Urteil des BPatG vom 19.01.2005

BPatG: geographische herkunftsangabe, tee, stadt, sri lanka, eugh, allgemeininteresse, name, registrierung, verbraucher, unterscheidungskraft

BPatG 152
10.99
Bundespatentgericht
32 W (pat) 322/03
_______________
(Aktenzeichen)
B e s c h l u s s
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 302 47 363.7
hat der 32. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts unter
Mitwirkung des Richters Viereck als Vorsitzenden sowie der Richter Müllner und
Kruppa am 19. Januar 2005
beschlossen:
1.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
2.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
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G r ü n d e
I.
Die am 27. September 2002 als Wortmarke für die Waren
5: Tee und teeähnliche Erzeugnisse (Kräuter- und Früchtetees) für
medizinische Zwecke; auch vitaminisiert und/oder aromatisiert
und/oder instantisiert und/oder mineralisiert;
16: Filterpapier, gefüllte oder leere Teeaufgußbeutel aus Filterpa-
pier, halterlose Teefilter aus Papier und/oder Vliesstoff, Teever-
packungen in Form von Beuteln, Umhüllungen, Tüten, Schachteln
und Kartons aus Papier und Pappe;
30: Tee und teeähnliche Erzeugnisse (Kräuter- und Früchtetees)
für Genußzwecke, auch vitaminisiert und/oder aromatisiert
und/oder instantisiert und/oder mineralisiert
angemeldete Bezeichnung
Newcastle
hat die Markenstelle für Klasse 30 des Deutschen Patent- und Markenamts nach
vorangegangener Beanstandung mit einem ersten Beschluss vom
17. Februar 2003 von der Eintragung zurückgewiesen. Es liege das Schutzhinder-
nis des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG vor, da Newcastle der Name einer englischen
sowie einer australischen Großstadt sei und diese Bezeichnung von Mitbewerbern
im Teegeschäft ernsthaft benötigt werde. Großbritannien gehöre zu den wich-
tigsten Nachfragern für Teewaren, Australien sei Mitglied des Commonwealth, die
dortige Bevölkerung habe weitgehend britische Lebensgewohnheiten übernom-
men. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (Hinweis auf
GRUR 1999, 723 – Chiemsee) seien nicht nur derzeitige Gegebenheiten zu be-
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rücksichtigen, sondern auch nicht außerhalb der Wahrscheinlichkeit liegende zu-
künftige wirtschaftliche Entwicklungen, die eine beschreibende Verwendung der
betreffenden Ortsangabe vernünftigerweise erwarten ließen. Von daher bestehe
u.a. bei Namen von Großstädten eine starke Vermutung dafür, dass sie als geo-
graphische Herkunftsangabe für nahezu alle Waren benötigt würden.
Die Erinnerung der Anmelderin hat die mit einer Regierungsangestellten im höhe-
ren Dienst besetzte Markenstelle durch Beschluss vom 8. September 2003 zu-
rückgewiesen. Die nord-ost-englische Großstadt „Newcastle upon Tyne“ sei ein
bedeutendes Geschäftszentrum mit internationalem Flughafen, Seehafen und ei-
ner ausgeprägten und traditionsreichen Industrie. Wie eine Recherche im Internet
ergeben habe, werde diese Stadt im Verkehr allgemein nur als „Newcastle“, ohne
den lokalisierenden Zusatz, bezeichnet und verstanden. Dort seien auch teeverar-
beitende Betriebe, z.B. „Twinings“, angesiedelt. Zudem sei Großbritannien das
wichtigste Nachfragegebiet für Tee; diese Ware sei eine Spezialität des Landes.
Der Name einer bekannten englischen Stadt löse beim Verbraucher positive Vor-
stellungen in Verbindung mit Tee aus. Es bestehe ein Bedürfnis der Konkurrenten,
mit dem Markenwort auf die geographische Herkunft der Waren hinweisen zu
können. Die Registrierung einer nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG schutzunfähigen
Marke lasse sich nicht unter Berufung auf die Regelung des § 23 Nr 2 MarkenG
rechtfertigen.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Anmelderin, mit der
sie ihr Eintragungsbegehren weiterverfolgt.
Unter Aufrechterhaltung ihrer Argumentation im patentamtlichen Verfahren trägt
sie vor, im Unterschied zu vielen anderen Produktgruppen weise Tee die Beson-
derheit auf, dass es sich um ein nur in bestimmten klimatischen Gebieten wach-
sendes Naturprodukt handele. Nach den (in Kopie vorgelegten) Leitsätzen für Tee
(usw.) sei der Hinweis auf ein Land oder eine Region ohne eigenen Teeanbau
keine Herkunftsangabe (Abschnitt D Nr 1). Der als Marke angemeldete Städte-
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name sei daher nicht allgemein freihaltebedürftig. Ein aufgeklärter und informierter
Verbraucher werde nicht annehmen, dass so bezeichneter Tee aus Newcastle
stamme. Auch die Ansiedlung von Lebensmittelindustrie oder eines einzelnen
Teehändlers begründe kein Freihaltungsbedürfnis, insbesondere ergebe sich hier-
aus kein besonderes Image. Die Eintragung des als Phantasiebegriff zu sehenden
Namens Newcastle bewirke keinen wirtschaftlichen Nachteil für Dritte, zumal eine
nichtmarkenmäßige Verwendung nach § 23 MarkenG weiterhin möglich wäre. Die
Registrierung der deutschen Marke 303 19 298 „Lancaster Tea“ stelle ein Indiz
dafür dar, daß geographische Bezeichnungen für Tee nicht ohne weiteres freihal-
tebedürftig seien.
Wegen sonstiger Einzelheiten wird auf den Inhalt der Amts- und Gerichtsakten
verwiesen.
II.
Die Beschwerde der Anmelderin ist zulässig, jedoch nicht begründet, weil einer
Registrierung der als Marke angemeldeten Bezeichnung das Schutzhindernis des
§ 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG entgegensteht. Nach dieser Bestimmung sind Marken
von der Eintragung ausgeschlossen, die ausschließlich aus Zeichen oder Anga-
ben bestehen, welche im Verkehr u.a. zur Bezeichnung der Beschaffenheit und
der geographischen Herkunft der beanspruchten Waren dienen können.
Die Regelung des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG, die in Umsetzung von Art 3 Abs 1c)
Markenrichtlinie ergangen ist, verfolgt das im Allgemeininteresse liegende Ziel,
dass warenbeschreibende Angaben von allen frei verwendet werden können. Im
Vordergrund stehen dabei die Interessen der Mitbewerber auf dem Markt. Die Mo-
nopolisierung einer beschreibenden Angabe zugunsten eines einzigen Unterneh-
mens ist deshalb nicht zulässig (EuGH GRUR 1999, 723, 725 – Chiemsee, unter
Nr 25).
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Einer Registrierung von geographischen Bezeichnungen steht aber auch das All-
gemeininteresse entgegen, welches insbesondere darauf beruht, dass diese nicht
nur die Qualität und andere Eigenschaften der betreffenden Warengruppen anzei-
gen, sondern auch die Vorlieben der Verbraucher in anderer Weise beeinflussen
können, etwa dadurch, dass diese eine Verbindung zwischen den Waren und ei-
nem Ort herstellen, mit dem sie positiv besetzte Vorstellungen verbinden (EuGH
Chiemsee, aaO, Nr 26). Mithin kommt bei der Prüfung, ob ein geographischer
Begriff als Produktmerkmalsbezeichnung in Betracht kommt (und nicht nur bei Be-
urteilung der Unterscheidungskraft nach § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG), dem Verständ-
nis und den Vorstellungen der Endverbraucher ebenfalls Bedeutung zu. Nur wenn
die konkret beanspruchten Waren mit dem betreffenden Ort oder mit den Eigen-
schaften der als solche erkennbaren geographischen Region vernünftigerweise
weder gegenwärtig, noch in absehbarer Zukunft in Verbindung gebracht werden
können, scheidet das Eintragungsverbot des § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG aus (EuGH
Chiemsee, aaO, Nr 31; Ullmann, GRUR 1999, 666, 672 liSp). Dagegen ist nicht
erforderlich, daß ein konkretes, aktuelles oder ernsthaftes „Freihaltebedürfnis“ im
Sinne der früheren deutschen Rechtsprechung besteht (EuGH Chiemsee, aaO,
Nr 35; vgl auch Senatsbeschluss GRUR 2004, 685, 689 liSp - LOTTO).
Der Ortsname Newcastle kommt als geographische Herkunftsangabe in Betracht.
Durchschnittlich informierte, aufmerksame deutsche Verkehrskreise – Mitbewerber
ebenso wie Endverbraucher -, werden Newcastle in erster Linie als Name einer
nord-ost-englischen Hafenstadt (deren amtliche Bezeichnung „Newcastle upon
Tyne“ lauten dürfte) in Erinnerung haben. Dazu mag neben Größe und wirtschaft-
licher Bedeutung dieser Stadt auch das (vielfach vom Schulunterricht her be-
kannte) Sprichwort „to carry coals to Newcastle“ beitragen, ohne daß Newcastle
deshalb nur mit der Ware „Kohle“ in Verbindung gebracht würde.
Es ist nämlich kein Grund ersichtlich, warum der Name einer auch in Deutschland
bekannten englischen Hafenstadt nicht auch mit „Tee“ und mit Papierprodukten,
die zur Aufbewahrung und Zubereitung von Tee bestimmt sind, in Zusammenhang
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gebracht werden könnte. Dass in England – und somit auch in der Region von
Newcastle – Tee nicht angebaut wird, ist zwar allgemein bekannt. Tee wird aber
aus den Gebieten der dritten Welt, in denen er angebaut und geerntet wird, meist
auf dem Seeweg in die Absatzländer gebracht, mithin in Seehäfen angelandet,
gelagert, gehandelt und oftmals auch dort weiterverarbeitet. Dies gilt für Großbri-
tannien in gleicher Weise wie für andere Länder. Auch in den großen deutschen
Hafenstädten (vor allem Hamburg und Bremen) finden sich – wie gerichtsbekannt
ist – Unternehmen, welche mit Tee (ebenso wie etwa mit Kaffee) handeln oder
diesen verarbeiten. Die Markenstelle hat zudem belegt, dass in Newcastle zumin-
dest ein teeverarbeitender Betrieb angesiedelt ist, nämlich das auch in Deutsch-
land nicht unbekannte und mit seinen Produkten auf dem inländischen Markt ver-
tretene Unternehmen „Twinings“. Somit besteht bereits gegenwärtig ein Interesse
an der Freihaltung dieser geographischen Angabe, ohne dass es darauf ankäme,
ob Newcastle für sämtliche beanspruchten Waren bekannt oder gar berühmt ist
(EuGH Chiemsee, aaO, Nr 29).
Hinzu kommt, dass Großbritannien aufgrund seiner kolonialen Vergangenheit in
enger Beziehung zu wichtigen Teeanbauländern wie Indien und Ceylon (Sri
Lanka) steht und auch heute noch weltweit einer der Hauptabnehmer von Tee ist.
England gilt als klassisches Land des Teegenusses. Viele deutsche Verbraucher
verbinden Tee mit britischen Lebensgewohnheiten. Spezielle englische Teesorten
(zB „English Breakfast Tea“) sind auch im inländischen Warensortiment vertreten.
Englischsprachige Bezeichnungen im allgemeinen (vgl z.B. „Sir Winston“) und
somit auch englische Städtenamen sind deshalb generell geeignet, einem so ge-
kennzeichneten Teeprodukt ein besonderes Ansehen – unabhängig von einer et-
waigen Täuschungseignung über die geographische Herkunft – zu verschaffen.
Auch unter diesem Gesichtspunkt ist deshalb im Licht der Chiemsee-Entschei-
dung (aaO, Nr 26) eine Monopolisierung des bekannten Städtenamens Newcastle
für die beanspruchten Erzeugnisse nicht vertretbar.
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Der Senat sieht keine Möglichkeit zu einer Differenzierung innerhalb des Waren-
verzeichnisses der angemeldeten Marke. Warenverzeichnisse sind stets zunächst
in ihrer Gesamtheit zu betrachten, weil von der Frage, ob eine Marke für eine Viel-
zahl von (unterschiedlichen) Waren oder nur für ein Spezialprodukt beansprucht
wird, das bei der Prüfung der beschreibenden Eigenschaft des Markenworts be-
achtliche Allgemeininteresse an der Freihaltung abhängen kann (EuGH
GRUR 2003, 604 – Libertel, Nr 71). Sodann hat aber auch eine Prüfung der
Schutzfähigkeit im Blick auf einzelne Waren (-gruppen) zu erfolgen, weil die Eig-
nung, als warenbeschreibende Angabe zu dienen, je nach einzelnem Erzeugnis
unterschiedlich sein kann (entsprechendes gilt für die Beurteilung der Unterschei-
dungskraft; vgl EuGH GRUR 2004, 674 – KPN Postkantoor, Nr 73, 79). Ob „Tee“
für Zwecke des Genusses (Klasse 30) oder für medizinische Zwecke (Klasse 5)
bestimmt ist, macht im vorliegenden Zusammenhang keinen Unterschied; auch für
Tee mit medizinischer Zweckbestimmung kann Newcastle als geographische Her-
kunftsangabe Verwendung finden. Die – in beiden vorgenannten Klassen – bean-
spruchten „teeähnlichen Erzeugnisse (Kräuter- und Früchtetees)“ sind nicht ab-
weichend zu beurteilen, zumal – anders als bei Tee selbst – nicht ausgeschlossen
werden kann, dass die zur Herstellung dieser Produkte benötigten Kräuter und
Früchte aus Newcastle (bzw der betreffenden Region) stammen. Die in Klasse 16
enthaltenen Papierprodukte (Filter und Verpackungen) dienen sämtlich der Zube-
reitung und Aufbewahrung von Tee, wie sich aus der Fassung des Warenver-
zeichnisses ergibt. Dies gilt auch für das am Anfang stehende „Filterpapier“, weil
unter diesen (Ober-)Begriff eben gerade auch Teefilter fallen können (vgl BGH
GRUR 2002, 261 – AC). Das Allgemeininteresse an der Freihaltung der Marke für
die (Haupt-) Ware „Tee“ umfaßt deshalb auch solche (Neben-) Produkte, die mit
den üblichen Verpackungs- und Zubereitungsarten von Tee in unmittelbarer Ver-
bindung stehen. Ob es in Newcastle auch Papierfabrikation gibt, ist deshalb nicht
entscheidungserheblich.
Das Allgemeininteresse an der Freihaltung der geographischen Bezeichnung
Newcastle entfällt nicht deshalb, weil es in Großbritannien und anderen englisch-
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sprachigen Staaten eine Mehrzahl von Städten dieses Namens gibt (neben der
bereits von der Markenstelle genannten, ebenfalls bedeutenden Hafenstadt im
australischen Bundesstaat New South Wales je eine weitere Stadt in England na-
mens „Newcastle-under-Lyme“, in Nordirland und in der südafrikanischen Provinz
Kwa Zulu/Natal, vgl Brockhaus Enzyklopädie, Bd 15, 20. Aufl, S 580; außerdem
gibt es Orte dieses Namens in Kanada, den USA und Westindien, vgl wikipedia
Enzyklopädie,
ädte, soweit sie etwa
über Seehäfen verfügen, ebenfalls für „Tee“ als Herkunftsorte in Betracht kämen
- was das Allgemeininteresse an der Freihaltung der Bezeichnung Newcastle eher
verstärken würde
-, kann dahinstehen. Für deutschsprachige Städtenamen
- allerdings im konkreten Fall von Kleinstädten – ist anerkannt, dass die Einmalig-
keit der Ortsbezeichnung nicht Voraussetzung für die Annahme ist, sie könne als
geographische Herkunftsangabe Verwendung finden (BGH GRUR 2003, 882, 883
reSp – Lichtenstein). Für den Senat sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die es
rechtfertigen könnten, an außerdeutsche geographische Angaben – sofern sie,
wie hier, im Inland über hinreichende Bekanntheit verfügen – geringere Anforde-
rungen zu stellen, als an inländische.
Daß einige der genannten Städte namens Newcastle – so auch die nord-ost-engli-
sche Stadt „Newcastle upon Tyne“ – über einen Zusatz verfügen (der wohl auch
offizieller Teil des Namens ist), stellt ebenfalls kein Argument gegen das Bestehen
eines Interesses an der Freihaltung von Monopolrechten dar. Der Senat hat keine
Anhaltspunkte dafür, dass die von der Markenstelle aufgrund von Internet-Recher-
chen getroffene Feststellung, die betreffende Stadt werde allgemein ohne den lo-
kalisierenden Zusatz bezeichnet, unrichtig sein könnte. Für die Richtigkeit der An-
nahme der Markenstelle dürfte vielmehr sprechen, dass auch deutsche Groß-
städte mit offiziellem Zusatz vielfach nicht in voller Länge (z.B. als Frankfurt am
Main, Freiburg im Breisgau) bezeichnet werden, sondern nur mit dem Städtena-
men selbst, und zwar auch dann, wenn nicht durch den Sprachzusammenhang
(wie z.B. in der Wortfolge „Flughafen Frankfurt“) die Zuordnung eindeutig ist. Auch
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die Anmelderin hat nicht behauptet, die nord-ost-englische Stadt Newcastle werde
durchweg nur mit dem Zusatz „upon Tyne“ benannt.
Aber selbst wenn man davon ausgeht, dass die verschiedenen Städte namens
Newcastle sich zweckmäßigerweise zur Unterscheidung lokalisierender Zusätze
(z.B. der Namen von Flüssen, Bundesstaaten, Provinzen usw) bedienen müssen,
wäre es allein aus diesem Grunde nicht vertretbar, den Ortsnamen selbst (ohne
Zusatz) als Marke einzutragen. Diese Frage wurde allerdings in der früheren
Rechtsprechung des Bundespatentgerichts unter der Geltung des Warenzeichen-
gesetzes unterschiedlich beantwortet (vgl einerseits BPatGE 15, 219 – SANTIGO,
andererseits Mitt 1991, 98 – Santiago; siehe auch Mitt 1993, 349 – Jackson). Die
Kommentarliteratur zum Markengesetz ist in dieser Frage ebenfalls nicht völlig
einer Meinung (vgl einerseits Ekey/Klippel/Fuchs-Wissemann, MarkenG, §
8
Rdn 50, andererseits Ströbele/Hacker, MarkenG, 7. Aufl, § 8 Rdn 321, jeweils am
Ende). Der Senat ist jedenfalls der Auffassung, dass bekannte Ortsnamen auch
dann nicht in Alleinstellung markenschutzfähig sind, wenn ihnen im allgemeinen
ein individualisierender Zusatz beigefügt wird.
Die sonstigen Argumente der Anmelderin, mit denen diese darzulegen versucht,
Newcastle sei als geographische Herkunftsangabe nicht geeignet oder werde vom
deutschen Verkehr nicht als solche verstanden und unterliege deshalb keinem
„Freihaltungsbedürfnis“, erscheinen dem Senat ebenfalls nicht tragfähig. Die Leit-
sätze für Tee, teeähnliche Erzeugnisse, deren Extrakte und Zubereitungen (i.d.F.
vom 02.12.1998, Bundesanzeiger 1999 Nr 66a) sind keine allgemein gültige
Rechtsnorm (förmliches Gesetz, Rechtsverordnung oder Satzung). Sie sind viel-
mehr von der Kommission zur Schaffung eines Deutschen Lebensmittelbuchs be-
schlossen worden und stellen eine gutachtliche Äußerung zur allgemeinen Ver-
kehrsauffassung bezüglich der Herstellung, Bezeichnung und Aufmachung von
Tee usw dar (Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Bd VI, C 372, S. 8, 9 m.w.Nachw.).
Wenn diese Leitsätze mithin bereits auf dem Gebiet des Lebensmittelrechts nicht
verbindlich sind, gilt dies erst recht für das Markenrecht. Ob eine andere Beurtei-
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lung, was die von der Anmelderin konkret angesprochene Frage der geographi-
schen Herkunftsangabe anbetrifft, im Rahmen des Schutzes solcher Angaben
nach § 126 ff MarkenG angebracht ist, kann dahingestellt bleiben. Für die Ausle-
gung des Begriffs einer zur Bezeichnung der geographischen Herkunft geeigneten
Angabe nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist die Regelung des Abschnitts D. 1.,
Sätze 6 und 7 der o.a. Leitsätze unergiebig.
Die in Umsetzung von Art 6 Abs 1 Markenrichtlinie ergangene Regelung des § 23
Nr 2 MarkenG, auf die sich die Anmelderin bezogen hat, ist nicht geeignet, ein
vorhandenes Eintragungshindernis i.S.d. § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG zu relativieren
(Ströbele/Hacker, aaO, § 23 Rdn 23 m.w.Nachw.) oder die Anforderungen an die
erforderliche strenge und vollständige Prüfung herabzusetzen (vgl EuGH Libertel,
aaO, Nrn 58, 59). Der Regelungsgehalt beider Bestimmungen ist nämlich ein un-
terschiedlicher. Zweck des Eintragungsverbots nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG ist
es, bereits im Registerverfahren die Entstehung von Fehlmonopolisierungen an
unmittelbar beschreibenden Angaben zu verhindern. § 23 Nr 2 MarkenG stellt
demgegenüber eine zusätzliche Sicherung der Mitbewerber bei der Verwendung
derartiger beschreibender Angaben, welche aus irgendwelchen Gründen gleich-
wohl zur Eintragung gelangt sind, dar. Die negativen Folgen einer etwaigen Fehl-
eintragung sollen abgemildert werden, die Regelung stellt aber keine Rechtferti-
gung dafür dar, die gebotene gründliche und umfassende Prüfung der Schutzhin-
dernisse im Registrierungsverfahren zu beschränken (vgl Ströbele/Hacker, aaO,
§ 8 Rdn 246).
Aus der Schutzgewährung für die deutsche Marke 303 19 298 („Lancaster Tea“)
vermag die Anmelderin ebenfalls keinen Anspruch auf Registrierung der vorlie-
gend angemeldeten Marke abzuleiten. Inländische Voreintragungen – selbst iden-
tischer Marken – führen weder für sich, noch in Verbindung mit dem Gleichheits-
satz des Grundgesetzes zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung derjeni-
gen Stellen, welche über die Schutzgewährung zu befinden haben. Die Entschei-
dung über die Schutzfähigkeit einer Marke stellt keine Ermessens-, sondern eine
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Rechtsfrage dar (vgl z.B. BGH GRUR
1989, 420 –
KSÜD; BPatGE
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- CREATION GROSS).
Ob die Bezeichnung Newcastle für die beanspruchten Erzeugnisse zusätzlich
auch jeglicher Unterscheidungskraft entbehrt (gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG),
kann dahingestellt bleiben, wobei allerdings nach der Rechtsprechung des Euro-
päischen Gerichtshofs einer Wortmarke, die Merkmale von Waren (und Dienst-
leistungen) - also auch die geographische Herkunft – beschreibt, aus diesem
Grunde zwangsläufig die Unterscheidungskraft in bezug auf diese Waren fehlt
(KPN Postkantoor, aaO, Nr 86).
Die Rechtsbeschwerde wird gemäß § 83 Abs 2 Nr 2 MarkenG zur Fortbildung des
Rechts zugelassen. Die Frage, ob mehrfach vorkommende Namen ausländischer
Städte, von denen zumindest eine im Inland Bekanntheit genießt, auch ohne loka-
lisierenden Zusatz dem Allgemeininteresse an der Freihaltung geographischer
Angaben unterliegen, bedarf höchstrichterlicher Erörterung und Klärung.
Viereck Müllner Kruppa
br/Ja