Urteil des BPatG vom 08.07.2010

BPatG: einspruch, patentinhaber, widerruf, miterfinder, ausnahme, erlöschen, beitrag, mehrheit, rechtsschutzinteresse, zukunft

BPatG 152
08.05
BUNDESPATENTGERICHT
21 W (pat) 328/06
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(Aktenzeichen)
B E S C H L U S S
In der Einspruchssache
gegen das Patent DE 10 2004 011 012
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hat der 21. Senat (Technischer Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts am
8. Juli 2010 unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters Dipl.-Phys. Dr. Winterfeldt
sowie der Richter Baumgärtner, Dipl.-Phys. Dr. Müller und Dipl.-Ing. Veit
beschlossen:
Das Einspruchsverfahren ist in der Hauptsache erledigt.
G r ü n d e
I.
Gegen das Patent DE 10 2004 011 012 mit der Bezeichnung "Chirurgisches Kral-
lenschneidwerkzeug", dessen Erteilung am 9. März 2006 veröffentlicht worden ist,
hat der Einsprechende am 3. Juni 2006 Einspruch erhoben, den er auf den Wider-
rufsgrund der widerrechtlichen Entnahme gestützt hat. Zur Begründung trägt er
vor, er habe wesentliche Inhalte des Streitpatents entwickelt, die er dem Patentin-
haber im Vertrauen auf eine vertragliche Vereinbarung, die u. a. seine Benennung
als Miterfinder zum Gegenstand gehabt habe, offenbart habe. Nachdem er auf der
Patentschrift jedoch nicht als Miterfinder genannt worden sei, müsse er davon
ausgehen, dass der Patentinhaber die Erfindung widerrechtlich als alleiniger Erfin-
der angemeldet habe.
Der Einsprechende hat sinngemäß beantragt, das Patent DE 10 2004 011 012 zu
widerrufen, während der Patentinhaber der Auffassung war, der Einspruch sei als
unzulässig zu verwerfen jedenfalls aber sei das Patent in vollem Umfang aufrecht
zu erhalten.
Der Patentinhaber trägt vor, dass der Einsprechende für sich eine Miterfinder-
schaft, d. h. eine Mitberechtigung an dem Streitpatent beanspruche. Daher kom-
me ein Einspruch wegen widerrechtlicher Entnahme nicht in Betracht. Im Übrigen
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sei das Patent von dem berechtigten Patentbesitzer angemeldet und diesem auch
erteilt worden.
Das Streitpatent ist mittlerweile wegen Nichtzahlung der Jahresgebühr für das
fünfte Patentjahr erloschen. Der Einsprechende hat auf die Aufforderung des Se-
natsrechtspflegers vom 20. November 2009, innerhalb von 4 Wochen ein Rechts-
schutzbedürfnis für den rückwirkenden Widerruf des Patents geltend zu machen,
nicht geantwortet.
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf den Inhalt der Akte verwiesen.
II.
1.
laufen begonnen hat und der Einspruch vor dem 1. Juli 2006 eingelegt worden ist,
ist das Bundespatentgericht für die Entscheidung gemäß § 147 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
PatG in der bis einschließlich 30. Juni 2006 gültigen Fassung weiterhin zuständig
(vgl. BGH GRUR 2007, 862 ff. - Informationsübermittlungsverfahren II; BPatG
GRUR 2007, 449 f. - Rundsteckverbinder). Dies gilt auch für die Frage der Zuläs-
sigkeit des Einspruchs (vgl. BPatGE 46, 247 ff.).
2.
Abs. 1 Nr. 3 PatG seit 1. Oktober 2009 mit Wirkung für die Zukunft erloschen. Da-
mit ist das Einspruchsverfahren erledigt.
2.1.
spruchsverfahrens festgestellt werden kann, kann hier offen bleiben (vgl. Thomas-
Putzo, ZPO, 30. Aufl. 2009, § 91a Rn. 33). Denn entgegen der Auffassung des
Patentinhabers war der Einspruch zulässig. Der Einsprechende hat zum Einen
ausdrücklich den Widerrufsgrund des § 21 Abs. 1 Nr. 3 PatG geltend gemacht und
zum Anderen innerhalb der Einspruchsfrist mit den am 3. und am 7. Juni 2006 ein-
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gegangenen Schriftsätzen den Sachverhalt im Einzelnen dargelegt, durch den er
den Tatbestand der widerrechtlichen Entnahme als gegeben ansieht. Dies ist für
die Zulässigkeit des Einspruchs ausreichend (BGH GRUR 2009, 1098 ff. - Leis-
tungshalbleiterbauelement). Eine Einspruchsbegründung genügt der formellen ge-
setzlichen Anforderung, wenn sie die für die Beurteilung der behaupteten Wider-
rufsgründe maßgeblichen Umstände im Einzelnen so darlegt, dass der Patentin-
haber und das Patentamt oder das Bundespatentgericht daraus abschließende
Folgerungen für das Vorliegen oder Nichtvorliegen des geltend gemachten Wider-
rufsgrunds ziehen können (BGH GRUR 1993, 651 ff. - Tetraploide Kamille). Der
Vortrag muss erkennen lassen, dass ein bestimmter Tatbestand behauptet wer-
den soll, der auf seine Richtigkeit nachgeprüft werden kann (BGH GRUR 1997,
740 - Tabakdose). Da der Einspruch nur auf die Behauptung gestützt werden
kann, einer der in § 21 PatG genannten Widerrufsgründe liege vor, muss die über-
prüfbare Tatsachenangabe sich außerdem auf den geltend gemachten Widerrufs-
grund beziehen (BGHZ 100, 243, 246 - Streichgarn). Diese Voraussetzungen sind
vorliegend erfüllt.
Die vom Patentinhaber zitierte Entscheidung BPatGE 47, 28 ff. – Mehrheit von Er-
findungsbesitzern, betrifft einen anderen Sachverhalt und ist daher hier nicht ein-
schlägig.
Ob die vom Einsprechenden vorgetragenen Tatsachen den Widerruf auch tatsäch-
lich rechtfertigen, ist keine Frage der an die Einspruchsschrift zu stellenden förmli-
chen Anforderungen mehr, sondern eine solche der Begründetheit BGH a. a. O.
- Leistungshalbleiterbauelement).
2.2.
gestützt ist, der nur vom Verletzten geltend gemacht werden kann, und trotz des-
sen grundsätzlich bestehenden Nachanmelderechts führt das Erlöschen des Pa-
tents im vorliegenden Fall zur Erledigung des Einspruchsverfahrens.
- 5 -
2.2.1.
tents kein weiteres rechtliches Interesse für einen Widerruf für die Restlaufzeit, da
insoweit das mit dem Einspruch angestrebte Ziel erreicht ist.
2.2.2.
Nachanmelderechts des § 7 Abs. 2 PatG stets ein Rechtsschutzbedürfnis für ei-
nen rückwirkenden Widerruf, da – mit Ausnahme eines hier nicht gegebenen Ver-
zichts – nur ein solcher Widerruf die Möglichkeit einer prioritätserhaltenden Nach-
anmeldung eröffnet. Es ist daher im Allgemeinen nie erforderlich, dass bei einem
auf widerrechtliche Entnahme gestützten Einspruch nach Erlöschen des Patents
wie im vorliegenden Fall ein solches Rechtsschutzinteresse ausdrücklich geltend
gemacht wird.
Hiervon besteht nach Auffassung des erkennenden Senats allerdings dann eine
Ausnahme, wenn durch die Fortsetzung des Einspruchsverfahrens das Ziel des
Widerrufs aufgrund des eigenen Sachvortrags des Einsprechenden nicht erreicht
werden kann, da dann auch die Möglichkeit einer Nachanmeldung nach § 7 Abs. 2
PatG nicht besteht.
Der Einsprechende macht vorliegend nicht geltend, er sei der alleinige Erfinder
des chirurgischen Schneidwerkzeugs gewesen. Vielmehr räumt er einen eigenen
Beitrag des Anmelders und Patentinhabers und damit ein, dass dieser Miterfinder
ist. Daher ist der Einsprechende kein "anderer" im Sinne des § 21 Abs. 1 Nr. 3
PatG. Bei dieser Sachlage scheidet ein Widerruf des Patents aus (vgl. Benkard,
PatG, 10. Aufl. 2006, Rn. 21 zu § 21; Busse, PatG, 6. Aufl. 2003, Rn. 51 zu § 21,
je m. w. N.).
Auf die vom Patentinhaber behauptete Alleinberechtigung kommt es für die hier al-
lein relevante Frage, ob der Einsprechende einen Widerruf des Streitpatents errei-
chen könnte nicht an.
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3.
erkennenden Senats im Beschlusswege auszusprechen ist (BPatGE 51, 128 ff.
- Radauswuchtmaschine).
Dr. Winterfeldt
Baumgärtner
Dr. Müller
Veit