Urteil des BPatG vom 28.11.2000

BPatG (beschreibende angabe, smart card, zahlung, bezeichnung, klasse, angabe, beschwerde, wiedereinsetzung, verkehr, begriff)

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 126/00
_______________
(Aktenzeichen)
An Verkündungs Statt
zugestellt am
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 399 63 545.9
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts auf die
mündliche Verhandlung vom 28. November 2000 unter Mitwirkung des Vorsitzen-
den Richters Winkler, des Richters v. Zglinitzki und der Richterin am Amtsgericht
Dr. Hock
BPatG 154
6.70
- 2 -
beschlossen:
1. Die Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Be-
schwerdegebühr wird gewährt.
2.
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist mit dem gemäß §§ 33 Abs 1, 36
Abs 2 MarkenG iVm §§ 32 Abs 2 Nr 3, 36 Abs 1 Nr 1 MarkenG festgestellten An-
meldetag vom 23. November 1999 die Wortmarke
TegernseeCard
für die Dienstleistungen
"Klasse 35: Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwal-
tung, Büroarbeiten;
Klasse 36: Versicherungswesen, Finanzwesen, Geldgeschäfte,
Immobilienwesen;
Klasse 38: Telekommunikation;
Klasse
39: Transportwesen, Verpackung und Lagerung von
Waren, Veranstaltung von Reisen;
Klasse 41: Erziehung, Ausbildung, Unterhaltung, sportliche und
kulturelle Aktivitäten;
- 3 -
Klasse 42: Verpflegung, Beherbergung von Gästen, ärztliche
Versorgung, Gesundheits- und Schönheitspflege,
Dienstleistungen auf dem Gebiet der Tiermedizin und
der Landwirtschaft, Rechtsberatung- und Vertretung,
wissenschaftliche und industrielle Forschung,
Erstellen von Programmen für die Datenverwaltung"
zur Eintragung in das Register angemeldet worden.
Die Markenstelle für Klasse 36 hat die Anmeldung durch den von einem Mitglied
des Patentamts erlassenen Beschluß vom 24. März 2000 gemäß §§ 8 Abs 2 Nr 2,
37 Abs 1 MarkenG wegen eines Freihaltungsbedürfnisses an einer beschreiben-
den Angabe zurückgewiesen. In den Gründen ist ausgeführt worden, die Wort-
kombination "TegernseeCard" werde von den angesprochenen Verkehrskreisen
lediglich in dem unmittelbar beschreibenden Sinngehalt verstanden, daß die be-
anspruchten Dienstleistungen in der Tegernsee-Region mittels einer Kundenkarte
angeboten und erbracht würden, die als Berechtigungsnachweis zur Inanspruch-
nahme der Dienstleistungen sowie der gegebenenfalls eingeräumten Vorteile
diene und über die in Anspruch genommene Dienstleistungen auch abgerechnet
werden könnten. Dieses Verständnis werde dadurch begünstigt, daß bereits an-
dere Anbieter ein gleichartiges Angebot mit entsprechend gebildeten Bezeich-
nungen benennten, wie beispielsweise der anliegende Auszug aus der Inter-
net-Recherche betreffend die "Kärnten Card" belege.
Die Anmelderin hat gegen diesen ihr am 13. Mai 2000 zugestellten Beschluß des
Patentamts am 7. Juni 2000 Beschwerde eingelegt, die Beschwerdegebühr aber
erst am 20. Juni 2000 gezahlt.
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Sie beantragt,
Wiedereinsetzung in die Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr
zu gewähren und
den Beschluß der Markenstelle für Klasse 36 des Patentamts vom
24. März 2000 aufzuheben.
Bezugnehmend auf die vorgelegte eidesstattliche Versicherung des Leiters der
Rechtsabteilung, Herrn B…, vom 4.
September
2000, die Kopie seines
Hausbriefes vom 6. Juni 2000 sowie die eidesstattliche Versicherung der Ange-
stellten Frau E… vom 4.
September
2000 trägt die Anmelderin zur ver-
späteten Zahlung der Beschwerdegebühr vor, der Leiter der Rechtsabteilung habe
die für das Rechnungswesen zuständige Hauptbuchhaltung mit Hausbrief vom
6. Juni 2000 angewiesen, die Beschwerdegebühr in Höhe von 345,-- DM an das
Deutsche Patent- und Markenamt bis spätestens 13. Juni 2000 (Zahlungseingang
Patentamt) zu überweisen. Die sorgfältig ausgewählte und lange ohne
Beanstandung in der Abteilung Rechnungswesen tätige Angestellte Frau E…
habe beim Ausfüllen der Überweisung am 8. Juni 2000 versehentlich eine falsche
Bankleitzahl eingetippt. Als daraufhin der Überweisungauftrag am 14. Juni 2000
unausgeführt zurückgekommen sei, habe sie den Fehler bemerkt und den
Überweisungsauftrag am 16. Juni 2000 nochmals erteilt.
In der Sache vertritt die Anmelderin die Ansicht, im Deutschen verwendete Wort-
kombinationen mit dem englischen Begriff "card" wie beispielsweise "Tankcard",
"Credit Card", "Business Card" oder "Smart Card" seien unmißverständliche Gat-
tungsbegriffe, die auch in ihrer Gesamtaussage klar beschreibend blieben und
daher nicht eintragungsfähig seien. Die angemeldete, aus einer geographischen
Angabe und dem Begriff "Card" kombinierte Bezeichnung "TegernseeCard" sei
hingegen hinreichend phantasievoll, da sie die beanspruchten Dienstleistungen
nicht an sich, sondern nur ganz abstrakt beschreiben könne. "Tegernsee" und
"Card" stellten zwar schutzunfähige Bestandteile dar, aus der Gesamtbezeichnung
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"TegernseeCard" werde aber nicht verständlich, um welche konkreten
Dienstleistungen es sich handele.
II
Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
Die verspätete Zahlung der Beschwerdegebühr führt hier nicht zu der Fiktion der
Nichteinlegung der Beschwerde gemäß § 66 Abs 5 iVm Abs 1 und 2 MarkenG.
Denn hinsichtlich der Frist zur Zahlung der Beschwerdegebühr wird gemäß § 91
MarkenG Wiedereinsetzung gewährt. Mit den vorgelegten eidesstattlichen Versi-
cherungen hat die Anmelderin gemäß § 91 Abs 3 MarkenG iVm § 294 ZPO
glaubhaft gemacht, daß die Verspätung der Zahlung der Beschwerdegebühr ohne
ihr Verschulden auf einem Versehen einer ihrer Angestellten bei Ausfüllung des an
sich rechtzeitigen Überweisungsauftrags beruhte. Da die nicht rechtzeitige
Zahlung der Beschwerdegebühr im Hause der Anmelderin bereits am
14.
Juni
2000 bemerkt wurde, erscheint es zwar zweifelhaft, ob der am
8. September 2000 eingegangene Antrag auf Wiedereinsetzung rechtzeitig inner-
halb der Zweimonatsfrist gemäß § 91 Abs 2 MarkenG gestellt worden ist. Ange-
sichts der Umstände, die zu dem Zahlungsverzug geführt haben, hält es der Senat
hier jedoch für gerechtfertigt, Wiedereinsetzung jedenfalls gemäß § 91 Abs 4
Satz 2 MarkenG unabhängig von dem Antrag der Anmelderin zu gewähren.
In der Sache muß der Beschwerde jedoch der Erfolg versagt bleiben. Der Senat
folgt im Ergebnis der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts, daß es sich
bei der als Marke angemeldeten Bezeichnung "TegernseeCard" hinsichtlich
sämtlicher beanspruchter Dienstleistungen um eine freihaltungsbedürftige be-
schreibende Angabe gemäß § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG handelt. Die Markenstelle
hat die Anmeldung somit schon deshalb zu Recht gemäß § 37 Abs 1 MarkenG zu-
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rückgewiesen. Außerdem fehlt der Anmeldemarke aber auch jegliche Unter-
scheidungskraft gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 MarkenG.
Wie die Anmelderin in der mündlichen Verhandlung bereits zutreffend eingeräumt
hat, werden die angesprochenen Verkehrskreise - nicht nur gewerbliche oder be-
rufliche Fachkreise, sondern überwiegend auch das allgemeine Publikum - ohne
weiteres erkennen, daß die Bezeichnung "TegernseeCard" aus der bekannten
geographischen Angabe "Tegernsee" sowie dem geläufigen englischen Begriff
"Card" zusammengesetzt ist und offensichtlich eine den zahlreichen verkehrsüb-
lichen Berechtigungs-, Zahlungs-, Ausweis- oder Kundenkarten entsprechende
Karte bezeichnet, die zum Einsatz in der Region des Tegernsees als Wirtschafts-
und Lebensraum, Erholungs- und Einzugsgebiet bestimmt ist.
Der englische Ausdruck "Card" ist als Gattungsoberbegriff für Karten, die - zumeist
in dem gebräuchlichen Scheckkartenformat - für vielfältige Zwecke als Datenträger
dienen, längst in den allgemein üblichen deutschen Sprachgebrauch
eingegangen. Technisch handelt es sich in der Regel um Plastikkarten mit visuell
lesbaren Aufdrucken sowie elektronischen Datenträgern, und zwar Magnetstreifen
oder Chips (Magnetstreifenkarten, Chipkarten - Smart Cards - wie Speicherchip-
karten, Prozessorchipkarten oder Opto-Chipkarten). Solche Karten besitzen
hauptsächlich diverse Zahlungs-, Abrechnungs-, Berechtigungsnachweis-, Aus-
weis- oder Identifizierungsfunktionen, die je nach den speziellen Anforderungen an
bestimmte Kartennutzungsarten kombiniert werden. Scheckkarten, Kreditkarten,
Debitkarten, Telephonkarten, Geldkarten, Wertkarten, Mautkarten oä dienen
beispielsweise in erster Linie der bargeldlosen Zahlung und Abbuchung, können
teilweise aber auch Ansprüche auf Nebenleistungen wie Versicherungen, Service
etc beinhalten. In zunehmendem Maße beliebt sind insbesondere kartengestützte
Systeme für den Einkauf oder die Inanspruchnahme von Dienstleistungen. Bereits
zahlreiche Unternehmen und Organisationen -
Käufhäuser, Mineralölgesell-
schaften, Automobilclubs, Logistikunternehmen etc - verfolgen hierbei die Ge-
schäftspolitik, mit der Ausgabe eigener Kundenkarten, Servicekarten, Clubkarten,
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Mitgliedskarten, Tankkarten oä nicht nur die vereinfachte bargeldlose Bezahlung
und Abrechung zu ermöglichen, sondern durch Zusatzleistungen, Sonderleistun-
gen, besonders günstige Angebote, Bonussysteme oder Rabatte, die mit dem
Gebrauch der Karte verbunden sind, auch eine enge Kundenbindung und längere
Kundentreue zu erreichen sowie die persönliche Kenntnis ihrer Kunden und deren
Ausgabeverhalten zu erhalten.
Die im Verkehr üblichen "Card"-Bezeichnungen weisen regelmäßig eine vorange-
stellte konkretisierende Angabe auf, die entweder das kartenausgebende Unter-
nehmen betriebskennzeichnend individualisierend bezeichnet - wie beispielsweise
"VISA-Card", "Postbank Card", "HERTIE Card", "IKEA Card" etc -, oder sachlich
beschreibend die Art, den Verwendungszweck oder den Einsatzbereich der
betreffenden Karte nennt - wie beispielsweise "Smart Card", "Cash Card", "Calling
Card", "Shopping Card" etc (vgl auch Beschlüsse des Senats vom
10.
Oktober
2000 - 33 W (pat) 82/00 - select card; vom 8.
Mai
1998 -
33 W (pat) 136/98 - PayCard; vom 7. März 1997 - 33 W (pat) 110/96 - AERO-
CARD/EUROCARD; vom 6.
Dezember
1996 - 12 W (pat) 2/96 - TENNISCARD,
- 12 W (pat) 3/96 - POLOCARD, - 12 W (pat) 4/96 - SPORTCARD; vom 25. Ok-
tober 1996 - 12 W (pat) 16/96 - EUROCARD).
Die Anmeldemarke "TegernseeCard" ist eindeutig der letzteren Gruppe der be-
schreibenden Sachangaben zuzurechnen. Der Auffassung der Anmelderin, die
Kombination einer geographischen Angabe mit dem Begriff "Card" sei so unge-
wöhnlich und eigenartig, daß der Verkehr sie als unternehmenskennzeichnendes
Merkmal auffassen müsse, vermag sich der Senat keineswegs anzuschließen.
Denn einerseits sind Bezeichnungen wie "Kärnten Card", "IsarCard", "RügenCard"
"heidenheimer card" oder "VogtlandCard" als Hinweis auf ein regionales
Dienstleistungsangebot für Einheimische oder Urlauber bereits bekannt, wobei es
hier nicht darauf ankommt, inwiefern sie zu Recht oder wegen einer graphischen
Gestaltung eingetragen sein mögen. Andererseits liegt ohne jede analytische Be-
trachtung aber ohnehin die rein beschreibende Bedeutung nahe, daß die einzel-
- 8 -
nen oder in einem Verbund unter der Bezeichnung "TegernseeCard" angebotenen
beanspruchten Dienstleistungen mittels einer eigens für die Tegernsee-Region
konzipierten Berechtigungskarte, von welcher der Verkehr einige attraktive
Vergünstigungen erwarten kann, wie sie auch über andere gebräuchliche Kun-
den-, Service-, Club- oder Mitgliedskarten gewährt werden, in Anspruch
genommen werden sollen, zumal es schon seit langem in zahlreichen Urlaubsge-
bieten einen sogenannten "Ferienpaß" gibt, die Stadt Tegernsee ein bekannter
Kurort ist und das Gebiet um den Tegernsee als Ferienregion mit beachtlichem
Fremdenverkehr einige Beliebtheit genießt (vgl Brockhaus Die Enzyklopädie in
24 Bänden, 20. Auflage, Bd 21, 1998, S 613 unter "Tegernsee"; EuGH GRUR
1999, 723, 725 f - Chiemsee).
Soweit die Anmelderin meint, aus der Bezeichnung "TegernseeCard" lasse sich
keine bestimmte Dienstleistung entnehmen, beschränkt sie ihre Auffassung un-
zulässig auf einen zu geringen Teilaspekt der nach den Vorschriften des § 8 Abs 2
Nr 1 und 2 MarkenG zu beurteilenden Rechtsfragen. Insbesondere sind nach § 8
Abs 2 Nr 2 MarkenG nämlich nicht nur glatte Beschaffenheitsangaben, sondern
unter anderen auch solche Angaben von der Eintragung ausgeschlossen, die im
Verkehr zur Bezeichnung der geographischen Herkunft oder sonstiger Merkmale
der Dienstleistungen dienen können. Da die Schutzfähigkeit einer angemeldeten
Marke immer - wie sie im Geschäftsverkehr auch benutzt werden soll - im
unmittelbaren Bezug zu den beanspruchten Waren oder Dienstleistungen zu
beurteilen ist, kommt es hier nicht entscheidend darauf an, ob der Verkehr aus der
isolierten Bezeichnung "TegernseeCard" auf konkrete Dienstleistungen schließen
kann. Vielmehr erweist sich im vorliegenden Falle der Umstand und die
Feststellung als maßgeblich, daß die angesprochenen Verkehrskreise gerade im
Zusammenhang mit den angebotenen beanspruchten Dienstleistungen die Be-
zeichnung "TegernseeCard" lediglich als eine beschreibende Angabe verstehen
können, die unmittelbar auf die geographische Herkunft und den geographischen
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Geltungsbereich sowie das Merkmal der besonderen Erbringungsweise für die
Karteninhaber hinweist.
Winkler
Richterin am AG Dr. Hock
kann wegen Urlaubs nicht
unterschreiben
Winkler
v. Zglinitzki
Cl/prö