungskraft der Widerspruchsmarke und, da Benutzungsfragen nicht ange-
sprochen sind, auch von einer möglichen Warenidentität aus. Die vorhandenen
Unterschiede genügen jedoch, eine Verwechslungsgefahr zu verhindern.
Da die Waren identisch sein können, sind allerdings entgegen der Auffassung der
Inhaberin der angegriffenen Marke trotz der nunmehr bestehenden Rezeptpflicht
strenge Anforderungen an den einzuhaltenden Markenabstand zu fordern, die je-
doch erfüllt werden.
Da die Inhaberin der angegriffenen Marke ihre Waren durch Aufnahme der Re-
zeptpflicht eingeschränkt hat, ist die Gefahr von Begegnungen der Zeichen bei
Laien ohne Einschaltung des Fachverkehrs erheblich eingeschränkt. Es ist daher
auch bei einseitiger Rezeptpflicht verstärkt auf den Fachverkehr (insbesondere
Ärzte und Apotheker) abzustellen, der erfahrungsgemäß im Umgang mit Arznei-
mitteln sorgfältiger ist und deshalb seltener Markenverwechslungen unterliegt
(Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdn 168; BGH GRUR 1999, 587 –
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Cefallone). Dieser Umstand wirkt nicht nur einer klanglichen, sondern auch einer
schriftbildlichen Verwechslungsgefahr entgegen. Allerdings darf die Gefahr münd-
licher Benennungen verschreibungspflichtiger Arzneimittel durch den Patienten
nicht völlig vernachlässigt werden (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9
Rdn 173). Dabei ist jedoch auf den durchschnittlich informierten, aufmerksamen
und verständigen Durchschnittsverbraucher abzustellen, der allem, was mit Ge-
sundheit zusammenhängt, eine gesteigerte Aufmerksamkeit beizumessen pflegt
(Ströbele/Hacker, Markengesetz, 7. Aufl § 9 Rdr 168).
Der Gesamteindruck der Zeichen, auf den es maßgeblich ankommt, ist noch so
verschieden, dass selbst bei identischen (verschreibungspflichtigen) Arzneimitteln
nicht mit Verwechslungen zu rechnen ist. Vokalfolge, Silbenzahl und Silbengliede-
rung sowie der Anfangs- und der Schlusslaut sind zwar gleich, jedoch handelt es
sich bei den Zeichen um gut erfassbare Wörter mit zwar drei Silben, jedoch nur
fünf Lauten, bei denen zwei deutlich verschieden sind, nämlich alle Konsonanten.
Im Gesamtklangbild klingt die Widerspruchsmarke durch den Fließlaut "l" und den
Nasenlaut "n" weicher fließend als die angegriffene Marke, welche durch den
Zahnreibelaut "s" und den Sprenglaut "b" einen deutlich unterschiedlichen Klang-
charakter erhält. Diese Unterschiede sind im Gesamtklangbild der trotz Dreisilbig-
keit relativ kurzen Zeichen so auffällig, dass auch nicht mit einer Verwechslungs-
gefahr aus der unsicheren Erinnerung heraus zu rechnen ist. Auch in schriftbildli-
cher Hinsicht sind die Unterschiede in zwei von fünf Buchstaben ausreichend, um
eine Verwechslungsgefahr zu verneinen. Das Umrissbild der Marken wird durch
die unterschiedliche Verteilung der Oberlängen stark verändert. Bei den lediglich
aus fünf Buchstaben bestehenden Zeichen sind diese Unterschiede nicht zu über-
sehen.
Nach alledem war die Beschwerde der Widersprechenden zurückzuweisen.
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Zu einer Kostenauferlegung aus Billigkeitsgründen bot der Streitfall keinen Anlass,
§ 71 Abs 1 MarkenG.
Kliems Engels Bayer