Urteil des BPatG vom 16.07.2002

BPatG: pilot, beschreibende angabe, beratung, internet, verkehr, wegweiser, unterscheidungskraft, begriff, wortmarke, wörterbuch

BUNDESPATENTGERICHT
33 W (pat) 278/01
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Beschwerdesache
betreffend die Markenanmeldung 300 48 697.9
hat der 33. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der
Sitzung vom 16. Juli 2002 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Winkler,
des Richters v. Zglinitzki und der Richterin Dr. Hock
BPatG 152
10.99
- 2 -
beschlossen:
1. Auf die Beschwerde der Anmelderin wird der Beschluß der Mar-
kenstelle für Klasse 36 des Patentamts vom 20. August 2001
aufgehoben, soweit die Anmeldung hinsichtlich der Dienst-
leistungen
„betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung, Per-
sonalmanagementberatung, Beratung in Fragen der Geschäfts-
führung; Erstellen von Geschäftsgutachten; Marketing, Markt-
forschung; Meinungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Herausga-
be von Statistiken; Personal-/Stellenvermittlung, Personalan-
werbung; Vermarktung und Vermietung von Werbezeiten und
Werbeflächen im Internet“
zurückgewiesen worden ist.
2. Im übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.
G r ü n d e
I
Beim Deutschen Patent- und Markenamt ist am 30. Juni 2000 die Wortmarke
„portfoliopilot“
für folgende Dienstleistungen zur Eintragung in das Register angemeldet
worden:
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Klasse 35:
betriebswirtschaftliche Beratung, Organisationsberatung, Personal-
managementberatung, Beratung in Fragen der Geschäftsführung;
Erstellen von Geschäftsgutachten; Marketing, Marktforschung; Mei-
nungsforschung; Öffentlichkeitsarbeit; Herausgabe von Statistiken;
Personal-/Stellenvermittlung, Personalanwerbung; Vermarktung
und Vermietung von Werbezeiten und Werbeflächen im Internet.
Klasse 36:
Versicherungswesen, Versicherungsberatung, Vermittlung von Ver-
sicherungen, voranstehende Dienstleistungen insbesondere in Be-
zug auf Krankenversicherungen; Finanzdienstleistungen, finanzielle
Beratung, Beratung in Sachen Sparen und Geldanlagen, Investiti-
onsberatung; Finanzanalysen, Vermittlung von Vermögensanlagen,
insbesondere in Fonds; Investmentgeschäfte; Vermögensmanage-
ment für Dritte; Beratung beim Immobilienerwerb, Immobilienver-
mögenskonzepte für Dritte.
Klasse 42:
Verarbeitung von Daten für Dritte; Entwicklung, Erstellung, Verbes-
serung und Aktualisierung von Programmen für die Text- und Da-
tenverarbeitung und zur Prozeßsteuerung; technische und Anwen-
dungsberatung in Bezug auf Computer und Datenverarbeitungspro-
gramme; Internet-Dienste, nämlich Bereitstellen, Aufbereiten und
Anbieten von Informationen über das Medium Internet, Betreiben
und Anbieten von Interaktivitätsmodulen im Internet; Dienstleistun-
gen eines Internet-Service-Providers, nämlich Erstellen von Pro-
grammen zur Lösung branchenspezifischer Probleme im Internet,
Gestaltung und Design von Web-Sites.
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Die Markenstelle für Klasse 36 hat die Anmeldung mit Beschluß vom 20. Au-
gust 2001 gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG zurückgewiesen. Sie hat aus-
geführt, daß die angemeldete Wortkombination in Bezug auf die beanspruchten
Dienstleistungen besage, daß diese unter Zuhilfenahme einer Person oder eines
Gerätes durchgeführt würden, die/das auf besonders zielgerichtete Weise in ei-
nem Portfolio nach den von Kunden ausgewählten, vorher bestimmten Kriterien
unter einer Vielzahl angebotener in einer Zusammenstellung befindlichen Produk-
te, Werte oder Personen ein(-e, -en) bestimmte(-s, -n) auswählt, der/die/das diese
Kriterien erfüllt.
Gegen diese Entscheidung hat die Anmelderin Beschwerde eingelegt.
Sie beantragt,
den angefochtenen Beschluß der Markenstelle aufzuheben und
regt andernfalls die Zulassung der Rechtsbeschwerde an.
Sie räumt zwar ein, daß der Begriff „Portfolio“ im Zusammenhang mit Finanz-
dienstleistungen beschreibend sei, dies gelte aber nicht in der Zusammensetzung
mit dem Wort „Pilot“. Sie, die Anmelderin, verfüge im übrigen über zahlreiche deut-
sche und europäische Markeneintragungen mit dem Bestandteil „pilot“. Das Har-
monisierungsamt in Alicante habe die Eintragung der streitgegenständlichen Mar-
ke zugelassen. Falls der Senat die Schutzfähigkeit der angemeldeten Marke ver-
neine, müsse im Hinblick darauf die Rechtsbeschwerde zugelassen werden.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II
Die Beschwerde ist teilweise begründet. Der Senat hält die angemeldete Marke
„portfoliopilot“ entgegen der Beurteilung der Markenstelle des Patentamts
hinsichtlich der im Tenor zu Ziff. 1 genannten Dienstleistungen für unterschei-
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dungskräftig und für nicht freihaltungsbedürftig, so daß der Anmeldung insoweit
keine Schutzhindernisse gemäß § 8 Abs 2 Nr 1 und Nr 2 MarkenG entgegenste-
hen. Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen hat die Markenstelle des Patent-
amts die Anmeldung dagegen im Ergebnis zu Recht gemäß § 37 Abs 1 MarkenG
zurückgewiesen, da insoweit jedenfalls die Unterscheidungskraft verneint werden
muß.
1. Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft als der einer Marke innewohnen-
den konkreten Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die von der
Marke erfaßten Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer
Unternehmen aufgefaßt zu werden, ist grundsätzlich ein großzügiger Maßstab an-
zulegen, dh jede auch noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um die-
ses Schutzhindernis zu überwinden (stRspr vgl BGH MarkenR 2000, 48 - Radio
von hier; MarkenR 2000, 50 - Partner with the Best). Dies gilt insbesondere des-
halb, weil der Verkehr ein als Marke verwendetes Zeichen in aller Regel so auf-
nimmt, wie es ihm entgegentritt und er es keiner analysierenden Betrachtungswei-
se unterzieht. Kann demnach einer Wortmarke kein für die beanspruchten Dienst-
leistungen im Vordergrund stehender beschreibender Begriffsinhalt zugeordnet
werden und handelt es sich auch sonst nicht um einen gebräuchlichen Ausdruck
der deutschen Sprache, der vom Verkehr stets nur als solcher und nicht als Unter-
scheidungsmittel verstanden wird, so gibt es keinen tatsächlichen Anhalt dafür,
daß einem als Marke verwendeten Wortzeichen die Unterscheidungseignung und
damit jegliche Unterscheidungskraft fehlt (BGH aaO - Partner with the Best; BGH
GRUR 1999, 1089 - YES, BGH GRUR 1999, 1093 - FOR YOU m.w.N.).
Das angemeldete Zeichen setzt sich aus den Begriffen „portfolio“ und „pilot“ zu-
sammen. Unter dem mittlerweile eingedeutschten, aus dem Englischen stammen-
den Begriff „portfolio“ versteht man den Bestand von Wertpapieren eines Anle-
gers, eines Unternehmens oder einer Bank (vgl z.B. Hamblock, Großwörterbuch
Wirtschafts-Englisch, 1995, Seite 1046; Schäfer Wirtschaftswörterbuch, 1992,
S 568).
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Als „Pilot“ wurde nach der ursprünglichen Wortbedeutung jemand bezeichnet, der
aufgrund einer bestimmten Ausbildung ein Flugzeug oder ein Auto (im Rahmen
des Motorradsportes) steuert (DUDEN, Das große Wörterbuch der deutschen
Sprache, 1999, S 2930). In der technischen Fachliteratur wird der Begriff „Pilot“
(auch) mit einem „Steuergerät“ gleichgesetzt (s. auch 24 W (pat) 48/95 - CNC-Pi-
lot; 24 W (pat) 73/96 - MULTI-PILOT), im übrigen wird der Ausdruck begriffserwei-
ternd für einen „Führer“ oder auch „Wegweiser“ verwendet (s. auch 30 W (pat)
225/95 - GRAPHIC-PILOT). Das sprachüblich gebildete Gesamtzeichen (vgl z.B.
„Autopilot“, „Bruchpilot“ oder „Testpilot“ - Muthmann, Rückläufiges deutsches Wör-
terbuch, 1988) bringt damit, wie die Markenstelle zutreffend ausgeführt hat, zum
Ausdruck, daß es sich um einen Wegweiser im Zusammenhang mit einem Wert-
papierbestand handelt.
Dies führt zu einem beschreibenden Begriffsinhalt des Zeichens für einen Teil der
angemeldeten Dienstleistungen. Hinsichtlich der beanspruchten Finanzdienstlei-
stungen der Klasse 36 werden die angesprochenen Verkehrskreise, hier auch das
allgemeine Publikum, das angemeldete Gesamtzeichen dahingehend verstehen,
daß die Anbieterin bei der Auswahl entsprechender Vermögensanlagen oder auch
Versicherungen behilflich ist, insbesondere mittels speziell programmierter elektro-
nischer Aktien- und Fondssuchmaschinen (vgl. FAZ v. 30.11.2001 S. 32). Im Zu-
sammenhang mit den Dienstleistungen der Klasse 42 bringt die angemeldete Mar-
ke zum Ausdruck, daß es sich um einen Wegweiser, eine Suchmaschine zur Aus-
wahl von Wertpapieren und zur Zusammenstellung eines Portofolios handelt.
Die Anmelderin kann sich zur Frage der Schutzfähigkeit hinsichtlich dieser Dienst-
leistungen auch nicht auf eingetragene Drittzeichen berufen. Selbst eine Reihe
von Eintragungen gleicher oder ähnlicher Marken kann nicht zu einer Selbstbin-
dung des Patentamts führen und ist erst Recht für das Bundespatentgericht unver-
bindlich (BGH GRUR 1989, 420 - K-SÜD). Diese Grundsätze gelten auch für ent-
sprechende Entscheidungen ausländischer Behörden. Ausländische Voreintragun-
gen haben allenfalls eine Indizwirkung (BGH GRUR 1999, 988, 989 f. - HOUSE
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OF BLUES). Diese kann sich jedoch schon begrifflich nur auf die Eintragung
fremdsprachiger Wortmarken in einem Land des entsprechenden Sprachraums
beziehen, ist jedoch um so geringer, je gebräuchlicher - wie hier die Wörter "Por-
tofolio" und "Pilot" - der entsprechende fremdsprachige Ausdruck im Inland ist.
Hinsichtlich der Dienstleistungen im Umfang der Stattgabe läßt sich eine sachliche
Aussage nicht oder nicht ausreichend erkennen. Der Begriff „portfoliopilot“ bleibt
diesbezüglich noch weitgehend mehrdeutig und interpretationsbedürftig. Es bedarf
mehrerer analysierender Zwischenschritte, um die angemeldete Marke dahinge-
hend zu interpretieren, daß auch die Dienstleistungen der Klasse 35, betriebswirt-
schaftliche Beratungsdienstleitungen sowie Dienstleistungen im Bereich der Wer-
bung und der Personalberatung, mit einem Wegweiser bezüglich der Zusammen-
setzung eines Portfolios in Zusammenhang stehen.
2. Nach § 8 Abs 2 Nr 2 MarkenG sind von der Eintragung weiter solche Marken
ausgeschlossen, die ausschließlich aus Angaben bestehen, die im Verkehr u.a.
zur Bezeichnung der Art, der Beschaffenheit, der Bestimmung oder der Bezeich-
nung sonstiger Merkmale der in Frage stehenden Dienstleistungen dienen kön-
nen. Dabei ist davon auszugehen, daß ein Eintragungshindernis auch dann be-
steht, wenn eine solche Benutzung als Sachangabe bisher noch nicht erfolgt ist,
eine solche jedoch nach den Umständen erfolgen wird (vgl BGH GRUR 1995,
408, 409 - PROTECH).
Zu diesen Angaben oder Umständen gehört die angemeldete Wortmarke „port-
foliopilot“ im Umfang der Aufhebung des Beschlusses der Markenstelle nicht. Eine
Verwendung dieser Bezeichnung als beschreibende Angabe im Zusammenhang
mit diesen Dienstleistungen ist derzeit nicht nachweisbar. Von einem auf gegen-
wärtiger Benutzung als Sachangabe beruhenden Freihaltungsbedürfnis kann des-
halb nicht ausgegangen werden. Ebensowenig liegen hinreichende Anhaltspunkte
dafür vor, daß im Zusammenhang mit diesen Dienstleistungen eine Verwendung
der angemeldeten Bezeichnung als Sachangabe in Zukunft erfolgen wird.
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Hinsichtlich der übrigen Dienstleistungen neigt der Senat zur Annahme eines Frei-
haltungsbedürfnisses, was hier jedoch keiner abschließenden Beurteilung mehr
bedarf.
3. Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 83 Abs 2 Nr 1 MarkenG nicht
zugelassen, weil insbesondere nicht die Sicherung einer einheitlichen Rechtspre-
chung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordert. Die Frage, inwieweit
von Voreintragungen gleicher oder ähnlicher Marken eine Indizwirkung ausgeht,
ist bereits höchstrichterlich entschieden.
Winkler
v. Zglinitzki
Dr. Hock
Ko