Urteil des BPatG vom 28.02.2001

BPatG (bundesrepublik deutschland, sprache, eintragung, bezeichnung, unterlagen, anmeldung, teil, beschreibende angabe, deutschland, gebrauchsmuster)

BUNDESPATENTGERICHT
5 W (pat) 12/00
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(Aktenzeichen)
Verkündet am
28. Februar 2001
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
BPatG 154
6.70
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betreffend das Gebrauchsmuster 200 02 064.1
(hier: Eintragungsantrag)
hat der 5. Senat (Gebrauchsmuster-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts
auf die mündliche Verhandlung vom 28. Februar 2001 durch den Vorsitzenden
Richter Goebel, den Richter Dr. Huber und die Richterin Friehe-Wich
beschlossen:
Die Beschwerde der Anmelderinnen gegen den Beschluss
des Deutschen Patent- und Markenamtes – Gebrauchsmu-
sterstelle – vom 19. Mai 2000 wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
G r ü n d e :
I.
Die Anmelderinnen begehren die Eintragung eines Gebrauchsmusters in platt-
deutscher (niederdeutscher) Sprache, hilfsweise in plattdeutscher und hochdeut-
scher Sprache.
Sie haben am 5. Februar 2000 (auf dem amtlichen Formblatt) die Eintragung eines
Gebrauchsmusters mit der Bezeichnung "Läägeünnerloage" beantragt und diesem
Antrag zwei Seiten Beschreibung sowie fünf Ansprüche in plattdeutscher (nieder-
deutscher) Sprache und eine in hochdeutscher Sprache beschriftete Zeichnung
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beigefügt. Zur Rechtfertigung dieser sprachlichen Form haben sich die Anmelde-
rinnen auf die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen be-
rufen. Sie gestatte es den Bewohnern von Regionen, in denen eine Minderheiten-
sprache wie das Plattdeutsche (Niederdeutsche) gesprochen werde, sich gegen-
über Ämtern, Gerichten und anderen Verwaltungsstellen ihrer Sprache zu bedie-
nen. Auf die Mitteilung des Deutschen Patent- und Markenamtes, daß eine Eintra-
gung des Gebrauchsmusters mit den vorgelegten Unterlagen nicht in Betracht
komme, haben sie am 3. Mai 2000 drei Seiten Beschreibung und fünf Ansprüche
in hochdeutscher Sprache zusammen mit der bereits mit den Unterlagen vom
5. Februar 2000 übersandten Zeichnung eingereicht und erklärt, es handele sich
um die Übersetzung der Anmeldungsunterlagen. Am 4. Mai 2000 haben sie zwei
Seiten Beschreibung und fünf Ansprüche in hochdeutscher Sprache wiederum mit
der vorgenannten Zeichnung übersandt und hierzu ausgeführt, es handele sich
um die Korrektur der fehlerhaften Übersetzung vom 3. Mai 2000. In der Überset-
zung lautet die Bezeichnung "Liegeunterlage".
Mit Beschluss vom 19. Mai 2000 hat die Gebrauchsmusterstelle die Anmeldung
zurückgewiesen. Zur Begründung ist unter Hinweis auf § 21 Abs. 1 GebrMG iVm
§ 126 Satz 1 PatG, § 184 GVG ausgeführt, Amts- und Gerichtssprache sei Hoch-
deutsch, so daß eine Eintragung und Veröffentlichung des beanspruchten Ge-
brauchsmusters allein bzw. auch in plattdeutscher Sprache nicht in Betracht kom-
me.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Anmelderinnen.
Der Präsident des Deutschen Patent- und Markenamtes ist dem Beschwerdever-
fahren beigetreten.
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Die Anmelderinnen machen geltend, plattdeutsch sei deutsch im Sinne des § 126
Satz 1 PatG. Es sei nicht erforderlich, daß jedermann die Anmeldeunterlagen ver-
stehen könne, denn sonst brauche es weder Experten noch Patentanwälte. Auch
wiesen viele sonstige Anmeldeunterlagen fremdsprachige (zB englische oder fran-
zösische) Wörter auf und würden dennoch zugelassen. Es sei nicht einzusehen,
weshalb für Anmeldungen, die – wie die vorliegende - neben hochdeutschen auch
plattdeutsche Wörter enthielten, nicht dasselbe gelten solle. Aus einer Entschei-
dung des OLG Düsseldorf ergebe sich, daß Eingaben nur irgendwie verständlich
sein müssten. Die Gewährleistungen für das Plattdeutsche aus Artikel 7, 9 und 10
der Europäischen Charta für Minderheitensprachen seien anzuwenden, weil so-
wohl das Deutsche Patent- und Markenamt wie auch das Bundespatentgericht für
das gesamte Bundesgebiet – und damit auch für die Regionen, in denen platt-
deutsch gesprochen werde - zuständig seien. Auch wenn diese Charta auf Bun-
desebene nicht unmittelbar anwendbar sei, so sei sie doch zu beachten, zB indem
plattdeutsche und hochdeutsche Fassung gemeinsam zugelassen und bekanntge-
macht würden. Die Anmelderinnen seien bereit, hierdurch entstehende etwaige
Mehrkosten, deren Anfall allerdings nicht ersichtlich sei, zu übernehmen. Auch
PCT-Anmeldungen mit Bestimmung Deutschlands würden in Englisch, Franzö-
sisch und anderen Sprachen veröffentlicht. Das Bundespatentgericht habe in der
"Swat"-Entscheidung (4 W (pat) 461/64) ebenso wie der Bundesgerichtshof in der
"Wit"-Entscheidung (I ZR 33/56) die plattdeutschen Wörter swat bzw wit als mund-
artliche Bezeichnungen qualifiziert; auch würden Marken, die aus plattdeutschen
Begriffen bestünden, aufgrund ihrer Verständlichkeit von der Eintragung zurückge-
wiesen. Ferner habe das OLG Oldenburg (HRR 1928, Nr. 392) entschieden, ge-
gen die Durchführung eines Verfahrens in plattdeutscher Sprache sei unbescha-
det der Vorschrift, dass die Gerichtssprache "deutsch" sei, nichts einzuwenden.
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Sie beantragen,
den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Ge-
brauchsmuster in seiner ursprünglich eingereichten Fassung,
hilfsweise, es mit den ursprünglichen Unterlagen zusammen
mit der deutschen Übersetzung einzutragen.
Sie regen an, gegebenenfalls die Rechtsbeschwerde zuzulassen.
Der Präsident des Patentamts beantragt,
die Beschwerde zurückzuweisen.
Er macht geltend, Gerichts- und Amtssprache sei Deutsch (§ 126 Satz 1 PatG).
Darunter sei die deutsche Hochsprache zu verstehen; Sinn dieser und der allge-
meinen Regelung des § 184 GVG sei, die Verständlichkeit in sprachlicher Hinsicht
zu sichern. Plattdeutsch sei keine deutsche Mundart, sondern eine selbständige
Sprache. Eine Eintragung und Veröffentlichung des Gebrauchsmusters in hoch-
deutscher und plattdeutscher Sprache führe zu nicht unerheblichen Mehrkosten,
denen kein sachlicher Grund gegenüberstehe. Die Voraussetzungen für eine An-
wendung der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen
seien nicht erfüllt.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch nicht begründet. Denn für das Begehren der
Antragstellerinnen, daß das beanspruchte Gebrauchsmuster ausschließlich in
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plattdeutscher Sprache oder zugleich in hochdeutscher und in plattdeutscher
Sprache eingetragen wird, gibt es keine rechtliche Grundlage.
Allerdings ist grundsätzlich die Eintragung eines Gebrauchsmusters, für das
fremdsprachige Anmeldeunterlagen eingereicht worden sind, zulässig, wenn der
Anmelder eine deutsche Übersetzung nachreicht (§ 8 Abs 1 Satz 1 iVm § 4a
Abs 1 Satz 1 GebrMG). Auch im vorliegenden Fall handelt es sich um eine Anmel-
dung mit in diesem Sinne "fremdsprachigen" Unterlagen und nachgereichter "deut-
scher" Übersetzung. Der Eintragungsantrag beschränkt sich aber im vorliegenden
Fall nicht auf die Tatsache der Eintragung des Gebrauchsmusters. Vielmehr ist die
Eintragung ausdrücklich in der plattdeutschen und damit in einer iSd § 4a GebrMG
fremdsprachigen Fassung (allein oder zusammen mit der (hoch-)deutschen Fas-
sung) beantragt. Damit begehren die Anmelderinnen mehr, als ihnen nach dem
Gesetz bewilligt werden kann. Soweit nicht, wie im Regelfall, die Anmeldung mit
ausschließlich deutschen Unterlagen erfolgt, läßt es nämlich nur die Anmeldung
selbst mit fremdsprachigen Unterlagen zu, sieht aber für den Vollzug der Eintra-
gung nur die deutsche Fassung vor. Da die Anmelderinnen – trotz eines gerichtli-
chen Hinweises in der mündlichen Verhandlung – ihr Begehren nicht wenigstens
hilfsweise auch auf die Eintragung (allein) in der "deutschen" Fassung gerichtet
haben, ist dem von ihnen verfolgten Begehren nicht stattzugeben.
1. Eintragung bedeutet insoweit rechtlich die Herbeiführung der in § 11 GebrMG
beschriebenen Wirkungen auf der Grundlage der Anordnung, einen entspre-
chenden Vermerk in die Gebrauchsmusterrolle aufzunehmen; der Aufnahme in
die Rolle folgt eine entsprechende Bekanntmachung im amtlichen Patentblatt
(§ 8 Abs 1, 3 GebrMG). Der Inhalt diesen Vermerks umfaßt neben den in § 8
Abs 2 GebrMG vorgeschriebenen Angaben (Name und Wohnsitz des Anmel-
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ders und seines Vertreters, Anmeldetag) weitere Informationen. Hierzu zählen
ua. die Nummer des Gebrauchsmusters (Aktenzeichen), der Eintragungs- und
der Bekanntmachungstag, die dem Gegenstand vom Patentamt zugeordnete
Klassifikationseinheit nach der internationalen Patentklassifikation (IPC) und die
Bezeichnung des Gegenstandes des Gebrauchsmusters. Beschreibung,
Schutzansprüche und etwa eingereichte Zeichnungen werden in dem Vermerk
nicht inhaltlich wiedergegeben, vielmehr wird nur die Zahl der Schutzansprüche
und die Seitenzahl von Ansprüchen, Beschreibung und Zeichnungen angege-
ben.
Die Beschränkung des Rolleninhalts im wesentlichen auf Angaben in diesem
Umfang wird den praktischen Bedürfnissen hinsichtlich des Registrierrechts
"Gebrauchsmuster" gerecht. Rechtliche Bedenken hiergegen sind nicht ersicht-
lich.
Vom Anmeldungsinhalt findet in der Rolle mithin nur die Bezeichnung Aufnah-
me. Sie wird im Falle einer Anmeldung mit fremdsprachigen Unterlagen in der
Fassung der deutschen Übersetzung wiedergegeben. Dies entspricht dem Sinn
der gesetzlichen Regelung des § 4a GebrMG.
2. Die zunächst vorgelegten plattdeutschen Anmeldungsunterlagen sind nicht in
deutscher Sprache iSd § 4a GebrMG abgefasst. Bei dem Begriff "deutsche
Sprache" in dieser Vorschrift ist nicht von einer anderen Bedeutung auszuge-
hen als in § 126 PatG, auf den § 21 Abs. 1 GebrMG hinsichtlich der Amtsspra-
che verweist. "Deutsche Sprache" im Sinne der vorgenannten Vorschriften (wie
auch im Sinne von § 184 GVG, der eine entsprechende Regelung enthält) ist
die deutsche Hoch- und Schriftsprache, nicht jedoch das Plattdeutsche. Denn
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nach Sinn und Zweck der zuletzt genannten Bestimmungen soll durch die Fest-
legung der deutschen Sprache als Amts- und Gerichtssprache sichergestellt
werden, daß die Verständlichkeit von Entscheidungen, Anordnungen und Mittei-
lungen nicht am Fehlen einer einheitlichen Sprache scheitert. Dies ist aber nur
gewährleistet, wenn man unter deutsch die deutsche Hoch- und Schriftsprache
versteht und deutsche Mundarten nur dann der Gerichtssprache gleichstellt,
wenn sie allgemein verständlich sind oder jedenfalls von allen Beteiligten mühe-
los verstanden werden (vgl. Wolf in Münchner Kommentar zur ZPO, § 184 GVG
RdNr. 11). Entsprechendes muß für die Bestimmung des § 4a GebrMG ange-
nommen werden. Geschützt sind hierdurch die von dem Schutzrecht Betroffe-
nen. Es handelt sich um alle Rechtsunterworfenen im Geltungsbereich des Pa-
tentgesetzes, die durch das Ausschließlichkeitsrecht in ihrer gewerblichen Tä-
tigkeit möglicherweise beschränkt werden. Sie müssen von diesen möglichen
Beschränkungen Kenntnis nehmen können. Dies ist ohne Zwischenschaltung
eines Übersetzers aber bei fremdsprachigen Unterlagen im allgemeinen nicht
gewährleistet. Die Einführung der Befugnis nach § 4a GebrMG, Anmeldungen
mit fremdsprachigen statt wie bisher ausschließlich mit Unterlagen in deutscher
Sprache einzureichen, sollte ausländischen Anmeldern die Nachanmeldung ei-
ner Erfindung während der Prioritätsfrist erleichtern (vgl Gesetzesbegründung,
BlPMZ 1998, 393, 408, 403). Das zugleich vorgesehene Erfordernis der befri-
steten Einreichung einer Übersetzung belegt aber, dass die bisher gegebene
Möglichkeit für die von der Anmeldung betroffener Dritten, Kenntnis von ihrem
Inhalt zu nehmen, nicht verschlechtert werden sollte; der Anmelder, nicht die
von der Anmeldung Betroffenen sollten alsbald für eine Übersetzung sorgen
und damit die Voraussetzung dafür schaffen, dass sie in sprachlicher Hinsicht
allgemein verstanden werden kann.
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Zwar ist die Bezeichnung nur ein Teil der Gesamtoffenbarung der Anmeldung.
In diesem in § 4 Abs 3 Nr 2 GebrMG vorgeschriebenen Anmeldungsteil ist nach
dieser gesetzlichen Bestimmung "der Gegenstand des Gebrauchsmusters kurz
und genau bezeichnet". Als "kurze und genaue" Benennung des unter Schutz
gestellten Gegenstandes kommt ihr aber eine wesentliche Bedeutung nach
dem Regelungszweck des § 4a GebrMG zu, die Allgemeinheit auch bei einer
Anmeldung mit fremdsprachigen Unterlagen über das neue Schutzrecht zu in-
formieren.
Die in der fremdsprachigen Fassung eingereichten Unterlagen einschließlich
der Bezeichnung werden mit der Vorlage der Übersetzung ins Deutsche nicht
bedeutungslos. Vielmehr richtet sich der Offenbarungsgehalt der Anmeldung
- unbeschadet etwaiger Verkürzungen oder Veränderungen, die in der Überset-
zung unterlaufen sein mögen – auch weiterhin nach der ursprünglich einge-
reichten fremdsprachigen Fassung (vgl Gesetzesbegründung, BlPMZ 1998,
393, 408, 403). Mit dieser Gewährleistung, keinen gegenüber der Ursprungsof-
fenbarung verkürzten Schutz zu erlangen, ist dem Anmelderinteresse hinrei-
chend Genüge getan. Dem entspricht es, wenn der Anmelder mit der Anmel-
dung zum Gebrauchsmusterschutz – so wie es auch auf dem amtlichen Form-
blatt vorgedruckt ist – schlechthin den "Antrag auf Eintragung eines Gebrauchs-
musters" stellt, auch wenn er mit der Anmeldung fremdsprachige Unterlagen
einreicht. Wenn er jedoch überdies beantragt, die Eintragung in der fremdspra-
chigen Fassung vorzunehmen, geht er über den der Regelung des § 4a
GebrMG entnehmbaren gesetzlichen Rahmen hinaus. Die von ihm angestrebte
Wiedergabe der fremdsprachigen statt der deutschen Bezeichnung in der Rolle
läuft dem mit dem Rolleneintrag und seiner Bekanntmachung verfolgten Rege-
lungszweck entscheidend zuwider. Die mit der Aufnahme der Bezeichnung in
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den Rolleneintrag zu schaffende Möglichkeit für die Allgemeinheit, durch die
"kurze und genaue" Angabe des Schutzgegenstandes schnelle erste Kenntnis
über den Inhalt des Ausschließlichkeitsrechts zu erlangen, wird bei einer fremd-
sprachigen Fassung regelmäßig vereitelt und muß deshalb als unzulässig an-
gesehen werden.
Das Plattdeutsche genügt dem Regelungszweck des § 4a GebrMG nicht. Es ist
- unabhängig davon, ob man es als Mundart oder als eigene Sprache einord-
net - dem Hochdeutschen nicht so ähnlich, daß es für den nur des Hochdeut-
schen Mächtigen ohne weiteres in allen Einzelheiten zu verstehen ist; dem ent-
spricht, daß selbst die Anmelderinnen zunächst eine fehlerhafte Übersetzung
der Unterlagen vorgelegt haben und sie sodann durch eine andere Fassung er-
setzt haben.
In beiden Übersetzungstexten lautet zwar die Bezeichnung übereinstimmend
"Liegeunterlage". Das ihr zugrunde liegende plattdeutsche "Läägeünnerloage"
ist aber so weit von dem hochdeutschen Wort entfernt, daß es sich dem Leser,
der mit dem Plattdeutschen nicht vertraut ist, in seiner Bedeutung nicht zuver-
lässig erschließt. Wie zu entscheiden wäre, wenn als Bezeichnung ein oder
mehrere plattdeutsche Wörter gewählt sind, die zufällig dem Hochdeutschen im
wesentlichen entsprechen, kann dahinstehen. Die vorliegende Bezeichnung ist
jedenfalls nicht hinreichend verständlich.
Auf die Frage, ob jedermann die Gebrauchsmusterunterlagen in ihrer techni-
schen Bedeutung versteht, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an. Denn
die Bestimmungen über die Benutzung der deutschen Sprache sollen lediglich
sprachliche Probleme so gering wie möglich halten; das technische Verständnis
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des Lesers von Gebrauchsmusterunterlagen beeinflussen sie nur insoweit, als
es durch fremdsprachige Texte nicht erschwert werden soll.
Ebenso können markenrechtliche Entscheidungen, in denen plattdeutsche Be-
zeichnungen von der Eintragung als Marke zurückgewiesen wurden, nicht zu ei-
ner anderen Beurteilung führen. Denn eine Bezeichnung ist schon dann als be-
schreibende Angabe von der Eintragung als Marke ausgeschlossen, wenn rele-
vante Teile der inländischen Verkehrskreise deren Bedeutung verstehen, mö-
gen diese auch nur in einzelnen Regionen Deutschlands beheimatet sein. Da-
gegen sollen die Eintragungen in der Gebrauchsmusterrolle aus sprachlicher
Sicht für alle deutschsprachigen Interessenten verständlich sein.
Weiter hat auch die Frage, ob und wie ein mehr oder weniger fehlerhaft ge-
schriebenes Wort in einem Schriftsatz durch das angerufene Gericht auszule-
gen ist, keine Bedeutung dafür, ob in die Gebrauchsmusterrolle ein Schutzrecht
unter einer für einen Großteil der deutschsprachigen Interessierten unverständ-
lichen, da fremdsprachigen Bezeichnung einzutragen ist.
3. Die von den Anmelderinnen zitierte Europäische Charta der Regional- oder
Minderheitensprachen (BGBl 1998 Teil II, s. 1315) steht dieser Bewertung des
Plattdeutschen als einer iSd § 4a GebrMG "fremden" Sprache nicht entgegen.
Der Charta ist zu entnehmen, daß es sich bei Plattdeutsch (Niederdeutsch)
nicht um eine Mundart des (Hoch-)Deutschen handelt, sondern um eine eigene
Sprache. Denn Niederdeutsch ist in den zur vorgenannten Charta ergangenen
Erklärungen der Bundesrepublik Deutschland vom 23. und 26. Januar 1998
(BGBl 1998 Teil II, S. 1334, 1336) als Regionalsprache bezeichnet, und ein Dia-
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lekt der Amtssprache kann gemäß Teil I Artikel 1 Buchstabe a der Charta aus-
drücklich nicht Regional- oder Minderheitensprache im Sinne der Charta sein.
4. Die Europäische Charta der Regional- oder Minderheitensprachen gibt auch
keine Veranlassung, angesichts der gebotenen Bewertung des Plattdeutschen
als einer iSd § 4a GebrMG "fremden" Sprache von der gebrauchsmusterrechtli-
chen Regelung für die Eintragungssprache ausnahmsweise abzuweichen und
die Eintragung mit der plattdeutschen – wenngleich fremdsprachigen – Bezeich-
nung zuzulassen. Die Charta verpflichtet die Bundesrepublik Deutschland,
Teil II der Charta auf alle im deutschen Hoheitsgebiet gebrauchten Regional-
oder Minderheitensprachen im Sinne von Artikel 1 der Charta anzuwenden und
ferner aus Teil III der Charta für jede von Deutschland als Regional- oder Min-
derheitensprache bezeichnete Sprache eine Mindestzahl von Regelungen an-
zuwenden. Die Bundesrepublik Deutschland hat als Regionalsprache durch Er-
klärung vom 23. Januar 1998 das Niederdeutsche für Bremen, Hamburg,
Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein benannt
und gleichzeitig die anzuwendenden Vorschriften aus Teil III angegeben. In
Brandenburg, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt wurde Niederdeutsch
gemäß Teil II geschützt; hierzu wurde mit Erklärung vom 26. Januar 1998 aus-
geführt, welche Bestimmungen aus dem Teil III Anwendung finden, wobei die
Ausgestaltung im einzelnen durch rechtliche Regelungen des Bundes oder des
jeweils zuständigen Landes erfolge. Daß es sich bei dem Plattdeutschen um
das in den vorgenannten Erklärungen so bezeichnete Niederdeutsch handelt,
ist nicht streitig. Die anzuwendenden Schutzbestimmungen sind für Gebrauchs-
musteranmeldungen nicht einschlägig, soweit es um den Eintragungsinhalt in
die Rolle geht.
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Der Geltungsbereich eines Gebrauchsmusters wie auch die Zuständigkeit des
Deutschen Patent- und Markenamtes und des Bundespatentgerichts erstrecken
sich auf das Gesamtgebiet der Bundesrepublik Deutschland und nicht nur auf
die in den Erklärungen vom 23. und 26. Januar 1998 genannten Regionen.
Keine der Vorschriften der Charta oder der dazu ergangenen Erklärungen ge-
bietet eine Zulassung von Eintragungen und Bekanntmachungen von Ge-
brauchsmustern in plattdeutscher (niederdeutscher) Sprache. Hierbei kann da-
hinstehen, ob eine solche Vorschrift direkt anwendbar wäre. Die Verweisungen
in Art. 9 und 10 der Charta auf Gerichts- bzw. Verwaltungsbezirke sowie Gebie-
te, in denen die Regionalsprache gebraucht wird, sind entgegen der Ansicht der
Anmelderinnen nicht in dem erweiternden Sinne zu verstehen, daß in den Fäl-
len, in denen in Deutschland ein Regionalsprachengebiet ausgewiesen ist,
Bundesbehörden bzw. –gerichte in der betreffenden Sprache mit jedem, der sie
gebraucht, die in den Erklärungen genannten Handlungen in der jeweiligen
Sprache zulassen müssen. Dann wäre es nämlich unnötig, daß die Erklärungen
zur Charta für Regionalsprachen entsprechende Regionen angeben, in denen
die jeweilige Sprache als Regionalsprache anerkannt ist. Auszugehen ist viel-
mehr von einer Anwendung wie in Deutschland bezüglich der sorbischen Spra-
che, die im angestammten Gebiet der Sorben (um Cottbus und Bautzen) auch
vor Gericht gesprochen werden darf, während auch für Sorben in anderen Ge-
richtsbezirken die Gerichtssprache hochdeutsch ist (vgl Wolf aaO).
Die Charta will nach Art 7 Abs 1 lit d den Gebrauch des Plattdeutschen als eine
Regionalsprache in Wort und Schrift im öffentlichen Leben erleichtern und zu ei-
nem solchen Gebrauch ermutigen; allerdings soll sich dies nicht nachteilig auf
das Hochdeutsche als der Amtssprache auswirken (vgl Präambel, Abs 6). Mit
der Zulassung der Einreichung von Anmeldungsunterlagen in Plattdeutsch wird
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dem genannten Ziel der Charta Rechnung getragen, unbeschadet des Umstan-
des, daß es sich bei einer solchen Anmeldung nicht um den Fall einer Nachan-
meldung handelt, auf den die Gesetzesbegründung zu § 4a GebrMG (aaO) zur
Rechtfertigung dieser Bestimmung Bezug nimmt. Dem Schutzzweck der Charta
wird hinreichend entsprochen, wenn für das Gebrauchsmuster die Unterlagen in
Plattdeutsch Aktenbestandteil sind und damit Grundlage für die Durchsetzung
des Schutzrechts und seine Abwehr in dem Gebiet der Regionalsprache auf
plattdeutsch sein können.
5. Mit der hilfsweise beantragten Eintragung das Gebrauchsmuster sowohl in der
plattdeutschen wie in der hochdeutschen Fassung wäre der aus § 4a GebrMG
abzuleitenden Eintragungsregel gleichfalls nicht Genüge getan.
Allerdings ist nicht ersichtlich, daß mit einer solchen doppelten Angabe ins Ge-
wicht fallende Mehrkosten bei dem Vollzug der Eintragung und der nachfol-
genden Bekanntmachung der Eintragung verbunden wären, so daß sich hier-
aus die Unzulässigkeit nahelegen würde. Zwar umfaßt die Bezeichnung bei
Gebrauchsmustern, anders als im vorliegenden Fall, häufig mehrere Wörter und
erstreckt sich gelegentlich auch über mehrere Zeilen. Da die Eintragung und
ihre Bekanntmachung aber bei der inhaltlichen Wiedergabe des Gebrauchsmu-
sters nicht über die wörtliche Wiedergabe der Bezeichnung hinausgehen, kann
der insoweit entstehende Mehraufwand beim Patentamt allenfalls geringfügig
sein.
Bei Veröffentlichung und Bekanntmachung sowohl der hochdeutschen wie auch
der plattdeutschen Bezeichnung wäre jedoch für weite Teile der am Rollenstand
Interessierten nicht erkennbar, daß es sich bei dem plattdeutschen Zusatz um
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eine Übersetzung der hochdeutschen Bezeichnung und nicht um eine weitere,
allerdings unverständliche Bestimmungsangabe handelt. Die Folge wäre, daß
eine solche Veröffentlichung und Bekanntmachung Verwirrung stiften könnte.
Dies steht aber gerade dem Sinn und Zweck der Bezeichnung nach § 4 Abs 3
Nr 2 GebrMG entgegen, den Gegenstand des Gebrauchsmusters für jeder-
mann verständlich kurz und genau zu benennen.
6. Da die Rechtsfrage, ob eine Eintragung und Bekanntmachung eines Ge-
brauchsmusters mit einer Bezeichnung in einer anderen als der hochdeutschen
Sprache - allein oder neben der hochdeutschen Fassung - in Betracht kommt,
von grundsätzlicher Bedeutung ist, hat der Senat die Rechtsbeschwerde zuge-
lassen (§ 18 Abs. 1 und 5 GebrMG iVm § 100 Abs. 2 Nr 1 PatG).
Goebel Dr.
Huber
Friehe-Wich
Ko